OGH 2Ob167/07h

OGH2Ob167/07h26.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter K*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagten Parteien 1.) Theresia W*****, und 2.) Reinhard W*****, vertreten durch Dr. Klaus Estl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitinteresse 5.800 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. Juni 2007, GZ 53 R 124/07b-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 5. Februar 2007, GZ 2 C 768/06v-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 549,34 EUR (darin 91,56 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Eigentümer ihrer aneinandergrenzenden Wohnliegenschaften. Die Erstbeklagte und ihre Tochter halten auf dem Grundstück der Beklagten derzeit 15 Katzen, zu denen sich immer wieder weitere Katzen aus der Umgebung gesellen. Das Grundstück ist umzäunt und wird in Richtung des Klägers durch eine Betonmauer begrenzt. Die Erstbeklagte und ihre Tochter rufen am Abend ihre Katzen zusammen und sperren sie in das Haus.

Der Kläger stellte ein Unterlassungsbegehren und brachte vor, die Katzen würden vom Grundstück der Beklagten in sein Grundstück eindringen, in Haus und Keller laufen, ihre Exkremente hinterlassen und Blumentöpfe von den Fensterbrettern werfen. Einmal habe eine Katze ihre Notdurft auf dem Armaturenbrett seines Autos verrichtet, als die Türen wegen einer Ladetätigkeit offen gestanden seien. Die Beklagten wandten ein, es handle sich nicht um ihre Katzen; diese seien ordnungsgemäß verwahrt. Ein allfälliges Betreten des Nachbargrundstücks überschreite nicht das ortsübliche Maß. Der Kläger habe überdies nicht substantiiert behauptet, welche Katzen der Erstbeklagten ein beeinträchtigendes Verhalten gesetzt hätten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vermochte nicht festzustellen, dass es die der Erstbeklagten und deren Tochter gehörenden Katzen gewesen seien, die auf das Grundstück des Klägers gelaufen und dort die von ihm behaupteten Verschmutzungen verursacht hätten. Auch sei nicht feststellbar, dass durch ein allfälliges Eindringen dieser Katzen in das Grundstück des Klägers das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt sei. Der Kläger habe somit seiner Beweislast nicht entsprochen. Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung im (mit einer Einschränkung) klagsstattgebenden Sinne ab. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht ging im Wesentlichen davon aus, dass der Kläger prima facie den Beweis des Eindringens der auf dem Grundstück der Beklagten gehaltenen Katzen, aber auch der von diesen angelockten fremden Katzen erbracht habe. Den Beklagten sei hingegen der ihnen obliegende Beweis misslungen, dass der Eingriff die in § 364 Abs 2 ABGB gezogenen Grenzen nicht überschritten habe.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil zur Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bei Immission durch die Haltung von Katzen noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in dessen Begründung des Zulassungsausspruchs noch im Rechtsmittel der Beklagten wird eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1.) Die Frage, ob ein Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche - mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang stehende - Tatsache zulässt, ob also der Anscheinsbeweis zulässig ist, ist zwar eine Rechtsfrage und damit grundsätzlich revisibel (2 Ob 173/98z; 10 Ob 57/07s; RIS-Justiz RS0022624). Der Lösung der Frage, ob unter bestimmten konkreten Umständen der Anscheinsbeweis geführt werden kann, kommt aber im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0022624 [T4, T5 und T8], RS0040196 [T15]).

Dem Kläger oblag der Beweis des mit der Unterlassungsklage geltend gemachten Eingriffs in sein Eigentumsrecht. Seine Behauptung, vom Grundstück der Beklagten würden Katzen auf sein Grundstück gelangen, wurde von den Beklagten (nur) mit dem Einwand bestritten, dass dies nicht „ihre" Katzen seien. In diesem Sinne sind auch die Negativfeststellungen des Erstgerichts zu verstehen. Dem Berufungsgericht ist keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es die Ansicht vertrat, zu den allgemein bekannten Verhaltensweisen im Freien gehaltener Katzen gehöre es, dass sie auch durch benachbarte Grundstücke streifen, dort ihr Revier abstecken und ihre Notdurft verrichten; schon durch die Art der Katzenhaltung sei ungeachtet der Negativfeststellungen des Erstgerichts prima facie der Beweis des Eindringens dieser Katzen in das Grundstück des Klägers erbracht.

Der Anscheinsbeweis wird in Fällen als sachgerecht empfunden, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können (3 Ob 18/00v; 2 Ob 250/07i). Angesichts der Tatsache, dass vom Grundstück der Beklagten auch andere Katzen zum Kläger kommen, ist es jedenfalls vertretbar, davon auszugehen, dass dem Kläger, der sich dabei nur am Aussehen und am Verhalten der Tiere orientieren könnte, der Beweis über deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Tierhalter nicht zumutbar ist. Unter diesen Umständen lag es an den Beklagten, den Gegenbeweis zu erbringen und nachzuweisen, dass eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs als des typischen in Betracht kommen kann (3 Ob 18/00v; RIS-Justiz RS0040272). Die - zumindest implizit vertretene - Auffassung des Berufungsgerichts, die Feststellungen über die Verwahrung der Katzen auf dem Grundstück der Beklagten reichten dazu nicht aus, berührt infolge ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

