OGH 10ObS24/13x

OGH10ObS24/13x16.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei O*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Milchram und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 2012, GZ 11 Rs 128/12s‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. September 2012, GZ 14 Cgs 27/11v-18 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Bundessozialamts vom 10. 10. 2005 wurde ausgesprochen, dass der Kläger ab 10. 8. 2005 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört; sein Grad der Behinderung beträgt 50 %.

Im Jahr 2008 erhielt er von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Berufsunfähigkeitspension, und zwar vom 1. 1. 2008 bis 31. 10. 2008 in Höhe von monatlich 1.797,63 EUR und vom 1. 11. 2008 bis 31. 12. 2008 in Höhe von monatlich 1.858,75 EUR. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge betrug die Jahrespension somit brutto 20.680, 85 EUR.

Gemäß dem maßgeblichen Einkommenssteuerbescheid entstand dem Kläger im Jahr 2008 aus selbstständiger Arbeit ein Verlust von ‑ 3.702,91 EUR, zugleich erzielte er Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb in Höhe von 55.607,81 EUR, sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12.990,51 EUR.

Wie sich aus dem Einkommenssteuerbescheid weiters ergibt, wurden von der Abgabenbehörde für das Jahr 2008 an nachgewiesenen Kosten aus eigener Behinderung 57.368,16 EUR als außergewöhnliche Belastung einkommensmindernd anerkannt.

Mit Bescheid vom 6. 12. 2010 bemaß die beklagte Partei die monatliche Berufsunfähigkeitspension ab 1. 1. 2008 (als Teilpension) neu, und zwar vom 1. 1. 2008 bis 31. 10. 2008 mit 900,85 EUR und ab 1. 11. 2008 bis 31. 12. 2008 mit 931,48 EUR; ab 1. 1. 2009 mit 1.860,86 EUR; ab 1. 1. 2010 mit 1.888,77 EUR, ab 1. 4. 2010 mit 1.323,13 EUR und ab 1. 12. 2010 mit 945,45 EUR. Weiters wurde in dem Bescheid der Überbezug für das Jahr 2008 mit 7.979,62 EUR festgestellt und zurückgefordert.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Anspruch auf Rückersatz von 7.979,62 EUR nicht zu Recht bestehe; in eventu begehrt er die Feststellung, er sei schuldig der Beklagten den Überbezug von 7.979,62 EUR in monatlichen Teilbeträgen von je 221,65 EUR zurückzuzahlen. Er brachte zusammengefasst vor, er habe aufgrund seiner Behinderung für hohe Arzt- und Therapiekosten aufzukommen. Berücksichtige man die im Jahr 2008 gegebenen außergewöhnlichen Belastungen aus seiner Behinderung in Höhe von 57.368,16 EUR, sei davon auszugehen, dass er im Jahr 2008 neben dem Pensionsbezug kein Erwerbseinkommen erzielt habe. Die Bildung einer Teilpension für das Jahr 2008 sei daher unzulässig und die gesamte Pension in gesetzlicher Höhe ungeschmälert auszuzahlen.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, für den Bereich der Pensionsversicherung sei eine außergewöhnliche Belastung ‑ im Gegensatz zum Steuerrecht ‑ nicht als einkommensmindernd anzusehen.

