OGH 8Ob91/12h

OGH8Ob91/12h27.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ivica P*****, vertreten durch Waltl & Partner Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. Vesna P*****, 2. Dragan P*****, 3. Ivan P*****, alle vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. März 2012, GZ 22 R 444/11i‑52, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Juli 2011, GZ 25 C 1625/08d‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00091.12H.0627.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 429,41 EUR (darin enthalten 71,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und die Erstbeklagte haben zweimal geheiratet, und zwar am 19. 4. 1986 ‑ diese Ehe wurde 1988 geschieden ‑ und am 16. 5. 1989. Über Antrag der Erstbeklagten und des Klägers ließen sie sich 1992 abermals scheiden, wobei irrtümlicherweise erneut die erste im Jahr 1986 geschlossene Ehe geschieden wurde, sodass die zweite, 1989 geschlossene Ehe weiter aufrecht blieb. Dem Kläger und der Erstbeklagten war dies jedoch nicht bewusst; sie erachteten sich als geschieden.

1999 wurde die den Gegenstand der Klage bildende Liegenschaft (Einfamilienhaus, Garage und Garten) erworben; Eigentümer wurde der Kläger. Er selbst wohnte nur ab und zu in diesem Haus. Er gestattete aber der Erstbeklagten, obwohl die beiden der Meinung waren, seit 1992 geschieden zu sein, gemeinsam mit den ehelichen Kindern in dieses Haus einzuziehen. 2007 verließ der Kläger endgültig dieses Haus. 2008 beantragten der Kläger und die Erstbeklagte abermals die Scheidung ihrer Ehe im Einvernehmen. Dieser Antrag wurde jedoch in der Folge zurückgezogen. Letztlich wurde die Ehe 2009 mit Urteil des Bezirksgerichts Salzburg rechtskräftig wegen ernsthafter und dauerhafter Zerrüttung geschieden.

Nach dem Auszug des Klägers im Jahr 2007 verblieb die Erstbeklagte mit zweier insgesamt vier ehelichen Kinder, nämlich mit dem Zweit‑ und Drittbeklagten, im Haus. Zu einer Einigung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und des Verbleibs im Haus kam es im Zusammenhang mit der Scheidung nicht. Ein entsprechender Aufteilungsantrag der Erstbeklagten wurde im März 2010 bei Gericht eingebracht; das Verfahren darüber ist anhängig.

Das Haus ist ca 120 bis 150 m² groß. Es hat drei Zimmer sowie einen Wohn‑/Essbereich samt Küche, ein Bad und einen Wintergarten. Das kleine noch offene Wohnbaudarlehen wird vom Kläger bezahlt. Die monatlichen Betriebskosten von ca 500 EUR werden von der Erstbeklagten bezahlt. Der 1992 geborene Drittbeklagte, der noch die Schule besucht, bewohnt das Haus, während der Zweitbeklagte sich nur am Wochenende dort aufhält. Der Zweitbeklagte ist auch Eigentümer einer Garconiere in Salzburg. Die Erstbeklagte arbeitet im Gemeindeamt sowie bei einem Rechtsanwalt. Sie „hat kein dringendes Wohnbedürfnis“ am Haus. Sie war bis Mai 2010 Alleineigentümerin einer 2007 gekauften Eigentumswohnung in Salzburg. Diese Wohnung ist 85 m 2 groß, befindet sich in sehr ruhiger Wohnlage mit bester Infrastruktur. Sie besteht aus drei Zimmern, einer großen Küche mit Essecke und Speisekammer sowie einem großen Bad und einem 15 m 2 großen Balkon. Dazu besteht auch noch das Recht auf Nutzung des Gartens und eines Abstellraums in der Garage. Die Wohnung ist unvermietet, im guten Zustand, nicht renovierungsbedürftig und sofort bezugsfähig. Die Betriebskosten betragen ca 280 EUR. Die monatlichen Kreditraten von 620 EUR werden von der Erstbeklagten zurückgezahlt. Die Erstbeklagte hat allerdings mit Schenkungsvertrag vom 19. 5. 2010 ‑ also nach Einleitung dieses Verfahrens ‑ die Wohnung an den Zweitbeklagten verschenkt, jedoch das sichergestellte Darlehen in ihre alleinige Zahlungs‑ und Tilgungspflicht übernommen. Auch wurde zu ihren Gunsten ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot einverleibt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Räumung des Einfamilienhauses und stützt sein Begehren auf titellose Benützung. Die Beklagten seien nicht auf die Wohnung angewiesen und hätten kein dringendes Wohnbedürfnis. Die im Mai 2010 vorgenommene Schenkung stelle ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten einzig mit dem Zweck dar, den Kläger zu schädigen und den Räumungsanspruch zu vereiteln.

