OGH 2Ob90/01a

OGH2Ob90/01a26.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Norbert F*****, vertreten durch Dr. Kurt Martschitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. Mag. Reinhard G*****, 2. S***** GmbH, ***** und 3. *****Allgemeine Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 179.744,10 sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2000, GZ 1 R 246/00m-34, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. August 2000, GZ 8 Cg 62/00w-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"1. Die eingeklagte Forderung besteht mit S 21.872,05 zu Recht.

2. Die eingewendete Gegenforderung besteht mit S 7.273,50 zu Recht.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 14.598,55 samt 4 % Zinsen seit 20. Oktober 1998 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

4. Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei sämtliche Schäden, die diese aufgrund des Verkehrsunfalles vom 16. Juni 1998 in Bregenz in Zukunft erleiden wird, zur Hälfte zu ersetzen, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei auf die Höhe der Versicherungssumme beschränkt ist und die Schmerzengeldansprüche der klagenden Partei bis zum 8. Juli 2004 vorerst abgegolten sind.

5. Das Zahlungsmehrbegehren von S 165.145,55 sA sowie das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für weitere 50 % der Schäden des Klägers aufgrund des Verkehrsunfalles vom 16. Juni 1998 wird abgewiesen.

6. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 45.067,13 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit S 53.276,83 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 4.308,22 und Barauslagen von S 27.427,50) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16. 6. 1998 gegen 17.05 Uhr ereignete sich in Bregenz auf der Rheinstraße ein Verkehrsunfall an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Lenker eines von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Der Kläger wurde durch den Unfall schwer verletzt. Er hatte Unkosten in der Höhe von S 13.744,10.

Am Fahrzeug der zweitbeklagten Partei entstand ein Schaden in der Höhe von S 14.047, weiters entstanden den beklagten Parteien pauschale Unkosten von S 500.

Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung von S 179.744,10 sowie die Feststellung deren Haftung für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 16. 6. 1998 und brachte dazu vor, er habe als Fußgänger die Rheinstraße überqueren wollen. Der Erstbeklagte habe sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht, weshalb er angenommen habe, er wolle ihm das Überqueren der Fahrbahn ermöglichen. Er habe sich daraufhin in Richtung Fahrbahnmitte fortbewegt. Plötzlich sei das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug aber wieder angefahren und habe ihn mit der Motorhaube erfasst. Das Alleinverschulden treffe den Erstbeklagten, der den Kläger völlig übersehen habe.

Der Kläger begehrt ein Schmerzengeld von S 250.000 sowie den Ersatz seiner Unkosten in der Höhe von S 13.744,10, abzüglich einer von den beklagten Parteien geleisteten Teilzahlung von S 85.000.

Die Beklagten anerkannten eine nicht auf Verschulden beruhende Mithaftung von 50 % und wendeten ein, die Kollision sei für den Erstbeklagten unvermeidbar gewesen. Eine Gegenforderung von S 7.273,50 wurde - unter Berücksichtigung des anerkannten Mitverschuldens von 50 % - aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als mit S 128.744,10 als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest; es verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S 128.744,10 und gab auch dem Feststellungsbegehren statt.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Rheinstraße ist eine Verbindungsstraße zwischen Bregenz und Hard. Im Bereich des AMS-Gebäudes befindet sich eine Bushaltestelle, an die in Fahrtrichtung Hard nach einem Fahrradstreifen die Fahrbahn für den von Bregenz Richtung Hard geradeaus fahrenden Verkehr anschließt. Zwischen der Bushaltestelle und dem Vorplatz des AMS-Gebäudes befindet sich ein Gehsteig. Etwa auf Höhe der Einfahrt zur Bushaltestelle teilt sich die Fahrbahn in Richtung Hard in zwei Fahrstreifen ungleicher Breite, von denen der linksseitige Fahrstreifen, markiert mit einem Richtungspfeil, dem Linksabbiegeverkehr zugedacht ist. In diesem Bereich mündet vis-a-vis der Bushaltestelle vor dem AMS-Gebäude die Straße "In der Holzbündt" in die Rheinstraße. Neben der Linksabbiegespur liegt die Fahrbahn für den aus Hard in Richtung Bregenz fahrenden Verkehr. Daran schließt sich wiederum ein Radfahrstreifen. Im Bereich der linksseitigen Einmündung in die Straße "In der Holzbündt" liegt die Bushaltestelle für die von Hard in Richtung Bregenz fahrenden Busse.

