OGH 7Ob14/98d

OGH7Ob14/98d10.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria G*****, geboren am ***** , Rumänien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Frusina G*****, diese vertreten durch Dr.Manfred Lirk und DDr.Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in Braunau, wider die beklagte Partei Petru G*****, vertreten durch Dr.Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in Braunau, wegen Unterhalt (Unterhaltsstreitwert S 72.000,--, Revisionsinteresse S 13.800,--), infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried i.I. als Berufungsgericht vom 14.Oktober 1997, GZ 6 R 38/97y-36, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Braunau a.I. vom 17.Oktober 1996, GZ 1 C 230/95y-21, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben, die angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht hinsichtlich der Abweisung eines S 900,-- monatlich übersteigenden Unterhaltsbegehrens unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sind, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die eheliche Tochter des Beklagten, beide sind rumänische Staatsbürger. Die Ehe des Beklagten mit der Mutter der Klägerin wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Braunau a.I. vom 20.5.1994 zu GZ 1 C 43/91-35 geschieden. Während sich der Beklagte seit 1987 als Konventionsflüchtling in Österreich aufhält, befindet sich die Klägerin in Obhut ihrer Mutter in Rumänien. Der Beklagte ist neben der Klägerin für eine zweite Ehegattin sowie für aus dieser Ehe stammende Kinder sorgepflichtig. Die nunmehrige Ehegattin des Beklagten bezieht seit November 1995 Notstandsunterstützung von monatlich rund S 4.000,-- sowie ein) der Höhe nach nicht festgestelltes) Einkommen aus einer geringen Aushilfstätigkeit von zwei bis drei Stunden pro Tag während der Urlaubszeit. Der Beklagte erzielte als Chauffeur von Klagseinbringung bis zum 13.9.1996 ein durchschnittliches Arbeitseinkommen von monatlich S 15.145,--. Er ist seither arbeitslos und bezog bis 27.9.1996 eine Unterstützung von S 9.480,-- monatlich und ab 28.9.1996 eine solche von S 8.214,--. Letztmalig wurde die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin durch das Gericht in Sibiu in Rumänien mit Urteil vom 6.5.1993 ab 30.3.1993 auf monatlich 4.000 Lei erhöht. Am 12.7.1994 wurde zwischen der Klägerin, vertreten durch ihre Mutter Frusina G*****, und dem Beklagten eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, die in der deutschen Übersetzung auszugsweise wie folgt lautet:

"1. - Genannte G***** Petru, ich bin einverstanden die Summe von Lei 1.000.000.- (eine Million) der Genannten G***** Frusina zu bezahlen, dies ist die Vorauszahlung der Unterhaltsrente für die Minderjährige G***** Petronela Maria, die sich bei ihrer Mutter befindet, bis zum 1. Dezember 1998.

2. - Das Geld wird auf ein "Überbringer"-Sparbuch bei der Bank eingelegt, damit es nur im Interesse der Minderjährigen verwendet wird.

3. - Der Vater der Minderjährigen G***** Petru wird in dem Fall, daß die Minderjährige studiert, die Unterhaltsrente bis zu ihrem 25. Lebensjahr, nach dem 1.Dezember 1998 bezahlen.

- Ebenfalls wird er zu Weihnachten und Ostern der Minderjährigen Geschenke schicken, die diesen Anlässen entsprechen, die mindestens den Wert einer Monatsrente von 20.000.- Lei darstellen. ...."

