Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit EUR 1.126,62 (darin enthalten EUR 187,77 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 28. 11. 1939 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei seit 1. 5. 2000 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Er hat nach Beendigung seiner langjährigen selbständigen Tätigkeit als Versicherungsvermittler nach wie vor Ansprüche auf Folgeprovisionen. In diesem Zusammenhang leitet er die ihm zur Kontrolle übermittelten Polizzen an seine früheren Kunden weiter. Aufgrund seiner langjährigen Kundenkontakte fühlt sich der Kläger auch persönlich verpflichtet, gelegentlich früheren Kunden im Rahmen der seinerzeit abgeschlossenen Versicherungsverträge Hilfestellungen zu leisten; er erhält dafür aber keine gesonderte Entlohnung. Seine Gewerbeberechtigung meldete der Kläger im Jahr 2000 ruhend und legte sie im Jahr 2005 zurück. Die laufenden Versicherungsgeschäfte werden seit dem Jahr 2000 von seinem Nachfolger erledigt.
Der Kläger legte der beklagten Partei mit Schreiben vom 9. 10. 2005 den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18. 7. 2005 vor. Dieser weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 48.839 aus. Mit Bescheid vom 27. 1. 2006 sprach die beklagte Partei aus, dass 1.) die dem Kläger gewährte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer für die Zeit vom 1. 1. 2004 bis 30. 11. 2004 wegfalle, 2.) die gemäß § 143 GSVG neu berechnete Leistung ab 1. 12. 2004 als Alterspension gebühre, mit dem Anfall der Alterspension der Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erlösche und 3.) der Überbezug von EUR 18.168,25 zurückgefordert und die zu Unrecht bezogene Geldleistung aufgerechnet werde. Gegen die Punkte 1.) und 3.) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, vom eingeforderten Überbezug in Höhe von EUR 18.168,25 Abstand zu nehmen und dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im bisherigen Ausmaß über den 31. 12. 2003 hinaus weiter zu gewähren. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, er habe keinerlei Entgeltansprüche im Sinne eines Anspruches auf Weiterleistung gegen seinen früheren „Dienstgeber". Bei Versicherungsgeschäften gelte der Anspruch auf Provision gemäß § 10 Abs 3 AngG mit dem Abschluss des Geschäftes als erworben. Folgeprovisionen seien daher ein Entgelt für schon vor der Pensionierung geleistete Dienste, wobei lediglich die Fälligkeit dieses Anspruches erst nach der Pensionierung eingetreten sei. Zum Erwerb der Folgeprovision sei keine weitere aktive Werbetätigkeit und auch kein Neuabschluss von Verträgen erforderlich. Seine Beratungstätigkeit habe sich ausschließlich auf die während seiner aktiven Tätigkeit abgeschlossenen Verträge bezogen. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit liege daher nicht vor. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete im Wesentlichen ein, der Kläger habe laut Einkommensteuerbescheid im Jahr 2004 aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen erzielt, weshalb gemäß § 131 Abs 1 Z 4 und Abs 2 GSVG die dem Kläger gewährte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer bis zum Anfall der Alterspension mit 1. 12. 2004 weggefallen sei. Der Kläger sei aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2004 im Zeitraum 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004 gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung einbezogen worden. Im Bereich der Pensionsversicherung bestehe gemäß § 273 Abs 8 GSVG eine sogenannte „Altersausnahme". Die beklagte Partei sei zur Rückforderung des entstandenen Überbezuges berechtigt, weil der Kläger seine Meldepflicht verletzt habe, indem er weiterhin die Nachbetreuung von Kunden übernommen, diese Weiterausübung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nicht gemeldet und den Einkommensteuerbescheid 2004 erst im Oktober 2005 vorgelegt habe.
