OGH 10ObS141/12a

OGH10ObS141/12a2.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Abel & Abel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. Juli 2012, GZ 8 Rs 84/12z‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Dass die Klägerin (die im August 2010 aus Bulgarien nach Österreich zunächst zu ihrem Sohn und am 1. 6. 2011 in eine eigene Eigentumswohnung in Wien, die sie mit dem Erlös ihrer Wohnung in Bulgarien erwarb, übersiedelte) ab dem Stichtag (1. 11. 2010) Anspruch auf österreichische Ausgleichszulage zur bulgarischen Pension von 215,31 Leva (= 110,09 EUR) monatlich hat, ist unstrittig. Im Revisionsverfahren strittig ist nur noch die vom Berufungsgericht ‑ infolge Übernahme von Strom-, Gas- und Betriebskosten der neuen Wohnung der Klägerin sowie an diese geleisteter (Unterhalts-)Zahlungen jeweils durch ihre Schwiegertochter ‑ ab 1. 6. 2011 um die dazu festgestellten Beträge reduzierte Höhe der Ausgleichszulage bzw der ab 1. 2. 2012 zu zahlenden Vorschüsse.

2. Die Zulassungsbeschwerde wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es nicht darauf ankomme, ob die zugeflossenen Einkünfte gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuzahlen seien. Damit weiche es von der ständigen Rechtsprechung ab. Außerdem fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob „Zahlungen gemäß § 292 Abs 3 ASVG“, die später zurückgezahlt werden müssen, als „Einkünfte“ zu beurteilen seien.

Rechtliche Beurteilung

3. Dem ist Folgendes zu erwidern:

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung gelten nach der Definition des § 292 Abs 3 ASVG (unter anderem) Unterhaltsansprüche jeglicher Art als Einkünfte, die dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten zuzurechnen sind. Nur soweit solche Ansprüche nach § 294 ASVG berücksichtigt werden, bleiben sie gemäß § 292 Abs 4 lit e ASVG bei Anwendung der Abs 1 bis 3 des § 292 ASVG außer Betracht. Andere Unterhaltsansprüche sind bei der Feststellung des Anspruchs auf eine Ausgleichszulage zur Pension mit der vollen (tatsächlichen) Höhe zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0106714).

3.2. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof dazu in der Entscheidung 10 ObS 28/11g Folgendes ausgeführt:

„4. Die Ausgleichszulage gebührt in Höhe des Unterschieds zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen (§ 292 ASVG) und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293 ASVG) andererseits (§ 296 Abs 1 ASVG). § 294 ASVG regelt die pauschale Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen des Pensionsberechtigten gegen die Eltern bei der Ermittlung des Nettoeinkommens und ist daher im Anlassfall nicht anzuwenden.

Nettoeinkommen ist gemäß § 292 Abs 3 ASVG jenes Einkommen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten ('Summe der Einkünfte … nach Ausgleich mit Verlusten') letztlich verfügbar ist (RIS-Justiz RS0117784). Das ist jener Betrag, der dem Pensionisten real zur Verfügung steht und aus dem er die Ausgaben für seinen Lebensunterhalt tätigt. In diesem Sinn ist der zur Verfügung stehende Betrag nicht schon vorweg um Ausgaben zu kürzen, die der Bestreitung der Lebensführung dienen, und zwar unabhängig davon, ob diese Ausgaben bei einer Person überdurchschnittlich hoch sind (10 ObS 140/07x, SSV‑NF 21/82).

