OGH 5Ob253/12k

OGH5Ob253/12k16.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** B*****, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri, Dr. Claudia Ruhri und Mag. Christian Fauland, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 9.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 5. November 2012, GZ 1 R 254/12p‑14, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 24. Mai 2012, GZ 2 C 21/12i-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00253.12K.0716.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das den Klagebegehren stattgebende Ersturteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei jeweils binnen 14 Tagen die mit 1.085,09 EUR (darin 180,85 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.040,43 EUR (darin 124,07 EUR an Umsatzsteuer und 1.296 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 194 GB ***** bestehend aus GST-NR 359/4. Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 3 GB ***** bestehend aus GST-NR 359/5. Die beiden Grundstücke befinden sich unmittelbar nördlich der Gemeindestraße in M***** und sind mit dem GST-NR 359/3 von Westen nach Osten aufgereiht. Zum GST-NR 359/5 kann von der Gemeindestraße aus Richtung Südwesten, aber auch über die GST-NR 359/3 und 359/4 zugefahren werden.

Vormals war J***** B***** Eigentümer der Liegenschaft EZ 3 GB *****; dieser ließ 1969 die Liegenschaft unter Aufrechterhaltung seines Alleineigentums in die GST-NR 359/4 und 359/5 teilen. Nach dem Tod des J***** B***** war die Beklagte Alleinerbin, während M***** W***** das GST-NR 359/4 als Legat erhielt. M***** W***** schenkte 1998 das GST-NR 359/4 an ihre Tochter, die nunmehrige Klägerin. Die Klägerin veranlasste die Errichtung eines Holzzauns entlang der westlichen Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Beklagten. Diese konnte damals ihre Liegenschaft nur über die Zufahrt von der Gemeindestraße aus Richtung Südwesten erreichen, wo auch noch heute eine Öffnung im Zaun besteht. Im September 1999 ließ die Klägerin entlang der westlichen Grundstücksgrenze anstelle des Holzzauns eine Steinmauer errichten. Im Mai 2000 errichtete der Gatte der Beklagten entlang der Grundstücksgrenze einen Weidezaun. Im April 2001 richtete der Gatte der Beklagten im Bereich der heutigen südöstlichen Zufahrt eine Öffnung ein. Kurz darauf war die Klägerin mit einem von der Beklagten eingebrachten Notwegeantrag konfrontiert, welchen diese aber letztlich wieder zurückzog. Ebenfalls noch im Jahr 2001 erhob die nunmehrige Beklagte als Klägerin gegen die nunmehrige Klägerin als Beklagte eine Klage auf Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit. Diese Klagebegehren, auf Feststellung, dass der dortigen Klägerin und hier Beklagten und allen künftigen Eigentümern des GST-NR 359/5 als herrschendem Gut die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das GST-NR 359/4 als dienendem Gut in der Weise zustehe, zum Zweck der Erschließung des GST-NR 359/5 zu jeder Jahreszeit längs eines 4 m breiten, parallel entlang der südlichen Grenze des GST-NR 359/4 verlaufenden Grundstücksstreifens fahren und gehen zu dürfen und dass die dort Beklagte und nunmehrige Klägerin schuldig sei, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen, wies das Erstgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 17. 3. 2003, GZ 2 C 749/02h-33, ab. Diesem Vorprozess der Streitteile lag (ua) die dort entscheidungswesentliche Negativfeststellung zugrunde, wonach nicht feststand, welche Grundstücksteile der beiden GST-NR 359/4 und 359/5 (gegebenenfalls) zueinander im Verhältnis eines herrschenden und dienenden Grundstücks gestanden waren.

Nach dem jahrelangen Rechtsstreit der Streitteile kam der damalige Bürgermeister der Marktgemeinde St. ***** zur Klägerin und teilte ihr mit, dass er für einen Freizeitpark Liegenschaften der Beklagten benötige, er diese aber ohne Gegenleistung nicht bekomme. Als solche Gegenleistung käme ein Zufahrtsrecht über die Liegenschaft der Klägerin in Betracht. Da die Klägerin das Ansinnen des Bürgermeisters nicht abschlagen wollte, entschloss sie sich zur Abtretung eines Grundstreifens im Süden ihrer Liegenschaft. Die Breite des abzutretenden Grundstreifens wurde nicht besprochen, weil der Weg ein Anliegen der Beklagten war und so breit werden sollte, wie die Beklagte dies wollte. Es sollte schließlich die Errichtung des Freizeitparks ermöglicht werden. Einziger Wunsch der Klägerin war die Schaffung einer Abgrenzung ihres verbleibenden Grundstücks zum Wegstreifen in Form einer Steinschlichtung. Klägerin und Bürgermeister unterzeichneten dann am 28. 9. 2005 folgende Vereinbarung:

„1. Die Marktgemeinde … ist berechtigt, über das Grundstück 359/4 am südlichen Ende eine Zufahrt für das Grundstück 359/5 auf ihre Kosten zu errichten.

