OGH 4Ob225/12k

OGH4Ob225/12k19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** X*****, vertreten durch Dr. Peter Vcelouch, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Y***** W*****, vertreten durch Mag. Reinhard Prugger, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen 3.867 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. September 2012, GZ 44 R 436/12m‑161, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 19. Jänner 2012, GZ 17 C 953/03v‑148, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00225.12K.0319.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 74,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die miteinander verheirateten Streitteile lebten als chinesische Staatsbürger gemeinsam mit ihrer Tochter in Österreich. Der Kläger arbeitete als Koch, die Beklagte war nicht erwerbstätig.

1998 reiste die Beklagte mit der gemeinsamen Tochter nach China und lebte dort. Dass der Kläger der Beklagten vor ihrer Abreise 100.000 S übergeben hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die Streitteile hatten keine gemeinsamen ehelichen Ersparnisse. Die Beklagte war auch in China nicht erwerbstätig und wohnte gemeinsam mit ihrer Tochter bei ihren Eltern. Diese versorgten beide vollständig, sodass die Beklagte insbesondere für Kleidung, Miete und Lebensmittel nichts zu zahlen hatte.

Am 28. 1. 1999 reichte die Beklagte in China die Scheidung ein, eine solche ist nach chinesischem Recht sowohl einvernehmlich als auch durch Klage möglich. Aufgrund ihrer Befürchtung, ein streitiges Scheidungsverfahren werde lange dauern und überdies durch den Aufenthalt des Klägers in Österreich erschwert, willigte die Beklagte in eine einvernehmliche Scheidung vom Kläger ein. Am 10. 8. 1999 schlossen die Streitteile eine Vereinbarung, die unter anderem festlegte, dass die eheliche Tochter bei der Beklagten lebt und diese freiwillig die Kosten für deren Pflege und Erziehung trägt. Diese Vereinbarung schlug der chinesische Rechtsanwalt der Beklagten vor, weil ein streitiges Scheidungsverfahren länger gedauert hätte und die Beklagte an einer schnellen Scheidung interessiert war. Ohne diese Vereinbarung hätte der Kläger einer einvernehmlichen Scheidung nicht zugestimmt.

Der Kläger war beim Scheidungstermin nicht persönlich anwesend, aber durch einen chinesischen Rechtsanwalt vertreten. Vor dem Gerichtstermin hatten Gespräche der Streitteile stattgefunden. Nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger hiebei der Beklagten drohte oder sie psychisch unter Druck setzte. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt in Österreich aufrecht gemeldet, er hätte daher ausfindig gemacht werden können.

Noch 1999 kehrte die Beklagte nach Österreich zurück, wo sie sich seither ständig aufhält. Sie begann als Kellnerin zu arbeiten und verdiente 400 EUR netto im Monat. Sie wird von ihren Eltern nicht mehr finanziell unterstützt. Im Dezember 1999 heiratete sie erneut, wohnte mit ihrem zweiten Ehemann zusammen, beide bestritten ihre Auslagen gemeinsam. Im August 2003 verschwand der zweite Ehemann und ist seither verschollen. Die Ehe wurde im Jänner 2005 geschieden. Die Beklagte erhielt zu keiner Zeit Unterhaltszahlungen von ihrem zweiten Ehemann, aus der zweiten Ehe stammen keine Kinder. Derzeit zahlt die Beklagte für ihre Wohnung 370 EUR Miete.

Die gemeinsame Tochter der Streitteile begehrte in Österreich vom Kläger die Zahlung des gesetzlichen Unterhalts, wozu dieser auch verpflichtet wurde. Er zahlte regelmäßig den festgesetzten monatlichen Unterhalt, im Zeitraum Jänner 2001 bis August 2003 waren dies 3.867 EUR.

Der Kläger, der sich seit 1986 in Österreich aufhält und angelernter Koch ist, arbeitet meist im Ausmaß von 20 Wochenstunden, wofür er etwa 500 bis 600 EUR brutto monatlich verdient. Er war mehrmals arbeitslos, insbesondere seit Mai 2006. In früheren Zeiten der Beschäftigungslosigkeit bezog er Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 480 EUR monatlich. Neben seiner Tätigkeit als Koch bezog er keine weiteren Einkünfte, er hatte auch nie irgendwelches Vermögen erlangt.

