OGH 4Ob104/97s

OGH4Ob104/97s22.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mehmet M*****, vertreten durch Dr.Christoph Schneider und Dr.Thomas Zelger, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde K*****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillersberger und Dr.Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen S 521.308,40 und Feststellung (Streitwert S 150.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 4.Februar 1997, GZ 1 R 9/97a‑40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.Oktober 1996, GZ 8 Cg 135/95‑35, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.861 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 3.643,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger stürzte am 28.5.1994 gegen 5.45 Uhr südlich des Hauses K*****, H*****‑Straße 3, vom östlichen Gehsteigrand ab und auf das 3 m tiefer gelegene Flachdach der Betriebsgarage dieses Hauses, weil sich eine zwischen einer dort am Gehsteigrand errichteten Stützsäule und dem südöstlichen Mauereck des genannten Hauses in der Höhe von rund 85 cm angebrachte Eisenquerstange löste, als er sich im Zuge eines Gespräches mit einem Bekannten nach rückwärts gegen das Geländer lehnte und zugleich die Eisenstange erfaßte. Dabei erlitt der Kläger schwere Verletzungen.

Mit der Behauptung, daß die beklagte Gemeinde den Unfall grob fahrlässig verschuldet habe, weil sie als Halterin der H*****‑Straße jahrelang den Zustand des Geländers, das seit langer Zeit locker gewesen sei, nicht überprüft habe, begehrt der Kläger von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von S 521.308,40 sA (Schmerzengeld, Verdienstentgang, unfallsbedingte Barauslagen) sowie die Feststellung, daß ihm die Beklagte für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall zu haften habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei weder Eigentümerin noch Halterin des Geländers, aus dem die Eisenstange ausgebrochen sei. Vielmehr sei im Zuge der Bauführung des Hauses ohne ihre Einwilligung der Gehsteig in Richtung Osten verbreitert worden, wobei der Bauherr die Eisenstange in der Hausmauer verankert habe. Die Beklagte sei daher nicht passiv legitimiert. Ihr könne keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil optische Mängel am Geländer nicht wahrnehmbar gewesen seien. Sie sei vor dem Unfall niemals von der Gefährlichkeit oder einem mangelhaften Zustand der Eisenstangen unterrichtet worden. Die Eisenstangen seien auch nicht zum Niedersetzen gewidmet und geeignet. Die Gefahrensituation habe der Bauherr des Hauses herbeigeführt. Im übrigen träfe den Kläger zumindest das überwiegende Verschulden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Im Jahre 1961 wurde dem Eigentümer des Grundstückes *****, das in der Natur einen abfallenden Hang zwischen H*****‑Straße - einer Gemeindestraße - und Z*****straße bildete, die Errichtung eines Wohn‑ und Betriebsgebäudes baupolizeilich bewilligt. Die bergseitige (westliche) Straße (= H*****‑Straße) war durch eine Stützmauer abzufangen und die Böschung abzubaggern. Zu diesem Zeitpunkt war die östliche Gehsteigkante der H*****‑Straße im Bereich des Grundstückes ***** auf einer Länge von etwa 30 m in einer Flucht verlaufen. Durch betonierte Pfeiler war sie mit längs laufenden geschmiedeten Eisenstangen gegenüber dem stark abfallenden Gelände des Grundstückes ***** abgesichert.

Der Eigentümer des Grundstückes *****, der Metzgermeister Josef W*****, ließ südseitig des Neubaues auf einer Länge von rund 6,2 m um die Mauerstärke der Geländerpfeiler (rund 30 cm) den Gehsteig auf seinem Grund und Boden nach Osten erweitern, um vor seinem Geschäftshaus den Parkbereich für Kunden zu verbessern, weil die Fahrbahnbreite der H*****‑Straße nur 5 m betrug.

Im Baubescheid war unter Punkt 19 der Auflagen der Abstand der östlichen Hausfront der H*****‑Straße mit 1,5 m im Wege einer Abstandsnachsicht nach der Tiroler Bauordnung (TBO) festgelegt worden. Diese Vorgabe hielt Josef W***** nicht ein.

Der genaue Grenzverlauf zwischen dem öffentlichen Gut (Grundstück ***** = *****‑Straße) und dem westlich angrenzenden Grundstück Josef W*****s ist nicht erwiesen.

Nach den dem Baubewilligungsbescheid zugrunde liegenden Bauplänen war an der Südseite des Neubaues ein Geländer mit relativ engmaschigem Gitter ohne Betonpfeiler vorgesehen, das in der Südfassade des Neubaues zu verankern gewesen wäre. Tatsächlich wurden die alten Eisenstangen verwendet, die es ebenso wie die Betonpfeiler schon seit den 30er‑Jahren gab. Daß das alte Geländer südlich des Neubaues auf eine gewisse Länge zu entfernen und durch ein neues Geländer zu ersetzen sei, wurde nicht angeordnet. Eine Anweisung, wie das Geländer im Mauerwerk an der Südseite des Hauses zu verankern sei, fehlt gleichfalls im Bescheid.

