Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind schuldig, dem Kläger die mit 1.098,31 EUR (darin 183,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger und die Beklagten sind jeweils Miteigentümer einer Liegenschaft, wobei mit den Miteigentumsanteilen Wohnungseigentum verbunden ist. Die Wohnung der Beklagten befindet sich im Erdgeschoß, jene des Klägers im Obergeschoß. Der Sicherungskasten, der sowohl für die Wohnung des Klägers als auch für jene der beklagten Parteien eingerichtet ist, befindet sich in den Räumlichkeiten der Beklagten und ist auf anderem Weg nicht zugänglich. Die einzige Möglichkeit in den Stromkreis einzugreifen ist durch Drehen an den Hauptsicherungen in der Wohnung der beklagten Parteien. Dadurch kann auch die Stromversorgung im Obergeschoß unterbrochen werden.
Am 6. 11. 2006 und am 26. 3. 2007 kam es zu Stromausfällen in der Wohnung des Klägers, die durch das Herausschrauben, bzw Lockern von Sicherungen verursacht wurden, wobei allerdings nicht festgestellt werden konnte, von wem diese herausgedreht wurden. Derartige Stromausfälle traten erst seit Beginn der Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über einen vom Kläger geplanten und von den Beklagten abgelehnten Ausbau des Dachbodens auf. Ein anlässlich des Stromausfalls am 26. 3. 2007 gerufener Mitarbeiter der Stadtwerke stellte bei seinem Eintreffen fest, dass die Sicherungen gelockert waren und es aus diesem Grund zur Unterbrechung der Stromversorgung im Erdgeschoß gekommen war.
Der Kläger begehrte (nach Modifizierung), die beklagten Parteien schuldig zu erkennen, „ab sofort Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, den Kläger in der ungestörten Ausübung seiner Eigentumsrechte zu beeinträchtigen oder zu behindern, insbesondere durch Manipulationen an der Stromleitung oder dem Sicherungskasten". Die beklagten Parteien hätten dem Kläger grundlos bereits mehrmals abends den Strom ab‑ und am nächsten Tag wieder eingeschaltet.
Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren mit dem wesentlichen Vorbringen, keinesfalls für die behaupteten Stromausfälle am „altertümlichen" Sicherungskasten verantwortlich zu sein. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den teilweise außer Streit stehenden, teilweise von ihm festgestellten ‑ und soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof relevant - eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, dass demjenigen, in dessen Eigentum unberechtigt eingegriffen worden sei, gegen den Eingreifer die Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB zustehe. Passiv legitimiert sei jeder Störer, wobei neben dem unmittelbaren Störer auch jener belangt werden könne, der durch eine Handlung oder Unterlassung die Voraussetzungen für die Störung durch Dritte schaffe. Der Verteilerkasten für beide Geschoße befinde sich in der Wohnung der beklagten Parteien. Durch Lockern der Sicherungen und Unterbrechung des Stromkreises in der Wohnung des Klägers sei massiv in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen worden. Auch wenn nicht eindeutig festgestellt werden könne, wer die Sicherungen tatsächlich herausgedreht habe, falle das Störverhalten „in den Verantwortungsbereich" der beklagten Parteien, die die Möglichkeit gehabt hätten, die störende Handlung zu verhindern.
Über Berufung der beklagten Parteien hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Da es dem Kläger nicht gelungen sei, zu beweisen, dass die Beklagten an dem Herausdrehen der Sicherungen persönlich mitgewirkt oder Dritte dazu veranlasst hätten, und die diesbezüglich vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung zu Lasten des Klägers gehe, sei das gegen die Beklagten hierauf gestützte Begehren auf Unterlassung nicht berechtigt. Eine Unterlassungspflicht schließe zwar auch die Verpflichtung in sich, auf den störenden Dritten im Sinn der Unterlassung einzuwirken. Allerdings könne auf Unterlassung einer Handlung, die von einem anderen begangen worden sei, nicht geklagt werden. In solchen Fällen könne nur begehrt werden, das Verhalten jener Personen abzustellen, welche die Störung begingen. Eine persönliche Unterlassungspflicht treffe nur denjenigen, der an der Störung zumindest persönlich mitgewirkt oder andere dazu veranlasst habe. Ein derartiges Klagebegehren habe der Kläger nicht erhoben. Gestützt auf die Auffassung Schragels in Fasching/Konecny ZPO2, §§ 182, 182a Rz 11, der der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen gefolgt sei (RIS‑Justiz RS0120057), vertrete der Berufungssenat die Auffassung, dass - entgegen der von Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 § 503 Rz 135 vertretenen Rechtsansicht - mit dem Kläger diese Rechtsansicht des Berufungsgericht zu erörtern und ihm Gelegenheit zu geben sei, im vorliegenden Verfahren sein Begehren vom erhobenen Unterlassungsbegehren auf ein Einwirkungsbegehren gegenüber Dritten zu ändern.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil Zechner aaO gewichtige Argumente gegen die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung ins Treffen führe und der Oberste Gerichtshof diesen in neueren Entscheidungen bereits gefolgt sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur passiven Klagslegitimation eines „mittelbaren Störers" abgewichen ist. Er ist auch berechtigt.
