OGH 17Ob19/11k

OGH17Ob19/11k19.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** Company, *****, 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Gassauer‑Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 60.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. April 2011, GZ 1 R 85/11v‑12, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. Februar 2011, GZ 30 Cg 210/10z‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0170OB00019.11K.0919.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 2.225,72 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 370,95 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerinnen gehören zu einer international tätigen Unternehmensgruppe mit Sitz in den USA. Die Erstklägerin ist eine kanadische Konzerngesellschaft, die einen Teil der Markenrechte des Konzerns hält und verwaltet. Sie ist insbesondere Inhaberin der Gemeinschaftsmarke CT003590064, registriert unter anderem für „Zahnbürsten [...] sowie deren Teile und Bestandteile“:

 

Weiters ist sie Inhaberin einer damit übereinstimmenden österreichischen Wortbildmarke (AT129017) und der österreichischen Wortmarke „ORAL-B“ (AT071832), registriert jeweils ua für „Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Malzwecke)“.

Die Zweitklägerin vertreibt in Österreich elektrische Zahnbürsten, die mit diesen Marken gekennzeichnet sind. Ihr Anteil am inländischen Markt für elektrische Zahnbürsten beträgt 93,5 %. Die Beklagte ist die österreichische Tochtergesellschaft einer britischen Unternehmensgruppe. Sie vertreibt in Österreich Zahnpflegeprodukte unter der Marke „Dr. Best®“. Insbesondere bietet sie Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten der Klägerinnen an. Sie verwendet dafür folgende Verpackung:

 

Strittig ist dabei in erster Linie die Angabe „3 Wechselköpfe für Oral-B*“. Auf der Rückseite der Verpackung wird unter Bezugnahme auf das bei dieser Angabe angebrachte Hinweiszeichen dargelegt, für welche Modelle der Klägerinnen die Bürstenköpfe passen. Weiters finden sich dort unter anderem folgende Angaben:

„Oral-B ist eine Marke von [Konzern der Klägerinnen], die die Dr. Best ® Wechselköpfe weder hergestellt, noch unterstützt oder freigegeben hat.“

„Zahnpflege aus der Wissenschaft ®

Die mit einem ®‑Zeichen versehene Formulierung ist in Österreich nicht als Marke geschützt.

Zur Sicherung ihres Unterlassungsbegehrens beantragen die Klägerinnen, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

1. in Österreich ein mit den Marken Oral-B (AT071832, AT129017 und CT003590064) identisches oder ähnliches Zeichen für Waren, insbesondere Aufsteckbürsten für elektrische Handzahnbürsten, für die diese Marken eingetragen sind, oder ähnliche Waren zu benutzen, soweit dies nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht, insbesondere durch den Vertrieb von Aufsteckbürsten für elektrische Handzahnbürsten mit der nachfolgenden oder einer ähnlichen Aufmachung:

2. in Österreich im geschäftlichen Verkehr Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten unter Verwendung der Angabe „für Oral-B“ einzuführen, anzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen, zu diesem Zweck zu besitzen und/oder diese Angabe auf Verpackungen für Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten anzubringen, wenn

[2.1.] dadurch der unrichtige Eindruck erweckt wird, (a) die Wechselköpfe stammten aus demselben Unternehmen wie elektrische Zahnbürsten des Oral-B-Systems, oder (b) die Wechselköpfe seien von den Klägerinnen auf ihre Tauglichkeit für das Oral-B-System überprüft oder sonst genehmigt oder freigegeben worden oder (c) es bestehe eine geschäftliche Beziehung zwischen den Unternehmen der Streitteile;

[2.2.] dies unter Verwendung der Angabe „passend für alle Oral-B elektrischen Zahnbürsten“ oder einer inhaltsgleichen Angabe geschieht und die Wechselköpfe tatsächlich nicht mit sämtlichen elektrischen Zahnbürsten des „Oral B“- Systems kompatibel sind und auf diese Tatsache nicht mit dem gleichen Auffälligkeitswert, den die Angabe „passend für alle Oral-B elektrischen Zahnbürsten“ hat, hingewiesen wird;

