OGH 7Ob81/13g

OGH7Ob81/13g23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2012, GZ 23 R 527/12s-19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen zog der Kläger in das auf dem Grundstück befindliche Gartenhaus und nach drei Wochen in seine jetzige Wohnung, weil er mit der Anschaffung eines Hundes nicht einverstanden war.

Das Berufungsgericht ergänzte die unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung dahin, dass zwischen dem Kläger und dem Sohn, der den Hund nach Hause gebracht hatte, keine Diskussion stattgefunden habe, wie das Hundeproblem gelöst werden könnte, beispielsweise dadurch, dass der Sohn die Gartenarbeiten übernehme oder mit dem Hund regelmäßig spazieren gehe. Der Kläger sei nicht bereit gewesen, nach Lösungen zu suchen.

Zwar darf das Berufungsgericht ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung oder Beweisergänzung treffen (RIS-Justiz RS0043026; RS0043057), jedoch ist dieser Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und damit die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens hier nicht von Relevanz (vgl dazu RIS-Justiz RS0043026 [T2]; RS0043057 [T9]). Den ergänzenden Feststellungen kommt bei der Beurteilung des Verschuldens keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hat die fehlende Auseinandersetzung des Klägers mit seinem Sohn über den angeschafften Hund nicht als dessen Eheverfehlung gewertet. Da dieser Umstand auch für das Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe nicht bedeutsam sein kann, ist der Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz unerheblich, betreffen doch die vom Berufungsgericht ergänzend getroffenen Feststellungen keine für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstände.

2. Sekundäre Feststellungsmängel bestehen nicht. Die vom Kläger begehrten zusätzlichen Feststellungen sind einerseits nicht von seinem erstinstanzlichen Vorbringen gedeckt und andererseits für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.

3. Welchem Ehepartner schwerwiegendere Eheverfehlungen zur Last fallen, wen also das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft oder ob infolge eines gleichwertigen Beitrags beider Ehepartner an der Zerrüttung von einem gleichteiligen Verschulden auszugehen ist, sind Fragen des konkreten Einzelfalls, die grundsätzlich nicht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen sind (RIS-Justiz RS0118125; RS0110837 [T1]; RS0119414).

4. Die Ansicht des Berufungsgerichts, den Kläger treffe das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:

Die Verletzung der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen, insbesondere durch nicht gerechtfertigtes Aufheben der ehelichen Gemeinschaft, ist grundsätzlich eine Eheverfehlung. Das Verschulden kann aber ausgeschlossen sein, wenn das Verlassen der Ehewohnung eine entschuldbare Reaktionshandlung auf schwerwiegende Eheverfehlungen des Partners darstellt. Es ist Sache des die gemeinsame Ehewohnung verlassenden Teils, jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen er die Unzumutbarkeit eines Verbleibs in der gemeinsamen Wohnung oder die Rückkehr darin ableiten will (10 Ob 82/11y mwN; RIS-Justiz RS0109128 [T2]).

Von diesen Grundsätzen weicht die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe den ehelichen Haushalt unberechtigt verlassen, nicht ab. Die partnerschaftlichen Spannungen im Zusammenhang mit der Anschaffung des Hundes durch den gemeinsamen Sohn ergeben keinen ausreichenden Grund für den Auszug des Klägers. Der Umstand, dass die Beklagte ihre Meinung änderte und nach Anschaffung des Hundes diesen dem Sohn belassen wollte, und ihre Reaktion auf das Ultimatum des Klägers gegenüber der Familie („der Hund oder ich“) führen nicht dazu, dass eine vereinbarte gesonderte Wohnungsnahme oder ein wichtiger persönlicher Grund im Sinn des § 92 Abs 2 ABGB vorgelegen wäre.

5. Eine unheilbare Ehezerrüttung im Sinn des § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (RIS-Justiz RS0056832 [T1]). Während die Frage, ob und seit wann eine Ehe objektiv zerrüttet ist, eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektivem Maßstab zu beurteilende Rechtsfrage ist (RIS-Justiz RS0043423 [T2, T6, T10]), zählt die Frage, ob ein Ehegatte die Ehe subjektiv als unheilbar zerrüttet ansieht, zum Tatsachenbereich (RIS-Justiz RS0043432 [T4]). Die Ehe ist unheilbar zerrüttet, wenn die Gemeinschaft der Ehepartner objektiv beendet und dieser Umstand einem von ihnen subjektiv bewusst ist (1 Ob 20/12s mwN).

Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, die Ehe sei im April (gemeint:) 2008 weder objektiv noch aus Sicht der Parteien endgültig unheilbar zerrüttet gewesen, sondern erst kurz danach, als der Kläger eine Beziehung zu einer anderen Frau einging. Demgegenüber meint der Kläger, dass bereits sein Auszug aus dem ehelichen Haushalt im August 2007 zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft führte, übergeht damit aber die nicht bekämpfbare Feststellung, dass auch er zu diesem Zeitpunkt noch nicht die eheliche Gesinnung verloren hatte, weil er noch im April 2008 unter der Prämisse, dass sich der Hund nicht mehr im Haus aufhält, bereit gewesen wäre, die Ehe fortzusetzen. Zudem ist auch die Frage, ob noch eine Vertiefung der Zerrüttung als möglich anzusehen ist oder bereits ausgeschlossen werden kann, eine solche des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0056939 [T3]), die das Berufungsgericht vertretbar gelöst hat.

6. Die beiderseitigen Eheverfehlungen sind einander in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten oder welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS-Justiz RS0057223; RS0057303). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger der unberechtigte Auszug aus der Ehewohnung und die Aufnahme einer ehewidrigen Beziehung, die zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt habe, als schwere Eheverfehlungen vorzuwerfen seien, wohingegen die der Beklagten vorwerfbare Äußerung „Reisende soll man nicht aufhalten“ im Vergleich zum Verhalten des Klägers deutlich in den Hintergrund trete, steht mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang und ist nicht zu beanstanden.

7. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte