OGH 1Ob165/08h

OGH1Ob165/08h16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea F*****, vertreten durch Burghofer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Christian S*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 9.648 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2008, GZ 42 R 27/08v-59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Juni 2007, GZ 59 C 9/05v-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde im März 2004 rechtskräftig geschieden, wobei das alleinige Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe ausgesprochen wurde. Die Klägerin lebt mit den drei gemeinsamen Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus. Die monatlichen Haushaltsausgaben betragen durchschnittlich rund 1.875 EUR, das „Haushaltseinkommen" (inklusive der Familienbeihilfe und der Unterhaltszahlungen des Beklagten an die Kinder) rund 1.905 EUR. Im Mai 2006 schloss die Klägerin eine neue Ehe.

Sie begehrte unter Berufung auf § 68a EheG für den Zeitraum von März 2004 bis Juni 2006 Unterhalt von 357,33 EUR monatlich vom Beklagten. Angesichts seines Einkommens und ihrer durch die Kinderbetreuung eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten habe der Beklagte zu ihrem Unterhalt beizutragen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die Klägerin könne durch eine Halbtagsbeschäftigung - zusammen mit ihren Mieteinkünften - ein ausreichendes Einkommen erzielen. Durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft ruhe ein allfälliger Unterhaltsanspruch überdies seit Jänner 2005.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von der Annahme, es habe zwischen der Klägerin und ihrem späteren (zweiten) Ehegatten eine Lebensgemeinschaft bestanden, nahm es für den fraglichen Zeitraum das Ruhen eines allfälligen Unterhaltsanspruchs und ein Erlöschen mit dem Zeitpunkt der Wiederverehelichung an.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Angesichts der Feststellungen des Erstgerichts könne von einer der Eheschließung vorangehenden Lebensgemeinschaft nicht ausgegangen werden. Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG sei allerdings nach dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten zu bemessen. Angesichts der konkreten Lebensverhältnisse der Klägerin habe ihr gesamter Lebensaufwand 654 EUR betragen. Dem stehe ein Eigeneinkommen der Klägerin in Höhe von 793 EUR gegenüber, weshalb kein Unterhaltsanspruch gemäß § 68a EheG zustehe. Bei der Ermittlung des Lebensbedarfs sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Wohnkosten auf die Klägerin und ihre drei Kinder zu gleichen Teilen entfielen. Unter Anwendung des § 273 ZPO seien der Klägerin 40 % der Haushaltsausgaben für Lebensmittel, Kleidung und Telefon zuzurechnen. Von den nicht auf die Verpflegung der Kinder entfallenden Kosten der Kindergartenunterbringung und der Nachmittagsbetreuung (300 EUR) sei die Hälfte als Aufwand der Klägerin in Anschlag zu bringen, die durch diese Fremdbetreuung auch einen Teil der ihr obliegenden Betreuungsleistung erbringe. Die ordentliche Revision sei zulässig, da - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Aufteilung von Kosten bestehe, die dem Unterhaltsberechtigten und den mit ihm im gleichen Haushalt wohnenden Kindern gemeinsam anfallen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision erweist sich als unzulässig, weil sie darin nicht aufzeigt, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhinge. Dem Berufungsgericht ist auch keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren wäre.

Wie sich sowohl aus dem Gesetzeswortlaut des § 68a Abs 1 EheG als auch aus dem erkennbaren Gesetzeszweck ergibt, soll auch dem schuldig geschiedenen Ehegatten unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen ausnahmsweise ein Unterhaltsanspruch zustehen; dieser ist allerdings regelmäßig niedriger als ein Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe zu bemessen. Er hat insbesondere nicht den Zweck, den unterhaltsberechtigten Ehegatten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen, sondern soll nur den konkreten „Lebensbedarf" des Unterhaltsberechtigten abdecken. Reicht das Eigeneinkommen des potenziell Unterhaltsberechtigten zur Abdeckung dieses Bedarfs aus, besteht nach § 68a EheG kein Unterhaltsanspruch.

Soweit sich die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang mit dem „in der Exekutionsordnung angegebenen Existenzminimum" auseinandersetzt, übersieht sie, dass damit die Frage des konkreten Bedarfs nicht berührt wird. Hier verfügt die Klägerin etwa über ein in ihrem Eigentum stehendes Wohnhaus, sodass sie nicht mit den üblichen Wohnkosten belastet ist, sondern nur die mit dem Eigentum verbundenen öffentlichen Abgaben sowie die eigentlichen „Gebrauchskosten" zu tragen hat.