[2.3.] die Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten im Vergleich zu den „Oral B“ Wechselköpfen grob minderwertig sind, insbesondere weil sie die Grenzwerte in der Europäischen Norm EN 71-1 über die Sicherheit von Spielzeugen weit unterschreiten, oder die Akkulaufzeit der original „Oral B“ Handzahnbürsten substantiell verringern oder nachhaltige Auswirkungen auf die Lebensdauer der „Oral B“ Handzahnbürsten haben, insbesondere wenn die Wechselköpfe nicht mit der Marke „Dr. Best“ der beklagten Partei gekennzeichnet sind und damit beim Konsumenten der Eindruck entstehen kann, es handle sich um „Oral B“ Wechselköpfe;

[dies alles] insbesondere [in] der aus einer oder mehreren der folgenden Abbildung ersichtlichen Weise:

 

 

3. in Österreich im geschäftlichen Verkehr Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten unter Verwendung der Wortfolge „Zahnpflege aus der Wissenschaft“ gemeinsam mit dem Schutzrechtshinweis ® oder einem ähnlichen, inhaltlich vergleichbaren Schutzrechtshinweis einzuführen, anzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen, zu diesem Zweck zu besitzen und/oder diese Angabe auf Verpackungen für Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten anzubringen, insbesondere wie nachfolgend wiedergegeben:

 

Punkt 1 des Begehrens stützen die Klägerinnen auf den Eingriff in die bekannten Marken „Oral-B“. Durch deren Verwendung erwecke die Beklagte den Eindruck, dass ihr Produkt aus der Unternehmensgruppe der Klägerinnen stamme oder zumindest eine wirtschaftliche Nahebeziehung mit dieser bestehe. Weiters nutze und beeinträchtige die Beklagte die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke. Die Produkte der Beklagten seien aus näher dargelegten Gründen minderwertig; sie beeinträchtigten die Leistung und Langlebigkeit der Oral-B Elektrozahnbürsten. Dies ergebe sich aus einem von den Klägerinnen vorgelegten Privatgutachten. Aus diesen Gründen sei auch die Schutzschranke des § 10 Abs 3 MSchG (Art 12 GMV) nicht anwendbar.

Die Punkte 2 und 3 des Begehrens stützen die Klägerinnen auf Lauterkeitsrecht. Die Beklagte führe den Durchschnittsverbraucher aus den bereits zum markenrechtlichen Anspruch dargelegten Gründen über Herkunft und Qualität der Aufsteckbürsten in die Irre. Weiters erwecke sie den unrichtigen Eindruck, die Austauschköpfe passten auf alle Zahnbürsten der Klägerinnen. Tatsächlich treffe das nur für Modelle mit runden Bürstenköpfen zu. Schließlich berühme sich die Beklagte beim Slogan „Zahnpflege aus der Wissenschaft ® durch Verwendung des Registrierungshinweises (®) eines Markenschutzes, über den sie nicht verfüge.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Erstklägerin habe ihren Sitz in Kanada, werde in Österreich nicht operativ tätig und stehe daher mit der Beklagten nicht im Wettbewerb. Die Klägerinnen beherrschten den Markt für Elektrozahnbürsten. Wegen des Auslaufens eines Patents könne nun auch die Beklagte Austauschköpfe für deren Zahnbürsten anbieten, was im Interesse der Verbraucher liege. Dafür müsse sie aber die Marke „Oral-B“ nennen, da sie nur so auf die Bestimmung ihrer Ware hinweisen könne. Zu einem aufklärenden Hinweis, dass zwischen der Beklagten und der Unternehmensgruppe der Klägerinnen keine Verbindung bestehe, sei sie nicht verpflichtet. Zudem sei auf der Rückseite der Verpackung ohnehin klargestellt, dass die Austauschbürsten nicht aus dem Konzern der Klägerinnen stammten. Die Marke der Beklagten habe bei manuellen Zahnbürsten einen hohen Marktanteil. Anders als im Regelfall des § 10 Abs 2 MSchG (Art 9 Abs 1 lit c GMV) versuche daher nicht ein (relativ) unbekanntes Unternehmen, am Ruf einer bekannten Marke zu partizipieren. Die von den Klägerinnen behaupteten Qualitäts- und Sicherheitsmängel bestünden nicht. Zur behaupteten Mehrbelastung für den Antriebsteil der Zahnbürste lasse die Beklagte eine Langzeitstudie durchführen, deren Ergebnisse binnen Monatsfrist vorliegen würden. Die Beklagte behaupte nicht, dass ihre Wechselköpfe für alle Oral-B Zahnbürsten passten. Der Slogan „Zahnpflege aus der Wissenschaft“ sei zwar in Österreich markenrechtlich nicht geschützt. Die Klägerinnen hätten aber nicht dargelegt, welche Relevanz das für die wirtschaftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers habe.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Zu Punkt 2 untersagte es der Beklagten allerdings nur, unter den dort genannten Bedingungen (2.1. ‑ 2.3.) Wechselköpfe für elektrische Zahnbürsten mit der Bezeichnung „für Oral-B“ zu bewerben und/oder diese Angabe auf Verpackungen für solche Wechselköpfe anzubringen. Eine Abweisung zum ebenfalls beantragten Verbot des Einführens, Anbietens, Inverkehrbringens und Besitzens unterblieb.