Die Beklagten wendeten ein, dass es sich bei dem Objekt um die eheliche Wohnung handle, auf deren Nutzung sie angewiesen seien. Die Eigentumswohnung sei nur als Investition für die Kinder erworben worden, da der Kläger als Drittstaatsangehöriger selbst keine weitere Wohnung habe erwerben können. Da sich die Erstbeklagte die Wohnung nicht habe leisten können, sei vereinbart worden, sie an den Sohn weiterzugeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging davon aus, dass ein dringendes Wohnbedürfnis nach § 97 ABGB nicht vorliege. Über den im Aufteilungsanspruch fortlebenden Anspruch nach § 97 ABGB sei noch nicht abschließend abgesprochen worden. Auch dieser setze aber ein dringendes Wohnbedürfnis voraus. Dem stehe aber das Vorliegen einer „gleichwertigen“ Wohnmöglichkeit entgegen. Diese sei hier im Hinblick auf die Wohnung in Salzburg gegeben.

Dass die Erstbeklagte diese Wohnung dem Zweitbeklagten geschenkt habe, habe offenkundig einzig und allein dazu gedient, den Räumungsanspruch des Klägers zu vereiteln und könne nur als Rechtsmissbrauch angesehen werden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Es billigte die rechtliche Begründung des Erstgerichts. Die zweit‑ und drittbeklagten Kinder könnten ihren Anspruch nicht unmittelbar auf § 97 ABGB stützen, sondern nur auf ein von der Erstbeklagten abgeleitetes Recht. Diese habe aber mangels eines dringenden Wohnbedürfnisses nach § 97 ABGB keinen entsprechenden Rechtsanspruch auf die Liegenschaft. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass sie ihre Eigentumswohnung im Mai 2010 dem Zweitbeklagten geschenkt habe. Sie habe sich ihres frei verfügbaren Eigentums entledigt, um dem Räumungsanspruch des Klägers entgegentreten zu können. Der Zweitbeklagte verfüge im Übrigen über nicht weniger als drei Immobilien und sei volljährig und selbsterhaltungsfähig.

Nachdem das Berufungsgericht vorweg die ordentliche Revision als nicht zulässig erachtet hatte, änderte es über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO den Zulässigkeitsausspruch im Sinne der Zulassung der Revision ab. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei noch nicht ausreichend geklärt, inwieweit während eines aufrechten Aufteilungsverfahrens ein Räumungsanspruch durchgesetzt werden könne, wenn das zu räumende Objekt in beiden Verfahren streitverfangen sei. Auch gehe es um die Beurteilung des Anspruchs des Drittbeklagten bzw um die Beurteilung der Vereitelung der eigenen Wohnmöglichkeit durch die Erstbeklagte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht den Einwand betreffend das beim Bezirksgericht anhängige Aufteilungsverfahren nicht ausreichend behandelt hat; sie ist aber nicht berechtigt.

I.1. Voranzustellen ist hinsichtlich der Erstbeklagten, dass hier die Räumungsklage zwar einige Zeit vor der Scheidung eingebracht, aber noch während des erstgerichtlichen Verfahrens die Ehe rechtskräftig geschieden und ein Antrag auf Aufteilung des ehelichen Vermögens und der ehelichen Ersparnisse gestellt wurde.

I.2.a. § 235 AußStrG 1854 ordnete im hier zu beurteilenden Zusammenhang den Vorrang des außerstreitigen Verfahrens an. Machte ein Ehegatte den Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen nach § 98 ABGB oder binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe Ansprüche an den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend, so hatte nach dieser Bestimmung das Prozessgericht mit Beschluss die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen.

Damit sollte verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RIS‑Justiz RS0111605).

I.2.b. Die ersatzlose Aufhebung des § 235 AußStrG 1854 durch das Außerstreitgesetz 2003 hat nach der seither ergangenen völlig einheitlichen Rechtsprechung an der bisherigen Rechtslage insoweit nichts geändert. Die zu § 235 Abs 1 AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung ist daher weiterhin zu beachten (10 Ob 16/08d); Rechtsgrundlage für die Überweisung sind allerdings nunmehr die §§ 40a, 44 und 46 JN (6 Ob 98/09v, 10 Ob 16/08p uva; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , EheG § 85 Rz 14).

I.3. Gehört ein im Streitverfahren geltend gemachter Anspruch in Wahrheit in das Außerstreitverfahren, so ist gemäß § 40a JN vorzugehen, auch wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS‑Justiz RS0046245). Dies gilt auch für die Frage der Räumung von Wohnungen, deren Zugehörigkeit zum ehelichen Gebrauchsvermögen geltend gemacht wird (RIS‑Justiz RS0008564 [T2]).