Seit 17. 7. 2001 ist der Kläger neuerlich verheiratet und hat aus dieser Ehe drei mj Kinder, für die er ebenso wie für seine nunmehrige Ehefrau unterhaltspflichtig ist. Von 1999 bis Juli 2001 wohnte der Kläger in einer Dienstwohnung, für die er keine Miete zahlen musste. Danach lebte er mit seiner Familie bei seinem Neffen, wo er gleichfalls keine Miete oder Betriebskosten zahlen musste. Danach wohnte er mit seiner Familie in einer Wohnung, für die er 156 EUR monatliche Miete zu zahlen hat.

Im Zeitpunkt der einvernehmlichen Ehescheidung am 10. 8. 1999 waren beide Streitteile Staatsbürger der Volksrepublik China. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte sind mittlerweile österreichische Staatsbürger, ebenso die gemeinsame Tochter.

Der Kläger begehrte von der Beklagten aufgrund des in China abgeschlossenen Scheidungsvergleichs den Ersatz des von ihm für die gemeinsame Tochter geleisteten Unterhalts, zumal sich die Beklagte ihm gegenüber zur Schadloshaltung verpflichtet habe.

Die Beklagte wendete ein, der im Zusammenhang mit dem Scheidungsvergleich abgeschlossene Unterhaltsverzicht entfalte weder in China noch in Österreich rechtliche Wirkung. Da sich der Kläger weder um die Beklagte noch um das gemeinsame Kind gekümmert und überdies in Österreich eine neue Lebenspartnerin gefunden habe, habe sie die Scheidung angestrebt. Für eine streitige Scheidung wäre eine Einvernahme des Klägers vor dem chinesischen Gericht nötig gewesen. Da eine klageweise Scheidung langwierig und wegen des für die Beklagte unbekannten Aufenthalts des Klägers schwierig gewesen wäre, habe sie sich zum Abschluss des Scheidungsvergleichs vom 10. 8. 1999 bereit gefunden. Sie sei einer psychischen Zwangssituation ausgesetzt gewesen, weshalb der Verzicht auf Lebensunterhalt für die gemeinsame Tochter sittenwidrig und weder nach österreichischem noch nach chinesischem Recht gültig gewesen sei. Überdies hätten sich die Umstände insoweit geändert, als sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses in China aufgehalten habe und wegen der dortigen bescheidenen Lebensverhältnisse und der Unterstützung ihrer Eltern auch die Unterhaltskosten für das gemeinsame Kind habe übernehmen können. Vom Kläger hätte sie ohnehin kein Geld zu erwarten gehabt. In Österreich hätten sich die Umstände grundlegend geändert, sie verfüge nunmehr nur über ein Nettoeinkommen von 400 EUR monatlich und sei nicht mehr in der Lage, allein für den Unterhalt der Tochter aufzukommen; von dritter Seite erhalte sie keine finanzielle Unterstützung.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung der Schad‑ und Klagloshaltung berühre die Interessen des Kindes nicht und sei daher nach dem diesbezüglich anzuwendenden chinesischen Recht gültig. Ab dem Zeitpunkt des Statutenwechsels der Streitteile sei österreichisches Recht anzuwenden, eine Sittenwidrigkeit beim Zustandekommen der Vereinbarung könne auch unter diesem Blickwinkel nicht gesehen werden. Die für die Vereinbarung maßgeblichen Verhältnisse hätten sich auch nicht geändert.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung.

