OGH 3Ob179/51

OGH3Ob179/5120.3.1951

SZ 24/78

Normen

ABGB §1311
ABGB §1313a
ABGB §1315
ABGB §1319
ABGB §1311
ABGB §1313a
ABGB §1315
ABGB §1319

 

Spruch:

Der Hausbesitzer haftet nach § 1319 ABGB. nur dann, wenn eine Gefahr äußerlich erkennbar war oder doch vorausgesehen werden konnte.

Entscheidung vom 20. März 1951, 3 Ob 179/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger begehren die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 14.530 S aus dem Titel des Schadenersatzes mit der Begründung, die Beklagte, die Eigentümerin des Hauses Wien, XIX., O.gasse 2 im Zeitpunkte des Unfalles war, sei einem am 23. August 1947 von der Magistratsabteilung 37 erteilten Auftrag, binnen sechs Wochen Sicherungsarbeiten an dem Hause vorzunehmen, da die Dippelbäume des Hauses vermorscht waren und Einsturzgefahr bestand, nicht nachgekommen; während eines Sturmes am 22. Dezember 1947 habe sich ein Teil der Dachbodenfeuermauer abgelöst und sei auf die den Klägern gehörige, benachbarte Verkaufshalle gefallen und habe den Klägern einen Schaden in der Höhe des Klagsbegehrens verursacht, für den die Beklagte hafte, weil sie dem Bauauftrag nicht nachgekommen sei. Im Zuge des Rechtsstreites brachten die Kläger dann noch die Behauptung vor, die Beklagte bzw. deren Hausverwalter sei im Sommer und Herbst 1947 wiederholt von Hausparteien darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich die Ziegel am äußersten Giebel der Feuermauer gelockert hätten, ohne daß die Beklagte oder deren Hausverwalter etwas veranlaßt hätten.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Beklagte im Frühjahr 1947 die Feuermauer, deren Giebel und rechter Teil damals eingestürzt war, durch den konzessionierten Baumeister Ing. Rudolf R. wieder aufstellen ließ, daß sie auch dem Auftrag, Sicherungsarbeiten am Dach vorzunehmen, dadurch nachgekommen ist, daß sie durch den Baumeister Alois M. noch vor dem Einsturz der Feuermauer die aufgetragenen Arbeiten vornehmen ließ und daß im übrigen die von der Magistratsabteilung 37 festgestellten Dachschäden mit dem Einsturz der Feuermauer am 22. Dezember 1947 in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen. Auf Grund des Gutachtens des vernommenen Sachverständigen stellte das Prozeßgericht weiters fest, daß die Aufstellung der Feuermauer auf die von den Baubehörden damals tolerierte Weise durchgeführt wurde, daß der von der Beklagten dem Baumeister Ing. Rudolf R. erteilte Auftrag, die Feuermauer herzustellen, auch den Auftrag in sich schloß, das Mauerwerk mit dem Gespärre zu verhängen, weshalb eine allenfalls nicht erfolgte Verspärrung nicht als Unterlassung der erforderlichen Sorgfalt der Beklagten angelastet werden könne. Die Beklagte habe vielmehr dadurch, daß sie sich zur Errichtung der Feuermauer eines konzessionierten Baumeisters, somit eines befugten Fachmannes, bedient hatte, alle jene Sorgfalt aufgewendet, um einem eventuellen Schaden vorzubeugen, zumal man aus dem äußeren Eindruck der Mauer nicht die Schlußfolgerung habe ziehen können, daß die Mauer schadhaft war oder daß ein schlechtes Bindemittel verwendet wurde. Da nach dem Sachverständigengutachten die Haltbarkeitsdauer einer unverputzt freistehenden Feuermauer mit einer Stärke von 15 cm mit mindestens einem Jahr angenommen werden müsse, habe für die Beklagte bis zum Unfall kein Grund bestanden, sonstige Vorkehrungen zu treffen, da eine Gefahr nicht voraussehbar gewesen sei. Ein Beweis für die Behauptung der Kläger, daß sich sichtbare Schäden an der Feuermauer gezeigt hätten oder daß Hausparteien die Beklagte oder deren Vertreter auf diese aufmerksam gemacht hätten, sei nicht erbracht worden. Da die Beklagte alle Vorkehrungen getroffen habe, die vernünftigerweise nach der Verkehrsauffassung von