Dem Privatgutachten der Klägerinnen folgend nahm das Erstgericht als bescheinigt an, dass sich die rotierenden Bürsten bei den Austauschköpfen leichter von der Halterung lösten als beim Original. Weiters bewirke die Verwendung der Austauschköpfe eine vorzeitige Entleerung des Akkus und eine Verkürzung der Lebensdauer des Handstücks. Die Ersatzteile der Beklagten seien daher von geringerer Qualität als das Original. Die Angabe „Wechselköpfe für Oral-B“ sei irreführend, weil die Wechselköpfe nur für einen Teil des Sortiments geeignet seien. Die Beklagte kombiniere ihre eigene Marke mit der Angabe „Wechselköpfe für Oral-B“ und rufe dadurch beim Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervor, dass Oral-B Zahnbürsten ebenfalls von Dr. Best stammten oder dass es zumindest eine wirtschaftliche oder rechtliche Beziehung zwischen Oral-B und Dr. Best gebe. Das Anbringen einer „Wortbildmarke“ sei im Regelfall nicht erforderlich, um das Publikum auf die Bestimmung der Ware hinzuweisen. Daher könne sich die Beklagte nicht auf § 10 Abs 3 MSchG berufen. Durch die Herkunftstäuschung verstieß die Beklagte auch gegen Punkt 13 des Anhangs zum UWG. Irreführend sei weiters die Verwendung des Zeichens ® im Zusammenhang mit dem Slogan „Zahnpflege aus der Wissenschaft“. Punkt 2 des Sicherungsbegehrens sei „umzuformulieren“ gewesen, weil keine Patentverletzung, sondern ein Wettbewerbsverstoß vorliege.

Das nur von der Beklagten angerufene Rekursgericht wies das Sicherungsbegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Aufgrund einer Beweisrüge im Rekurs traf das Rekursgericht eine Negativfeststellung zur Behauptung der Klägerinnen, die von der Beklagten vertriebenen Produkte seien von geringerer Qualität als das Original. Die auf diese Behauptung gestützten Teile des Begehrens bestünden daher nicht zu Recht. Die Markennutzung sei durch § 10 Abs 3 MSchG gedeckt. Die Wechselköpfe der Beklagten könnten ausschließlich auf den Zahnbürsten der Klägerinnen verwendet werden. Diesen Verwendungszweck könne die Beklagte nur durch das Nennen der Marke „Oral B“ darlegen. Deren blickfangartiges Herausstellen sei nicht unlauter. Ein aufklärender Hinweis sei nicht erforderlich, da den Verbrauchern bekannt sei, dass Austauschprodukte oft aus anderen Unternehmen stammten als das Original. Es liege daher auch keine irreführende Herkunftsangabe vor. Die Verpackung der Beklagten suggeriere nicht, dass die Wechselköpfe für alle Oral-B Zahnbürsten geeignet seien. Ein durchschnittlicher Verbraucher sei es gewohnt, bei Austauschprodukten durch näheres Studium der Verpackung (hier also der Rückseite) die Kompatibilität mit der Originalware zu prüfen. Der unauffällige Hinweis „Zahnpflege aus der Wissenschaft®“ auf der Rückseite der Verpackung sei nicht geeignet, die Entscheidungen des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen; die Klägerinnen hätten dazu auch nichts vorgebracht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerinnen ist zulässig, weil die Rechtsprechung zu § 10 Abs 3 MSchG (Art 12 GMV) einer Präzisierung bedarf; er ist aber nicht berechtigt.