Mit Beschluss vom 8. 4. 2008 hob der erkennende Senat die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (4 Ob 232/07g). Ungeachtet der Tatsache, dass beide Streitteile später österreichische Staatsbürger wurden und ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch (wieder) in Österreich haben, sind Gültigkeit und Rechtsfolgen der Unterhaltsvereinbarung aus 1999 entsprechend dem Personalstatut beider Streitteile zum Abschlusszeitpunkt nach chinesischem Recht zu beurteilen, handelt es sich doch bei der getroffenen Unterhaltsvereinbarung um einen „vollendeten Tatbestand“ gemäß § 7 IPRG, auf den der spätere Statutenwechsel keinen Einfluss mehr haben kann. Die für den Fall der Gültigkeit der Unterhaltsvereinbarung im Sinn der vom Kläger geltend gemachten Schad‑ und Klagloshaltung weiter zu prüfende Frage, ob allenfalls infolge einer Abänderung der für den Abschluss der Unterhaltsvereinbarung maßgeblichen Umstände die Beklagte an die seinerzeit vereinbarte Schad‑ und Klagloshaltung des Klägers im Fall dessen Inanspruchnahme durch das gemeinsame Kind nicht mehr gebunden sein soll, ist allerdings infolge des eingetretenen Statutenwechsels nach österreichischem Recht zu beurteilen. Da eine genauere Erhebung zum Stand des chinesischen Rechts im August 1999 bis dahin nicht stattgefunden hatte, es also an der Ermittlung des fremden Rechts durch die Vorinstanzen, die nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen ist, mangelte, waren die Urteile der Vorinstanzen in Wahrnehmung dieses Verfahrensmangels besonderer Art aufzuheben.

Nach Einholung einer Auskunft des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in der Volksrepublik China über die chinesische Rechtslage im August 1999 gab das Erstgericht der Klage neuerlich statt. Nach dem für die Frage des gültigen Zustandekommens der Unterhaltsvereinbarung der Streitteile maßgebenden chinesischen Recht sei diese rechtswirksam, weil eine derartige Regelung den Anspruch des Kindes auf angemessenen Unterhalt gegenüber beiden Eltern nicht beeinträchtige. Die Vereinbarung sei daher nicht sittenwidrig. Mangels Änderung der maßgeblichen Umstände im klagegegenständlichen Zeitraum (Februar 2001 bis August 2003) sei die Unterhaltsvereinbarung der Streitteile auch nach infolge Statutenwechsels nunmehr anzuwendendem österreichischen Recht weiterhin wirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Das Erstgericht habe sich fast vier Jahre lang bemüht, (auch) die Rechtsfrage zu klären, ob ‑ entgegen einer zwischen den Eltern getroffenen Vereinbarung dennoch ‑ geleistete Unterhaltszahlungen des durch die Vereinbarung befreiten Elternteils an das gemeinsame Kind den leistenden Elternteil berechtigen, Ansprüche gegen den anderen Elternteil zu stellen. Mag nun das Rechtsgutachten des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Peking die Frage des Regressanspruchs zwischen den Streitteilen auch nicht abschließend behandeln, so gelte es zu beachten, dass die Ermittlung fremden Rechts nach § 4 IPRG ihre zeitliche Grenze dort finde, wo dem Bemühen des Gerichts nicht innerhalb angemessener Frist Rechnung getragen werde. Die amtswegige Ermittlungspflicht bestehe nicht unbeschränkt; sie sei insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist von der Dringlichkeit des einzelnen Falls abhänge, sie hänge vom jeweils zu gewährenden Rechtsschutz ab. In nicht dringlichen Fällen dürfe die Frist nicht zu knapp bemessen werden, weil jede Gerichtsentscheidung größtmögliche Richtigkeitsgewähr bieten solle. Darum werde von der durch § 4 Abs 2 IPRG eröffneten Möglichkeit, anstelle des schwer zu ermittelnden fremden Rechts österreichisches Recht anzuwenden, vor allem im Provisorialverfahren Gebrauch gemacht. Entscheidungen über Unterhaltsansprüche seien grundsätzlich besonders dringlich, in diesem Fall sei aber bloß der Regressanspruch des Unterhalt leistenden Vaters zu beurteilen. Dessen ungeachtet erweise sich die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens nach Ablauf von vier Jahren als nicht mehr angemessen. Hiebei sei auch der zu erwartende Verfahrensaufwand in Relation zum relativ geringen Streitwert und das zu erwartende Missverhältnis zwischen Streitwert und Verfahrenskosten zu berücksichtigen. Soweit daher die maßgeblichen Normen des fremden Rechts auch durch Heranziehung der einschlägigen, zur Schließung von Gesetzeslücken dienenden Bestimmungen dieser Rechtsordnung nicht zu ermitteln seien, sei inländisches Recht anzuwenden. Die von den Streitteilen getroffene Vereinbarung greife auch nicht in die rechtlich geschützten Interessen des Kindes ein. Nach dem maßgeblichen chinesischen Recht sei sowohl das Kind als auch die Partei, die das Kind groß ziehe, berechtigt, nachträglich Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend zu machen. Damit vermöge eine derartige Vereinbarung die Rechte des Kindes aber nicht nachhaltig zu schmälern. Dass seit Vergleichsabschluss keine die Ungültigkeit der Vereinbarung bewirkende Änderung maßgeblicher Umstände eingetreten sei, sei bereits abschließend geklärt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Regressbegehrens anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Da der Kläger die Ersatzklage am 9. 8. 2003 beim Erstgericht erhob, ist gemäß Art XXXII § 3 Abs 1 des BGBl I 2003/112 (AußStr‑BGlG) § 49 JN idF vor den 2005 in Kraft getretenen Novellen zum Außerstreitverfahren anzuwenden. Die Rechtsmittelzulässigkeit nach §§ 502 und 528 ZPO ist gleichfalls nach altem Recht zu beurteilen (Art XXXII § 4 Abs 3 leg cit). Die Ausnahme von der 4.000 EUR‑Streitwertgrenze nach § 502 Abs 5 Z 1 ZPO gilt daher nicht nur für „andere“ aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten, sondern auch für aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringende Streitigkeiten (§ 49 Abs 2 Z 2c JN aF). Zwar stützt der Kläger die Rückersatzpflicht für geleistete Unterhaltsbeiträge auf eine anlässlich der Ehescheidung geschlossene schuldrechtliche Vereinbarung, deren Gültigkeit ist aber nicht nur nach allgemein zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, sondern auch nach familienrechtlichen Aspekten: So macht etwa ein Eingriff in rechtlich geschützte Interessen mj Kinder die Schad‑ und Klagloshaltevereinbarung nach § 879 ABGB nichtig (RIS‑Justiz RS0016550). Im Hinblick auf den familienrechtlichen Aspekt ist daher auch diese Klage als aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringend zu beurteilen und folglich die Revision ungeachtet des 4.000 EUR nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstands statthaft (4 Ob 232/07g mwN).

