OGH 10Ob2444/96a

OGH10Ob2444/96a11.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl K*****, Druckereibesitzer, *****, vertreten durch Dr.Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde P*****, vertreten durch Dr.Günter Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 116.808,30 sA und Feststellung (S 10.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9.Oktober 1996, GZ 3 R 155/96k-94, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.April 1996, GZ 15 Cg 75/94w-85, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision rügt der Kläger in erster Linie, daß die Vorinstanzen zu Unrecht seinen Anspruch ausschließlich nach § 1319a ABGB geprüft haben. Er habe seinen Anspruch aber keinesfalls ausschließlich auf die Wegerhaltung gestützt, weshalb als Haftungsgrundlage auch § 1319 ABGB herangezogen werden müßte, weil kein Zweifel daran bestehe, daß die beklagte Gemeinde "Besitzer" der Kanalanlage und des eingebrochenen Kanaldeckels im Sinne des § 1319 ABGB sei und nach dieser Bestimmung zu beweisen gehabt hätte, daß sie alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Richtig ist, daß die Bestimmung des § 1319 ABGB (die von den Vorinstanzen nicht herangezogen wurde) Schäden erfaßt, die durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes verursacht wurden, wobei die Schäden Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes sein müssen. Sowohl der Begriff des Werkes als auch das Haftungserfordernis der Herbeiführung des Schadens durch "Einsturz oder Ablösung von Teilen" sind nach ständiger Rechtsprechung ausdehnend auszulegen (SZ 53/143). Im Zweifel soll nämlich der Besitzer des Werkes dessen Gefahren tragen (SZ 59/121). Nach ständiger Rechtssprechung hat der Besitzer eines Werkes für alle Gefahren zu haften, die aus dessen Höhe oder Tiefe folgen (EvBl 1994/8; 2 Ob 63/93 ua), wenn die Schäden Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes sind. Die hier zu beurteilende Kanalabdeckung war mangelhaft, weil sie bereits einbrach, als sie vom Kläger als Fußgänger betreten wurde. Der Schaden wurde durch ein Einbrechen des schadhaften Kanaldeckels, also durch einen Einsturz im Sinne des § 1319 ABGB herbeigeführt (vgl JBl 1986, 523; 2 Ob 19/95 mwN). Die Beklagte als "Besitzer" der Kanalanlage trifft die Beweislast dafür, daß sie alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Den Besitzer eines Bauwerkes trifft allerdings nach § 1319 ABGB keine Erfolgshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung mit verschobener Beweislast (ständige Rechtssprechung, vgl ABGB MGA34 § 1319 E 65, anderer Ansicht Reischauer in Rummel ABGB**2 Rz 15 zu § 1319, der von einer durch Entlastbarkeit abgeschwächten Erfolgshaftung spricht). Die Haftung des Besitzers setzt jedenfalls Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr und damit Verschulden voraus (JBl 1918, 247; ZBl 1932/43; SZ 24/78; EvBl 1983/63 ua). Der Gegenbeweis ist schon erbracht, wenn vernünftige Schutzvorkehrungen, getroffen wurden, also Schutzvorkehrungen die nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden können (ABGB MGA34 § 1319 E 56 und 66; vgl ZAS 1985/4 [P. Bydlinski]).

Nach den Feststellungen fertigte das Kulturbauamt beim Amt der Tiroler Landesregierung die für die Kanalisierung notwendigen Pläne an, es führte die Projektierung, die Bauaufsicht (Bauleitung) und die Bauausschreibung durch. Auch die für die Kanalisierung notwendigen Materialien wie Rohre und Kanaldeckel wurden von diesem Amt vorgeschrieben und bestellt. Die Ursachen für den Bruch des Kanaldeckels sind nicht mehr feststellbar. Die Bruchstellen konnten zum Unfallszeitpunkt bereits ein oder zwei Jahre alt sein, mußten jedoch bei einer Überprüfung des Kanaldeckels nicht auffallen. Alle Kanaldeckel im Gemeindegebiet werden nach den Feststellungen jährlich einmal von Gemeindearbeitern überprüft, dabei auch herausgehoben und auf Brüche untersucht. Weiters steht fest, daß ein Kanaldeckel, der bereits kleine Rißbildungen aufweist, sich fünf bis zehn Jahre unauffällig verhalten kann, bis es zum Bruch kommt. Daraus kann gefolgert werden, daß für die Beklagte auch bei entsprechender Sorgfaltsanwendung eine zum Eintritt des Schadens des Klägers führende Mangelhaftigkeit des Werkes nicht erkennbar war und nicht erkennbar sein mußte. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl SZ 59/121), sodaß der konkreten Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (8 Ob 1501/93). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ABGB wird also in dem außerordentlichen Rechtsmittel nicht aufgezeigt.

Auch der Hinweis des Klägers auf § 37 des hier anzuwendenden Tiroler Straßengesetzes vom 28.9.1950 führt zu keiner anderen Beurteilung. Danach hat die Gemeinde dafür zu sorgen, daß sämtliche Gemeindestraßen ordnungsmäßig in Stand gehalten und etwaige Verkehrshindernisse unverzüglich beseitigt werden. Bei Gefahr im Verzug hat sie die nötigen Vorkehrungen auf Kosten der Erhaltungspflichtigen zu treffen. Auch hier kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles gesagt werden, welche Vorkehrungen nötig sind, um das allfällige Einbrechen von Kanalabdeckungen zu verhindern. Daß der Beklagten eine Schutzgesetzverletzung im Sinne des § 1311 ABGB vorgeworfen werden könne, ist nach den Feststellungen nicht anzunehmen. Soweit in der außerordentlichen Revision letztlich auch darauf verwiesen wird, daß die Beklagte grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319a ABGB zu verantworten habe, so ist auch hier darauf zu verweisen, daß die Abgrenzung, ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorliegt, nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls vorgenommen werden kann und im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (10 ObS 1003/96).

Aus all dem folgt, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die außerordentliche Revision nicht erfüllt sind.

Stichworte