Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Begründung
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Feststellungen, die beklagte gemeinnützige Bauvereinigung habe 96,25 % der Grundsteuer für die (näher bezeichnete) Siedlung für die Geschäftsjahre 2006, 2007, 2008 und 2009 aus eigenen Mitteln zu tragen und sei nicht berechtigt, diese Steuerbelastung ‑ in welcher Verrechnungsform immer ‑ auf die Kläger zu überwälzen. Die Beklagte sei Alleineigentümerin der Baurechtseinlage ***** GB B*****. Sie habe auf dieser Liegenschaft eine Anlage von Einfamilienhäusern errichtet. Die Kläger seien Mieter/Nutzungsberechtigte von Einfamilienhäusern dieser Anlage. Mit Jahresabrechnung vom 30. 6. 2010 sei ihnen und allen anderen Siedlern eine nicht erklärbare Betriebskostennachforderung bekannt gegeben worden. Daraufhin sei ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle eingeleitet worden. In diesem habe sich herausgestellt, dass die Beklagte es verabsäumt gehabt habe, rechtzeitig die Befreiung von der Grundsteuer zu beantragen, sodass es zu einer Nachverrechnung der Grundsteuer für die Zeit von Jänner 2006 bis Dezember 2008 gekommen sei und der Beklagten für das Geschäftsjahr 2009 die volle Grundsteuer angelastet worden sei. Erst ab 1. 1. 2010 sei die Befreiung der Grundsteuer im Ausmaß von 96,25 % bewilligt worden. Jedem ordentlichen Verwalter sei die Tatsache der Grundsteuerbefreiung über Antrag bekannt. Diesen Antrag nicht rechtzeitig zu stellen, sei grob fahrlässig. Das Verhalten der Beklagten widerspreche den Kriterien der ordentlichen Geschäftsführung und insbesondere den Aufträgen nach § 23 WGG. Kosten, die bei vernünftiger Wirtschaftsführung üblicherweise nicht aufgewendet würden, dürften nicht auf die Mieter überwälzt werden. Die Beklagte habe zunächst die Steuernachbelastung in den Betriebskosten ausgewiesen, dann aber im Zuge des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle insofern einen Schwenk vollzogen, als die Mieter aufgefordert worden seien, keine Zahlung zu leisten, sondern man werde die „Verrechnung“ über die Annuitätenverrechnung bzw Annuitätenguthaben durchführen. Die geleisteten Annuitäten bzw daraus entstehende Guthaben seien aber ausschließlich Mittel der Siedler. Die jedem Kläger theoretisch drohende Nachbelastung liege jeweils knapp über 2.000 EUR.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Kläger hätten den gebotenen Rechtsweg verfehlt. Sie hätten zwar zunächst Anträge im gerichtlichen Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen gestellt, diese aber zurückgezogen. Die Klage verstoße daher gegen den Grundsatz „ne bis in idem“.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte in den Entscheidungsgründen das von der Beklagten eingewandte Prozesshindernis zwar an, verneinte es aber nicht. Den von ihm festgestellten Sachverhalt würdigte es rechtlich dahin, dass den Klägern ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unzulässigkeit der von der Beklagten eingeschlagenen Vorgangsweise zuzubilligen sei, weil die Beklagte offenbar zunächst über den Weg der Betriebskostenabrechnung und davon abgehend über die Annuitätenverrechnung eine Überwälzung der Grundsteuernachforderung, die sie durch ihre Säumigkeit bei der Stellung eines Befreiungsantrags verursacht habe, versuche.
Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung der Beklagten Folge. Es hob das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Über Anträge in Angelegenheiten nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG entscheide das zuständige Bezirksgericht gemäß § 22 Abs 4 WGG im Außerstreitverfahren mit den in § 37 Abs 2 MRG im Einzelnen angeführten Besonderheiten. Das Außerstreitverfahren erfasse den gesamten materiell‑rechtlichen Bereich, soweit sich nicht aus einzelnen Bestimmungen des § 22 Abs 1 WGG oder den in diesem zitierten materiell‑rechtlichen Vorschriften eine Beschränkung auf bestimmte Anträge ergebe. Dies bedeute nicht nur, dass beide Teile antragslegitimiert seien, sondern ‑ falls ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehe ‑ bei Leistungsansprüchen Feststellungsanträge gestellt oder aber bei Feststellungsansprüchen auch Teilfragen zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsantrags gemacht werden könnten. Im außerstreitigen Verfahren sei zu prüfen, ob sich verrechnete Betriebskosten im Rahmen ortsüblicher Verhältnisse bewegten. Dasselbe müsse auch für die Prüfung vorgeschriebener Betriebskosten unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gelten. Diesen Grundsätzen habe gemäß § 23 Abs 1 WGG die Geschäftsführung und Verwaltung einer gemeinnützigen Bauvereinigung zu entsprechen. Die von den Klägern begehrten Feststellungen hätten daher im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen. Die Umformulierung eines Mietzinsüberschreitungsbegehrens in ein Feststellungsbe‑ gehren wie im vorliegenden Fall könne nämlich nicht dazu führen, dass der streitige Rechtsweg für dieses Begehren zu beschreiten sei. Für die hier behandelte Problematik sei allein relevant, dass die Kläger nicht eine konkrete Vereinbarung bekämpften, sondern die Feststellung der gesetzlichen (Un‑)Zulässigkeit der „Überwälzung“ einer Betriebskostenposition begehrten.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten beantwortete Rekurs der Kläger ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS‑Justiz RS0043882; RS0043893). Das behauptete Prozesshindernis ist nicht Gegenstand der erstgerichtlichen Entscheidung gewesen (vgl RIS‑Justiz RS0116348; RS0043861). Der Rekurs ist auch berechtigt.
