OGH 1Ob129/13x

OGH1Ob129/13x18.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** F*****, vertreten durch Dr. Ulrich Frysak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. I***** F*****, vertreten durch Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2013, GZ 44 R 212/13x‑227, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Dezember 2012, GZ 3 C 220/04k‑213, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00129.13X.0718.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die am 16. 10. 1978 geschlossene Ehe der Parteien, der zwei bereits volljährige Kinder entstammen, wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 26. 9. 2003 gemäß § 55 Abs 1 und 3 EheG ohne Verschuldensausspruch geschieden. Der Ehescheidungsausspruch blieb unbekämpft und ist seit 31. 10. 2003 rechtskräftig. Das Unterbleiben eines Verschuldensausspruchs bekämpfte die nunmehrige Klägerin (dort: Beklagte) im Instanzenzug. Ihre außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss zu 2 Ob 156/04m zurück. Diese Entscheidung wurde den Parteien am 31. 8./1. 9. 2004 zugestellt, womit die Abweisung des Antrags der Klägerin auf Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Zerrüttungsverschuldens des Beklagten (dort: Kläger) in Rechtskraft erwuchs.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten, speziell gestützt auf § 68a und § 69 Abs 3 EheG, zuletzt monatlichen Unterhalt von 738 EUR vom 1. 11. 2003 bis zum 30. 11. 2004, von 823 EUR vom 1. 12. 2004 bis zum 30. 11. 2006, von 1.007,51 EUR vom 1. 12. 2006 bis zum 30. 11. 2008 und von 1.231,08 EUR seit 1. 12. 2008.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Einem (nach § 55 EheG) geschiedenen Ehegatten kann in bestimmten „Härtefällen“ nach (§ 69b iVm) § 68a Abs 2 EheG ein Unterhaltsanspruch zustehen, wenn ihm aus den dort genannten Gründen nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten. In der von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidung 7 Ob 2/04a (= SZ 2004/56 = ecolex 2005/41, 113 [insofern kritisch Limberg ]; vgl 2 Ob 62/10x) vertrat der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass die (im damaligen Anlassfall) auf dem schlechten Gesundheitszustand der Unterhaltsberechtigten beruhende Unzumutbarkeit zwar ihre Wurzeln in der einvernehmlichen ehebedingten Lebensgestaltung haben müsse, ein Kausalzusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und der Ehe aber nicht erforderlich sei (so in Bezug auf deren Gestaltung Stabentheiner in Rummel ³ § 68a EheG Rz 6 mwN; Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht 6 229; auf die Kausalität der „ehelichen Erwerbsabstinenz“ abstellend Schwimann in Schwimann , ABGB‑TaKomm² § 68a EheG Rz 5; vgl die abweichende Auslegung von Zankl/Mondl in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 68a EheG Rz 27; kritisch auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 68a EheG Rz 14).

Nach dem Vorbringen der Klägerin beruhe der zu ihrer Erwerbsunfähigkeit führende Gesundheitszustand auf ihrer psychischen Erkrankung, die durch die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedingt gewesen sei. Sie sei der Doppelbelastung durch die Berufstätigkeit als Lehrerin und die Kinderbetreuung (körperlich behinderte Tochter; hypermotorischer Sohn) nicht gewachsen gewesen, sodass sie ihren Beruf aufgeben habe müssen und seit 1986 Berufsunfähigkeitspension beziehe. Zwar steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, das die Anwendung des § 68a Abs 2 EheG mit der Begründung verneinte, dass die Ursache für die Unterlassung einer weiteren Berufstätigkeit der Klägerin ab dem Jahr 1986 nicht die einvernehmliche Gestaltung der Ehegemeinschaft gewesen sei, sondern die krankheitsbedingte Berufsunfähigkeit, mit der zitierten Entscheidung nicht im Einklang, jedoch zeigt die Klägerin in der außerordentlichen Revision keine Umstände auf, die im Ergebnis zu einer Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen führen würden.

Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG ist zunächst nach dem konkreten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten auszumitteln (7 Ob 84/06p; 6 Ob 108/08p jeweils mwN; Zankl/Mondl aaO Rz 11; Schwimann/Kolmasch aaO; Koch in KBB³ § 68a Rz 8). Dieser Unterhaltsanspruch hat insbesondere nicht den Zweck, den unterhaltsberechtigten Ehegatten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen. Reicht das Eigeneinkommen des potentiell Unterhaltsberechtigten zur Abdeckung seines konkreten Bedarfs aus, besteht nach § 68a EheG kein Unterhaltsanspruch (1 Ob 165/08h).

Die Klägerin argumentiert zwar mit einem krankheitsbedingten Mehraufwand von monatlich 715 EUR im Jahr 2012, zeigt aber nicht näher auf, dass sie trotz ihrer Nettoeinkünfte nicht selbsterhaltungsfähig wäre. Sie bezog im Zeitraum, für den sie Unterhalt begehrt, eine monatliche Pension von zumindest 1.201 EUR (2004) bis zuletzt 1.419 EUR (2012). Dazu erhielt sie seit September 2004 eine monatliche Wohnbeihilfe (nach dem Wiener Wohnbauförderungs‑ und Wohnhaussanierungsgesetz, LGBl 1989/18) in unterschiedlicher Höhe zwischen etwa 26 EUR und 120 EUR, die sie sich ebenfalls als Eigeneinkommen anzurechnen hat (vgl 1 Ob 200/11k). Seit Dezember 2005 bezieht die Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 in der Höhe zwischen cirka 148 EUR und 154 EUR monatlich, das zwar nicht der Finanzierung des behinderungsbedingten Sachaufwands, jedoch des pflegebedingten Mehraufwands dient (vgl RIS‑Justiz RS0013477 [T5]).

Das Erstgericht traf eingehende Feststellungen zu den Ausgaben der Klägerin im Zeitraum 2003 bis 2012. Selbst diese Aufwendungen erreichen mit Ausnahme des Jahres 2009 nicht die Höhe des Eigeneinkommens der Klägerin. Gegenteiliges legt sie in der Revision nicht dar. Im Jahr 2009 erhielt die Klägerin zwar nach den erstgerichtlichen Feststellungen eine Rechnung (richtig wäre: einen Heilkostenplan) betreffend Zahnkronen und Zahnbrücken über insgesamt 7.650 EUR, wobei nicht feststeht, dass sie diesen Betrag jemals zahlen musste. Sie behauptet selbst nur, dabei handle es sich um einen Kostenvoranschlag, und nicht, dass sie diese Zahnbehandlung überhaupt durchführen habe lassen. Berücksichtigt man weiters, dass der nach § 68a EheG zu ermittelnde Lebensbedarf nicht mit der Summe der individuellen monatlichen Aufwendungen gleichgesetzt werden kann (9 Ob 87/09y), ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie krankheitsbedingt einen erhöhten Bedarf hat, nicht ersichtlich, dass ihr Lebensbedarf im Sinn des § 68a Abs 1 EheG nicht schon durch ihr Eigeneinkommen abgedeckt wäre.

2. Der Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach von Billigkeitsüberlegungen abhängig, in deren Rahmen die Bedürfnisse und Vermögensverhältnisse und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten (und der nach § 71 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Unterhaltsberechtigten) zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0114829). Da der Unterhalt nach Billigkeit zu bemessen ist, hängt die Entscheidung ganz von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nur im Fall einer krassen Fehlbeurteilung vorliegt (6 Ob 212/08g).

Zwar können auch beim nachehelichen Unterhalt krankheitsbedingte Sonderbedarfskosten deckungspflichtig sein (6 Ob 212/08g mwN), jedoch zeigt die Klägerin keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf, das sich eingehend mit den Anspruchsvoraussetzungen des § 69 Abs 3 EheG auseinandersetzte, den krankheitsbedingt erhöhten Sonderbedarf der Klägerin berücksichtigte und vertretbar einen Billigkeitsunterhalt versagte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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