2. Entgegen der von der Beklagten weiterhin vertretenen Ansicht, das Verfahren sei im Hinblick auf die von Amts wegen zu ermittelnde, für die Beurteilung der Unterhaltsvereinbarung der Streitteile maßgebliche chinesische Rechtslage nach wie vor mangelhaft geblieben, ist der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen, dass in diesem Fall gemäß § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden ist.

Gemäß § 4 Abs 2 IPRG ist das österreichische Recht anzuwenden, wenn das fremde Recht trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht ermittelt werden kann. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht nicht unbeschränkt; sie ist insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist von der Dringlichkeit des einzelnen Falls abhängt (RIS‑Justiz RS0040200). In nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, ist unzulässig (7 Ob 14/98d; 1 Ob 16/01m). Die Abwägung des Berufungsgerichts, wonach der Streitwert von unter 4.000 EUR und die bisherige lange Verfahrensdauer, insbesondere die zeitraubenden Bemühungen, zumindest eine Auskunft des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Peking einzuholen, dafür sprechen, ungeachtet der geringeren Dringlichkeit des zu beurteilenden Regressanspruchs vor allem im Hinblick auf das zu erwartende Missverhältnis zwischen den zu erwartenden Verfahrenskosten und dem maßgeblichen Streitwert von weiteren Versuchen abzusehen, die an sich maßgebliche chinesische Rechtslage weiter zu erforschen, ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte legt zwar zutreffend dar, dass die in den Vorentscheidungen referierte Auskunft der österreichischen Botschaft in Peking über die chinesische Rechtslage unzureichend ist, weil aus ihr die Beantwortung der Frage, ob die Vereinbarung der Streitteile gültig ist, auf die das Klagebegehren gestützt wird, nicht abschließend beurteilt werden kann, im Hinblick auf die bisherige Verfahrensdauer von mehr als neun Jahren, wovon fast vier Jahre auf die Einholung der Auskunft über das chinesische Recht entfallen, ist von weiteren Bemühungen, die Rechtslage im Hinblick auf die Praxis der Gerichte in vergleichbaren Fällen abzuklären, Abstand zu nehmen.

3. Die hier nach § 4 Abs 2 IPRG gebotene Anwendung österreichischen Rechts führt zur Gültigkeit der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Unterhalts-vereinbarung der Streitteile.