2. Die Zufahrt wird in einer Breite errichtet werden, dass eine Zufahrt mit Lkw möglich ist. Weiters wird diese Zufahrt in das öffentliche Gut übertragen.

3. Als Gegenleistung für eine unentgeltliche Abtretung der in Anspruch genommenen Grundfläche begehren Herr und Frau B***** E***** und R***** [Klägerin] an der westlichen Grundgrenze eine Böschungsgrenze zu errichten, welche von der derzeitigen Böschungsmauer bis zu dem zu errichtenden Weg ausgeführt wird.

4. Nach Errichtung dieser Zufahrt wird dieses Teilstück vermessen.

5. Die Kosten der Errichtung der Zufahrt sowie die Übertragungskosten sind von der Marktgemeinde … zu tragen.

6. Diese Vereinbarung bedarf zur Rechtswirksamkeit der Zustimmung durch den Gemeinderat.“

Der Gemeinderat genehmigte die Vereinbarung in der Sitzung am 30. 9. 2005.

Ebenfalls im September 2005 wandte sich der Bürgermeister auch an die Beklagte mit dem Ansinnen nach Überlassung von Liegenschaften zur Errichtung des Freizeitparks, wobei er drei Grundstücke zum Tausch anbot. Die Beklagte sprach die Problematik des Fahrtrechts über die Liegenschaft der Klägerin an und meinte, dass bei der seinerzeitigen Kommissionierung ein Fehler unterlaufen sei, zumal eine aus einem Plan aus 1969 ersichtliche Servitut nicht berücksichtigt worden sei; sie kündigte die Befassung der Volksanwaltschaft an. Der Bürgermeister sagte daraufhin der Beklagten zu, ihr die Zufahrt über die Liegenschaft der Klägerin in Form eines Gemeindewegs zu verschaffen. In weiterer Folge kam der Bürgermeister erneut zur Beklagten und teilte ihr mit, dass er die erforderlichen Unterschriften, um den Weg bauen zu können, bereits habe. Der Beklagten wurde dann folgende, von dieser und der Marktgemeinde abzuschließende Vereinbarung vorgelegt:

„1. Die Marktgemeinde … verpflichtet sich, über die Grundstücke Nr. 359/4 … eine Zufahrt für das Grundstück Nr. 359/5 … zu errichten. Der Zeitraum für die Herstellung dieser Zufahrt wird bis 30. 6. 2006 festgelegt.

2. Frau J***** P***** [Beklagte] verpflichtet sich, alle in diesem Zusammenhang laufenden Verfahren ‑ insbesondere jenes bei der Volksanwaltschaft ‑ einzustellen.

3. Weiters erklärt sich Frau J***** P***** bereit, die Option für den Erwerb des Grundstücks Nr. 434 … für die Errichtung des Freizeitparks zu unterzeichnen und das Grundstück erforderlichenfalls abzutreten.

4. Diese Vereinbarung bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung durch den Gemeinderat.“

Der Gemeinderat genehmigte die Vereinbarung am 30. 9. 2005 gemeinsam mit einer weiteren Grundstücksabtretung zur Herstellung der Zufahrt über das im Eigentum der M***** W***** stehende GST-NR 359/3. Es steht aber nicht fest, dass die Beklagte dem Inhalt der Vereinbarung schriftlich oder mündlich zugestimmt hat; vielmehr ist davon auszugehen, dass weder die Beklagte noch der Bürgermeister die Vereinbarung mitunterfertigt haben. Die Beklagte wandte sich in der Folge an ihren damaligen Rechtsvertreter und ließ eine Zusatzvereinbarung mit folgendem Wortlaut aufsetzen:

„ad 2.) [richtig wohl: ad 3.)] Nach dem P***** [Beklagte] einen [im Ersturteil S. 9 und im Berufungsurteil S. 8 jeweils unrichtig: 'keinen' ‑ vgl Blg ./4] Flächentausch bevorzugt, ist dieser Punkt umzugestalten von Kauf auf Tausch, die konkreten Tauschgrundstücke sind in diesem Punkt anzuführen. Bei gleichwertiger Bonität ist auch das Tauschverhältnis von 1 : 1 festzuhalten.