Der Erstbeklagte war am Unfallstag von Bregenz kommend in Richtung Hard unterwegs. Nach der in seiner Fahrtrichtung gesehenen rechts gelegenen Bushaltestelle befindet sich ein Zebrastreifen.

Der Kläger verließ am Unfallstag das AMS-Gebäude und beabsichtigte, auf Höhe der Bushaltestelle, ca 40 m vom nächsten Zebrastreifen entfernt, die Rheinstraße zu überqueren. Er hatte sein Fahrzeug in der Straße "In der Holzbündt" abgestellt. Er hielt das erste Mal am Ende der Busspur an und beobachtete von dort ein Fahrzeug, das offensichtlich in die Straße "In der Holzbündt" abbiegen wollte. Er setzte daher seinen Gang über die Straße fort und bemerkte, dass der Lenker des vorhin von ihm beobachteten Fahrzeuges offenbar seine Absicht änderte und auf die Rheinstraße zurückfuhr. Das führte dazu, dass der Kläger, der inzwischen fast bis zum Ende der Linksabbiegespur vorgegangen war, wieder in Richtung AMS-Gebäude zurückwich. Er blieb etwa im ersten Drittel der Fahrspur für den geradeaus fahrenden Verkehr nach Hard stehen.

Der Erstbeklagte nahm bei seiner Annäherung im Bereich der Bushaltestelle ebenfalls den Fahrzeuglenker wahr, der vorerst nach links in die Straße "In der Holzbündt" abbiegen wollte, sich dann aber wieder nach rechts in die Rheinstraße einordnete. Aus diesem Grund musste der Erstbeklagte sein Fahrzeug abbremsen und brachte es auf Höhe der Einmündigung der Straße "In der Holzbündt" zum Stillstand. Der Kläger ging davon aus, dass der Erstbeklagte sein Fahrzeug anhielt, um ihm das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen und setzte zu einem zügigen Gehen an.

Der Erstbeklagte hatte den Kläger nicht gesehen und fuhr von seinem Standplatz los.

Nachdem der Kläger etwa 1,5 m zurückgelegt hatte, wozu er ca 1,5 Sekunden benötigte, wurde er vom Fahrzeug der zweitbeklagten Partei erfasst. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Erstbeklagte von seiner Stillstandsposition bis zur Kollisionsstelle 3 m oder 6 m zurückgelegt hat. Für die Zurücklegung einer 3 m langen Strecke hätte er ca 1,5 Sekunden benötigt und in dieser Zeit eine Geschwindigkeit von ca 12 km/h erreicht. Ca 1 Sekunden nach dem Loslaufen des Klägers hätte der Erstbeklagte dasselbe erkennen müssen. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Geschwindigkeit des vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeuges ca 5 km/h. Der PKW befand sich zu diesem Zeitpunkt ca 1 m vom Standplatz entfernt. Der Anhalteweg bei einer Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h und einer Bremsverzögerung von 7 m/sec**2 (Vollbremsung) beträgt ca 1,8 m. Unter der Voraussetzung, dass sich das Fahrzeug der zweitbeklagten Partei in der Stillstandsposition 3 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt befand, hätte der Erstbeklagte die Kollision bei entsprechender Wahrnehmung des Klägers und sofortiger Reaktion vermeiden können.

Für das Zurücklegen einer 6 m langen Wegstrecke benötigte das Fahrzeug ca 2,5 Sekunden. Dabei konnte eine Geschwindigkeit von mindestens 15 km/h erreicht werden. Unter dieser Voraussetzung verließ der Erstbeklagte ca 1 Sekunde vor dem neuerlichen Loslaufen des Klägers seinen Standplatz. Auf diese neuerliche Fortbewegung des Klägers konnte der Erstbeklagte nicht mehr wirksam mit einer Bremsung reagieren und so den Unfall vermeiden. In der Stillstandsposition wäre der Kläger auf jeden Fall für den Erstbeklagten sichtbar gewesen.

Durch den Anprall wurde der Kläger auf die Motorhaube gehoben, prallte mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe und wurde über den rechten Kotflügel auf die Fahrbahn geschleudert. Der Erstbeklagte hat den PKW erst nach dem Anprall abgebremst. Der Kläger wurde durch den Unfall schwer verletzt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe die Rheinstraße an einer Stelle überquert, die mehr als 25 m vom nächsten Schutzweg entfernt liege, weshalb ihm ein Verstoß gegen § 76 Abs 6 StVO nicht anzulasten sei.