Die Rekurswerber machen im Wesentlichen geltend, der streitige Rechtsweg sei zu bejahen, stütze sich ihr Klagebegehren doch auf eine grobe Vertragsverletzung der Beklagten.
1. Die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ist für wohnrechtliche Angelegenheiten gegeben, wenn das Gesetz die betreffende Angelegenheit ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das außerstreitige Verfahren verweist (2 Ob 183/07m mwN; vgl RIS‑Justiz RS0005948; RS0012214 [T1]). Ob über einen konkreten Rechtsschutzantrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, ist nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen. Ohne Einfluss ist dagegen, was der Gegner einwendet und ob der behauptete Anspruch berechtigt ist (RIS‑Justiz RS0005861; RS0013639 [T20]; 8 Ob 54/07k). Es ist auch nicht von den Feststellungen auszugehen, die das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweise trifft (4 Ob 562/87; RIS‑Justiz RS0013639 [T8]).
2. In das außerstreitige Verfahren (§ 22 Abs 4 WGG) sind nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG unter anderem Anträge betreffend den Anteil an den Betriebskosten und an den laufenden Abgaben verwiesen; zu letzteren gehört die Grundsteuer (§ 22 Abs 1 Z 10 WGG iVm § 21 Abs 2 MRG; vgl LGZ Wien MietSlg 37.366).
Das Berufungsgericht geht in seiner Beurteilung, dass die Klage in einer Angelegenheit iSd § 22 Abs 1 Z 10 WGG erhoben wurde, nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus. Dieser hat im Zusammenhang mit der Parallelbestimmung des § 37 MRG ausgesprochen, dass die Frage, ob der Vermieter seiner aus dem Mietvertrag abzuleitenden Pflicht nachgekommen ist, die auf die Mieter überwälzbaren Betriebskosten dadurch möglichst gering zu halten, dass er im Rahmen dessen, was von ihm bei einer mit der gebotenen Sorgfalt geführten Hausverwaltung verlangt werden kann, das Entstehen solcher Kosten verhindert, auf den streitigen Rechtsweg und nicht mehr in das Verfahren nach § 37 MRG gehört, welches für die Erörterung von Verschuldensfragen keinen Raum bietet; sie berühren nicht die gesetzliche Zulässigkeit („Angemessenheit“) von Mietzinsen - hier: des Entgelts - (5 Ob 110/85; 5 Ob 375/97a; 5 Ob 208/01a; RIS‑Justiz RS0069720).
4. Diese Rechtsprechung ist auch der Ansicht der Beklagten in der Nichtigkeitsberufung entgegenzuhalten, es handle sich um Anträge zur inhaltlichen Klärung gemäß § 14 Abs 1 Z 7 WGG bzw deren richtiger Verteilung und daher um Anträge in Angelegenheiten nach § 22 Abs 1 Z 6 bzw Z 7 WGG. Z 6 verweist die Prüfung der Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Preises (§ 15 WGG) und des Entgelts (§ 13 Abs 4 bis 6 WGG und § 14 WGG), Z 7 die Verteilung der Kosten für den Betrieb (§ 14 Abs 1 WGG und § 16 WGG) in das außerstreitige Verfahren. Nach § 14 Abs 1 Z 7 WGG darf bei der Berechnung des Entgelts ein Betrag zur Deckung der sonstigen Betriebskosten im Sinn des MietrechtsG, der Kosten für den Betrieb gemeinschaftlicher Anlagen sowie zur Deckung der von der Liegenschaft laufend zu entrichtenden öffentlichen Abgaben angerechnet werden.
5. Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 74/88 (SZ 62/119 = wobl 1989, 139 [ Call ]), beruhen doch Grund und Höhe der Grundsteuer auf dem Gesetz und nicht auf einer freien Vereinbarung, sodass sich die Frage der bei vernünftiger Wirtschaftsführung (hier der gemeinnützigen Bauvereinigung) gegenüber Dritten anfallenden Entgelte nicht stellt (vgl 5 Ob 375/97a).
6. Die Kläger stützten ihr Klagebegehren darauf, dass die Beklagte aus schadenersatzrechtlichen Gründen nicht berechtigt sei, die Grundsteuer in einem bestimmten Ausmaß und für bestimmte Jahre auf sie zu überwälzen, sondern selbst zu tragen habe, weil sie es pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen habe, für die von der Klage erfassten Jahre die Befreiung von der Grundsteuer zu beantragen. Diese Frage gehört nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf den streitigen Rechtsweg. Bei der Erledigung der Klagebegehren stehen Fragen der gesetzlichen Zulässigkeit der Überwälzung einer Betriebskostenposition oder Entgeltsposition nicht zur Beurteilung (so wie auch im Fall der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 183/07m, auf die das Berufungsgericht seine Ansicht nicht stützen kann).
7. Die Beklagte stützte ihre Nichtigkeitsberufung auch darauf, dass die Kläger ihre Anträge im Schlichtungsverfahren „über die gegenständliche Sache“ uneingeschränkt zurückgezogen hätten und dieses Verfahren eine Antragsrückziehung „ohne Anspruchsverzicht“ nicht kenne, sodass ein „lupenreiner Verzicht“ auf den vermeintlichen Anspruch der Kläger vorliege. Dem ist bloß zu erwidern, dass schon die Prämisse dieser Argumentation nicht zutrifft, die mit der Klage gestellten Begehren seien Gegenstand des Schlichtungsverfahrens gewesen.
8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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