Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch von anderen Vorwürfen enthält, wurde Dr. Clemens M***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs „1“ (richtig und auch verkündet: Abs 2 vgl überdies US 29), 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Angestellte nachgenannter Sozialversicherungsanstalten durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung ihm nicht zustehender Behandlungsbeiträge (hinsichtlich der Patienten Dr. Katharina L***** und Fiona L*****) im Gesamtbetrag von 5.085,65 Euro verleitet, die diese - richtig: die Sozialversicherungsanstalten - am Vermögen in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, und zwar
1. von November 2008 bis Ende Juni 2009 Verfügungsberechtigte der Sozialversicherungsanstalt ***** im Betrag von 5.700 Euro;
2. vom vierten Quartal 2007 bis zum ersten Quartal 2010 Verfügungsberechtigte der W***** im Betrag von 285,65 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 3, 4, 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen der einen Verstoß gegen das Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO behauptenden Verfahrensrüge (Z 3) wurde diesem durch Anführung des Deliktszeitraums, des Tatorts, der Tatopfer und der Tathandlungen entsprochen. Aus welchem Grund die zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefassten Taten (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 291; RIS-Justiz RS0119552) dem ne bis in idem-Grundsatz widersprechen sollten, lässt die Beschwerde offen. Darüber hinaus streiten im Falle einer nachfolgenden Verurteilung allfällige Zweifel an der Individualisierungsgrundlage ohnehin für die Annahme von Tatidentität und damit für das Vorliegen eines aus dem 16. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses (vgl RIS-Justiz RS0120226).
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf Vernehmung der Zeugen Dir. N. P*****, Dr. N. K*****, N. H***** und Mag. N. S***** zum Beweis dafür, dass die Zeugin Dr. Katharina L***** entgegen ihren Beteuerungen in der Hauptverhandlung am 30. März 2012 den Verdacht einer bestehenden Drogenabhängigkeit des Angeklagten geäußert und tatsachenwidrig behauptet habe, dass der Angeklagte ihr einen Arztstempel für Privatrezepte gegeben habe, zu Recht der Abweisung, weil das erstgenannte Beweisthema ohnehin als erwiesen angenommen wurde und das Zweite keine erheblichen Tatsachen ansprach.
Das weitere Vorbringen der Verfahrensrüge übersieht, dass selbst eine mangelhafte Begründung einer zu Recht erfolgten Antragsabweisung nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318).
Der Antrag auf Vernehmung der Zeuginnen Dr. Christiane B***** und Dr. Brigitte Ma***** zum Beweis dafür, dass eine den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue darstellende Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und der W***** getroffen worden sei, durfte deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil ein kalendermäßig bestimmter Endtermin der angeblich ziffernmäßig bereits feststehenden Schadensgutmachung nicht einmal behauptet wurde (vgl etwa Fabrizy, StGB10 § 167 Rz 13).
Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) in diesem Zusammenhang eine Aussagepassage des informierten Vertreters der W***** Franz Sch***** verkürzt darstellt und dadurch dessen Darlegung übergeht, dass die Schadensberechnung erst im Zuge der Zusammenkunft am 26. Jänner 2011 - also nach Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von der Tat - erfolgte (ON 46 S 63), zeigt sie weder einen Verstoß gegen Art 6 MRK noch einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf.
Einem auf Beweisaufnahmen abzielenden Antrag muss neben Beweismittel und Beweisthema auch zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für Schuld- und Subsumtionsfrage von Bedeutung ist, sofern sich diese Umstände nicht unmissverständlich aus dem Zusammenhang ergeben (vgl RIS-Justiz RS0118444).
Die begehrte Ladung und Vernehmung des Adi Sa***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte bei der Wohnung der Dr. Katharina L***** war, von dieser aber nicht eingelassen wurde, konnte bereits mangels erkennbarer Entscheidungsrelevanz unterbleiben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).
Auch der weitere Antrag auf „Inaugenscheinnahme des Schlüssels, über den der Angeklagte verfügt, betreffend die Räumlichkeiten der Mal*****, zum Beweis dafür, dass nicht, wie die Zeugin L***** aussagte, lediglich am Wochenende jemand dort war, sondern sich auch unter der Woche Leute dort aufhielten und der Angeklagte den Schlüssel und jederzeit Zutritt dort hatte“ (ON 61 S 40) wurde zu Recht abgewiesen, weil er nicht erkennen ließ, wie dadurch unter Beweis gestellt werden könnte, dass der Angeklagte eine die Beitragspflicht der Sozialversicherungsanstalten auslösende Behandlung vornahm. Davon, dass der Angeklagte über einen Schlüssel der Mal***** verfügte, ging das Erstgericht im Übrigen ohnedies aus (US 28).
Der von der Mängelrüge in Bezug auf Angaben der Zeugin Dr. Katharina L***** behauptete Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) trifft nicht zu (vgl insbesondere US 24).
Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, der als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist (RIS-Justiz RS0106588).
Details der Aussage von Dr. Katharina L***** zur Führerscheinuntersuchung ihrer Tochter bedurften entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) keiner Erörterung, weil eine Krankenbehandlung in diesem Zusammenhang nicht einmal vom Angeklagten behauptet wurde (ON 46 S 87).
Die Feststellungen zur Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit blieben dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider nicht unbegründet (siehe US 5, 15 f).
Die Tatrichter waren - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt der als insgesamt unglaubwürdig verworfenen Aussage des Angeklagten zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit diese für oder gegen die Feststellungen sprechen (RIS-Justiz RS0098377 [T17]).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).
Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit b) nicht gerecht, wenn sie die ausdrücklich festgestellte, auf einen einheitlichen Willensentschluss des Angeklagten zurückgehenden Faktenmehrheit zwar referiert, aber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ableitet, weshalb diese Konstatierungen (vgl US 5 und 23) zur Annahme des dem Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue entgegenstehenden Gesamtvorsatzes nicht genügen sollten.
Die Rechtsbehauptung, wonach diese Feststellungen „lediglich die Annahme einer Gewerbsmäßigkeit im Sinne einer Delinquenz mit zukunftsgerichteter Absicht krimineller Bereicherung durch (auch noch nicht näher geplante) Tatwiederholungen“, nicht jedoch die Annahme eines von vornherein konkret geplanten deliktischen Gesamtvorhabens tragen, ist nicht nachzuvollziehen.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die aus der Willenseinheit bei Faktenmehrheit erwachsende Notwendigkeit der Gesamtschadensgutmachung der herrschenden Judikatur zur tätigen Reue entspricht (Kirchbacher/Presslauer § 167 Rz 69; RIS-Justiz RS0117252, RS0095262, RS0090642).
Indem die Rechtsrüge bei den weiteren Ausführungen von getrennt reuefähigen Betrugsfakten ausgeht, entzieht sie sich einer meritorischen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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