Spruch:
I. Die Bezeichnung der erstbeklagten Partei wird auf „U***** AG“ berichtigt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.308,17 EUR (darin 218,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Zu I.:
Nach der am 17. 9. 2012 von den Hauptversammlungen beider Gesellschaften beschlossenen und am 12. 10. 2012 zu FN ***** und FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Verschmelzung der übertragenden U***** AG mit der übernehmenden U***** AG, deren Firmenwortlaut gleichzeitig in „U***** AG“ geändert wurde, ist diese gemäß § 225a Abs 3 AktG Gesamtrechtsnachfolgerin der übernommenen AG. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.
Zu II.:
Am 11. 12. 2007 ereignete sich gegen 18:30 Uhr an der ungeregelten Kreuzung Quellenstraße - Herzgasse in Wien 10 ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Fußgängerin und der Zweitbeklagte als Lenker eines von ihm gehaltenen und bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten Pkws beteiligt waren. Die beiden Unfallbeteiligten waren auf der Quellenstraße in Richtung Triesterstraße unterwegs gewesen. Als der Zweitbeklagte nach rechts in die Herzgasse einbiegen und die Klägerin die Fahrbahn der Herzgasse in gerader Richtung überqueren wollte, kam es zur Kollision.
Die Klägerin begehrte den Ersatz ihres mit 17.600 EUR sA bezifferten Schadens sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Folgen aus dem Unfall vom 11. 12. 2007. Der Zweitbeklagte habe sie beim Überqueren eines Schutzwegs niedergestoßen und verletzt.
Die beklagten Parteien wandten ein, es sei überhaupt kein Schutzweg vorhanden gewesen. Der Zweitbeklagte habe angehalten, um der Klägerin das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Diese habe ihm aber mit einem Handzeichen zu verstehen gegeben, dass er weiterfahren könne. Aus unerfindlichen Gründen habe sie dann aber dennoch versucht, die Fahrbahn zu überqueren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Der Zweitbeklagte näherte sich der Kreuzung, in deren Bereich sich kein Schutzweg befindet, mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h. Er setzte den rechten Blinker und beabsichtigte, nach rechts in die Herzgasse einzubiegen. Er nahm die am Gehsteigrand stehende Klägerin wahr und brachte sein Fahrzeug zum Stillstand. Als er dort stand, „bedeutete ihm die Klägerin mit einem Handzeichen, gleich einem den Verkehr regelnden Polizisten, er möge weiterfahren. Der Zweitbeklagte fuhr los, erkannte aber noch, dass die Klägerin trotz dem von ihr gesetzten Handzeichen auch losging“. Die Klägerin ging los, als sich das Beklagtenfahrzeug bereits 0,8 sek lang in Bewegung befand und einen halben Meter zurückgelegt hatte. Diese Bewegung wäre für die Klägerin bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennbar gewesen. Der Zweitbeklagte reagierte seinerseits „äußerst prompt“, nämlich 0,2 sek, nachdem sich die Klägerin in Bewegung gesetzt hatte. Er fasste seinen Bremsentschluss 1,2 sek vor der Kollision. Nach einer Wegstrecke von insgesamt 2,4 m und einer Fahrdauer von insgesamt etwa 2,2 sek kam das Beklagtenfahrzeug mit dem rechten Vorderrad auf dem rechten Fuß der Klägerin zum Stehen.
Rechtlich meinte das Erstgericht, die Klägerin habe für den Zweitbeklagten zweifelsfrei auf ihren „Vorrang“ verzichtet. Da diesem auch keine Reaktionsverspätung anzulasten sei, treffe die Klägerin das Alleinverschulden an der Kollision.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Auch das Berufungsgericht war der Auffassung, dass dem Zweitbeklagten kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Da ihm die Klägerin das klare Handzeichen zur Weiterfahrt gegeben habe, was mit einem Blickkontakt einhergegangen sein müsse (und nach der Aussage des Zweitbeklagten auch einhergegangen sei), habe er seine Fahrt fortsetzen dürfen. Ein weiteres Verharren im Stillstand hätte die eingetretene unklare Verkehrslage „erneuert und verschärft“. Im Zuge des Losfahrens könne der Zweitbeklagte die Klägerin aber ohnehin nicht aus den Augen gelassen haben, weil ihm ansonsten eine derart prompte Reaktion auf deren Losgehen gar nicht möglich gewesen wäre. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Zweitbeklagte jede erdenkliche Sorgfalt iSd § 9 Abs 2 EKHG eingehalten habe. Gegenüber dem verkehrswidrigen Verhalten der Klägerin - sie habe gegen § 76 Abs 5 StVO verstoßen - trete die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs derart in den Hintergrund, dass keine Schadensteilung vorzunehmen sei.
