Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mike M***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Innsbruck (zusammengefasst)
1./ am 31. Mai 2012 Laura G***** mit Gewalt, und zwar indem er sie zu Boden drückte und gegen ihren Willen unter Anwendung von Körperkraft ihre heftigen Abwehrbewegungen unterband und den Vaginalverkehr vollzog, zur Duldung des Beischlafs genötigt;
2./ am 3. Juni 2012 BI Martin U***** und AI Paul T***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er bei seiner Vernehmung vor dem Richter des Landesgerichts Innsbruck Dr. Norbert H***** angab, die Polizisten hätten ihm eine Waffe an den Kopf gehalten und gesagt, wenn er nicht mitgehe, sei er tot und es wäre ihm auch während der Einvernahme eine Pistole an den Kopf gehalten worden, sohin einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der schweren Nötigung nach (§§ 105, 106 Abs 1 Z 1) StGB falsch verdächtigte, obwohl er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (Z 5) ermöglicht die Urteilsanfechtung nach Maßgabe folgender Kriterien:
Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidende Tatsache das Gericht sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah (RIS-Justiz RS0089983).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 285 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316).
Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen. Ein Widerspruch liegt hingegen nicht vor, wenn nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen auch andere als die gezogenen Schlüsse zulässig wären (RIS-Justiz RS0117402).
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317).
Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099547).
Mit dem Vorbringen (Z 5 erster Fall), wonach die „pauschal formulierten Feststellungen“ (siehe dagegen US 4 f, wonach Laura G***** vom Angeklagten an der Schulter gefasst, gestoßen, zu Boden gedrückt, an ihren Beinen fixiert und gegen ihren Willen ein Vaginalverkehr vollzogen wurde) mit Blick auf § 201 StGB nicht erkennen lassen, inwieweit eine „relevante“ Gewalteinwirkung, demnach der objektive Tatbestand erfüllt sei, macht die Mängelrüge keinen Begründungsmangel im aufgezeigten Sinn, sondern einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) geltend.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der Beschwerdeführer auf die Erledigung seiner dieselben Vorwürfe betreffenden Rechtsrüge verwiesen.
Das gilt ebenso für die von der Beschwerde vermissten Feststellungen zu Abwehrhandlungen (vgl dazu US 4 f; wonach Laura G***** dem Angeklagten mit der Faust gegen die Brust schlug und versuchte ihm einen Tritt zwischen die Beine zu versetzen), zu einer allfälligen Positionsveränderung vor dem Beischlaf, zu Gesprächen während des Vorfalls, zum Alkoholisierungsgrad des Tatopfers, zur Bodenbeschaffenheit sowie zum nicht geklärten Umstand, ob die Kleidung der Laura G***** verschmutzt gewesen sei bzw ob sie die Möglichkeit erhalten habe, zu gehen oder doch „freiwillig zu bleiben“ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bedurften die Angaben der Laura G***** zu ihrem Alkoholisierungsgrad, wonach nämlich bei ihr ein Blutalkoholgehalt von 0,8 ‰ festgestellt worden sei (ON 17 S 11), schon deshalb keiner gesonderten Erörterung, weil dadurch allein kein für die Lösung der Schuldfrage erheblicher Umstand angesprochen wird. Die unsubstantiierte Behauptung der weiteren Beeinträchtigung der Zeugin durch Suchtgift lässt den gebotenen Aktenbezug vermissen.
Mit dem Einwand, aus den Ermittlungsakten würden sich „deutliche Hinweise“ dafür ergeben, dass an der Kleidung der Belastungszeugin keine „relevante“ Verschmutzung festgestellt werden konnte, es aber beim Tatgeschehen notgedrungen zu solchen hätte kommen müssen, zeigt der Beschwerdeführer auch kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes, von den Tatrichtern bei der Feststellung entscheidender Tatsachen unberücksichtigt gebliebenes Verfahrensergebnis auf.
Mit eigenen Beweiswerterwägungen, wonach es beim Einsatz körperlicher Gewalt höchst unwahrscheinlich wäre, dass eine allfällige Gegenwehr ohne Verletzungen einhergehe, bekämpft die Mängelrüge - außerhalb der Anfechtungskategorien - erneut lediglich unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Das gilt auch für das gegen den Schuldspruch 2./ gerichtete Vorbringen (Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt auch Z 5a), das Erstgericht habe übersehen, dass der Angeklagte aus einem fremden Land mit anderen sprachlichen Gepflogenheiten komme, und er habe nur seine Angst und Einschüchterung zum Ausdruck bringen wollen, weil die Tatrichter gerade diese Einlassung als Schutzbehauptung verwarfen (US 8 und 10). Der einem Verfahrensergebnis vom Schöffensenat jeweils zuerkannte Beweiswert aber ist als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen.
Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang ins Treffen führt, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht kundig sei, übergeht sie zudem, dass der Vernehmung ein Dolmetscher beigezogen worden war (US 11).
Entgegen der Beschwerde (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der Feststellung, dass der Angeklagte an Laura G***** den Vaginalverkehr vollzogen habe, und den dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter (vgl US 9) kein Widerspruch. Dem Vorbringen zuwider steht der Annahme auch nicht entgegen, dass gerade die im Bereich der großen Schamlippen sichergestellte (und vom Erstgericht solcherart als Belastungsindiz mitberücksichtigte) Spur zwar keine zur DNA-Bestimmung ausreichenden Signale, aber das vollständige Merkmalmuster des Angeklagten enthielt (US 9).