Das Erstgericht gab ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dem Klagebegehren statt. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass „aufgrund des festgestellten Sachverhaltes die Voraussetzungen für den Wegfall der vorzeitigen Alterspension, für eine Neuberechnung der Pensionsleistung und vor allem auch - mangels Meldepflichtverletzung - für die Rückforderung eines Überbezuges" fehlen würden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die vom Kläger laut Einkommensteuerbescheid 2004 in diesem Jahr erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Folgeprovisionen) aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezogen worden seien, die vom Kläger vor dem Jahr 2004 erbracht worden sei und die daraus resultierenden Folgeprovisionen nur aufgrund der besonderen Gestaltung der Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und seinem Vertragspartner zu späteren Zeitpunkten fällig geworden seien. Der Kläger habe seine bisherige Tätigkeit als Versicherungsvermittler im Jahr 2004 nicht mehr ausgeübt. Er habe lediglich die ihm zur Kontrolle übermittelten Polizzen weitergeleitet sowie für frühere Kunden im Rahmen der seinerzeit abgeschlossenen Versicherungsverträge Hilfestellungen geleistet. Allein der Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner früheren Tätigkeit auch im Jahr 2004 noch Folgeprovisionen erhalten habe, könne nicht als selbständige Erwerbstätigkeit gewertet werden, für die der Kläger ein Erwerbseinkommen beziehe und welches seinen Anspruch auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ausschließen würde. Dass im Einkommensteuerbescheid 2004 von Einkünften des Klägers aus selbständiger Erwerbstätigkeit für dieses Jahr ausgegangen worden sei, ändere an dieser Beurteilung nichts, weil für die Zwecke der Einkommensteuer dem Kläger diese Beträge tatsächlich erst in diesem Zeitraum zugekommen seien und er bis dahin davon noch keine Einkommensteuer bezahlt habe. Eine Bindung des Sozialgerichtes an einen Einkommensteuerbescheid bestehe nicht.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der rechtserheblichen Frage vorliege, inwieweit Folgeprovisionen als Erwerbseinkommen iSd § 131 GSVG in dem Jahr, in dem sie fällig werden, zu qualifizieren seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, nach § 28 Z 6 MaklerG umfasse die Wahrung der Interessen des Versicherungskunden auch die Verpflichtung des Versicherungsmaklers, den Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles zu unterstützen. Es handle sich dabei um eine untrennbar mit dem Provisionsbezug verbundene Verpflichtung jedes Versicherungsmaklers. Die Weiterführung des Beratungsdienstes diene daher der Erhaltung des Kundenbestandes und somit letztlich der Einkommensquelle. Es treffe zwar zu, dass es für den Wegfall des Anspruches auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses der bezogenen Entgelte, sondern auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung ankomme. Wenn jedoch - wie im vorliegenden Fall - zum Zwecke der Erhaltung der Einkünfte weiterhin Beratungstätigkeiten erbracht werden, seien die diese Einkünfte erhaltenden Aktivitäten als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach der gemäß § 298 Abs 8 GSVG auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwendenden Bestimmung des § 131 Abs 2 GSVG (in der hier maßgebenden Fassung nach Art XXX Z 10 StrukturanpassungsG BGBl 1995/297) fällt die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit dem Tag weg, an dem der Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübt, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 131 Abs 1 Z 4 GSVG ausschließen würde. Nach § 131 Abs 1 Z 4 GSVG idF BGBl 1995/297 setzt der Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer unter anderem voraus, dass der Versicherte am Stichtag (§ 113 Abs 2) weder der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz und/oder dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger unterliegt noch aus sonstigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen bezieht, das das gemäß § 5 Abs 2 lit c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt.
Es genügt daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG idF BGBl 1995/297 und der erklärten Absicht des Gesetzgebers für das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und damit auch für die auf diese Anspruchsvoraussetzung abstellende Wegfallsbestimmung des § 131 Abs 2 GSVG bereits der „Tatbestand der Pflichtversicherung (in der Pensionsversicherung) an sich" (vgl SSV-NF 14/39 mwN). Diese erste Alternative des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG kommt für den Kläger in dem strittigen Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 30. 11. 2004 jedoch unbestritten nicht in Betracht, weil er für den Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004 zwar in die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG einbezogen war, er aber gleichzeitig von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gemäß § 273 Abs 8 GSVG („Altersausnahme") ausgenommen war.
