OGH 9ObA14/12t

OGH9ObA14/12t24.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Sabine Duminger und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) A***** H***** und 2) W***** S*****, beide vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, 1030 Wien, Schnirchgasse 11, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1) 20.000 EUR brutto sA und 2) 25.469,41 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2011, GZ 7 Ra 116/11x-31, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 22. März 2011, GZ 15 Cga 115/09d, 15 Cga 116/09d-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.175,61 EUR (darin 362,60 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Kläger auf Zahlung einer Übergangsversorgung nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag betreffend die Übergangsversorgung für Flugverkehrsleiter (in weiterer Folge: KV) in der Fassung des Rahmens vom 1. 1. 1996 samt dreier Nachträge vom 5. 6. 1997 (wirksam seit 1. 9. 1996), 2. 6. 1999 (wirksam seit 1. 5. 1999) und 20. 6. 2000 (wirksam seit 1. 5. 2000). Die für dieses Verfahren wesentlichen Bestimmungen des KV lauten auszugsweise:

II. ZWECK DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

Die in diesem Kollektivvertrag vorgesehene Übergangsversorgung dient dem Ausgleich der besonderen Belastungen und Anforderungen des Dienstes von Flugverkehrsleitern und bezweckt insbesondere auch die Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst oder eines Verlustes der Befugnis aus medizinischen Gründen.

III. ANSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN

1. Flugverkehrsleiter mit gültiger Befugnis, deren Dienstverhältnis nach Vollendung des 55. Lebensjahres beendet wird, haben unter der weiteren Voraussetzung einer anrechenbaren Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter von mindestens 20 Jahren Anspruch auf eine Übergangsversorgung, sofern das Dienstverhältnis nicht durch ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt oder gerechtfertigte Entlassung aus Verschulden des Bediensteten endet. Gleiches gilt für Flugverkehrsleiter, wenn sie ihre Befugnis nach dem 50. Lebensjahr unverschuldet aus medizinischen Gründen verloren haben, mindestens 15 Jahre anrechenbare Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter aufweisen und danach in anderer Verwendung bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres im Dienstverhältnis gestanden sind.

2. Bediensteten, welche die positiven Voraussetzungen des Punktes 1 nicht erfüllen, insgesamt jedoch mindestens 10 Jahre Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter, mindestens 480 Bemessungsmonate im Sinne des Artikels V Pkt 4 aufweisen und seit dem Erwerb der Befugnis, gerechnet ohne die Zeiten der Verwendung als Flugverkehrsleiter, überwiegend auf einem Arbeitsplatz verwendet wurden, für den die Qualifikation als Flugverkehrsleiter erforderlich ist, gebührt ebenfalls die Übergangsversorgung.

IV. AUFLÖSUNG DES DIENSTVERHÄLTNISSES

1. Das Dienstverhältnis eines Flugverkehrsleiters ist mit Ende des Monats, in welchem er das 60. Lebensjahr vollendet, höchstbefristet.

4. Eine Weiterbeschäftigung nach Vollendung des 60. Lebensjahres ist nur einvernehmlich möglich. Eine beiden Seiten zumutbare Weiterbeschäftigung ist jedenfalls bis zum Erreichen der Wartezeitvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu gewährleisten, sofern nicht ohnedies die Voraussetzungen für eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorliegen.

V. HÖHE DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

1. Bemessungsgrundlage für die Übergangsversorgung nach Artikel III ist das letzte Bruttogehalt …

2. Bei einer Bemessungszeit von 480 oder mehr Monaten gewährleistet die Übergangsversorgung Teil 1 monatlich brutto 75 % und Teil 2 monatlich brutto 25 % der Bemessungsgrundlage.

6. Auf die Übergangsversorgung Teil 1 sind folgende Beträge anrechenbar, dh die von der Austro Control GmbH zu erbringenden Übergangsversorgungsleistungen verringern sich um:

a) Pensionen (einschließlich Sonderruhegeld) aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, wobei vorzeitige Alterspensionen ab dem gesetzlich frühest möglichen Anfallszeitpunkt auch dann anrechenbar sind, wenn bzw soweit sie infolge freiwilliger Weiterversicherung oder eigener Erwerbstätigkeit nicht gebühren (diesenfalls ist die fiktive Höhe anrechenbar).

b) Erwerbseinkommen …

c) tatsächlich in Anspruch genommene Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw nach dem SUG; …

7. Auf die Übergangsversorgung Teil 2 ist lediglich Erwerbseinkommen nach Maßgabe von Punkt 6 lit b) anrechenbar, wobei auch der Altersversorgungszuschuss zu berücksichtigen ist.

VI. DAUER DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

1. Die Übergangsversorgung fällt mit dem Ersten des auf den Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen gemäß Artikel III folgenden Monats an, mit der Maßgabe, dass die Übergangsversorgung mit Beginn des auf die Vollendung des Lebensjahres, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt, folgenden Monats im Ausmaß der Übergangsversorgung Teil 2 gebührt.