Soweit der Beschwerdeführer das Verfahrensergebnis anders als das Erstgericht bewertet, bekämpft er lediglich ein weiteres Mal unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen ausreichender Signale für die DNA-Bestimmung bei den im Bereich der Schamlippen des Opfers sichergestellten Spuren von der Sachverständigen mit der nicht zeitnah zur Tat erfolgten Untersuchung erklärt wurde (ON 58 S 3).
Die Feststellungen zur gewaltsamen Erzwingung des Beischlafs (vgl US 4 f) leiteten die Tatrichter aus der für glaubwürdig befundenen Aussage der Laura G*****, die Täterschaft des Angeklagten überhaupt auch aus der ihn belastenden molekularbiologischen Untersuchung der vorgefundenen Spermaspuren ab. Auch die Auswertung von Aufnahmen einer Überwachungskamera fanden Berücksichtigung (US 9). Die dargelegten Erwägungen widersprechen weder Gesetzen der Logik noch der allgemeinen Lebenserfahrung, weshalb sie unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden sind. Von einer fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) kann keine Rede sein.
Mit dem Vorwurf der Verwendung der „verba legalia“ ist der Beschwerdeführer im Übrigen auf die Erledigung der Rechtsrüge zu verweisen.
Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) legte das Erstgericht sehr wohl dar, weshalb es von der Glaubwürdigkeit der Laura G*****, nicht jedoch des - ungeachtet sichergestellter Spermaspuren jeden Kontakt leugnenden - Angeklagten ausging (US 9 f). Im Übrigen ist die aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen und der Beweiskraft seiner Aussage der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten und der Anfechtung sowohl nach Z 5 als auch nach Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (RIS-Justiz RS0099419). In der Hauptverhandlung hervorgekommene Umstände, die eine andere Lösung von entscheidungswesentlichen Beweisfragen denkbar erscheinen lassen, von den Tatrichtern aber mit Stillschweigen übergangen oder nicht gewürdigt wurden, werden vom Beschwerdeführer, der lediglich auf die Beweiswerterwägungen des Erstgerichts verweist („vor dem Hintergrund, dass das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung selbst davon ausgeht ...“), nicht aufgezeigt (RIS-Justiz RS0104976).
Entgegen der gegen den konstatierten Beischlaf gerichteten Begründungskritik (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) wurden von den Tatrichtern alle Ergebnisse der molekularbiologischen Untersuchung mitberücksichtigt, und zwar auch die im Bereich der Schamlippen der Zeugin G***** sichergestellte Spur, welche sie als weiteres Belastungsindiz werteten, weil diese - wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt - das vollständige Merkmalmuster des Angeklagten enthielt (US 9).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf einzelne (den Angeklagten nicht entlastende) Passagen der DNA-Untersuchung verweist und sich durch eigenständige Beweiswerterwägungen bemüht, der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, sowie das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, zielt die Kritik auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund erfassten Sonderfälle ab, ohne damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 490; RIS-Justiz RS0119583).
Die Tatsachenrüge verkennt zudem, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine - negative - Beweisregel ist. § 14 zweiter Halbsatz StPO verlangt nicht, dass sich das Gericht bei mehreren denkmöglichen Schlussfolgerungen für die dem Angeklagten günstigste entscheiden müsste (Fabrizy, StPO11 § 258 Rz 11; RIS-Justiz RS0098336).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die Behauptung, die zum Schuldspruch 1./ festgestellten Tathandlungen des Stoßens, Zu-Boden-Drückens und Fixierens des Opfers (vgl US 4 f) wären nicht dem Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB zu unterstellen, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab. Damit verfehlt sie die prozessordungskonforme Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588, vgl zum Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB überdies RIS-Justiz RS0095260, RS0095232).
Die gegen die ausschließliche Verwendung der verba legalia gerichteten Ausführungen gehen schon deshalb ins Leere, weil das Erstgericht bei Feststellung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt die Ausdrücke des Gesetzestextes gar nicht verwendet hat (US 4 f). Im Übrigen beeinträchtigt allein die Verwendung von Gesetzesbegriffen die Wirksamkeit von Tatsachenfeststellungen nicht, sofern diese den notwendigen Sachverhaltsbezug aufweisen (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8).
Das Vorliegen von Rechtsfehlern mangels Feststellungen zu Abwehrhandlungen der Laura G*****, zu einem allenfalls geführten Gespräch (vgl US 5), zu einer allfälligen Positionsveränderung vor dem Vollzug des Beischlafs und zu einer Verschmutzung der Kleider wird zwar behauptet (nominell verfehlt auch Z 5 erster Fall, der Sache nach nur Z 9 lit a), aber nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Indem sich die Rüge (Z 9 lit b) gegen den Schuldspruch 2./ wendet, dabei aber zunächst die Feststellungen zur subjektiven Tatseite unvollständig referiert (vgl US 7), diese dann zur Gänze ignoriert und substratlos einen „Tatbildirrtum bzw einen schuldausschließenden Rechtsirrtum“ des Angeklagten behauptet, entzieht sie sich einer meritorischen Erwiderung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 593; 600 ff; RIS-Justiz RS0099689).
Dass der in diesem Zusammenhang auch behaupte Wille des Angeklagten, sich in einer Stresssituation selbst beschützen zu wollen, der Annahme eines Verleumdungsvorsatzes entgegen stehe, erschöpft sich in einer nicht erwiderungsfähigen Rechtsbehauptung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Der Umstand, dass in der Nichtigkeitsbeschwerde ziffernmäßig § 281 Abs 1 „Z 9a und Z 9b“ StPO geltend gemacht wird, führt - entgegen der in der Äußerung gemäß § 24 StPO vertretenen Meinung des Beschwerdeführers - nicht zur Notwendigkeit der Anordnung eines Gerichtstags; nur prozessordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen ziehen diese Folge nach sich (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 9 ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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