Unverständlich ist der Vorwurf der Aktenwidrigkeit in Bezug auf die Annahme eines Arbeitseinkommens von durchschnittlich 343 EUR netto im Monat. Dabei übersieht die Revisionswerberin nicht nur, dass sie die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichts in ihrer Berufung unbekämpft ließ, sondern offenbar auch, dass das Erstgericht bei der Ermittlung des monatlichen Nettoeinkommens von einem 14-maligen Bezug pro Jahr ausgegangen ist. Dass die aus der Vermietung einer Wohnung monatlich erlösten Beträge von 450 EUR zu reduzieren wären, weil darin Umsatzsteuer enthalten sei und die Klägerin auch Betriebskosten zu zahlen habe, wird erstmals in der Revision behauptet, weshalb darauf nicht einzugehen ist. Das Berufungsgericht ist damit in unbedenklicher Weise von einem monatlichen Eigeneinkommen der Klägerin von 793 EUR ausgegangen.

Auch die Ausmittlung der auf die Klägerin entfallenden Anteile an den gemeinschaftlichen Haushaltsausgaben begegnet keinen Bedenken. Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang ausführt, die Feststellungen über die Haushaltsausgaben seien unvollständig, weil die Kosten eines Haushalts nicht ausschließlich aus den Wohnkosten, den Lebensmittelkosten und aus den Schulkosten bestünden, ist dies einerseits deshalb unrichtig, weil die Vorinstanzen etwa auch Kosten für Bekleidung und Telefon berücksichtigt haben. Andererseits wird völlig offen gelassen, welche Ausgaben nach Auffassung der Revisionswerberin weiters zu berücksichtigen wären.

Die Ausführung, es sei „nicht sehr realistisch", dass die Wohnkosten der Klägerin lediglich 144 EUR betragen sollen, lässt unerörtert, welcher Anteil sonst richtig sein sollte und auf welche Weise dieser zu ermitteln wäre. Nach herrschender Rechtsprechung sind von einem Unterhaltspflichtigen mehreren Unterhaltsberechtigten gemeinsam erbrachte Naturalleistungen, etwa die Überlassung einer Wohnung (7 Ob 613/95 ua), in der Regel nach Kopfteilen anzurechnen; wer einen anderen Aufteilungsschlüssel anstrebt, muss die dafür erforderliche Sachgrundlage behaupten und beweisen (RIS-Justiz RS0009509). Liegt nun dieser Judikatur erkennbar die Überlegung zugrunde, dass eine gemeinsame Wohnung unterhaltsberechtigten Kindern und dem sie betreuenden Elternteil bei schematischer Betrachtung gleichermaßen zugute kommt und im Regelfall eine überproportionale Nutzung durch einen von ihnen nicht anzunehmen ist, so ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für die hier zu beurteilende Aufteilung der „Wohnkosten" gelten sollte, die die Klägerin aus ihrem Eigeneinkommen, der Familienbeihilfe sowie den Unterhaltsleistungen für die Kinder, bestreitet.

Ob die Klägerin die Kosten der Kindergartenunterbringung bzw der Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder in Höhe von 300 EUR monatlich - wie das Berufungsgericht meint - nur zur Hälfte selbst zu tragen hat, zur anderen Hälfte aber aus dem Kindesunterhalt finanzieren darf, oder aber - wie die Revisionswerberin meint - als einen ausschließlich sie persönlich treffenden Aufwand einzuordnen hätte, kann letztlich dahingestellt bleiben. Selbst bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Klägerin ergeben sich durchschnittliche Ausgaben von rund 800 EUR pro Monat, denen ein (nahezu gleich hohes) Eigeneinkommen von 793 EUR gegenübersteht. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Buchhaltungsarbeiten im Ausmaß von acht Wochenstunden daran hindern könnten, die Kinder am Nachmittag selbst zu betreuen.

Ist nun aber der Lebensbedarf der Klägerin durch ihr Eigeneinkommen ohnehin gedeckt, kommt ein Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG nicht in Betracht, weshalb es nicht erforderlich ist, sich mit der Leistungsfähigkeit des potenziell Unterhaltspflichtigen auseinanderzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO. Der Revisionsgegner hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz insoweit nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich darstellt.

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