2. Der Anspruch auf Übergangsversorgung Teil 1 endet mit Ende des Monats der Vollendung jenes Lebensjahres, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt, jener auf Übergangsversorgung Teil 2 mit Ende des Monates der Vollendung des in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die normale Alterspension jeweils geltenden Anfallsalters, spätestens mit dem 65. Lebensjahr, bei Tod in allen Fällen mit Ende des Sterbemonats. …“

Beide Kläger sind im Jahr 1946 geboren und waren ab 2. 9. 1968 Arbeitnehmer der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis des Erstklägers endete am 31. 5. 2001, jenes des Zweitklägers am 31. 10. 2003. Beide Kläger bezogen nach Beendigung ihres Arbeitsvertrags eine „Übergangsversorgung Teil 1“ in Höhe von 75 % des letzten aktiven Bruttogehalts.

Die Beklagte beschloss Anfang 2008, dass hinsichtlich jener Mitarbeiter, die 1946 und später geboren waren, ein möglicher Anspruch auf Korridorpension bei der Übergangsversorgung im Weg der Einrechnung berücksichtigt werde. Ab dem Jahr 2008 sandte die Beklagte daher an sämtliche in Frage kommende ehemalige Mitarbeiter Schreiben mit der Aufforderung, einen Auszug der Pensionsversicherungsanstalt über Höhe und Anfallszeitpunkt einer möglichen Korridorpension zu übermitteln. In diesen Schreiben war auch ein Hinweis enthalten, dass eine solche auf die Übergangsleistung anrechenbar ist. Je nach Reaktion dieser Mitarbeiter wurde in weiterer Folge entweder die tatsächliche Höhe der Korridorpension, oder ein von der Beklagten geschätzter Pauschalbetrag ab dem jeweils möglichen Pensionsstichtag von der „Übergangsversorgung Teil 1“ in Abzug gebracht. Auch die Kläger erhielten derartige Schreiben der Beklagten vom 17. 4. 2008.

Der Erstkläger hätte ab 1. 7. 2008 einen Anspruch auf Korridorpension gehabt. Er nahm diese aber nicht in Anspruch, sondern bezieht seit 1. 4. 2009 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Da der Erstkläger auf das Schreiben der Beklagten vom 17. 4. 2008 nicht reagierte, nahm diese im Zeitraum August 2008 bis einschließlich März 2009 einen Abzug von monatlich pauschal 2.500 EUR von der dem Erstkläger bezahlten „Übergangsversorgung Teil 1“ vor. Der Bezug der „Übergangsversorgung Teil 1“ durch den Erstkläger endete am 1. 4. 2009 mit Beginn seines Pensionsbezugs, danach bezog der Erstkläger die „Übergangsversorgung Teil 2“ im Ausmaß von 27,25 % des Letztbezugs.

Der Zweitkläger hätte ebenfalls ab 1. 7. 2008 einen Anspruch auf Korridorpension in Höhe von 2.233,16 EUR gehabt, die er ebenfalls nicht in Anspruch nahm. Er bezieht seit 1. 6. 2009 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Der Zweitkläger teilte der Beklagten zum Schreiben vom 17. 4. 2008 die Höhe und den Beginn des möglichen Anspruchs auf Korridorpension mit. Die Beklagte nahm daraufhin im Zeitraum Juli 2008 bis einschließlich Mai 2009 monatliche Abzüge in Höhe des jeweiligen Anspruchs des Zweitklägers auf Korridorpension vor. Der Bezug der „Übergangsversorgung Teil 1“ durch den Zweitkläger endete am 1. 6. 2009 mit Beginn seines Pensionsbezugs, danach bezog der Zweitkläger eine „Übergangsversorgung Teil 2“.

An andere, allerdings nach den Feststellungen durchwegs in den Jahren 1944 und 1945 geborene Mitarbeiter der Beklagten, die ebenfalls Übergangsversorgung bezogen hatten, versandte die Beklagte weder derartige Aufforderungsschreiben, noch nahm sie Abzüge von der „Übergangsversorgung Teil 1“ vor.