2.) In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die von einem Grundstück durch die Haltung von Tieren ausgehende Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken (auch) unter dem Aspekt des Immissionsschutzes nach § 364 Abs 2 ABGB beurteilt (zuletzt etwa in der einen Kater betreffenden Entscheidung 8 Ob 94/01h mwN). Sie gewährte einen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch ganz allgemein und ohne nähere Differenzierung dann, wenn dadurch die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt werden konnte (vgl 4 Ob 250/06b mwN). Hat bei einem Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB der Kläger einen Eingriff in sein Eigentum bewiesen, trifft nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre den beklagten Störer die Beweislast dafür, dass der Eingriff die gesetzlichen Grenzen (Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit der Beeinträchtigung) nicht überschritt (6 Ob 291/99h mwN; RIS-Justiz RS0010474; Oberhammer in Schwimann, ABGB3 II § 364 Rz 22 mwN;

Kerschner, Nachbarschaftsrecht kompakt [2008] 65;

Illedits/Illedits-Lohr, Nachbarrecht [1999] Rz 358; aA Spielbüchler in Rummel ABGB3 I § 364 Rz 16). Die Beweislast des Beklagten hängt nicht davon ab, ob dem Kläger der Beweis des Eingriffs durch Erbringung des Anscheinsbeweises oder auf andere Weise gelungen ist. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Negativfeststellung zur Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs belaste nicht den Kläger, sondern die Beklagten, stimmt mit der dargestellten Rechtslage überein und lässt im Ergebnis keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.

3.) In der bereits zitierten Entscheidung 4 Ob 250/06b = EvBl 2007/89

= JBl 2007, 583 hat der Oberste Gerichtshof nach eingehender

Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Lehre zuletzt klargestellt, dass der Zweck der nachbarrechtlichen Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB deren Anwendung auf das Eindringen „größerer Tiere" (im Anlassfall waren es Schafe und Ziegen) deshalb ausschließt, weil der Grundeigentümer in solchen Fällen die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen verhindern kann (in diesem Sinne schon Klang in Klang2 II 171; ihm folgend Oberhammer aaO § 364 Rz 6 FN 29; Gaisbauer, Streunende Katzen und Nachbarrecht, wobl 2000, 165 f [166]; vgl auch Eccher in KBB2 § 364 Rz 8; Illedits/Illedits-Lohr, Nachbarrecht kompakt [2004] Rz 81). Solchen Eigentumseingriffen kann (nur) mit Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB entgegengetreten werden (4 Ob 250/06b). Die Beklagten reklamieren die Anwendbarkeit der Grundsätze dieser Entscheidung auch auf den vorliegenden Fall, übersehen dabei jedoch, dass daraus für sie kein günstigeres Ergebnis zu gewinnen wäre. Auch der nachbarrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein besonderer Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage (RIS-Justiz RS0010526, RS0109030; Spielbüchler aaO § 364 Rz 4; Oberhammer aaO § 364 Rz 12; Eccher aaO § 364 Rz 1), bei welcher der Abwehranspruch das mittelbare Eindringen unwägbarer Stoffe im Rahmen des Ortsüblichen nicht umfasst (4 Ob 250/06b). Diese Einschränkung entfällt bei der allgemeinen Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, sodass diese dem beeinträchtigten Eigentümer umfassenderen Rechtsschutz bietet, als die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB. Danach erfüllt bereits jedes Eindringen eines größeren Tieres in das benachbarte Grundstück den gesetzlichen Tatbestand, ohne dass es auf die Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs ankäme (vgl 4 Ob 250/06b; Klang aaO 171; Gaisbauer aaO 166; Illedits/Illedits-Lohr aaO Rz 81). Durch den Umstand, dass das Berufungsgericht den Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 364 Abs 2 ABGB statt nach § 523 ABGB beurteilt und dies im Spruch seiner Entscheidung auch zum Ausdruck gebracht hat, können sich die Beklagten demnach nicht beschwert erachten.

4.) Sowohl der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB als auch jener nach § 523 ABGB kann sich auch gegen denjenigen richten, der die Störung nur mittelbar veranlasst hat; die Störereigenschaft wird dabei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Dritten aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich handeln (2 Ob 134/01x mwN; vgl Oberhammer aaO § 364 Rz 13; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB3 II § 523 Rz 17). Auch derjenige ist passiv legitimiert, der den Eingriff nicht selbst vornimmt, sondern direkt veranlasst, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür schuf, dass Dritte die Störung begehren können (vgl EvBl 1982/93; 1 Ob 625/94 = SZ 68/145; RIS-Justiz RS0011737 [T5 und T11]).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagten seien nicht nur unmittelbare, sondern - in Ansehung der fremden Katzen - auch mittelbare Störer, weil durch die Art der Katzenhaltung auf ihrem Grundstück weitere Katzen aus der Umgebung angelockt werden würden, woraus sich eine zusätzliche Beeinträchtigung des Klägers ergibt, hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur und wirft somit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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