Die tatsächliche Ausführung der Verankerung wurde nach Fertigstellung des Geländers von der Beklagten - sei es als Bauaufsichtsbehörde, sei es als Straßenhalterin - nicht geprüft.

Für die Wartung der H*****‑Straße war der Bauhof der Beklagten zuständig. Die dortigen Straßenkehrer bzw "Wegemacher" hatten die Anweisung, auch die Geländer an der Ostseite der H*****‑Straße auf optische Mängel zu prüfen. Vor dem Unfall machten die Leute der Beklagten im Unfallsbereich nie einen "Rütteltest".

Möglicherweise war die obere Eisenstange im Unfallsbereich schon mehrere Monate lang locker gewesen. Daß dies optisch auffällig war, ist nicht erwiesen. Eine nähere Prüfung der Verankerung der oberen Stange in der Südfront des Hauses K*****, H*****‑Straße 3, und im südlichen Mauerpfeiler hätte knapp vor dem Unfall ergeben, daß die obere Stange beiderseits Spiel hat. Wäre die Stange untersucht worden, dann wären die Stangenenden durch den Bauhof der Beklagten beiderseits neu eingemauert worden. Bei einer solchen Vorkehrung wäre es wahrscheinlich nicht zum Unfall gekommen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß ein Vandalenakt - zeitlich knapp vor dem Unfall - zur Geländerinstabilität führte.

Eine Anrainermeldung vor dem Unfall wegen des schadhaften Geländers bei Polizei, Gendarmerie oder Bauhof ist nicht erwiesen.

Zum Unfall kam es deshalb, weil der Kläger einem Bekannten begegnete, stehen blieb und sich mit der rechten Hand auf der oberen Eisenstange unmittelbar südlich des Hauses abstützte. Dabei brach die obere Stange bei der Hauswand aus; der Kläger verlor das Gleichgewicht und stürzte ab.

Die Lockerheit der Stange war nicht augenfällig. Es bedurfte keiner Gewaltanwendung, damit die Stange auf einer Seite aus dem Loch rutschte, das sich im Laufe der Monate gebildet hatte.

Rechtlich meinte der Erstrichter, daß dem Kläger der Nachweis eines groben Verschuldens der Beklagten nicht gelungen sei. Die Beklagte wäre zwar nicht damit überfordert, derartige Eisenstangen im Unfallsbereich alljährlich auf ihre Festigkeit zu prüfen. Es sei jedoch möglich, daß die Lockerung innerhalb einer kürzeren Periode eingetreten sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Den in der Beweisrüge des Klägers bekämpften Feststellungen, wonach Josef W***** den Gehsteig erweitert habe, die Eisenstange bei der Hauswand ausgebrochen sei, die obere Eisenstange im Unfallsbereich möglicherweise schon mehrere Monate locker gewesen sei, Lockerungen optisch nicht sichtbar gewesen seien und möglicherweise kurz vor dem Unfall ein Vandalenakt die Eisenstange gelockert habe, seien rechtlich unerheblich. Der Stützpfeiler und die darin einbetonierte Eisenstange seien nämlich ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB und gleichzeitig eine im Zuge des Weges befindliche Anlage im Sinne des § 1319a Abs 2 ABGB. In einem solchen Fall könne der Geschädigte seinen Anspruch auf beide Bestimmungen stützen. Ob die Beklagte als (Mit‑)Halterin dieser Anlage nach § 1319a ABGB zu werten sei, könne offen bleiben. Die Beklagte treffe jedenfalls die strengere Haftung nach § 1319 ABGB. Sie sei Besitzer des Geländers im Sinne des § 1319 ABGB, weil sie in der Lage gewesen sei, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abzuwenden. Dazu sei sie auch verpflichtet gewesen, weil das Geländer Bestandteil einer Straße im Sinne des § 3 Abs 1 lit b Tiroler StraßenG sei. Als Straßenerhalter habe die Beklagte Einfluß auf Art und Ausführung der Geländerbeschaffenheit, der Art der Befestigung der Eisenstangen und auf das Ausmaß der Kontrollen, unabhängig davon, ob diese Einrichtungen teilweise oder zur Gänze auf dem Grund Josef W*****s stehen. Es sei daher ohne Bedeutung, ob der Stangenausbruch an der Hausmauer oder am Stützpfeiler erfolgt sei. Die Beklagte habe nicht bewiesen, alle erforderlichen Schutzvorkehrungen getroffen zu haben. Sie hätte einmal im Jahr eine Rüttelprobe durchführen müssen. Daß dies nicht zumutbar wäre, sei nicht hervorgekommen. Eine solche Maßnahme habe die Beklagte niemals ergriffen. Sie habe daher für die geltend gemachten Schäden einzustehen. Wieweit auch der Grundeigentümer hafte, spiele keine Rolle. Aus diesem Grunde sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß untersucht werden müsse, ob die Beklagte nicht auch grob fahrlässig im Sinne des § 1319a ABGB gehandelt habe, weil ja lediglich feststehe, daß die Eisenstange möglicherweise mehrere Monate lang locker gewesen sei. Im fortgesetzten Verfahren seien Feststellungen über die Höhe der geltend gemachten Ansprüche und die Erfordernisse für das Feststellungsbegehren zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Beklagten ist allerdings darin beizupflichten, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht auf § 1319 ABGB gestützt werden kann, wenn auch der insoweit geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO), hat sich doch der Kläger weder in erster Instanz noch in der Berufung eindeutig auf den Klagegrund des § 1319a ABGB beschränkt. Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges (ua) ein Mensch an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt, so haftet gemäß § 1319a Abs 1 ABGB derjenige, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Zu einem Weg gehören nach § 1319a Abs 2 ABGB auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen.