Seinen nachträglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, begründete das Berufungsgericht damit, dass ihm „in der Frage des Blickkontakts der Unfallbeteiligten“ eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens und infolge dessen auch eine Fehlbeurteilung bei der Abwägung nach § 7 EKHG unterlaufen sein könnte.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan.
1. Es bildet noch keinen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, wenn das Berufungsgericht einen logisch zwingenden Schluss zieht, der - wenn auch unausgesprochen - bereits dem Urteil des Erstgerichts zugrunde liegt (5 Ob 20/09s; RIS-Justiz RS0043093).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aus den Feststellungen des Erstgerichts den Schluss gezogen, dass das Handzeichen der Klägerin „mit einem Blickkontakt einhergegangen sein muss“. Ob diese Schlussfolgerung bereits dem Urteil des Erstgerichts zugrunde lag, hängt maßgeblich von der Auslegung der erstinstanzlichen Feststellungen ab, die im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0118891).
Die eingangs kursiv wiedergegebenen Feststellungen lassen in ihrem Gesamtzusammenhang bei lebensnaher Würdigung die Deutung zu, dass der Blickkontakt zwischen den Unfallbeteiligten Voraussetzung für die als erwiesen angenommenen Verhaltensweisen (Handzeichen - Losfahren) war. Eine krasse Fehlbeurteilung, die Anlass zu einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof geben müsste, ist dem Berufungsgericht bei der Auslegung der erstinstanzlichen Feststellungen jedenfalls nicht unterlaufen. Es hat demnach seiner rechtlichen Beurteilung keinen bloß hypothetischen Sachverhalt zugrunde gelegt (RIS-Justiz RS0043088). Die in einem Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz erblickte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt deshalb nicht vor.
2. Ein Geständnis iSd § 266 ZPO liegt vor, wenn der Erklärung einwandfrei zu entnehmen ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen des Gegners als richtig zugegeben werden (RIS-Justiz RS0040114).
Die beklagten Parteien haben in erster Instanz zwar bloß das „überwiegende Verschulden“ der Klägerin eingewandt, gleichzeitig das Klagebegehren aber auch dem Grunde nach zur Gänze bestritten und Tatsachenvorbringen erstattet, aus dem sich das Alleinverschulden der Klägerin ergibt. Dass darin ein ausdrückliches Tatsachengeständnis zu erblicken wäre (zu den Voraussetzungen vgl 2 Ob 89/11v mwN), wird nicht einmal in der Revision behauptet. Die in der Berufung als erstinstanzlicher Verfahrensmangel gerügte rechtswidrige Nichtbeachtung eines schlüssigen Tatsachengeständnisses (§ 267 ZPO), an welches das Erstgericht gebunden gewesen wäre, hat aber schon das Berufungsgericht verneint. Diese Verfahrensfrage (RIS-Justiz RS0040078) kann schon aus diesem Grund in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden.
Davon abgesehen entspricht es der Rechtsprechung, dass die Aufnahme von Beweisen über die von einer Partei zugestandenen Tatsachen keinen relevanten Verfahrensmangel begründen kann (vgl 2 Ob 53/06t mwN; 17 Ob 19/11k; 2 Ob 89/11v; RIS-Justiz RS0039944, RS0040119 [T1]).
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass nach dem (ersten) Stillstand des Beklagtenfahrzeugs eine unklare Verkehrslage eingetreten sei, der nur durch gegenseitige Kontaktaufnahme abgeholfen werden konnte, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (vgl 2 Ob 90/01a; 2 Ob 44/08x mwN) und wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt.