Es liegt nahe, die am 10. 8. 1999 anlässlich der einvernehmlichen Ehescheidung von den Streitteilen geschlossene Vereinbarung, wonach die Tochter bei der Beklagten lebt und diese freiwillig die Kosten für deren Pflege und Erziehung trägt, dahin auszulegen, dass damit die Streitteile beabsichtigten, dass die Beklagte nicht nur die alleinige Obsorge für das gemeinsame Kind übernimmt, sondern auch allein für deren Unterhalt aufkommt; dies offensichtlich vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bei ihren Eltern lebt und gemeinsam mit ihrem Kind von diesen erhalten wird, der Kläger hingegen nur über relativ geringe Einkünfte verfügt.

Eine Regelung (zwischen den Eltern), wonach an die Stelle der primären Unterhaltspflicht eines Elternteils diese von einem Dritten oder dem anderen Elternteil getragen wird, bedarf nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0047635, RS0047552) nur, um hinsichtlich des betroffenen mj Kindes Wirksamkeit zu erlangen, der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Die aus der Vereinbarung resultierenden Rechtsbeziehungen der Eltern zueinander, werden jedoch durch die Erteilung (oder Versagung) einer solchen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht betroffen (RIS‑Justiz RS0047635). Solche Vereinbarungen können grundsätzlich formfrei (unter Umständen sogar schlüssig) getroffen werden (2 Ob 234/07m mwN). Die grundsätzliche Dispositionsfähigkeit der Eltern in der Gestaltung ihres internen Lastenausgleichs ist jedoch eingeschränkt: Entsprechende Vereinbarungen sind (wegen Sittenwidrigkeit) nur insoweit wirksam, als dadurch nicht in rechtlich geschützte Interessen des Kindes eingegriffen wird (RIS‑Justiz RS0016550). Als sittenwidrig wurden derartige Zusagen nur bei Vorliegen besonderer, hier nicht gegebener Umstände beurteilt, wie etwa dann, wenn der Vater auf einen Schwangerschaftsabbruch drängte und die Mutter unter Druck setzte, um eine solche Vereinbarung zu erreichen (10 Ob 501/94 = JBl 1995, 46); bei einer Vereinbarung, mit der sich ein Elternteil verpflichtet, das Kind nicht zu besuchen, sodass insoweit in das Recht des Kindes auf elterlichen Kontakt eingegriffen wird (4 Ob 302/97h) oder wenn die Einhaltung sittenwidriger Teile einer Gesamtvereinbarung durch die Unterhaltsvereinbarung bestärkt und verfestigt werden soll, indem sie den Anreiz erhöht, zur nichtigen Vereinbarung zu stehen (2 Ob 74/10m).

Durch die vorliegend zu beurteilende Vereinbarung wird in die rechtlichen Interessen des gemeinsamen Kindes nicht eingegriffen, sein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger blieb unberührt. Dementsprechend wurde der Kläger auch gerichtlich zu Unterhaltsleistungen verpflichtet (was Grundlage der Klage ist; vgl Neuhauser in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 140 Rz 5, der darauf verweist, dass die Unterhaltsinteressen des Kindes mangels eigener Bindung an die Vereinbarung der Eltern nur in Ausnahmefällen beeinträchtigt werden).

4. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass auch die Unterhaltsvereinbarung der Streitteile der Umstandsklausel unterliegt (vgl 2 Ob 234/07m mwN).

Ob sich die für die Beurteilung der Gültigkeit der Unterhaltsvereinbarung der Streitteile maßgeblichen Lebensumstände bereits vor Februar 2001 geändert haben, ist im vorliegenden Fall ohne Belang, weil für den Zeitraum der Übersiedlung der Beklagen nach Österreich 1999 bis Jänner 2001 vom Kläger keine Regressansprüche erhoben wurden. Für den aufgrund des Klagebegehrens maßgeblichen Zeitraum vom Februar 2001 bis August 2003 ist aber bereits im Aufhebungsbeschluss vom 8. 4. 2008 (4 Ob 232/07g) ausgesprochen worden, dass die Änderung der Lebensumstände der Streitteile keine die Ungültigkeit der Vereinbarung bewirkende Änderung maßgeblicher Umstände bedeutet hat.

5. Der Revision der Beklagten musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Beklagte hat dem Kläger gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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