Zunächst ist den Ausführungen in der Rekursbeantwortung, wonach zufolge Bewertung des Unterlassungsbegehrens durch den Kläger mit einem Streitwert von 4.000 EUR der Rekurs nicht zulässig sei, zumal für die Beklagten „nicht nachvollziehbar" sei, „weshalb plötzlich der Streitwert einen Betrag von 20.000 EUR übersteigen soll", zu erwidern, dass das Berufungsgericht im Hinblick darauf, dass der Entscheidungsgegenstand nicht in einem Geldbetrag besteht, gehalten war, einen entsprechenden Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO in seine (auch aufhebende: 1 Ob 323/97z; Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 21) Entscheidung aufzunehmen; sofern dabei nicht zwingende Bewertungsvorschriften - wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein kann - verletzt wurden, ist der Oberste Gerichtshof hieran gebunden (RIS‑Justiz RS0010760; RS0042515; RS0042385).
Der vom Berufungsgericht als zentrales Argument für seine rechtliche Beurteilung herangezogene Rechtssatz zu RIS‑Justiz RS0010593, wonach „auf Unterlassung einer Handlung, die von einem anderen begangen werden könnte, nicht geklagt werden kann", ist in seiner Allgemeinheit als (ausreichende) Grundlage für die Beurteilung des hier zu prüfenden Falls nicht geeignet. Zwar hat der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass ein gegen einen Beklagten gerichtetes Unterlassungsbegehren ein aliud gegenüber dem richtigerweise zu stellenden Begehren, das Verhalten der tatsächlichen Störer abzustellen und auf diese einzuwirken, darstelle (6 Ob 712/82; 4 Ob 514/85; 5 Ob 86/03p; 5 Ob 240/03k ua), jedoch ist dieser Grundsatz hier nicht anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof judiziert nämlich in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB nicht nur der unmittelbare Störer, sondern jeder passiv legitimiert ist, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die Störung zu verhindern (RIS‑Justiz RS0103058 mwN). Auch derjenige ist sohin passiv legitimiert, der den Eingriff zwar nicht selbst vornahm, aber unmittelbar veranlasste, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür schuf, dass Dritte die Störung begehen konnten (2 Ob 134/01x; 2 Ob 167/07h je mwN). In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof auch ausdrücklich betont, dass auch ein derart mittelbarer Störer auf Unterlassung und nicht bloß auf Einwirkung auf den unmittelbaren Störer in Anspruch genommen werden kann (4 Ob 250/06b mwN; 5 Ob 153/00m; Kiendl‑Wendner in Schwimann ABGB3 § 523 Rz 17; Koch in KBB2 § 523 Rz 13 mwN; Koziol/Welser I13 351).
Gerade diese Voraussetzungen sind aber im hier zu beurteilenden Fall zu bejahen. Dem Rekurswerber ist darin beizupflichten, dass allfälligen Dritten, die die Sicherungen herausgedreht haben könnten, (nur) von den Beklagten der Zutritt zu ihrer Wohnung bzw zum Sicherungskasten gewährt worden sein konnte. Die Beklagten haben damit überhaupt erst die Voraussetzung geschaffen, dass Manipulationen an den Sicherungen - dass ausschließlich solche zu den Stromausfällen in der klägerischen Wohnung führten, steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest - vorgenommen werden konnten. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass die Beklagten auch gegenüber Personen, die sich mit ihrem Wissen und Willen in ihrer Wohnung aufhalten, berechtigt und verpflichtet sind, das Herausdrehen oder Lockern von Sicherungen zu unterbinden. Die bloß zum unmittelbaren Täter(‑kreis) getroffene Negativfeststellung vermag daher an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Da die passive Klagslegitimation der beklagten Parteien somit bereits in Ansehung des aktuellen Unterlassungsbegehrens zu bejahen ist, war vom Obersten Gerichtshof - auf den die Entscheidungskompetenz mit der Erhebung des Rekurses übergegangen ist - das Ersturteil wiederherzustellen (Kodek in Rechberger ZPO3 § 519 Rz 24 mwN). Der vom Berufungsgericht für erforderlich erachteten Erörterung (samt Verfahrensergänzung) bedarf es aus diesen Erwägungen nicht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage ist hiebei nicht der - bereits weiter oben näher behandelte - gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vom Berufungsgericht, sondern der vom Kläger gemäß § 56 Abs 2 JN vorgenommene Bewertungsausspruch („kostenrechtliche Streitwert": Obermaier, Kostenhandbuch Rz 474). Weiters war zu beachten, dass der Kläger für seinen Rekurs nur Kosten nach „TP 3b" statt TP 3 C I (Rekurs an den Obersten Gerichtshof) verzeichnet hat, sodass über dieses Begehren gemäß § 405 ZPO nicht hinausgegangen werden konnte.
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