OGH 10Ob25/13v

OGH10Ob25/13v23.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, Rainergasse 31/8, 1040 Wien, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 15.400 EUR sA (Revisionsinteresse: 12.320 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2013, GZ 2 R 143/12g-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Mai 2012, GZ 55 Cg 191/11s-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 838,44 EUR (darin enthalten 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu den - auch in zahlreichen Parallelverfahren bedeutsamen - Rechtsfragen vorliege, ob 1. Ausschüttungen, die geschädigte AMIS-Anleger in Zukunft aus der SICAV-Liquidationsmasse zu erwarten haben, bereits jetzt die Haftung der Beklagten gegenüber diesen Anlegern reduzieren und ob 2. die Beklagte geschädigte Anleger in analoger Anwendung von § 16 Abs 2 EKHG und § 156 Abs 3 VersVG bloß quotenmäßig zu befriedigen hat, wenn das gemäß § 76 Abs 6 WAG 2007 gebildete Treuhandvermögen zur vollständigen Erfüllung sämtlicher Ansprüche nicht ausreicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Auch die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels damit, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, ob zukünftige Ausschüttungen aus dem luxemburgischen SICAV-Fonds die Haftung der Beklagten reduzieren, und ob sie die geschädigten AMIS-Anleger im Fall der Unzulänglichkeit des dafür zur Verfügung stehenden Treuhandvermögens in Analogie zu § 16 Abs 2 EKHG und § 156 Abs 3 VersVG nur quotenmäßig zu befriedigen habe, fehle.

2. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zwischenzeitig geklärt wurde (7 Ob 196/12t; RIS-Justiz RS0112921 [T5]; 10 ObS 35/13i). Dies ist hier der Fall.

3. Nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmung des § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden (10 Ob 59/12t).

4. Zur von der Beklagten wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds begehrten kridamäßigen Verteilung des Treuhandvermögens hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile bereits mehrfach ausgesprochen, dass dafür eine gesetzliche Grundlage fehlt (ausführlich 2 Ob 171/12t; jüngst auch 1 Ob 21/13i). Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der Beklagten das Prioritätsprinzip, weshalb ihrem Einwand, es habe zu einer kridamäßigen Verteilung wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds zu kommen, nicht zu folgen ist (10 Ob 59/12t).

5. Zur weiteren Frage, ob jene Beträge, die in den luxemburgischen Fonds noch zugunsten der geschädigten Anleger vorhanden sind, den Schaden des Klägers und damit auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten mindern, hat der Oberste Gerichtshof inzwischen ebenfalls mehrfach, insbesondere in 2 Ob 171/12d ausführlich, Stellung genommen (vgl 1 Ob 21/13i; 1 Ob 31/13k; 4 Ob 182/12m; 4 Ob 243/12g). Dabei gelangte er unter Berücksichtigung der Zielrichtung der einschlägigen EU-Richtlinie sowie der entsprechenden Bestimmungen des WAG 1996 zur Auffassung, dass auch in Fällen wie den vorliegenden die Beklagte den Anleger nach Anmeldung und Prüfung seiner Entschädigungsforderung ohne Berücksichtigung allfälliger künftiger Quotenzahlungen im Rahmen der Liquidation der luxemburgischen Fonds rasch zu entschädigen hat (vgl RIS-Justiz RS0126147 [T6]). Wie der erkennende Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, sind daher zukünftige weitere Auszahlungen aus der Liquidation dieser Fonds ohne Bedeutung (10 Ob 59/12t).

6. Da die Entscheidung des Berufungsgerichts in den angesprochenen Rechtsfragen im Einklang mit der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht, ist das Rechtsmittel der Beklagten mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

6.1. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen.

Stichworte