Zu ergänzen ist ein Punkt 5.):

'Die Optionsgeberin stellt ihre Verpflichtungen aus diesem Vertrag unter die ausdrückliche Bedingung, dass die Gemeinde … ihre Verpflichtungen aus der separat geschlossenen Vereinbarung über die Errichtung einer Zufahrt zu Grundstück 359/5 erfüllt. Die Rechte aus diesem Optionsvertrag können demnach durch die Optionsnehmerin nur dann geltend gemacht werden, wenn die Vereinbarung erfüllt ist.'“

Somit war eine Verwirklichung des Projekts Freizeitpark unter Verwendung der benötigten Flächen der Beklagten nur unter der Bedingung möglich, dass die Zufahrt zum GST-NR 359/5 über die GST-NR 359/3 der M***** W***** und 359/4 der Klägerin hergestellt wird. Obwohl die Beklagte die sie betreffende Vereinbarung mit der Marktgemeinde nicht unterfertigt hatte, veranlasste der Bürgermeister dennoch die Wegerrichtung über die Liegenschaft der Klägerin.

Heute stellt sich die Zufahrt zum GST-NR 359/5 so dar, dass sich zunächst über eine Länge von 15 m Richtung Osten eine asphaltierte Fläche erstreckt, die Richtung Norden als Zufahrt zum Wohnhaus der Klägerin abzweigt. Im Anschluss an den asphaltierten Streifen folgt im Süden der Liegenschaft der Klägerin Richtung Westen über ein Länge von 15 m ein Wiesenstreifen mit einer Breite von rund 3 m, der in Richtung Süden durch einen Zaun und in Richtung Norden durch eine Steinschlichtung begrenzt ist. An der Grundstücksgrenze zwischen den Liegenschaften der Streitteile ist ein Holzgatter errichtet. Die Liegenschaft der Beklagten ist durch einen Holzzaun in Richtung Süden und Westen eingegrenzt. Im Norden befindet sich eine Steinmauer. Im südwestlichen Eck des südlichen Begrenzungszaunes ist der Lattenzaun offen, sodass von der in Ost-West-Richtung verlaufenden Gemeindestraße eine direkte Zugangsmöglichkeit mit einer Breite von 2,5 m besteht.

Als Zeichen des guten Willens veranlasste der Bürgermeister die Vermessung des errichteten Wegs; diese und die Grundstücksteilung scheiterten jedoch an der Zustimmung der Beklagten, die vermeinte, dass der Weg nicht vereinbarungsgemäß mit einer Breite von 4 m errichtet worden sei. Es kam deshalb nicht zu einer Übernahme des Grundstücksstreifens ins öffentliche Gut.

Die Beklagte und deren Gatte befuhren und begingen den vom Bürgermeister (richtig: der Gemeinde) errichteten Weg zu GST-NR 359/5, wobei die Wegnutzung zum Transport von Brennholz und Heu mit unterschiedlicher Frequenz erfolgte. Am 12. 1. 2010 richtete die Beklagte über ihren damaligen Rechtsvertreter ein Schreiben an die Marktgemeinde, in dem sie diese aufforderte, eine mit Lkw befahrbare Zufahrt zum GST-NR 359/5 zu errichten. Die Beklagte führte in diesem Schreiben aus, dass die Lkw‑Befahrbarkeit des Wegs nicht gegeben sei und sie personelle Veränderungen in der Marktgemeinde abgewartet habe, um doch noch die Umsetzung der abgeschlossenen Vereinbarung zu ermöglichen. Die Marktgemeinde teilte der Beklagten mit Schreiben vom 29. 1. 2010 mit, dass es dieser untersagt sei, die Liegenschaft der Klägerin zu begehen und zu befahren.

Die Beklagte bzw ihr Gatte befuhren den von der Marktgemeinde errichteten Weg bis 2010 rund 10 bis 15-mal pro Jahr. Am 15. 3. 2011 wurde zuletzt der Obstbaumschnitt über den Weg abtransportiert.