Das Einkommen eines Kraftfahrers in Rumänien bewegt sich derzeit zwischen etwa 280.000 und 350.000 Lei im Monat, das entspricht nach dem derzeitigen Umrechnungskurs einer Größenordnung von ATS 950.- bis 1.190.-"

Die Klägerin begehrte ursprünglich vom Beklagten eine monatliche Unterhaltsleistung von S 2.000,-- ab 1.1.1994. Die zwischen ihren Eltern getroffene Vereinbarung, derzufolge sich der Beklagte zur Zahlung eines Pauschalbetrages von 1 Mill. rum. Lei verpflichtet habe, sei für die Minderjährige nicht verbindlich, außerdem habe in Rumänien in den letzten Jahren eine enorme Geldentwertung stattgefunden.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß dem gegenständlichen Begehren die rechtskräftige Entscheidung des rumänischen Gerichtes vom 6.5.1993, das seine monatliche Unterhaltsverpflichtung mit 4.000,-- Lei bestimmt habe, entgegenstehe. Außerdem habe der Beklagte am 12.7.1994 der Mutter des Kindes zur Abgeltung von dessen Unterhaltsansprüchen einen Betrag von 1 Mill. rum.Lei übergeben. Damit sollte der Unterhalt für die Klägerin bis zum 1.12.1998 abgegolten sein. Der Beklagte sei neben der Klägerin auch für seine nunmehrige Gattin und für zwei Kinder aus dieser Ehe sorgepflichtig.

Das Erstgericht sprach der Klägerin anstelle des rumänischen Unterhaltstitels einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 900,-- für die Zeit vom 1.11.1994 bis 30.9.1996 und von monatlich S 600,-- für die Zeit ab 1.10.1996 zu und wies das Unterhaltsmehrbegehren ab. Die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft. Nach dem hier anzuwendenden rumänischen Familiennrecht hätten die Elternteile nach Maßgabe ihrer Mittel zum Unterhalt der ehelichen Kinder beizutragen. Nach Art 94 Abs 3 des rumänischen Familiengesetzbuches betrage der Unterhalt bei einem Kind 1/4, bei zwei Kindern 1/3 und bei mehr Kindern die Hälfte des erzielten Arbeitseinkommens der unterhaltspflichtigen Eltern. Die Einkommensverhältnisse und Lebenshaltungskosten in Rumänien seien mit denen in Österreich nicht vergleichbar. Ein Kraftfahrer in Rumänien verdiene weniger als 1/10 eines Kraftfahrers in Österreich. Mit einem monatlichen Unterhalt von S 900,-- sei die Minderjährige in Rumänien ohneweiters in der Lage, ihre Bedürfnisse in angemessener Weise zu befriedigen. Ab dem Zeitpunkt der zwischenzeitig eingetretenen Arbeitslosigkeit des Beklagten könne dem Kind nur mehr ein monatlicher Unterhalt von S 600,-.- zuerkannt werden. Die geleistete Vorauszahlung von 1 Mill.Lei sei ab dem Zeitpunkt der Antragstellung auf 10 Monate aufzuteilen gewesen.

Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil dahin ab, daß der Klägerin für die Zeit vom 1.11.1994 bis 30.9.1996 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von S 600 und ab 1.10.1996 ein solcher von S 400 zuerkannt wurde und wies das Unterhaltsmehrbegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es erachtete die Mängel- und Beweisrüge des Beklagten für unbegründet und folgerte nach Einholung einer weiteren Auskunft über die rumänische Rechtslage im Wege des Bundesministeriums für Justiz rechtlich, daß das Einkommen der Mutter bei der Unterhaltsbemessung außer acht zu bleiben habe, weil diese keine wesentlichen Einkünfte erziele. Wäre der Vater in Rumänien als Kraftfahrer tätig, so könnte er ein Einkommen von maximal 250.000 Lei im Monat erzielen, was umgerechnet einen Betrag von etwa S 1.200 entspräche. Davon habe die Klägerin nach rumänischem Recht Anspruch auf 1/6, das sei umgerechnet monatlich S 200,--. Das Kind habe aber an dem durch die besseren Vedienstmöglichkeiten in Österreich gegebenen höheren Lebensstandard des Beklagten entsprechend teilzuhaben. Es sei daher angemessen, der Klägerin etwa das Dreifache jenes Unterhaltsbeitrages zukommen zu lassen, den sie zu erwarten hätte, wenn der Vater in Rumänien als Kraftfahrer beschäftigt wäre. Ein höherer Unterhaltszuspruch führe nach rumänischen Verhältnissen zu einer Überalimentierung und lasse dem Kind mehr zukommen, als es für die Befriedigung der Bedürfnisse des täglichen Lebens benötige. Ab dem Zeitpunkt seiner Arbeitslosigkeit hätten sich die Einkünfte des Vaters deutlich reduziert. Für diesem Zeitraum erscheine nur ein Zuspruch des doppelten Betrages, den das Kind in Rumänien zu erwarten hätte, gerechtfertigt. Zur Berücksichtigung des vom Vater bezahlten Pauschalbetrages von 1 Mill.rum.Lei als Unterhaltsabdeckung für 10 Monate pflichtete das Berufungsgericht der Rechtsauffassung des Erstgerichtes bei.