Das Erstgericht wies das gegen den Bescheid erhobene Klagebegehren auf Feststellung, der Anspruch auf Rückersatz bestehe nicht zu Recht, ab. Es setzte die monatliche Bruttopension für das Jahr 2008 als Teilpension neu fest (ab 1. 1. 2008 mit monatlich 900,85 EUR; ab 1. 11. 2008 bis 31. 12. 2008 mit monatlich 931,48 EUR) und legte dem Kläger den Rückersatz des Überbezugs für das Jahr 2008 von 7.979,62 EUR an die beklagte Partei (in 30 monatlichen Teilbeträgen zu je 265,99 EUR) auf. Das Erstgericht ging ‑ soweit hier noch von Bedeutung ‑ rechtlich davon aus, bei Ermittlung des Erwerbseinkommens aus selbständiger Arbeit iSd § 91 ASVG seien für den Bereich der Sozialversicherung die steuerlichen Abschreibungen in Form der außergewöhnlichen Belastungen an nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung des Klägers im Betrag von 57.368,16 EUR nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Da das neben dem Bezug der Berufsunfähigkeitspension erzielte Erwerbseinkommen aus selbstständiger Arbeit die Geringfügigkeitsgrenze übersteige, sei die Pension in eine Teilpension umzuwandeln und dem Kläger der Rückersatz des im Jahr 2008 entstandenen Überbezugs an die beklagte Partei aufzuerlegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich ging es davon aus, dass sich im Fall des Bezugs eines Einkommens über der Geringfügigkeitsgrenze der Pensionsanspruch in einen Teilpensionsanspruch umwandle, um einen ungeschmälerten Parallelbezug von Sozialversicherungsleistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und Erwerbseinkommen zu verhindern. Aufgrund der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze bestünden in manchen Fällen zwischen dem Einkommen im Sinn des Einkommenssteuergesetzes und dem Erwerbseinkommen im Sinn der Sozialversicherungsgesetze erhebliche Unterschiede, sodass die Versicherungsträger bei der Ermittlung des relevanten Einkommens zu durchaus anderen Ergebnissen als die Steuerbehörde gelangen könnten. So seien etwa steuerliche Abschreibungen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen vorgesehen seien, nicht als einkommensmindernd anzusehen. Es sei Aufgabe der Gerichte, im Einzelfall zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge bei der Ermittlung der Höhe der Erwerbseinkommen im Sinn der Sozialversicherungsgesetze zu berücksichtigen seien. Dabei sei im vorliegenden Fall auf den Einkommensbegriff des § 91 Abs 1 Z 2 ASVG abzustellen, somit auf Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit und nicht auf den in § 2 Abs 4 EStG definierten steuerrechtlichen Einkommensbegriff.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, es möge festgestellt werden, dass der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz nicht zu Recht bestehe; eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer ‑ ihr freigestellten ‑ Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, gegebenenfalls möge der Revision nicht Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zu der Rechtsfrage existiert, ob außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG beim Einkommensbegriff iSd § 91 ASVG zu berücksichtigen sind. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht im wesentlichen geltend, gemäß der Einkommensdefinition des EStG, die der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit zu Grunde zu legen sei, seien von den Einkünften die außergewöhnlichen Belastungen iSd §§ 34 und 35 EStG abzuziehen, um das einkommenssteuerrechtliche Einkommen zu errechnen. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, im vorliegenden Zusammenhang eine andere Einkommensdefinition vorzunehmen, sei nicht ersichtlich. Auch im Bereich der Alterspension der selbständig Erwerbstätigen werde der Begriff des Erwerbseinkommens grundsätzlich nach den steuerrechtlichen Vorschriften verstanden. An den rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid seien die Gerichte gebunden.

Dazu ist auszuführen:

1.1. Bezieht eine Person, die Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension mit Stichtag ab 1. 1. 2001 hat, ein Erwerbseinkommen, das die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs 2 Z 2 ASVG übersteigt, so wandelt sich der Pensionsanspruch in einen Anspruch auf Teilpension (§ 271 Abs 3 iVm § 254 Abs 6 ASVG; RIS-Justiz RS0115250 [zu § 254 Abs 6 und § 271 Abs 3 ASVG sowie § 132 Abs 5 GSVG]). Die Notwendigkeit einer solchen Anrechnungsbestimmung wurde in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass Geldleistungen der Sozialversicherung primär die Aufgabe haben, das ‑ durch Eintritt des Versicherungsfalls ‑ weggefallene Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht jedoch, ein weit über das bisherige Erwerbseinkommen hinausgehendes Gesamteinkommen zu ermöglichen, indem eine Leistung der Sozialversicherung ungeschmälert neben einem oder mehreren Erwerbseinkommen bezogen werden kann (Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG 115. Erg-Lfg Anm 7 zu § 254).

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird somit ‑ zur Vermeidung des Doppelbezugs von Pension und Erwerbseinkommen ‑ durch die allgemeinen Anrechnungsbestimmungen bei Zusammentreffen von Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspensionen mit Erwerbseinkommen in § 254 Abs 6 bis 8 ASVG iVm § 271 Abs 3 ASVG und durch die Gewährung von Teilpensionen sichergestellt, dass Leistungen aus der Sozialversicherung, die den Zweck haben, weggefallenes Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht ungeschmälert neben einem über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Erwerbseinkommen bezogen werden können (10 ObS 18/07f, SSV-NF 21/14).

3.1. Die Berücksichtigung von Leistungen bei Erwerbseinkommen ist in § 91 ASVG geregelt. Nach dieser Bestimmung, die durch das SRÄG 1996 BGBl 1996/411 mit Wirksamkeit ab 1. 8. 1996 im Sinne einer Legaldefinition des Erwerbseinkommens „zur Erleichterung der Vollziehungspraxis“ (RV 214 BlgNR 20. GP, 39) neu gefasst wurde (RIS-Justiz RS0110087), gilt als Erwerbseinkommen bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit (Abs 1 Z 2). Da der Begriff der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in den Sozialversicherungsgesetzen nicht näher definiert wird, ist es nach ständiger Rechtsprechung Aufgabe der Gerichte zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge zu berücksichtigen sind (10 ObS 7/11v mwN).