Die Klägerin hatte sich nach dem Vertragsabschluss mit der Marktgemeinde zunächst nicht darum gekümmert, ob der Weg über ihre Liegenschaft ins Eigentum der Marktgemeinde übergegangen war. Als sie erfuhr, dass sie noch Eigentümerin des Wegstreifens und die Marktgemeinde gegenüber der Beklagten ein Geh- und Fahrverbot verhängt hatte, reklamierte sie bei der Marktgemeinde, dass sich die Beklagte nicht an das Fahrverbot hielt. Die Reaktion der Marktgemeinde war die Ablagerung eines großen Steines auf dem Wegstreifen, der eine Durchfahrt verhinderte. Nachdem dies der Gatte der Beklagten am 23. 3. 2011 wahrgenommen hatte, erhob die Beklagte ‑ erfolgreich ‑ Besitzstörungsklage gegen die Marktgemeinde.

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren (1) die Feststellung, dass die Beklagte und deren Rechtsnachfolger im Eigentum des GST-NR 359/5 gegenüber der Klägerin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des GST-NR 359/4 nicht berechtigt sei, sich die Dienstbarkeit des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art anzumaßen und (2) die Unterlassung von Anmaßungs-, Erweiterungs- bzw Störungshandlungen. Die Beklagte maße sich unberechtigt die Dienstbarkeit des Fahrtrechts über ihr GST-NR 359/4 an. Zwischen den Streitteilen und der Marktgemeinde gebe es keine aufrechten Vereinbarungen, aus denen die Beklagte ein Fahrtrecht ableiten könne und eine solche Dienstbarkeit habe auch früher nie bestanden. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Fahrtrecht sei überdies zwecklos, weil ohnehin eine Zufahrt zum Grundstück der Beklagten über die Gemeindestraße möglich sei. Die Klägerin habe sich mehr als drei Jahre lang der Wegbenützung durch die Beklagte mit der Errichtung eines Zaunes und einer Steinschlichtung widersetzt. Es bestehe Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte behaupte, zur Wegbenützung berechtigt zu sein.

Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Marktgemeinde habe ihr die Errichtung einer Zufahrt zugesagt und im Jahr 2006 auch vorgenommen. Die Beklagte habe die Zufahrt dann bis 2011 unbeanstandet befahren. Überdies habe dieser Weg schon über 70 Jahre lang als Liegenschaftszufahrt gedient. Nachdem die Marktgemeinde den Stein auf der Zufahrt abgelegt habe, sei die Beklagte mit ihrer Besitzstörungsklage erfolgreich gewesen.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren ‑ aufgrund des eingangs zusammengefassten Sachverhalts und einzelner weiterer bekämpfter Feststellungen ‑ statt. Die Ersitzung einer Dienstbarkeit durch die Beklagte sei schon im Vorverfahren verneint worden. Eine wirksame Vereinbarung zwischen der Marktgemeinde und der Beklagten über die Zufahrt sei ebenfalls nicht zustandegekommen. Die Beklagte benütze die Zufahrt somit titellos, weshalb den Klagebegehren stattzugeben gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten ‑ ohne Behandlung ihrer Verfahrens- sowie Tatsachen- und Beweisrüge ‑ aus rechtlichen Erwägungen Folge und änderte das Ersturteil im Sinn der gänzlichen Abweisung der Klagebegehren ab. Es vertrat rechtlich den Standpunkt, dass es konkludent zur Einräumung einer Dienstbarkeit kommen könne, wenn vom Liegenschaftseigentümer durch längere Zeit eine Zufahrt und die Errichtung einer kostspieligen Anlage zu deren Ausübung geduldet werde. Im vorliegenden Fall habe zwar nicht die Beklagte, sondern die Marktgemeinde die Errichtung der Zufahrt finanziert, doch habe die Klägerin mit der Marktgemeinde gerade zu diesem Zweck eine Vereinbarung geschlossen. Ab 2006 habe die Klägerin dann durch mehrere Jahre die Benützung der Zufahrt durch die Beklagte geduldet. Dieses Gesamtverhalten der Klägerin könne ein redlicher Erklärungsempfänger nur dahin auslegen, dass diese der Beklagten ein Fahrtrecht zu deren Grundstück einräume. Die Vereinbarung zwischen Klägerin und Marktgemeinde über die Zufahrt für die Beklagte sei wohl auch als Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 881 ABGB zu werten, doch würde das Berufungsgericht die Parteien mit dieser Rechtsansicht überraschen. Die Klagebegehren seien aber jedenfalls abzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen von besonderer Bedeutung nicht vorlägen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung der Klagebegehren.