Der Erstbeklagte habe zwar den Kläger vor dem Losgehen nicht wahrgenommen. Hätte er ihn aber gesehen, hätte er gemäß § 3 StVO darauf vertrauen dürfen, dass dieser die für die Benützung der Straßen maßgeblichen Vorschriften befolge. Der Erstbeklagte habe daher trotz des am Fahrbahnrand stehenden Klägers mit seinem Fahrzeug losfahren dürfen. Der Kläger begründe das Alleinverschulden des Erstbeklagten damit, dass er ihn völlig übersehen habe. Der Nachweis, dass auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Unfall nicht vermieden worden wäre, sei den Beklagten nicht gelungen. Aufgrund der unaufmerksamen Fahrweise habe der Erstbeklagte gegen § 20 StVO verstoßen und daher ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB verletzt. Dem Kläger könne ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden. Er habe davon ausgehen können, er werde das Beklagtenfahrzeug nicht behindern.

Das Erstgericht erachtete ein Schmerzengeld von S 200.000 für angemessen.

Ausgehend von einer Mithaftung der beklagten Parteien im Ausmaß von 50 % erwuchsen das Leistungsurteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Zuspruches von S 14.598,55 sowie das Feststellungsurteil hinsichtlich einer 50 %igen Haftung der beklagten Parteien unangefochten in Teilrechtskraft.

Das hinsichtlich der darüber hinausgehenden Zusprüche an den Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach (zunächst) aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, es könne zwar dem Erstbeklagten kein Verstoß gegen § 20 StVO (Einhalten einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit) vorgeworfen werden, doch sei ihm eine grobe Unaufmerksamkeit anzulasten, weil er den auf seiner Fahrspur befindlichen und sich in Bewegung setzenden Kläger übersehen habe.

Aus der Regelung des § 76 Abs 5 letzter Halbsatz StVO, wonach Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn den Fahrzeugverkehr nicht behindern dürften, ergebe sich, dass die Fahrbahn in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt sei, doch dürfe der Lenker eines Fahrzeuges nach § 19 Abs 8 StVO auf seinen Vorrang verzichten. Das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, aus welchem Grunde immer, gelte als Verzicht auf den Vorrang. Selbst wenn der Erstbeklagte nicht wegen des Klägers, sondern wegen der unentschlossenen Fahrweise des PKW-Lenkers vor ihm sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht habe, habe er dem Kläger gegenüber auf seinen Vorrang verzichtet. Verzicht auf den Vorrang bedeute Enthebung von der Wartepflicht (diesfalls des überquerenden Klägers) durch den Vorrangberechtigten. Nach dem Zum-Stillstand-Bringen des Fahrzeuges hätte der Erstbeklagte somit sein Fahrzeug erst dann wieder in Bewegung setzen dürfen, nachdem er sich Gewissheit veschafft hatte, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer behindere. Davon könne aber nicht ausgegangen werden, weil der Kläger in seiner Stillstandsposition für den Erstbeklagten jedenfalls sichtbar gewesen wäre.

Demgegenüber sei dem Kläger kein Mitverschulden anzulasten. Er habe weder gegen § 76 Abs 6 StVO verstoßen, noch gegen § 76 Abs 5 StVO. Er sei bereits bis fast zum Ende der Linksabbiegespur vorgegangen und aufgrund des Fahrverhaltens des unbekannten PKW-Lenkers auf die Fahrspur für den geradeaus fahrenden Verkehr nach Hard zurückgewichen und dort stehen geblieben, als der Erstbeklagte sein Fahrzeug auf Höhe der Einmündung der Straße "In die Holzbündt" zum Stillstand gebracht habe. Damit habe der Erstbeklagte auf den ihm auf der Fahrbahn an sich zukommenden Vorrang dem Kläger gegenüber verzichtet. Der Kläger selbst sei davon ausgegangen, dass der Erstbeklagte sein Fahrzeug angehalten habe, um ihm das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Er habe zu einem zügigen Gehen angesetzt, wozu er auch berechtigt gewesen sei, weil er nunmehr gegenüber dem Erstbeklagten als Vorrangberechtigter anzusehen gewesen sei.

