OGH 9Ob4/13y

OGH9Ob4/13y24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Hofstätter & Kohlfürst Rechtsanwälte OG in Graz, wegen Vertragsanfechtung (Streitwert: 75.255 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Oktober 2012, GZ 7 R 60/12p‑16, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 22. März 2012, GZ 211 C 213/11y‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.066,71 EUR (darin 344,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (in der Folge kurz: Beklagte) schlossen am 16. 11./18. 11. 2004 einen Pachtvertrag über eine im grundbücherlichen Eigentum der Klägerin stehende Liegenschaftsfläche im Gesamtausmaß von 27.556 m 2 ab. Der Beklagten wurde das Recht eingeräumt, all jene Tätigkeiten durchzuführen, die im Rahmen des Mineralrohstoffgesetzes und eines Bergbaubetriebs üblich sind. Als Pachtzins wurde der Betrag von jährlich 2.000 EUR netto, im Vorhinein zahlbar bis zum 15. 1. eines jeden Jahres, festgesetzt. Die Klägerin übergab der Beklagten den Pachtgegenstand bereits nach dem vereinbarten Inkrafttreten des Pachtvertrags mit 1. 4. 2005 zur Nutzung und die Beklagte beglich den Pachtzins. Die grundbücherliche Genehmigung dieses Vertrags erwuchs erst mit Bescheid der Grundverkehrsbezirkskommission für den Gerichtsbezirk Judenburg vom und mit 8. 6. 2011 in Rechtskraft.

Gemäß § 29 Abs 1 des Steiermärkischen Grundverkehrsgesetzes (Stmk GVG) LGBl 1993/134 darf das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nicht durchgeführt werden, solange die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erforderliche verwaltungsbehördliche Genehmigung (§§ 8, 9, 11 oder 28 Stmk GVG) nicht erteilt oder eine erforderliche Erklärung (§ 18 Stmk GVG) nicht abgegeben wurde; insbesondere ist eine grundbücherliche Eintragung des Rechts nicht zulässig. Die Parteien sind jedoch an das Rechtsgeschäft gebunden. Mit der Versagung der Genehmigung wird das Rechtsgeschäft rückwirkend rechtsunwirksam. § 5 Abs 1 Z 4 Stmk GVG normiert die ‑ hier unstrittig vorliegenden ‑ Voraussetzungen, unter denen ein Pachtvertrag der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt.

Zwischen den Parteien herrscht nun Streit darüber, ob der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist für die mit der vorliegenden Klage vom 6. 10. 2011 verfolgten Anfechtung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) nach § 1487 ABGB schon mit Abschluss des Pachtvertrags im Jahr 2004 oder erst mit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung im Jahr 2011 zu laufen begonnen hat. Das Erstgericht verwarf in seinem Zwischenurteil (§ 393a ZPO) den von der Beklagten erhobenen Einwand der Verjährung des Anspruchs der Klägerin. Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Ersturteil im Sinne der vollständigen Klageabweisung ab. Die Genehmigung eines Vertrags durch die Grundverkehrsbehörde sei eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags. Die Parteien hätten ‑ wenn auch entgegen § 29 Abs 1 Stmk GVG ‑ vertraglich vereinbarte Vorleistungen erbracht. Da die Verjährungsbestimmungen den Zweck verfolgten, der Sicherheit des Geschäftsverkehrs den nötigen Nachdruck zu verleihen und die mit fortschreitender Zeit zwangsläufig immer größer werdenden Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, habe die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB ungeachtet des Erfordernisses der verwaltungsbehördlichen Genehmigung bereits mit dem Vertragsabschluss zu laufen begonnen. Das von der Klägerin geltend gemachte Anfechtungsrecht wegen Verkürzung über die Hälfte sei daher verfristet. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Verjährungsbeginns bei grundverkehrsbehördlich zu genehmigenden Rechtsgeschäften keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung, sondern lediglich eine bisher vereinzelt gebliebene Entscheidung (1 Ob 686/81) vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des Bewertungsausspruchs, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (RIS‑Justiz RS0042437 [T3]), gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO iVm § 49 Abs 2 Z 5 JN (vgl 1 Ob 340/98a; Simotta in Fasching ² I § 49 JN Rz 83) zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Frage der Verjährung zutreffend beurteilt. Es kann daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten:

Die nach § 1487 ABGB dreijährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) beginnt nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Lehre mit dem Vertragsabschluss (RIS‑Justiz RS0019052 [T1], RS0018798; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang 3 § 1487 Rz 20; Madl in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 1487 Rz 14; P. Bydlinski in KBB 3 § 934 Rz 5; Dehn in KBB 3 § 1487 Rz 3; Mader / Janisch in Schwimann ABGB³ § 1487 Rz 12; M. Bydlinski in Rummel ³ § 1487 ABGB Rz 6).