Die Beklagte erstattete eine ihr freigestellte Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den nachfolgenden Erwägungen zulässig und im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils auch berechtigt:

1. Erwerbstitel einer Dienstbarkeit kann ‑ neben den in § 480 ABGB genannten anderen Fällen ‑ grundsätzlich ein Vertrag sein, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0114010; RS0111562). Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanz vor, die im Interesse der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RIS-Justiz RS0043253 [T8]). Dieser Ausnahmefall liegt hier vor:

2. Eine konkludente Handlung darf nur dann angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RIS-Justiz RS0013947). Bei Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB ist Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0014150 [T3 und T12]). Insbesondere bloßes Schweigen kann nur unter besonderen Umständen die Bedeutung einer Zustimmung gewinnen. Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (RIS-Justiz RS0014126; RS0014128).

3. In der bloßen Duldung einer Zufahrt durch längere Zeit hindurch kann noch nicht die schlüssige Einräumung eines Fahrtrechts erblickt werden (RIS-Justiz RS0011661). Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag kommt vielmehr erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille des Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RIS-Justiz RS0111562). In diesem Sinn kann die konkludente (§ 863 ABGB) Einräumung einer Servitut in Fällen angenommen werden, in denen der Liegenschaftseigentümer die Errichtung einer kostspieligen Anlage zu ihrer Ausübung duldet, weil der Liegenschaftseigentümer wissen musste, dass der Begünstigte solche Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden könnte (RIS-Justiz RS0011650).

4. Im vorliegenden Fall liegen die zuvor beschriebenen Voraussetzungen für die Annahme einer konkludenten Servitutsvereinbarung zwischen den Streitteilen zugunsten der Beklagten nicht vor:

4.1. Hier hat nicht die Beklagte die Wegerrichtung vorgenommen und finanziert, sondern die Marktgemeinde. Die „Duldung“ dieser Maßnahme durch die Klägerin erfolgte nicht zum Zweck einer Rechtseinräumung zugunsten der Beklagten, sondern war Gegenstand der zwischen der Klägerin und der Marktgemeinde im September 2005 getroffenen Vereinbarung. Diese Vereinbarung hatte ‑ neben der Schaffung der Voraussetzungen für den Freizeitpark ‑ gerade nicht das Ziel, eine Servitut zugunsten der Beklagten zu begründen, sondern die Zufahrt in das öffentliche Gut zu übertragen.

4.2. Dass die Klägerin nach Abschluss der Vereinbarung im September 2005 die Benützung der Zufahrt durch die Beklagte und ihren Gatten, mehrere Jahre lang duldete, vermag für sich allein die Einräumung einer Dienstbarkeit nicht zu begründen und erfolgte im vorliegenden Kontext ebenfalls im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und der Marktgemeinde abgeschlossene Vereinbarung.

4.3. Schließlich war für die Beklagte bei redlichem Verständnis auch deshalb nicht die Annahme einer Servitutseinräumung durch die Klägerin gerechtfertigt, weil ihr nach den getroffenen und nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichts der Bürgermeister (nur) zugesagt hatte, „dass er ihr die Zufahrt über die Liegenschaft der Klägerin in Form eines Gemeindeweges verschaffen werde“ (Ersturteil S 8); davon, dass die Beklagte unmittelbar selbst (dingliche) Rechte an der Liegenschaft der Klägerin erlangen sollte, war dagegen keine Rede ‑ im Gegenteil: Mit Schreiben der Gemeinde vom 29. 1. 2010 wurde der Beklagten die Benützung der Zufahrt sogar ausdrücklich untersagt (unbekämpfte Feststellung S 10 des Ersturteils).

4.4. Es sind damit insgesamt keine Sachverhaltselemente erkennbar, die ‑ zumal mit der erforderlichen Zweifelsfreiheit ‑ auf einen konkludenten Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrags zwischen den Streitteilen schließen ließe. Die vom Berufungsgericht zur Stattgebung der Klagebegehren herangezogene Rechtsansicht trägt somit nicht.