ihr zu erwarten seien, sei eine Haftung nach § 1319 ABGB. nicht gegeben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die Beweiswürdigung und die tatsächlichen Feststellungen des Prozeßgerichtes und führte in rechtlicher Beziehung aus, § 1319 ABGB. statuiere nicht eine Erfolgs-, sondern eine Verschuldenshaftung des Hauseigentümers; dieser könne den Beweis seiner Schuldlosigkeit bereits dadurch erbringen, daß er nachweise, er habe die nach der vernünftigen Auffassung des Verkehrs zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet, ohne darüber hinaus auch für Zufall zu haften. Diesen Beweis habe aber die Beklagte erbracht; denn sie habe sich zur Herstellung der Feuermauer eines konzessionierten Baumeisters bedient; sie habe auch im Hinblick darauf, daß die Haltbarkeit der wiedererrichteten Feuermauer mit mindestens einem Jahr anzunehmen war, dadurch, daß sie bis zum Einsturz keine weiteren Vorkehrungen getroffen hatte, die ihr obliegende Sorgfalt nicht verletzt. Hinsichtlich der erst in der Berufung aufgestellten Behauptung, die Beklagte habe es unterlassen, eine Kommissionierung der wiederaufgestellten Feuermauer zu veranlassen, stellte das Berufungsgericht fest, daß die Kläger eine derartige Behauptung vor dem Erstgericht nicht aufgestellt haben und es sich daher um eine unzulässige Neuerung handle. Das gleiche gelte für das Vorbringen der Kläger, das darzutun versuche, es sei eine Haftung der Beklagten nach § 1315 ABGB. gegeben, da sich die Beklagte einer untüchtigen Person zur Herstellung der Feuermauer bedient habe. Eine Erörterung einer Haftung der Beklagten nach § 1311 ABGB. könne nach Ansicht des Berufungsgerichtes schon deshalb unterbleiben, weil die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet hätten, eine Kommissionierung der fertiggestellten Feuermauer habe nicht stattgefunden, bzw. es sei eine Beanständung durch die Baubehörde gegenüber der Beklagten oder deren Hausverwalter erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klager nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Hausbesitzer haftet nach § 1319 ABGB. nur dann, wenn eine Gefahr äußerlich erkennbar war oder doch vorausgesehen werden konnte; andernfalls kann von einem Verschulden nicht gesprochen werden. § 1319 ABGB. setzt eine Verschuldens-, nicht aber eine Erfolgshaftung fest; nur hat nicht der Beschädigte das Verschulden des Beschädigers, sondern dieser seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Dieser Beweis ist bereits dann als erbracht anzusehen, wenn der Hauseigentümer alle Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach der Lage der Umstände erwartet werden können (SZ. XII/94; ZBl. 1932, Nr. 43; 3 Ob 394/50). Dadurch, daß sich die Beklagte eines konzessionierten Baumeisters und Ingenieurs zur Durchführung der Arbeiten bediente, hat sie diese Voraussetzungen erfüllt, weshalb ihre Haftung nach § 1319 ABGB. nicht gegeben ist. Daß der Baumeister die in der Bauordnung vorgeschriebene Bauweise nicht eingehalten habe, haben die Kläger in erster Instanz nicht behauptet, ihr bezügliches, auf die Bestimmung des § 1311 ABGB. verweisendes Vorbringen kann daher als unzulässige Neuerung im Revisionsverfahren keine Beachtung finden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Ausführungen der Revision, die den Anspruch der Kläger auf den Rechtsgrund des § 1315 ABGB. zu stützen suchen und behaupten, Ing. Rudolf R. sei eine untüchtige Person gewesen. Da die Kläger es unterlassen haben, vor dem Prozeßgericht tatsächliche Behauptungen in dieser Richtung aufzustellen, können sie diese Unterlassung im Rechtsmittelverfahren nicht mehr nachholen und es können daher ihre Ausführungen nicht berücksichtigt werden.

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