3.2. Was den Bereich der selbständig Erwerbstätigen betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs speziell der im § 25 GSVG (für die Ermittlung der Beitragsgrundlage) verwendete Begriff „Einkünfte“ aus dem Einkommenssteuerrecht entnommen, wobei im Bereich der Alterspensionen ‑ wie bereits wiederholt ausgesprochen wurde ‑ für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit der Begriff des Erwerbseinkommens grundsätzlich nicht anders zu verstehen ist als nach den steuerrechtlichen Vorschriften (RIS-Justiz RS00884294 [T4 und T7]; RS0105193; 10 ObS 90/08w, SSV‑NF 23/56).

3.3. Zwischen dem steuerpflichtigen „Einkommen“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes und dem Erwerbseinkommen im Sinne der Sozialversicherungsgesetze können aber auch erhebliche Unterschiede bestehen. Die Regeln des Einkommenssteuergesetzes sind nämlich nicht uneingeschränkt anzuwenden, weil es keine völlige Übereinstimmung der Begriffsbildung gibt und unterschiedliche Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze bestehen (RIS-Justiz RS0085302; RS0085210). Bei Klärung der Frage, welche Einkünfte bzw Abzüge bei der Ermittlung der Höhe des Erwerbseinkommens im Sinne der Sozialversicherungsgesetze zu berücksichtigen sind, können die Gerichte zu anderen Ergebnissen gelangen, als die Steuerbehörden im Abgabenverfahren. Eine Bindung der Gerichte an einen Einkommenssteuerbescheid der Abgabenbehörde ist insoweit zu verneinen (RIS-Justiz RS00084294 [T2]). Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen des Pensionsrechts und des EStG können demnach auch zwischen dem Erwerbseinkommen nach § 91 Abs 1 Z 2 ASVG und dem Einkommen iSd EStG Unterschiede bestehen (vgl Schramm in SV‑Komm § 91 Rz 11).

3.4. Sieht man als Erwerbseinkommen die Einkünfte (§ 2 Abs 3, § 4 Z 1 EStG) des Versicherten aus der selbständigen Erwerbstätigkeit an, die im maßgeblichen Kalenderjahr angefallen sind, sind etwa Verluste aus früheren Jahren nicht abzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0083781). Ein weiteres Beispiel für unterschiedliche Beurteilungen sind steuerliche Abschreibungen, die nur aus wirtschaftspolitischen Gründen (nämlich zur Förderung der Bildung von Eigenkapital und der Investitionstätigkeit) als gewinnmindernd berücksichtigt werden dürfen. Da diese Gründe für den Bereich der Sozialversicherung nicht maßgebend sind, können die angeführten Beträge insoweit nicht als einkommensmindernd anerkannt werden. Es gehören dazu etwa die Differenz zwischen der gewöhnlichen und einer vorzeitigen Abschreibung und die auf eine Investitionsrücklage, auf einen Investitionsfreibetrag oder auf einen nicht entnommenen Gewinn entfallenden Beträge (RIS‑Justiz RS0084294 [T1]; 10 ObS 198/09d, SSV-NF 24/2). Die Gerichte, deren Bindung sich überdies nur auf den Spruch über den Bescheidgegenstand erstrecken kann, sind daher in diesem Zusammenhang nicht an einen Einkommenssteuerbescheid der Abgabenbehörde gebunden (10 ObS 80/11d; 10 ObS 16/07m, SSV-NF 21/9).

3.5. Ob außergewöhnliche Belastungen iSd §§ 34 EStG beim Einkommensbegriff iSd § 91 ASVG zu berücksichtigen sind, war bisher nicht Gegenstand einer oberstgerichtlichen Entscheidung. Lediglich zu der ‑ nicht vergleichbaren Frage ‑ von außergewöhnlichen Belastungen im Ausgleichszulagenrecht wurde ausgesprochen, dass krankheitsbedingte Mehraufwendungen, die steuerlich als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden, nicht unter die „gesetzlich geregelten Abzüge“ des § 292 Abs 3 ASVG fallen. Ausgehend vom Zweck der Ausgleichszulage, dem Pensionsbezieher in pauschaler Weise einen Betrag zur Bestreitung eines angemessenen Lebensunterhalts zur Verfügung zu stellen, sei die „Summe der Einkünfte ... nach Ausgleich mit Verlusten“ nach § 292 Abs 3 ASVG jener Betrag, der dem Pensionisten real zur Verfügung stehe. Da er aus diesem Betrag die Ausgaben für seinen Lebensunterhalt tätige, sei dieser Betrag nicht schon vorweg um Ausgaben zu kürzen, die der Bestreitung der Lebensführung dienen; zu diesen Ausgaben zählten auch die als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG in Betracht kommenden Aufwendungen (10 ObS 140/07x, SSV-NF 21/82; [Pülzl, ASoK 2008, Ausgleichzulagenrecht: Kein Abzug von Krankheitskosten? ‑ Anmerkung zu OGH 27. 11. 2007, 10 ObS 140/07x]).