Die gegen diese Entscheidung vom Beklagten gegen den Unterhaltszuspruch erhobene Revision macht keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend und war daher zurückzuweisen.

Als berechtigt erweist sich jedoch das auf die Wiederherstellung des Ersturteiles gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist gemäß § 24 IPRG für die Beurteilung des Unterhaltsanspruches des ehelichen Kindes gegenüber seinem Vater rumänisches Recht heranzuziehen (vgl Schwimann in Rummel ABGB2 § 24 IPRG Rz 2 mwN). Die Vorinstanzen haben zutreffend den Wortlaut der heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen des rumänischen Rechtes erhoben (vgl Bergmann/Ferid, Rumänien, 22 f 128.Lfg. mit Stand vom 30.7.1997). Das Berufungsgericht hat es jedoch für die von ihm herangezogene Rechtsansicht, der noch aufrecht erhaltene Unterhaltsanspruch der Klägerin sei weiter zu kürzen, weil es bei einer Stattgebung im Sinne des Erstgerichtes zu einer Überalimentierung für den Bezug auf die rumänischen Verhältnisse komme, unterlassen zu erheben, ob es zu dieser Frage eine höchstgerichtliche Rechtsprechung in Rumänien gibt bzw wenn eine solche vorhanden ist, in welcher Weise die Art 92 ff des rumänischen Familiengesetzbuches ausgelegt werden. Gemäß § 3 IPRG erfaßt die Ermittlung das fremde Recht, wie es aufgrund seiner Rechtsquellen im Ursprungsland durch die herrschende Praxis tatsächlich gehandhabt wird. Ist die Praxis im Ursprungsland nicht einhellig oder nicht einmal von einer Meinung deutlich dominiert, so sind subsidiär die herrschende (überwiegende) Lehrmeinung des betreffenden Staates und erst in letzter Linie der Gesetzeswortlaut im Lichte der Auslegungsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze der betroffenen Rechtsordnung heranzuziehen; sich von vornherein nur auf den fremden Gesetzeswortlaut zu beschränken, ist deshalb unzulässig. Die entsprechenden Kenntnisse muß sich der österreichische Rechtsanwender von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens selbst verschaffen. Über die Art, wie dies zu erfolgen hat, sieht das Gesetz keine Regelung vor, dem Gericht stehen alle Erhebungsquellen offen. Sämtliche eingeholten Auskünfte unterliegen der freien Überprüfung des Rechtsanwenders (vgl Schwimann in Rummel ABGB2 § 4 IPRG Rz 1 ff). Um die Entscheidung nicht ungebührlich zu verzögern, muß die Ermittlung des berufenen fremden Rechtes gemäß Abs 2 leg cit in angemessener Frist erfolgen, die Angemessenheit hängt von der Dringlichkeit des Einzelfalles ab; in nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, die Nichtbefolgung der Ermittlungspflicht durch den Richter wird von der Rechtsprechung und Lehre als "Verfahrensmangel eigener Art" gewertet (vgl Schwimann aaO mwN). Mangels einer Erhebung darüber, ob es eine rumänische Spruchpraxis zu einer Überalimentierung gibt und wenn ja, wie diese lautet, waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Die Revision erweist sich im vorliegenden Verfahrensstadium daher als zulässig und berechtigt (vgl Kodek in Rechberger ZPO § 502 Rz 3 letzter Absatz).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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