Die Genehmigung eines Vertrags durch die Grundverkehrskommission ist nach ständiger Rechtsprechung eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags. Der aufschiebend bedingt geschlossene Vertrag wird durch den Bedingungseintritt wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt befindet er sich in einem Schwebezustand. Dieser endet nicht nur durch die Genehmigung des Vertrags, sondern auch durch ihre Versagung oder durch die Feststellung, dass der Vertrag keiner Genehmigung bedarf (2 Ob 11/10x; 4 Ob 114/01w mwN; RIS‑Justiz RS0038627). Diese Auffassung wird auch von der herrschenden Lehre und im Schrifttum vertreten ( Rummel in Rummel 3 § 897 ABGB Rz 6; Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB 3 § 897 ABGB Rz 10; Schneider , Österreichisches Grundverkehrsrecht, Länderteil Steiermark, § 29 Stmk GVG Anm 2).

Das Rechtsgeschäft, dessen Rechtswirksamkeit von einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängt, bindet die Parteien solange, bis die Genehmigung versagt wird (RIS‑Justiz RS0061101). Der bedingt Verpflichtete muss alles tun und vorkehren, was notwendig ist, um den Eintritt der Bedingung erfüllen zu können, und alles unterlassen, was die Erfüllung verhindern würde (RIS‑Justiz RS0017406). Die Vorwirkungen des bedingten Vertrags erschöpfen sich jedoch darin, jene Ansprüche zu begründen, die unmittelbar zur Beendigung seines Schwebezustands erforderlich sind. Ein Anspruch auf gänzliche Erfüllung des Kaufvertrags hingegen ist davon nicht umfasst (3 Ob 34/07g mwN; RIS‑Justiz RS0012692). So besteht etwa auch der Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung erst nach Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, gleiches gilt auch für den Anspruch des Käufers auf Überlassung der Grundstücksnutzung, weshalb der Käufer vor der Genehmigung nicht berechtigt ist, die Übergabe der verkauften Liegenschaften (gegen Kaufpreiszahlung) zu begehren (3 Ob 34/07g mwN). Allerdings schließt dies eine vertragliche Vereinbarung der Vertragsparteien nicht aus, dass einer von ihnen Vorleistungen zu erbringen habe, etwa die Kaufpreiszahlung vor grundverkehrsbehördlicher Genehmigung (1 Ob 291/97v; 2 Ob 365/97h; Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB 3 § 897 ABGB Rz 10; Rummel in Rummel 3 § 897 ABGB Rz 5).

Die Verjährungsbestimmungen verfolgen den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist (RIS‑Justiz RS0034674). Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB zur Anfechtung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte auch bei einem unter der aufschiebenden Bedingung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abgeschlossenen Vertrag nicht bereits mit dem Vertragsabschluss zu laufen beginnen soll (vgl 1 Ob 686/81). Schon mit Vertragsabschluss ist zwischen den Parteien eine (schwebend unwirksame) Dauerrechtsbeziehung entstanden, die es wegen der Schwierigkeiten, gemäß § 934 ABGB das Missverhältnis des Wertes nach dem

Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes zu bestimmen (vgl RIS‑Justiz RS0018871), begründet erscheinen lässt, den Verjährungsbeginn mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eintreten zu lassen.

Dass die Rechtsprechung in bestimmten Fällen, aufgrund der als Vorwirkung eines aufschiebend bedingten (Kauf‑)vertrags anzusehenden Bindungswirkung der Parteien, vor der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellt, zeigt auch die auf § 9 AnfO bezugnehmende Entscheidung SZ 8/81 (zustimmend Rummel in Rummel 3 § 897 ABGB Rz 6). Danach beginnt die Anfechtungsfrist schon mit dem Tag des Vertragsabschlusses und nicht erst mit seiner Genehmigung durch die

Grundverkehrskommission oder seiner Verbücherung zu laufen, „zumal Gegenstand der Anfechtung nach dem Klagebegehren nur der Kaufvertrag, nicht aber seine bücherliche Durchführung“ ist.