Diese Bestimmung privilegiert den Wegehalter insofern, als er nur für grobes Verschulden, also für ein extremes Abweichen von der objektiv gebotenen Sorgfalt, das auch subjektiv schwer anzulasten ist (ZVR 1984/142; ZVR 1991/48), einzustehen hat (Reischauer in Rummel ABGB Rz 17 zu § 1319a).

Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, ist nach § 1319 ABGB der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatz verpflichtet, wenn das Ereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Unter "Besitzer" im Sinne des § 1319 ABGB wird der "Halter" des Gebäudes oder Werkes verstanden, also derjenige, der die Sache auf eigene Rechnung führt, der die Verfügungsgewalt über sie hat (SZ 59/121 mwN; 4 Ob 2334/96f; Reischauer aaO Rz 12 zu § 1319) oder maW derjenige, der in der Lage war, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abzuwenden und hiezu auch durch eine Beziehung zu dem Gebäude oder Werk verpflichtet war (SZ 28/37; SZ 61/132; EvBl 1994/8 uva).

Ist nun der Wegehalter (§ 1319a ABGB) gleichzeitig im Sinne dieser Begriffsbestimmung als Besitzer eines im Zuge des Weges bestehenden Anlage zu werten, dann würde bei uneingeschränkter Bejahung der Anspruchskonkurrenz beider Tatbestände die Haftungsbeschränkung des § 1319a ABGB in Ansehung solcher Anlagen gegenstandslos sein. Eine solche Auslegung des Gesetzes verbietet sich; § 1319a ABGB muß als Spezialnorm § 1319 ABGB verdrängen.

Der vom Obersten Gerichtshof mehrmals ausgesprochene Rechtssatz, daß zwischen §§ 1319 und 1319a ABGB Anspruchskonkurrenz bestehe (SZ 55/179; EvBl 1994/8; 4 Ob 2334/96f) kann daher in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden. In SZ 55/179 war es aber nur um die Frage gegangen, ob ein Anrainer einen Anspruch nach § 1319a ABGB stellen kann; sie wurde im Sinne von Posch (Marginalien zur Wegehaftung, JBl 1977, 281 ff [293]) dahin beantwortet, daß § 1319a ABGB nur für die Haftung des Wegehalters gegenüber Benützern des Weges, nicht aber für Schädigungen von Benützern eines Wegeanrainergrundes gelte. Im Falle der Entscheidung EvBl 1994/8 war die dortige Beklagte Eigentümerin einer (Stütz‑)Mauer, die unmittelbar an einen von einer Gemeinde gehaltenen Weg grenzte. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Haftung der Beklagten als Besitzerin der Mauer gemäß § 1319 ABGB und ließ die Frage offen, ob die Beklagte auch als Mithalterin des Weges nach § 1319a ABGB hafte. Der Entscheidung 4 Ob 2334/96f lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde. Die beklagte Gemeinde war Kanalbetreiberin und wurde wegen eines schadhaften Kanaldeckels in Anspruch genommen, der sich im Zuge einer Bundesstraße befand. Auch in diesem Fall konnte die Beklagte höchstens als Mithalterin des Weges angesehen werden, war aber jedenfalls Besitzerin des Kanaldeckels. Daß aber der (alleinige) Wegehalter neben seiner Haftung gemäß § 1319a ABGB für im Eigentum anderer Personen stehende Anlagen auch gemäß § 1319 ABGB zu haften habe, hat der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - noch nicht ausgesprochen und wäre auch nicht zu rechtfertigen. Das Berufungsgericht konnte die Beklagte nur deshalb als "Besitzer" des Geländers ansehen, weil diese als Wegehalter auch für diesen Bestandteil der Straße einzustehen habe. Dafür besteht aber ausschließlich die Haftung nach § 1319a ABGB. Ob ein Wegehalter, der an einem im Zuge des Weges befindlichen Objekt ein eigenes Interesse hat, sodaß nicht nur die Wegbenützer, sondern er selbst auch davon profitiert (vgl Posch aaO 292), auch nach § 1319 ABGB und nicht nur nach § 1319a ABGB haftet, braucht diesmal nicht untersucht zu werden, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.

