OGH 2Ob36/13b

OGH2Ob36/13b4.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Mag. Christoph Arnold und Mag. Fiona Arnold, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde S*****, vertreten durch Mag. Dr. Othmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 21.858,86 EUR sA, Feststellung (Streitinteresse 5.000 EUR) und Rente (Streitinteresse 3.240 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2013, GZ 10 R 104/12p-39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass ein Schacht oder eine Kanalanlage samt Abdeckung als „Werk“ iSd § 1319 ABGB aufzufassen ist (vgl 4 Ob 2334/96f; 7 Ob 2404/96x; 10 Ob 2444/96a; 6 Ob 30/98z; 2 Ob 158/03d; 9 Ob 27/04t; 1 Ob 216/04b; 9 Ob 79/06t; 2 Ob 79/08v; 2 Ob 60/11d). Dies sagt aber noch nichts darüber aus, ob die Kanalabdeckung nicht auch als Teil des Wegs (vgl 6 Ob 30/98z) oder als eine „im Zuge des Wegs befindliche Anlage“ iSd § 1319a Abs 2 ABGB zu qualifizieren ist. Letzteres setzt voraus, dass die Anlage dem Verkehr auf dem Weg dient (2 Ob 256/09z mwN). Wie sich bereits der Entscheidung 2 Ob 158/03d entnehmen lässt, kann auch eine der Entwässerung der Fahrbahnoberfläche dienende - dort aus einer Pflastermulde samt Einlaufschacht und Abdeckung bestehende - Anlage als solche iSd § 1319a Abs 2 ABGB beurteilt werden.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde das gegenständliche Kanalgitter bei der Errichtung der Gemeindestraße aufgrund des geringen Gefälles und der deshalb „problematischen Entwässerungssituation“ zum Zweck „der Ableitung der Oberflächenwässer“ bzw zur Ermöglichung einer „besseren Wasserableitung“ um einige Zentimeter „versenkt“ eingebaut. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass das Kanalgitter auf der Grundlage dieser Feststellungen als eine dem Verkehr dienende Anlage iSd § 1319a Abs 2 ABGB zu werten sei, steht mit der erörterten Rechtsprechung im Einklang und wirft keine Rechtsfrage von über den konkreten Einzelfall hinausgehender Bedeutung auf.

2. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verdrängt § 1319a ABGB als speziellere Norm § 1319 ABGB, wenn der Wegehalter gleichzeitig Besitzer einer im Zuge des Wegs befindlichen Anlage ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein besonderes Interesse des Wegehalters an der betreffenden Anlage (dem „Werk“) besteht (2 Ob 256/09z mwN; 2 Ob 60/11d; RIS-Justiz RS0107589 [T1]), dieser also auch selbst von der Anlage profitiert (4 Ob 104/97s; 2 Ob 158/03d; 2 Ob 281/01i). Ob dies zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb - von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen - auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (2 Ob 158/03d).

Eine gravierende, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen, wenn es angesichts der oben auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen davon ausging, dass die Ableitung der Oberflächenwässer allein im Interesse der Wegbenützer erfolgt (vgl 2 Ob 158/03d). Worin das besondere Interesse der beklagten Partei bestehen soll, wird auch in der Revision nicht dargetan. Das Argument, das Kanalgitter diene „der Abdeckung der Kanalanlage als Bauwerk iSd § 1319 ABGB“ lässt ein solches Interesse nicht erkennen.

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