Entscheidend ist somit die Frage, ob der Kläger im Sinne der zweiten Alternative des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG im strittigen Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 30. 11. 2004 aus sonstigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeiten ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 lit c ASVG übersteigendes Erwerbseinkommen bezogen hat. Der in § 131 Abs 1 Z 4 GSVG verwendete Begriff des Erwerbseinkommens ist mangels eigenständiger Definition im Sinne der Legaldefinition des § 60 Abs 1 GSVG zu verstehen. Danach gilt, sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit als Erwerbseinkommen. Da der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit in den Sozialversicherungsgesetzen nicht näher definiert wird, ist es Aufgabe der Gerichte, zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können schon aufgrund der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze zwischen dem Einkommen im Sinne des EStG und dem Erwerbseinkommen im Sinne der Sozialversicherungsgesetze (hier: § 131 Abs 1 GSVG) erhebliche Unterschiede bestehen und es können daher die Pensionsversicherungsträger (sowie aufgrund der sukzessiven Kompetenz die Gerichte) bei der Ermittlung des Einkommens zu durchaus anderen Ergebnissen kommen als die Steuerbehörden im Abgabeverfahren. Schon deshalb können die Gerichte, deren Bindung sich überdies nur auf den Spruch über den Bescheidgegenstand (Festsetzung der Einkommensteuer) erstrecken kann, diesbezüglich nicht an einen Einkommensteuerbescheid der Abgabebehörde gebunden sein. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es bei der Frage der Pensionsgewährung im Sozialversicherungsrecht, wie auch die beklagte Partei ausdrücklich einräumt, im Gegensatz zu dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip nicht darauf ankommt, wann jemandem das Geld zugeflossen ist, sondern ausschlaggebend ist, wann die entsprechende Leistung erbracht wurde (vgl SSV-NF 12/43 = ZAS 1999/8, 83 [Drs]; SSV-NF 10/57; 8/106). Im vorliegenden Fall ist im Revisionsverfahren allein noch die Frage strittig, ob es sich bei den im Einkommensteuerbescheid 2004 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit ausgewiesenen Folgeprovisionen des Klägers um ein Erwerbseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit handelt, welches zum Wegfall des Anspruches des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 131 Abs 2 GSVG führt. Hat ein Versicherungsmakler - wie der Kläger - den Abschluss eines Versicherungsvertrages vermittelt, so schuldet der Versicherer meist während des aufrechten Versicherungsvertrages eine laufende Provision. Dennoch handelt es sich auch bei einer Folgeprovision dem Wesen nach um eine Vermittlungsprovision, wobei der Anspruch auf diese mit Abschluss des Versicherungsvertrages erworben wird. Folgeprovisionen gelten daher vorbehaltlich der Ausführung des Versicherungsvertrags schon mit dessen Abschluss als verdient (4 Ob 100/02p; ZAS 1992/15, 125 [Schima] jeweils mwN; Noss, Maklerrecht² [2004] Rz 151). Es hat daher bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Einkommensteuerbescheid 2004 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erfassten Folgeprovisionen tatsächlich auf Leistungen zurückzuführen sind, die vom Kläger bereits vor dem klagsgegenständlichen Zeitraum erbracht wurden. Nur wenn der Kläger für im strittigen Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 30. 11. 2004 erbrachte Leistungen ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 lit c ASVG übersteigendes Einkommen bezogen hätte, wären die Voraussetzungen des § 131 Abs 1 Z 4 und Abs 2 GSVG erfüllt (vgl SSV-NF 12/43 = ZAS 1999/8, 83 [Drs]). Die Ansprüche des Klägers auf Folgeprovision aus Versicherungsverträgen, die noch während der Zeit seiner aktiven Tätigkeit als Versicherungsmakler abgeschlossen wurden, gelten daher nicht als Erwerbseinkommen im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesstelle und führen somit auch nicht zum Wegfall seines Anspruches auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (vgl in diesem Sinne auch Radner ua, BSVG³ Anm 3 zu § 56 unter Hinweis auf die entsprechende Praxis der Sozialversicherungsanstalt der Bauern). In diesem Sinne ist auch die Bestimmung des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG zu verstehen, wonach Folgeprovisionen nicht als „weitergeleistete Bezüge" gelten. Wird daher eine Abschlussprovision (Folgeprovision) für vor Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vermittelte Verträge während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ausgezahlt, so handelt es sich nicht um weitergeleistete Bezüge iSd § 143 Abs 1 Z 3 ASVG, sondern um ein Entgelt für früher erbrachte Leistungen, das nicht zum Ruhen des Krankengeldes führt (SSV-NF 11/42).
Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Für die Revisionsbeantwortung gebührt nur ein einfacher Einheitssatz, weil die Spezialvorschrift des § 23 Abs 9 RATG nur für das Berufungsverfahren gilt.
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