Bis zum Außerkrafttreten des § 22 DevG idF BGBl 1946/162 (20. 8. 1996) bedurften auch bestimmte Geschäfte einer devisenbehördlichen Genehmigung. In 7 Ob 151/74 (RIS‑Justiz RS0016853 [T3]) hat der Oberste Gerichtshof dazu ausgesprochen, dass der Vorleistende zwar seine Ansprüche nicht auf das Fehlen der Genehmigung stützen darf, wohl aber Bereicherung geltend machen oder den Vertrag aus anderen als devisenrechtlichen Gründen anfechten darf.

Die von Markl/Oberhofer , Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aus zivilrechtlicher Sicht, WoBl 1992, 169 (174), vertretene Rechtsansicht, die Verjährungsfristen würden wegen der grundsätzlichen ex nunc Wirksamkeit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen, hat im Schrifttum keinen Widerhall gefunden. Die Autoren erkennen selbst, dass sich Probleme ergeben, wenn von den Vertragsparteien bereits vor Erteilung der Genehmigung „vertragsgemäß“ geleistet wurde. Diesfalls sei zu unterscheiden, ob der Vertrag nachträglich genehmigt, oder die Genehmigung versagt werde. Im ersten Fall spreche nichts dagegen, nach Erteilung der Genehmigung auch auf „vorweggenommene“ Erfüllungshandlungen die Vertrags‑(erfüllungs‑)regeln anzuwenden.

Ohne Zustimmung geschlossene Verpflichtungs‑ und Verfügungsgeschäfte sind für den Geschäftsunfähigen ebenfalls schwebend unwirksam (RIS‑Justiz RS0053275 [T9 und T11]). Aus der in 2 Ob 566/55 (SZ 28/232) vertretenen gegenteiligen Auffassung zum Beginn der Verjährungsfrist bei Anfechtung wegen laesio enormis im Falle einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung ist für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen. Ein wesentlicher Unterschied zum vorliegenden Fall liegt nämlich schon darin, dass der Vertragswille des Geschäftsunfähigen erst mit der gerichtlichen Genehmigung wirksam erklärt wird (1 Ob 686/81).

Die in der Revision zitierten Rechtssätze RIS‑Justiz RS0053275 und RS0048220 belegen ‑ entgegen der Behauptung der Revisionswerberin ‑ nicht, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Vorliegen der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung beginnt. Darin wird lediglich hier ohnehin nicht Strittiges wiedergegeben: Zum einen, dass ein Vertrag, der der gerichtlichen Genehmigung bedarf, erst mit dieser Rechtswirksamkeit erlangt (RIS‑Justiz RS0053275), und zum anderen, dass bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts über die Genehmigung eines Mietvertrags eines Minderjährigen ein unvollkommener („hinkender“) Vertrag vorliegt, der durch das nachträgliche Hinzutreten einer Rechtsbedingung, nämlich der Genehmigung, zu einem voll wirksamen Vertrag wird (RIS‑Justiz RS0048220). Richtig ist zwar ‑ so ebenfalls die Revisionswerberin ‑, dass vor Beendigung des Schwebezustands kein Anspruch auf Erfüllung besteht (RIS‑Justiz RS0053275 [T2]). Das ist aber grundsätzlich ‑ abgesehen von einer anderen vertraglichen Vereinbarung ‑ bei jedem unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossenen Vertrag der Fall (3 Ob 34/07g; RIS‑Justiz RS0012692).

Der Oberste Gerichtshof hält daher an der in 1 Ob 686/81 vertretenen Rechtsansicht fest, dass die Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes auch schon vor einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung geltend gemacht werden kann und damit die Verjährungsfrist für die Anfechtung des Vertrags wegen Verletzung über die Hälfte ‑ ungeachtet des Erfordernisses einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung des Vertrags ‑ mit dem Vertragsabschluss zu laufen beginnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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