Nicht nach § 294 ASVG zu berücksichtigende Unterhaltsansprüche jeglicher Art gelten als Einkünfte iSd § 292 Abs 3 ASVG und sind bei der Bemessung der Ausgleichszulage als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden (RIS-Justiz RS0106714; 10 ObS 223/02w, SZ 2002/118). Da es nach ständiger Rechtsprechung Sache des beklagten Versicherungsträgers ist, durch Vorbringen entsprechender Tatsachen einzuwenden, dass der Anspruch des Pensionsberechtigten auf Ausgleichszulage zufolge von bestimmten Einkünften oder Unterhaltsansprüchen vermindert oder zur Gänze aufgehoben sei und Einkünfte, die er nicht einwendet, keinen Gegenstand des Rechtsstreits bilden (10 ObS 121/07b, SSV-NF 21/85 mwN), die beklagte Partei aber die Herabsetzung der Ausgleichszulage und die Rückforderung nicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche der Klägerin stützt, sind solche nicht zu prüfen. Gleiches gilt für allfällige Sachbezüge der Klägerin, die die beklagte Partei auch nicht als Herabsetzungs- und Rückforderungsgrund geltend macht. Zu prüfen ist nur, ob die Einmalzahlung und die seit März 2009 laufenden Zahlungen des Sohnes als Einkünfte der Klägerin zu berücksichtigen sind, denn allein darauf stützt sich die beklagte Partei.

5. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die seit März 2009 laufenden monatlichen Zahlungen des Sohnes an die Klägerin, also wiederkehrende Leistungen, Einkünfte der Klägerin iSd § 292 Abs 3 ASVG; sind doch - wie wiederholt ausgesprochen wurde ‑ die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten für den Anspruch auf Ausgleichszulage außer Betracht zu lassenden Einkünfte im § 292 Abs 4 ASVG abschließend aufgezählt, weshalb alle in diesem Ausnahmekatalog nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen zählen (10 ObS 170/09m, DRdA 2010, 428 mwN).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Sohn 'wissentlich und willentlich' ab März 2009 monatlich einen 'Unterhaltsbetrag' von 360 EUR der Klägerin gezahlt, über den sie verfügen konnte. Ob die Klägerin einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen hat ist ebenso wenig erheblich wie der Umstand, dass diese Zahlungen [nicht] zum Unterhalt der Klägerin verwendet wurden (vgl 10 ObS 38/04t, SSV-NF 18/35 mwN). Das Erstgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die monatlichen Zahlungen ab März 2009 als Nettoeinkommen der Klägerin zu berücksichtigen sind.“

6. Diese Überlegungen müssen in gleicher Weise auch für die Rechtsmittelwerberin im vorliegenden Verfahren gelten, die sich nur darauf beruft, dass die Tatsacheninstanzen zu den Unterhaltsleistungen der Schwiegertochter an die Klägerin die (Negativ-)Feststellung getroffen haben, es könne nicht festgestellt werden, dass bezüglich dieser, im Einzelnen festgestellten Zuwendungen keine Rückzahlungsverpflichtung besteht:

6.1. Sind diese Leistungen doch unstrittig der Klägerin zugeflossen und können ‑ wie bereits ausgeführt - bei der Ermittlung ihres Nettoeinkommens für den Anspruch auf Ausgleichszulage schon deshalb nicht außer Betracht bleiben, weil die Einkünfte im § 292 Abs 4 ASVG abschließend aufgezählt sind (10 ObS 170/09m, SSV‑NF 24/12 = ZAS 2011/14, 83 ff [Gerhartl]; RIS-Justiz RS0085360), sodass alle in diesem Ausnahmekatalog nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen nach § 292 Abs 3 ASVG gezählt werden müssen (10 ObS 28/11g; RIS-Justiz RS0106714).

6.2. Dabei kommt es nicht darauf an, welche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche der Klägerin als Ausgleichszulagenwerberin zustehen, sondern darauf, welche Einkünfte ihr tatsächlich zugekommen sind (RIS-Justiz RS0085181 [T4]; 10 ObS 168/03h, SSV-NF 17/83). Wie sie diese ‑ ihr unstrittig als Unterhalt gewidmeten ‑ Zahlungen verwendet hat bzw später (im Hinblick auf die angebliche Rückzahlungsverpflichtung) verwenden wird, ist hingegen völlig unerheblich (RIS-Justiz RS0085181 [T6]; 10 ObS 38/04t, SSV-NF 18/35; zuletzt: 10 ObS 28/11g [wo die vom Sohn an die Ausgleichszulagenwerberin bezahlten Unterhaltsbeträge als Nettoeinkommen der dortigen Klägerin berücksichtigt wurden, obwohl feststand, dass diese Beträge tatsächlich zur Rückzahlung jener Schulden verwendet worden waren, die der Sohn dafür aufgenommen hatte]).

7. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.

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