A. Zum maßgebenden Sachverhalt

1. Das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, dass die Austauschköpfe der Beklagten eine geringere Qualität aufwiesen als das Original; insbesondere verringere ihre Verwendung die Lebensdauer des Akkus. Das Rekursgericht hat statt dessen eine Negativfeststellung getroffen. Die Klägerinnen wenden ein, dass die Beklagte das diesbezügliche Klagevorbringen nicht substantiiert bestritten habe, sodass ein Zugeständnis angenommen werden müsse. Die Negativfeststellung des Rekursgerichts sei daher unbeachtlich.

2. Die Frage, ob § 267 ZPO zu Recht angewendet wurde oder nicht, ist eine Verfahrensfrage (RIS-Justiz RS0040078); sie kann daher mit Verfahrensrüge geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0040078 [T1, T5]). Nahm erstmals das Gericht zweiter Instanz ein schlüssiges Zugeständnis an, kann daher der Oberste Gerichtshof das als möglichen Mangel des Berufungs- oder Rekursverfahrens überprüfen. Im vorliegenden Fall ist allerdings die umgekehrte Situation zu beurteilen: Die Klägerinnen behaupten, das Rekursgericht habe § 267 ZPO zu Unrecht nicht angewendet und daher eine Negativfeststellung getroffen; mit dieser Begründung streben sie die Unbeachtlichkeit dieser Negativfeststellung an. Hier ist zu differenzieren: Hätte das Rekursgericht (positiv) das Gegenteil des angeblichen Geständnisses festgestellt, so läge darin kein Verfahrensmangel; die Feststellung wäre dem Verfahren zugrunde zu legen (17 Ob 1/11p = ÖBl 2011/43 ‑ Diesel IV mwN). Der Widerspruch zwischen dem Geständnis und der gegenteiligen Überzeugung des Gerichts wird daher durch den Vorrang der vom Gericht getroffenen Feststellung aufgelöst. Bei einer bloßen Negativfeststellung liegt kein solcher Widerspruch vor: Dass das Gericht von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen einer Partei nicht überzeugt ist, schließt nicht aus, dass die Gegenpartei die Richtigkeit dieser Behauptung zugesteht. In diesem Fall hat das Geständnis aufgrund der Dispositionsmaxime Vorrang. Eine Negativfeststellung wäre daher bei Vorliegen eines Geständnisses unbeachtlich.

3. Diese Erwägungen helfen den Klägerinnen aber nicht weiter. Denn grundsätzlich bedürfen alle Tatsachen eines Beweises, die nicht ausdrücklich (§ 266 ZPO) oder schlüssig (§ 267 ZPO) zugestanden worden sind; das bloße Unterbleiben der Bestreitung reicht für sich allein für die Annahme eines Tatsachengeständnisses nicht aus (RIS-Justiz RS0039955, RS0039941). Bloß unsubstantiiertes Bestreiten ist nur dann ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, die Partei dazu aber nie konkret Stellung genommen hat (RIS-Justiz RS0039927).