Soweit die Klägerin in ihrem Rechtsmittel allerdings auf dem Standpunkt steht, eine solche Kontaktaufnahme habe nicht stattgefunden, weil es an einem Blickkontakt zwischen den Unfallbeteiligten gefehlt habe, geht sie nicht von der den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachengrundlage aus (vgl Punkt 1). Ihre Rechtsrüge ist in diesem Punkt daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
4. Mit seiner Rechtsansicht, der Zweitbeklagte habe die Klägerin „nicht von vornherein gefährdet oder behindert“, verneinte das Berufungsgericht den in der Berufung relevierten Verstoß gegen die Bestimmung des § 11 Abs 1 - bzw des spezielleren, mit der 20. StVO-Novelle eingefügten § 13 Abs 4 - StVO. Dass ihm dabei eine unvertretbare Verkennung der Rechtslage unterlaufen wäre, ist aus dem in der Revision enthaltenen Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 307/97d nicht ableitbar. Auch im damaligen Anlassfall hatte der Kläger (entgegen § 76 Abs 4 lit a StVO) die Fahrbahn vorschriftswidrig betreten, während dem Fahrzeuglenker kein Verschulden vorgeworfen wurde.
5. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Gefährdungshaftung nach dem EKHG im Verhältnis zur bürgerlich-rechtlichen Verschuldenshaftung ein Minus ist; eine auf behauptetes Verschulden gestützte Klage schließt die Haftung aus Gefährdung mit ein (2 Ob 210/09k mwN; 2 Ob 80/10v; 2 Ob 89/11v; RIS-Justiz RS0038123). Auch wenn sich der Kläger in seinem Prozessvorbringen ausdrücklich nur auf das Verschulden seines Unfallgegners stützt, ist bei Ausfall der Verschuldenshaftung daher die amtswegige Prüfung vorzunehmen, ob das Klagebegehren aus dem Rechtsgrund der Gefährdungshaftung nach dem EKHG berechtigt ist. Dieser Grundsatz gilt auch im Rechtsmittelverfahren, weshalb das Berufungsgericht befugt war, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts auch unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung zu überprüfen (2 Ob 80/10v mwN; 2 Ob 89/11v).
Dazu gehörte auch die Prüfung, ob den beklagten Parteien der ihnen nach § 9 Abs 2 EKHG obliegende Entlastungsbeweis gelungen ist. Entgegen der Meinung der Klägerin haben die beklagten Parteien diesen Beweis auch „angetreten“. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass der Einwand eines Haftungsausschlusses nicht ausdrücklich erhoben werden muss. Es genügt, wenn sich dem Vorbringen eine entsprechende Behauptung entnehmen lässt (vgl 2 Ob 137/05v mwN; 2 Ob 41/10h).
Aus dem Tatsachenvorbringen der beklagten Parteien ist keine Sorgfaltswidrigkeit des Zweitbeklagten ableitbar. Dieses Vorbringen hätte ausgereicht, um anhand der getroffenen Feststellungen zu prüfen, ob den beklagten Parteien der Entlastungsbeweis gemäß § 9 Abs 2 EKHG gelungen ist. Die in der Revision aufgeworfene Frage nach einer allfälligen Unterscheidung zwischen solchen Haftpflichtigen, die den Entlastungsbeweis nicht erbringen konnten und solchen, die ihn nicht einmal angetreten haben, stellt sich nicht.
6. Letztlich ließ es das Berufungsgericht aber dahingestellt, ob der Zweitbeklagte jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt (§ 9 Abs 2 EKHG) eingehalten hat. Dies scheint die Klägerin zu verkennen, wenn es dem Berufungsgericht zu dieser (ungelösten) Rechtsfrage eine „unzutreffende Rechtsansicht“ attestiert. Die umfangreichen Revisionsausführungen, die darauf abzielen, dass seitens des Zweitbeklagten nicht jede erdenkliche Sorgfalt eingehalten wurde, können daher auf sich beruhen. Entgegen dem Verständnis der Klägerin ist das Berufungsgericht ohnehin davon ausgegangen, dass die beklagten Parteien ihr gegenüber für die vom Beklagtenfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr einzustehen haben. Auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der Zurechnungsgründe (§ 7 Abs 1 EKHG) geht die Klägerin in ihrem Rechtsmittel allerdings nicht ein.
7. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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