5. Eine Aufhebung des Berufungsurteils mit dem Auftrag an das Berufungsgericht, die in der Berufung der Beklagten erhobene Verfahrens- sowie Tatsachen- und Beweisrüge zu erledigen, erübrigt sich aus folgenden Überlegungen:

5.1. Die Beklagte hat in ihrer Berufung einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens mit der Begründung behauptet, das Erstgericht habe die Beilage ./2 („eidesstattliche Erklärung“ der M***** B***** vom 4. 10. 2001) „nicht behandelt und seiner Urteilsfindung nicht zugrundegelegt“. Diese Behauptung ist insofern aktenwidrig, als das Erstgericht (ua) diese Urkunde „dargestellt und zum Akt genommen“ hat (Verhandlungsprotokoll vom 8. 5. 2012, S 1 in ON 8). Besagte Urkunde war daher Gegenstand des Beweisverfahrens, sodass insoweit kein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vorlag. Ob das Erstgericht aus der genannten Urkunde die nach Ansicht der Beklagten richtigen Schlüsse gezogen hat, kann nicht Gegenstand einer Mängelrüge sein.

5.2. Zur zuvor angesprochenen Beilage ./2 und im Rahmen der Tatsachen- und Beweisrüge bekämpfte die Beklagte in ihrer Berufung die Ansicht des Erstgerichts, an den entscheidungswesentlichen Sachverhalt im Vorprozess (2 C 749/02h des Bezirksgerichts Murau), namentlich an jene Negativfeststellung, wonach nicht feststand, welche Grundstücksteile der beiden GST-NR 359/4 und 359/5 (gegebenenfalls) zueinander im Verhältnis eines herrschenden und dienenden Grundstücks gestanden waren, gebunden zu sein. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt insoweit aber tatsächlich eine Bindungswirkung der Vorentscheidung, nämlich des rechtskräftigen Urteils des Erstgerichts vom 17. 3. 2003, GZ 2 C 749/02h-33, vor. Diesem Verfahren lagen nämlich ‑ soweit sich die Beklagte auch hier auf eine vormals stattgefundene Ersitzung einer Dienstbarkeit berief ‑ das begrifflich gegenteilige Begehren der nunmehrigen Beklagten als dortige Klägerin und idente Sachverhaltsbehauptungen zum Nutzungsverhältnis der fraglichen Grundstücke zueinander zugrunde (RIS-Justiz RS0041572). Insoweit kann hier die von der Beklagten gewünschte, von der Sachverhaltsgrundlage des Vorprozesses abweichende Feststellung nicht getroffen werden, womit sich in diesem Zusammenhang auch keine Tat- und Beweisfragen stellen können.

5.3. Schließlich bekämpfte die Beklagte in der Tatsachen- und Beweisrüge ihrer Berufung noch die Feststellung des Erstgerichts, wonach für die Klägerin der „Grund für den Abschluss der Vereinbarung mit der Marktgemeinde (…) auschließlich (jener war,) Bürgermeister P***** die Errichtung des Freizeitparks zu ermöglichen. Ansonsten hätte die Klägerin der Beklagten niemals ein Fahrtrecht über ihre Liegenschaft verschafft“. Statt dessen strebt die Beklagte eine Negativfeststellung an, wonach es nicht feststehe, „ob die Klägerin eine weitere, nicht in der schriftlichen Vereinbarung enthaltene Intention hinsichtlich des Abschlusses der Vereinbarung mit der Marktgemeinde (…) hatte“. Diese Feststellungsrüge betrifft aber keine entscheidungswesentliche Tatfrage, weil es für die hier maßgebliche Rechtsfrage einer konkludenten Einräumung einer Dienstbarkeit durch die Klägerin ohnehin nicht auf deren subjektive Beweggründe, sondern auf einen objektiven Maßstab ankommt (vgl RIS-Justiz RS0014343; RS0014165; s auch oben die Nachweise in Punkt 3.)

5.4. Da die in der Berufung der Beklagten enthaltene Verfahrensrüge schon abstrakt und der Art nach keine Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens aufzeigt und sich die beiden angezogenen Tat- und Beweisfragen infolge Bindungswirkung durch den Vorprozess bzw wegen fehlender Entscheidungsrelevanz nicht stellen, war eine neuerliche Befassung des Berufungsgerichts entbehrlich und sofort mit einer Wiederherstellung des Ersturteils vorzugehen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO (hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens iVm § 50 Abs 1 ZPO). Auch für das Revisionsverfahren ist als Bemessungsgrundlage für die Vertretungskosten die in der Klage vorgenommene Bewertung und nicht der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts maßgeblich (vgl 3 Ob 505/87; 8 Ob 151/08a; 6 Ob 96/10a; Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 600).

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