Jedenfalls an dieser leichten Widerlegbarkeit fehlt es im vorliegenden Fall: Die Klägerinnen haben eine technische Behauptung aufgestellt und durch ein Privatgutachten zu bescheinigen versucht. Die Beklagte hat dieser Behauptung klar widersprochen. Dass sie für ihre Auffassung über keine paraten Beweismittel verfügte, sondern ‑ als Reaktion auf das Privatgutachten ‑ erst eine entsprechende Studie einleiten musste, kann keinesfalls als schlüssiges Zugeständnis gewertet werden. Vielmehr muss es auch in diesem Fall bei der Beweislast jener Partei bleiben, die sich auf die strittige Tatsache beruft. Wenn das Rekursgericht insofern eine Negativfeststellung trifft, kann der Oberste Gerichtshof, der auch im Sicherungsverfahren Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0002192), dem nicht entgegentreten.

B. Zur behaupteten Markenrechtsverletzung (Punkt 1 des Begehrens)

1. Die Beklagte benutzt die Wortmarke „ORAL‑B“ für Waren („Bürsten“), die mit denjenigen gleich sind, für die sie eingetragen ist. Der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 1 MSchG ist daher jedenfalls in Bezug auf die Wortmarke erfüllt. Es kann daher offen bleiben, ob auch die Nutzung des (gleichlautenden) Wortbestandteils der beiden Wortbildmarken unter diese Bestimmung (bzw unter Art 9 Abs 1 lit a GMV) fällt oder ob sie (nur) nach dem Kriterium der Verwechslungsgefahr iSv § 10 Abs 1 Z 2 MSchG (Art 9 Abs 1 lit b GMV) zu beurteilen ist. Zeichenidentität ist trotz bestehender Unterschiede anzunehmen, wenn diese Unterschiede so geringfügig sind, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können (EuGH C‑291/00 , LTJ Diffusion, Slg 2003 I‑2799, Rz 54; C‑278/08 , Bergspechte, Slg 2010 I-2517, Rz 25; RIS-Justiz RS0122378). Das könnte unter Umständen auch bei der Übernahme des Wortbestandteils einer Wortbildmarke mit bloß schwachen graphischen Elementen zutreffen (vgl Ingerl/Rohnke, MarkenG3 [2010] § 14 Rz 287, unter Hinweis auf EuGH C‑278/08 , Bergspechte, Rz 27).

2. § 10 Abs 1 Z 1 MSchG (Art 9 Abs 1 lit c GMV) begründet einen Unterlassungsanspruch des Markeninhabers. Die Beklagte wendet dagegen das Vorliegen einer zulässigen Bestimmungsangabe iSv § 10 Abs 3 Z 3 MSchG (Art 12 lit c GMV) ein. Danach kann der Markeninhaber einem Dritten nicht untersagen, die Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, zu nutzen; dies jedoch nur dann, wenn die Nutzung notwendig ist und den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

2.1. § 10 Abs 3 MSchG (Art 12 GMV) ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (17 Ob 28/08d = ÖBl 2009, 186 [Gamerith] ‑ Mazda-Logo; RIS-Justiz RS0124426). Die Benutzung einer (zumindest normal kennzeichnungskräftigen) Marke als Bestimmungsangabe ist nur dann zulässig, wenn sie „praktisch das einzige Mittel dafür darstellt, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware zu erhalten“ (EuGH C-228/03 , Gillette/LA-Laboratories, Slg 2005 I-2337 = ÖBl 2006/20 [Gamerith], Rz 39; 17 Ob 28/08d ‑ Mazda-Logo). Soweit das zutrifft, muss es der Inhaber einer bekannten Marke hinnehmen, dass ein Mitbewerber durch die Verwendung als Bestimmungsangabe faktisch von deren Wertschätzung und Unterscheidungskraft profitiert (17 Ob 2/11k = wbl 2011/148 ‑ Velux mwN). Nähme man in diesem Fall Unlauterkeit iSv § 10 Abs 2 MSchG (Art 9 Abs 1 lit c GMV) oder § 10 Abs 3 MSchG (Art 12 GMV) an, so könnte der Inhaber einer bekannten Marke ‑ der in vielen Fällen auch über eine marktbeherrschende Stellung verfügen wird ‑ den Marktzutritt von Mitbewerbern allein unter Berufung auf die Bekanntheit seiner Marke verhindern.