Über Antrag der beklagten Parteien änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass diese doch für zulässig erklärt wurde. Es begründete diesen Ausspruch damit, dass in sämtlichen Absätzen des § 19 StVO entweder von Fahrzeugen oder von Lenkern von Fahrzeugen die Rede sei, woraus der Schluss gezogen werden könne, dass § 19 StVO ausschließlich den Vorrang zwischen Fahrzeug bzw deren Lenkern regle. Es sei daher fraglich, ob speziell § 19 Abs 8 StVO auch im Verhältnis zwischen einem Fahrzeuglenker und einem Fußgänger analog Anwendung finde, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die beklagten Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, § 19 StVO regle lediglich den Verkehr zwischen Fahrzeugen bzw Fahrzeuglenkern. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Erstbeklagte durch das Zum-Stillstand-Bringen des von ihm gelenkten Fahrzeuges gegenüber dem Kläger nicht auf seinen Vorrang verzichtet habe. Sowohl der Kläger, als auch der Erstbeklagte hätten sich in Stillstandsposition befunden. Im Hinblick auf die dadurch gegebene unklare Verkehrslage wäre der Erstbeklagte zur Kontaktaufnahme und entsprechender Vorsicht verpflichtet gewesen. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung begründe zumindest gleichteiliges Verschulden am Zustandekommen des gegenständlichen Unfalls.

Hiezu wurde erwogen:

Wie die beklagten Parteien in ihrem Rechtsmittel zutreffend darlegen, regeln die Bestimmungen der § 19 Abs 1 bis Abs 6b StVO den Vorrang von Fahrzeugen. § 19 Abs 8 StVO regelt den Verzicht eines Lenkers auf einen (sich aus den obigen Absätzen) ergebenden Vorrang, wobei das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, ausgenommen eines Schienenfahrzeuges in Haltestellen, aus welchem Grunde immer, insbesondere auch in Befolgung eines gesetzlichen Gebotes, als Verzicht auf den Vorrang gilt. Fußgänger sind demnach in diese Vorrangregeln nicht einbezogen (vgl VwGH ZVR 1964/4).

Daraus folgt, dass der Erstbeklagte durch das verkehrsbedingte Zum-Stillstand-Bringen seines Fahrzeuges nicht auf einen ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Vorrang verzichtete und nunmehr auch der Kläger nicht im Vorrang gegenüber dem Erstbeklagten war. Vielmehr bestand eine unklare Verkehrssituation. Für den Kläger war erkennbar, dass das Fahrzeug der zweitbeklagten Partei nur vorübergehend zum Stillstand gebracht worden war, er hatte auch keine objektiven Anhaltspunkte (etwa ein Handzeichen) dafür, dass der Erstbeklagte ihm das Überqueren der Fahrbahn gestatten wolle. Der Erstbeklagte hingegen hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit gesehen, dass der Kläger auf dem Fahrstreifen, den er in der Folge benützte, stand, es war für ihn auch nicht erkennbar, was der Kläger in der Folge machen werde. Dieser unklaren Verkehrslage hätte nur durch eine gegenseitige Kontaktaufnahme abgeholfen werden können. Da dies weder der Kläger noch der Erstbeklagte getan haben, ist ihnen gleichteiliges Verschulden anzulasten (RIS-Justiz RS0027025; ZVR 1983/302 uva).

Daraus folgt, dass das Leistungs- und Feststellungsbegehren des Klägers und auch die eingewendete Gegenforderung der beklagten Parteien je zur Hälfte zu Recht bestehen, weshalb - unter Berücksichtigung der Teilzahlung - spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 43, 50 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren ist der Kläger mit etwa 13 % durchgedrungen, weshalb er den beklagten Parteien 74 % ihrer Kosten und 87 % der Barauslagen zu ersetzen hat. Die Kosten der beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz betragen S 49.909,78 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 8.318,30). 74 % hievon ergeben S 36.933,23. Die Barauslagen der beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz betrugen S 10.760, 87 % hievon sind S 9.316,12, woraus sich ein Kostenersatzanspruch der beklagten Parteien von S 46.249,35 ergibt. Davon sind abzuziehen 13 % der Barauslagen der klagenden Partei in der Höhe von insgesamt S 9.094, sohin S 1.182,22. Daraus ergibt sich ein Kostenersatzanspruch der beklagten Parteien in der Höhe von insgesamt S 45.067,13. Im Verfahren zweiter und dritter Instanz sind die beklagten Parteien aufgrund ihrer eingeschränkten Anfechtung zur Gänze durchgedrungen.

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