Damit ist aber für die Beklagte nichts gewonnen, weil ohnehin sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 1319a ABGB erfüllt sind:

Daß die beklagte Stadtgemeinde Halterin der H*****‑Straße ist, blieb unbestritten. Entgegen der von der Beklagten in erster Instanz vertretenen Meinung ist aber das Geländer, welches dem Schutz von Verkehrsbenützern vor einem Absturz dient, Bestandteil des Weges und ist den in § 1319a Abs 2 - nicht vollständig (Reischauer aaO Rz 5 zu § 1319a) - aufgezählten Objekten gleichzuhalten. In wessen Eigentum sich das Geländer und der Grund, auf dem es sich befindet, steht, ist rechtlich ohne Bedeutung, ist doch das Eigentum am Weg für die Haltereigenschaft nicht maßgeblich (ZVR 1989/160; Reischauer aaO Rz 8).

Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vorbringen nur optische Prüfungen des Geländers angeordnet; ihre Leute haben auch nicht mehr unternommen, insbesondere wurde in all den Jahrzehnten seit der Errichtung des Geländers kein "Rütteltest" gemacht. Wird einer sich aus dem Wegezustand - also auch aus dem Zustand eines Straßengeländers als einer zum Weg gehörenden Anlage - ergebenden Gefahr durch lange Zeit nicht begegnet, dann ist dem Wegehalter grobes Verschulden vorzuwerfen (SZ 60/189; ZVR 1990/120 ua; Reischauer aaO Rz 17).

Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, sind der Beklagten genauere Prüfungen des Geländers, insbesondere händische Rütteltests, zumutbar, weil damit kein Kostenaufwand und - für die Leute der Beklagten - nur ein sehr geringer Arbeitsaufwand verbunden ist. Im Hinblick auf die hohe Gefahrenträchtigkeit ist von der Beklagten auch zu verlangen, daß sie jährlich einmal solche Tests vornehmen läßt.

Damit ist aber dem Kläger nicht nur der Beweis gelungen, daß er durch den mangelhaften Zustand des Geländers als eines Wegebestandteils zu Schaden gekommen ist, sondern auch dafür, daß ein extremer objektiver Sorgfaltsverstoß der Beklagten vorliegt; er hat damit seiner Beweislast genügt (Reischauer aaO Rz 18).

Auch wenn man von den - im Berufungsverfahren vom Kläger gerügten, aber ungeprüft gebliebenen - Feststellungen des Ersturteils ausgeht, wonach das Geländer möglicherweise erst in den letzten Monaten, ja vielleicht sogar erst ganz knapp vor dem Unfall durch einen Vandalenakt, gelockert wurde, sodaß der Kläger abstürzen konnte, könnte das die Abweisung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches nicht rechtfertigen. Die Beweislast dafür, daß der Unfall auch bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können - so etwa deshalb, weil die Eisenstangen erst ganz knapp vor dem Unfall durch einen Vandalenakt gelockert wurden - trifft die Beklagte. Diese hat sich auf solche Umstände aber nicht berufen, sondern vielmehr - zu Unrecht - ihre Haftung für das Geländer schlechthin in Abrede gestellt.

Der von der Beklagten in erster Instanz erhobene Einwand eines Mit‑ oder sogar Alleinverschuldens des Klägers ist unberechtigt. Da die Beklagte selbst davon ausgeht, daß ein Mangel des Geländers optisch nicht zu erkennen war, hatte der Kläger keinen Anlaß zu einem Mißtrauen gegen die Stabilität des Geländers. Sich auf einem solchen Geländer abzustützen, ist unter normalen Umständen nicht gefahrenträchtig und kann dem Kläger daher nicht vorgeworfen werden.

Da sohin die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu bejahen ist, hat es bei der vom Berufungsgericht angeordneten Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu verbleiben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO. Der Rekurs der Beklagten bot zwar Anlaß zu einer Korrektur der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes; diese ist aber ohne Auswirkung auf den Ergänzungsauftrag, sodaß das Rechtsmittel im Ergebnis nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gedient hat.

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