Im vorliegenden Fall ist die Nutzung der Wortmarke der Erstklägerin zweifellos notwendig, da die Beklagte sonst nicht auf die Bestimmung ihrer Ware als Ersatzteil für die Originalzahnbürsten der Klägerinnen hinweisen kann. Das Problem der ‑ regelmäßig unzulässigen ‑ Verwendung einer Bild- oder Wortbildmarke (17 Ob 28/08d = ÖBl 2009, 186 [Gamerith] ‑ Mazda-Logo) stellt sich nicht. Die konkrete Schriftgröße überschreitet nicht jenes Maß, das erforderlich ist, um das Wahrnehmen der Bestimmungsangabe in einer typischen Verkaufssituation (Hängen der Waren in einem Regal) zu gewährleisten.

2.2. Zu prüfen ist allerdings weiters, ob die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn „sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht“ (EuGH C-63/97 , BMW, Slg 1999 I-905, Rz 51; C-228/03 , Gillette, Rz 42; so auch schon die ältere österreichische Rsp, vgl etwa 4 Ob 359/78 = ÖBl 1979, 15; RIS-Justiz RS0078141, RS0078415).

Für die Beurteilung dieser Frage ist das Verständnis eines Durchschnittsverbrauchers maßgebend. Dieser nimmt auf der strittigen Verpackung zwei Kennzeichen wahr („Oral-B“ und „Dr. Best®“). Beide kennt er im Zusammenhang mit Zahnpflegeprodukten. Die Marke der Beklagten („Dr. Best®“) ist durch Alleinstellung und größere Schrift hervorgehoben. Der Durchschnittsverbraucher wird daher annehmen, dass die Wechselköpfe aus einem Unternehmen stammen, das über diese Marke verfügt. Die Wortmarke der Erstklägerin ist demgegenüber etwas kleiner geschrieben und im Zusammenhang eindeutig als Bestimmungsangabe erkennbar. Angesichts des hohen Marktanteils wird der Durchschnittsverbraucher „Oral-B“ zwanglos als Hinweis auf elektrische Zahnbürsten dieser Marke verstehen. Einen Grund für die Annahme, dass die Ersatzteile aus demselben Unternehmen stammten wie das Original oder dass zumindest eine wirtschaftliche Beziehung zwischen den Erzeugern bestehe, hat er jedoch nicht. Denn dem Durchschnittsverbraucher ist aufgrund seiner Erfahrungen mit anderen Ersatzteilen ‑ etwa Druckerpatronen, Staubsaugerbeuteln oder Netzgeräten ‑ bewusst, dass Ersatzteile auch aus einem anderen Unternehmen stammen können als das Original und dass keine wirtschaftliche Beziehung zwischen den beiden Unternehmen bestehen muss. Aus diesem Grund sind Originalersatzteile meist schon aus Marketinggründen eindeutig als solche gekennzeichnet, etwa durch die auffällige Verwendung von Bild- oder Wortbildmarken. Fehlt eine solche Kennzeichnung und liegt daher offenkundig eine bloße Bestimmungsangabe vor, wird der Durchschnittsverbraucher im Regelfall nicht annehmen, dass eine wirtschaftliche Beziehung zwischen dem Hersteller des Ersatzteils und jenem des Originals besteht. Dass bei einem geringen Teil der angesprochenen Kreise Fehlvorstellungen über die Herkunft der Wechselköpfe oder eine wirtschaftliche Beziehung zwischen den Erzeugern entstehen könnten, reicht nicht aus, um Unlauterkeit der ‑ auch in der konkreten Form notwendigen ‑ Bestimmungsangabe annehmen zu können (vgl I ZR 34/02 = GRUR 2005, 423 ‑ Staubsaugerfiltertüten).