I.4.a. Aus dem oben dargestellten „Vorrang“ des Aufteilungsverfahrens (RIS‑Justiz RS0111605) ist abzuleiten, dass die Eigenschaft eines Vermögenswerts als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse auch für die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs zu prüfen ist (vgl RIS‑Justiz RS0008564, zur Entscheidung in der Sache gegenüber Dritten: RIS‑Justiz RS0009537; 4 Ob 273/97v). Ist die Eigenschaft eines Vermögenswerts als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen strittig, hat nach der Rechtsprechung der mit einem sonst zulässigen Begehren angerufene Streitrichter ebenso wie der allenfalls angerufene Außerstreitrichter im Rahmen der ihnen obliegenden Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0008484). Soweit sich daher im Verfahren nach § 40a JN die Eigenschaft als Ehewohnung nicht ergibt, hat es daher bei der Entscheidung im streitigen Verfahren zu verbleiben (6 Ob 680/81; 4 Ob 263/00f).

I.4.b. Eine Ehewohnung mit den sich daraus ergebenden Einschränkungen für den verfügungsberechtigten Ehegatten wird dadurch begründet, dass diese Wohnung von den Ehegatten zum Schwerpunkt ihrer gemeinsamen ehelichen Lebensführung gemacht wird (RIS‑Justiz RS0047289; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth EUPr § 81 EheG Rz 18 ff; Stabentheiner aaO Rz 7). Nicht als Ehewohnung in diesem Sinne wird eine Wohnung verstanden, die einem Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Absicht von deren Wiederaufnahme zur Verfügung gestellt wird ( Stabentheiner aaO Rz 7; RIS‑Justiz RS0009439).

I.4.c. Der vorliegende Fall weist nun die Besonderheit auf, dass die früheren Ehepartner schon bei Überlassung des Hauses an die Erstbeklagte übereinstimmend irrtümlich davon ausgegangen sind, dass sie bereits wirksam geschieden wurden (vgl auch 21 R 241/10b). Der Kläger selbst wohnte nur fallweise in diesem Haus. Die Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft wurde nicht ansatzweise nachgewiesen.

I.5. Da somit die Eigenschaft als Ehewohnung nicht erwiesen ist, hat keine Überweisung in das Aufteilungsverfahren zu erfolgen.

II. In der Sache ist vorweg auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Nach § 97 ABGB hat die ‑ hier ‑ Ehegattin während aufrechter Ehe gegenüber dem über die Ehewohnung verfügungsberechtigten Ehegatten einen Anspruch auf Unterlassung aller sein Wohnungsnutzungsrecht beeinträchtigenden Maßnahmen, wenn die Ehegattin auf die Benützung der Ehewohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen ist. Voraussetzung ist aber naturgemäß, dass es sich dabei um eine von den genannten Bestimmungen erfasste „Ehewohnung“ handelt. Dies wurde nicht nachgewiesen. Im Übrigen wird nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses verneint, wenn der wohnungsbedürftige Ehegatte über eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft verfügt (vgl RIS‑Justiz RS0006012; Stabentheiner aaO Rz 1; Schwimman/Ferrari aaO Rz 8; Beck aaO Rz 16 ff). Dass die hier maßgebliche Ersatzwohnung ausreichend und gleichwertig wäre, wird nicht substanziiert in Frage gestellt.

III. Zur Revision der Zweit‑ und Drittbeklagten ist vorweg darauf zu verweisen, dass vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0043111).

Woraus sich ein unmittelbarer Anspruch der Zweit‑ und Drittbeklagten ergeben sollte, vermag die Revision nicht darzustellen; geht es hier im Kern doch nicht um Unterhaltsansprüche, sondern darum, inwieweit sie einen Wohnanspruch aus jenem der erstbeklagten Mutter ableiten können (RIS‑Justiz RS0009551; Beck aaO, Rz 7). Der Zweitbeklagte hat sich im erstgerichtlichen Verfahren auch nicht auf konkrete Unterhaltsansprüche gegen den Kläger gestützt. Im Übrigen besteht gegenüber dem nicht betreuungspflichtigen Ehegatten im Regelfall nur ein Anspruch auf Leistung eines Geldunterhalts (RIS‑Justiz RS0116443).

Dass die Schenkung an den Drittbeklagten rechtsmissbräuchlich erfolgte, wird von der Revision gar nicht mehr in Frage gestellt.

Insgesamt war daher der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Kosten waren ausgehend von der Bemessungsgrundlage von 2.000 EUR zu berechnen (§ 10 Z 2 lit a RATG).

Stichworte