OGH 7Ob76/12w

OGH7Ob76/12w14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Linz, Hauptplatz 1-5, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei L***** GmbH *****, vertreten durch Mag. Christian Obermühlner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. D***** GmbH, *****, 2. Prof. Dipl.-Ing. R***** E*****, beide vertreten durch Dr. Christian Slana, Rechtsanwalt in Linz, 3. H***** GmbH, *****, 5. K***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, die Nebenintervenientin auf Seite der drittbeklagten Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Holme und Weidinger Rechtsanwälte OG in Wels und die Nebenintervenientin auf Seite der fünftbeklagten Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dobretsberger & Dr. Steininger Rechtsanwälte in Linz, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2012, GZ 35 R 76/11s-199, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 23. September 2011, GZ 33 Cg 482/06i-192, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erst- und zweitbeklagten Partei die mit 1.848,71 EUR (darin 308,12 EUR USt) sowie der dritt- und fünftbeklagten Partei die mit 1.848,71 EUR (darin 308,12 EUR USt) und den Nebenintervenienten auf Seiten der drittbeklagten und der fünftbeklagten Partei die mit jeweils 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Revisionsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhänge. Diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 20. 3. 2012 über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass es die ordentliche Revision mit folgender Begründung doch für zulässig erklärte:

Der Antrag werde mit fehlender Rechtsprechung zu den Fragen begründet, (a) ob eine Hinweispflicht des Werkunternehmers (und eine allfällige Warnpflichtverletzung bei Unterlassen eines entsprechenden Hinweises) bestehe, wenn es im Vergleich zur ÖNORM von dieser abweichende neue Entwicklungen gebe, die jedoch eine andere Art der Werkerstellung erst zu einem späteren Zeitpunkt zweckmäßiger erscheinen ließen, sowie (b) ob bei Geltung einer bloß allgemeinen ÖNORM diese auch auf einen speziellen Sachverhalt anzuwenden sei, auf den die ÖNORM nicht passe, und ob bei Nichtgeltung einer ÖNORM vom Werkunternehmer im Rahmen der technischen Möglichkeiten dafür Sorge getragen werden müsse, dass es möglichst zu keinem Schaden komme.

Wenngleich der zweite Themenbereich (infolge ausdrücklich vereinbarter Anwendung der ÖNORMEN) für die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts nicht relevant sei, sei die Argumentation der Antragstellerin/Revisionswerberin zum ersten Themenbereich doch „nicht völlig von der Hand zu weisen“; es fehle nämlich tatsächlich Rechtsprechung zur genaueren Ausgestaltung der Warnpflicht „in der Phase vom bisherigen Stand der Technik abweichender neuerer Entwicklungen“, die in einem, wenn auch - wie hier - nicht repräsentativen, Bereich bereits Anwendung fänden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Vorweg ist festzuhalten, dass die Zurückziehung der zunächst irrig erhobenen außerordentlichen Revision unter gleichzeitiger Einbringung eines Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision dahin zu verstehen ist, dass mit dem zweiten Rechtsmittelschriftsatz der erste lediglich verbessert werden sollte (vgl RIS-Justiz RS0041666 [T55] zum Revisionsrekurs).

Die Revision ist jedoch deshalb unzulässig, weil die von der Klägerin angeführten Rechtsfragen nicht entscheidungswesentlich sind; nach den Feststellungen ist nämlich davon auszugehen, dass für die hier geltend gemachten Korrosionsschäden im weit verzweigten Wassernetz des Bauteils D im AKH Linz weder eine falsch angeschlossene „Guldager“[Korrosionsschutz]-Anlage, noch die Wahl des Materials noch die Dimensionierung der Rohre kausal waren. Einzige Ursache für die dortige Verkeimung war das Auftreten stagnierender Gewässer (in den Jahren 2002 bis 2009), deren Ursache eine nachträgliche, letztlich der Sphäre der Klägerin als Betreiberin zuzurechnende, nicht bestimmungsgemäße Nutzung aller Zapfstellen, nicht jedoch ein Planungsfehler der Beklagten war. Ein für die Schäden kausales Verhalten der Werkunternehmer etwa durch die Verwendung verzinkter Rohre und deren Dimensionierung steht somit gar nicht fest.

Davon abgesehen stellt die Frage, ob im Einzelfall das Unterbleiben der Aufklärung über einen bei vorauszusetzender Sachkunde erkennbaren Umstand eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung darstellt, wegen der Kasuistik der Fallgestaltung keine allgemein bedeutsame Frage des materiellen Rechts dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen könnte (RIS-Justiz RS0116074). Die Kasuistik des Einzelfalls schließt vielmehr in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (RIS-Justiz RS0042405 [T1]).

Diese Einzelfallbezogenheit der Prüfung von Warnpflichtverletzungen führt von vornherein zur Unzulässigkeit der Revision: Wäre doch auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob neue Entwicklungen, die von einer bestehenden ÖNORM abweichen, bereits eine Warnpflicht begründen können, nur im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Warnpflichtverletzung (vgl dazu: RIS-Justiz RS0021744; RS0021971; RS0021932; RS0022147; RS0022191; RS0022268; RS0110849) zu beantworten.

Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist insoweit schon deshalb nicht zu erkennen, weil es jedenfalls vertretbar ist, keine schuldhafte Warnpflichtverletzung des Werkunternehmers anzunehmen, wenn die Verwendung der Materialien unstrittig dem damaligen Stand der Technik - im Sinn der vereinbarten ÖNORM - vollkommen entsprach. Davon abgesehen geht die Berufung der Klägerin auf „neue Entwicklungen“ nicht vom Sachverhalt aus: Stellte doch das Erstgericht dazu nur fest, es habe zwar Diskussionen und Versuche zum Thema Legionellenbildung gegeben, aber eben noch keine anerkannten neuen Maßnahmen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten und Nebenintervenienten haben in den Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der (nur von der Klägerin erhobenen) Revision hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt. Im Revisionsverfahren, an dem sich die Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin nicht mehr beteiligte, stand ihnen nur eine Partei gegenüber, weshalb der jeweils verzeichnete Streitgenossenzuschlag (§ 15 RATG) nur für die jeweils eine weitere durch den Erst- und Zweit- bzw durch den Dritt- und Fünftbeklagtenvertreter vertretene „Mehrpartei“ zuzuerkennen war (RIS-Justiz RS0036223; Obermaier, Kostenhandbuch², Rz 352 letzter Abs mwN [„RS0036233“ lautet jedoch richtig: RS0036223] und Rz 640 [insb Beispiel 2]).

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