2.3. Auch die weiteren in der Klage angeführten Gründe für die Unlauterkeit greifen nicht: Dass die Beklagte faktisch von der Wertschätzung und der Unterscheidungskraft der Marke der Erstklägerin profitiert, ist durch die Notwendigkeit von deren Nutzung gedeckt (oben B.2.1.); die drohende Beeinträchtigung der Wertschätzung des Originals wegen Minderwertigkeit des Ersatzteils ist angesichts der diesbezüglichen Negativfeststellung des Rekursgerichts nicht erwiesen (oben A.). Schon aus diesem Grund muss der markenrechtliche Anspruch scheitern. Zur Klarstellung ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Zweitklägerin einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch nur geltend machen könnte, wenn sie über eine ausschließliche Lizenz verfügte (4 Ob 29/00v = SZ 73/26 ‑ Boss-Brillen; RIS-Justiz RS0113315) oder von der Erstklägerin (als Markeninhaberin) dazu ermächtigt worden wäre (4 Ob 209/02t = ÖBl 2003, 87 [Hiti] ‑ Brühl; RIS-Justiz RS0113315 [T1]). Ein solches Vorbringen hat die Zweitklägerin nicht erstattet.

C. Zu den lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen (Punkte 2 und 3 des Begehrens)

1. Zu Punkt 2.1. des Begehrens (Imitationsmarketing).

1.1. Die Klägerinnen bringen vor, dass die Beklagte durch die Produktgestaltung den unrichtigen Eindruck erweckt habe, es bestehe eine geschäftliche Beziehung zwischen dem Hersteller der Originalzahnbürsten und jenem der Wechselköpfe. Diese in Punkt 2.1.c. des Begehrens enthaltene allgemeine Formulierung deckt auch die spezielleren Fälle in Punkt 2.1.a. (selbes Unternehmen) und Punkt 2.1.b. (Freigabe der Wechselköpfe durch die Klägerinnen). Die Klägerinnen behaupten damit das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik iSv § 2 Abs 3 Z 1 UWG (Imitationsmarketing). Aktiv legitimiert wären hier neben dem Markeninhaber als Lizenzgeber (4 Ob 331/87 = SZ 60/78 - GFK-Schachtboden) auch solche Mitbewerber, die nicht über das strittige Markenrecht verfügen (17 Ob 10/11m = ÖBl 2011, 177 [Gamerith] ‑ Jungle Man mwN).

1.2. Die in § 2 Abs 3 Z 1 UWG angesprochene lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr ist allerdings aus den schon zum Markenrecht dargelegten Gründen zu verneinen. Da allgemein bekannt ist, dass Ersatzteile aus anderen Unternehmen stammen können als das Original und eine wirtschaftliche Beziehung zwischen den Erzeugern nicht unbedingt vorliegen muss, wird der Durchschnittsverbraucher aus der konkreten Produktgestaltung nicht auf einen wirtschaftlichen oder sonstigen Zusammenhang zwischen dem Hersteller des Originals und jenem des Ersatzteils schließen.

2. In Punkt 2.2. des Begehrens beanstanden die Klägerinnen, die Beklagte habe unrichtig behauptet, ihre Wechselköpfe passten für alle Oral-B Zahnbürsten; in Wahrheit gelte das nur für Bürsten mit runden Bürstenköpfen.

Eine solche Behauptung ist der Verpackung aber nicht zu entnehmen. Die strittige Formulierung lautet „Wechselköpfe für Oral-B“. Daraus leitet der Durchschnittsverbraucher nicht ab, dass die Wechselköpfe für alle elektrischen Zahnbürsten von „Oral-B“ geeignet seien. Denn zum einen ist er daran gewöhnt, bei Ersatzteilen auf Kompatibilitätshinweise zu achten; er wird nicht annehmen, dass ein bestimmter Ersatzteil zu allen nur denkbaren Geräten einer bestimmten (anderen) Marke passt. Zum anderen ist schon aus der Gestaltung der Verpackung zu erkennen, dass es sich um runde Bürstenköpfe handelt. Der Durchschnittsverbraucher wird daher im Regelfall nicht annehmen, dass er diese Ersatzteile auch für Bürsten mit anders geformten Köpfen verwenden könnte. Selbst wenn er aber diese Möglichkeit in Erwägung ziehen sollte, wird er sich zunächst auf der Rückseite der Verpackung überzeugen, ob seine Vermutung zutrifft. Dort findet er die entsprechende Klarstellung. Eine irreführende Geschäftspraktik liegt daher nicht vor.