4.1. Gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 ist das (steuerrechtliche) Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich von Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104, 105 und 106a. Als außergewöhnlich wird eine Belastung dann angesehen, wenn sie höher als jene ist, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs 2 EStG 1988). Sie muss zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 34 Abs 1 Z 2 und Z 3 EStG 1988). Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung können auch ohne Berücksichtigung des Selbstbehalts (siehe § 34 Abs 4 EStG 1988) als außergewöhnliche Belastung dann abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (§ 34 Abs 6 EStG 1988).

4.2. Ihrem Wesensgehalt nach handelt es sich bei den außergewöhnlichen Belastungen um Aufwendungen für die Lebensführung, die ohne die gesetzliche Anordnung nicht absetzbar wären, deren Berücksichtigung aber dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht. Nach diesem Prinzip soll die Besteuerung an die persönliche (Steuer‑)Leistungsfähigkeit anknüpfen, die sich im Einkommen manifestiert. Die steuerliche Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung beruht somit auf dem Gedanken, dass diese Beträge dem Steuerpflichtigen nicht zur freien Verfügung stehen, während die Dispositionsmöglichkeit der Mehrzahl der Steuerpflichtigen insoweit nicht eingeschränkt ist. Sie betrifft somit nicht disponible Einkommensteile und bewirkt ein erhöhtes Existenzminimum ( Herzog , Handbuch Einkommenssteuer, 102, 105).

4.3. Diese ‑ an das (steuerrechtliche) Leistungs-fähigkeitsprinzip anknüpfenden ‑ Gründe sind wohl allein für die Abgabenbehörde maßgeblich, nicht jedoch für die Sozialversicherung. Demgegenüber nimmt § 91 Abs 1 Z 2 ASVG bei der Berücksichtigung des „Erwerbseinkommens“ aus selbständiger Tätigkeit ausdrücklich auf die nachgewiesenen „ Einkünfte “ aus dieser Tätigkeit Bezug. Nach § 4 Abs 4 Z 1 EStG sind die „Einkünfte“ der Gewinn (§§ 4 - 14 EStG; Schramm in SV‑Komm § 91 ASVG Rz 10). Außergewöhnliche Belastungen (§§ 34, 35 EStG) haben auf die Gewinnermittlung aber keinen Einfluss. Der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach den §§ 34, 35 EStG liegt daher eine gänzlich andere Zielsetzung zugrunde als § 271 Abs 3 iVm § 254 Abs 6 ‑ 8 ASVG.

4.4. Dem Standpunkt des Revisionswerbers ähnlich wie im Bereich der Alterspensionen und dem GSVG sei auch im vorliegenden Fall das Erwerbseinkommen nach den steuerrechtlichen Vorschriften zu definieren, ist entgegenzuhalten, dass speziell der im § 25 GSVG (für die Ermittlung der Beitragsgrundlage) verwendete Begriff „Einkünfte“ dem Einkommenssteuerrecht entnommen und nach diesem zu hinterfragen ist, während ansonsten im Sozialversicherungsrecht wegen der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze nicht einfach die Regeln der Einkommenssteuergesetze analog angewendet werden können (siehe oben). Nicht § 25 GSVG findet auf den gegenständlichen Fall Anwendung, sondern § 91 ASVG.

Die nach den §§ 34, 35 EStG 1988 als steuereinkommensmindernd anerkannten außergewöhnlichen Belastungen führen für den Bereich der Sozialversicherung somit nicht dazu, ein neben dem Pensionsbezug erzieltes ‑ die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen ‑ entsprechend zu mindern und die Umwandlung der Pension in eine Teilpension zu vermeiden.

Der Revision des Klägers ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Ein ausnahmsweiser Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit kam nicht in Betracht, weil aktuelle berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nicht geltend gemacht wurden und auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich sind.

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