3. Punkt 2.3. des Sicherungsantrags bezieht sich auf die angebliche Minderwertigkeit der von der Beklagten angebotenen Wechselköpfe. Hier scheitert das Begehren an der eingangs erörterten Negativfeststellung des Rekursgerichts (oben A.).

4. Mit Punkt 3. des Sicherungsantrags wenden sich die Beklagten gegen die Verwendung des Registrierungshinweises „®“ beim Werbeslogan „Zahnpflege aus der Wissenschaft“. Es ist unstrittig, dass dieser Werbeslogan in Österreich nicht als Marke registriert ist. Das Rekursgericht hat aber richtig erkannt, dass die Verwendung des Registrierungshinweises im konkreten Fall nicht geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

4.1. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in 4 Ob 158/93 (= ÖBl 1994, 77 ‑ Art-Deco) die Irreführungseignung eines zu Unrecht gesetzten Registrierungshinweises bejaht. Strittig war dort ein zu Unrecht gesetzter Registrierungshinweis bei der für Modeschmuck beschreibenden Bezeichnung „Art-Deco“. Er konnte nach Auffassung des damals erkennenden Senats vom Publikum, „an dessen Kenntnisse und Fähigkeiten kein hoher Maßstab angelegt werden“ dürfe, dahin verstanden werden, dass es solchen Modeschmuck nur bei der Beklagten gebe. Bei nicht beschreibenden Zeichen wurde die Eignung zur Irreführung der angesprochenen Kreise hingegen verneint (4 Ob 12/94 = ÖBl 1994, 115 ‑ Crystal).

4.2. Maßgebend für die Ermittlung des Inhalts einer Werbeaussage ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 ‑ Lego‑Klemmbausteine; RIS-Justiz RS0114366; 4 Ob 42/08t = MR 2008, 257 [Korn] = ÖBl 2008, 276 [Gamerith] ‑ W.-Klaviere mwN; zuletzt etwa 17 Ob 25/08p = SZ 2008/154 = ÖBl 2009, 175 [Gamerith] ‑ Red Bull/Wodka, und 4 Ob 199/08f = wbl 2009, 308 ‑ Zahn-Oase) das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet. Ein solcher Adressat wird aus dem Registrierungshinweis bei der Formulierung „Zahnpflege aus der Wissenschaft“ ‑ wenn er ihn überhaupt wahrnimmt und in irgendeine Richtung zu deuten vermag ‑ nicht annehmen, dass nur die Zahnpflegeprodukte des Markeninhabers auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhten. Vielmehr wird er diese Wortfolge als Werbeslogan erkennen und (allenfalls) annehmen, dass sich die Beklagte diesen Slogan (irgendwie) gesichert habe. Dieses Verständnis hätte aber keine erkennbaren Auswirkungen auf seine geschäftliche Entscheidung. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, der der oben dargestellten Entscheidung zum Registrierungshinweis bei beschreibenden Zeichen zugrunde lag (4 Ob 158/93 ‑ Art-Deco). Zudem beruhte diese Entscheidung offenkundig auf einem Verbraucherleitbild, das nicht zur Gänze den (späteren) unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.

4.3. Eine relevante Irreführung der Marktgegenseite liegt daher nicht vor. Auf die allfällige Täuschung von Mitbewerbern über den Schutz des Slogans (vgl 4 Ob 12/94 ‑ Crystal) haben sich die Klägerinnen nicht berufen. Ihr Anspruch besteht daher auch insofern nicht zu Recht.

D. Ergebnis und Kosten

Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerinnen zur Gänze scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41 und § 50 ZPO.

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