Die Kläger begehren mit dem Vorbringen, dass die Vorgangsweise der Beklagten mit den kollektivvertraglichen Regelungen nicht in Einklang stehe, die Zahlung jener Beträge, die die Beklagte von der ihnen gebührenden „Übergangsversorgung Teil 1“ in Abzug gebracht hat. Nach dem KV komme nur ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG für eine Einrechnung in den Anspruch auf „Übergangsversorgung Teil 1“ in Frage, nicht aber ein Anspruch auf Korridorpension, bei der es sich um ein aliud handle. Die Beklagte habe gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil sie nur bei den Klägern, nicht aber bei anderen Arbeitnehmern einen möglichen Anspruch auf Korridorpension berücksichtigt habe. Die Vorgangsweise der Beklagten benachteilige überdies Männer gegenüber Frauen, sodass durch sie auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts verwirklicht sei.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass gemäß Pkt V Z 6 lit a KV vorzeitige Alterspensionen ab dem frühestmöglichen Anfallszeitpunkt für die Bemessung der „Übergangsversorgung Teil 1“ zu berücksichtigen seien. Darunter sei auch eine Korridorpension zu verstehen, da diese ein Äquivalent für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sei. Eine unsachliche Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil Mitarbeiter des Geburtsjahrgangs 1944 bereits im Jahr 2006 und Mitarbeiter des Geburtsjahrgangs 1945 bereits im Jahr 2007 Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer hätten, sodass ein Abzug der Korridorpension nicht erforderlich sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren - mit Ausnahme eines unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Zuspruchs von 2.191,12 EUR brutto sA an den Erstkläger und 904,65 EUR brutto sA an den Zweitkläger - ab. Die Kläger hätten grundsätzlich die „Übergangsversorgung Teil 1“ bis zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG bezogen. Die Höhe dieser Übergangsversorgung richte sich nach Art V KV. Gemäß Art V Z 6 lit a KV seien in die „Übergangsversorgung Teil 1“ ua Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung einzurechnen, wobei vorzeitige Alterspensionen ab dem frühestmöglichen Anfallszeitpunkt in fiktiver Höhe auch dann anrechenbar seien, wenn bzw soweit sie infolge freiwilliger Weiterversicherung oder eigener Erwerbstätigkeit nicht gebühren. Als Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung sei gemäß Art V Z 6 lit a KV auch die Korridorpension gemäß § 4 Abs 2 APG anzusehen. Sie sei als vorzeitige Alterspension auch dann anzurechnen, wenn sie zwar gebühre, aber nicht beantragt werde. Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, weil die Beklagte aus sachlichen Gründen einen Stichtag eingezogen habe, wobei die ehemaligen Arbeitnehmer jeweils vor und nach diesem Stichtag gleich behandelt worden seien. Auch für eine unzulässige Diskriminierung nach dem Geschlecht fehlten Anhaltspunkte.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern gegen den klageabweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils erhobenen Berufung keine Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Korridorpension als Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemäß Art V Z 1 lit a KV anzusehen sei. Die Anrechnung einer solchen Pension auf die „Übergangsversorgung Teil 1“ richte sich nach Art V KV, der die Höhe der Übergangsversorgung regle, während Art VI KV lediglich die Dauer des Anspruchs auf Übergangsversorgung regle. Dementsprechend hätten die Kläger ohnehin auch über den Zeitpunkt des fiktiven Anfalls einer Korridorpension hinaus weiterhin „Übergangsversorgung Teil 1“ bis zu dem in Art VI geregelten Zeitpunkt bezogen, lediglich die Höhe dieser Übergangsversorgung habe sich durch die Berücksichtigung der fiktiv gebührenden Korridorpension gemäß Art V Z 6 lit a KV verringert. Diese Bestimmung unterscheide zwischen tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen und bloß fiktiv anzurechnenden Ansprüchen. Tatsächlich in Anspruch genommene Pensionsleistungen aller Art, somit auch die Korridorpension, seien jedenfalls auf die Höhe der „Übergangsversorgung Teil 1“ anzurechnen. Die Formulierung „vorzeitige Alterspensionen“ ab dem „frühest möglichen Anfallszeitpunkt“ in Art V Z 6 lit a KV könne nur so verstanden werden, dass alle Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung erfasst seien, die vor dem Regelpensionsalter anfallen. Dazu zähle auch die Korridorpension. Maßgeblich sei für die Parteien des Kollektivvertrags nicht die Variante der vorzeitigen Alterspension, sondern deren Anfallszeitpunkt für die Anrechenbarkeit der Leistung. Der KV bezwecke in Art II insbesondere auch die Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst. Dieser Zweck werde erreicht, wenn der Arbeitnehmer zusammengefasst eine Übergangsversorgung in Höhe von 75 % seines zuletzt bezogenen Bruttogehalts erhält. Diesem Zweck stehe eine Anrechnung der Korridorpension nicht entgegen, weil sich die Höhe der Übergangsversorgung, die die ehemaligen Arbeitnehmer erhalten, in Summe nicht ändere. Der Zweck der Übergangsversorgung überwiege gegenüber dem - nicht gravierenden - Nachteil, dass die Kläger durch diese Regelung wirtschaftlich dazu angehalten werden, die auf Dauer gegenüber einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer etwas niedrigere Pensionsleistung aus der Korridorpension in Anspruch zu nehmen. Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege aus den bereits vom Erstgericht genannten Gründen nicht vor. Aus dem Umstand, dass die Korridorpension mit Erreichen des 62. Lebensjahrs anfällt, in dem Frauen bereits einen Anspruch auf Alterspension erworben hätte, folge nicht die von den Klägern behauptete Diskriminierung wegen des Geschlechts. Denn der Anspruch auf Übergangsversorgung ende jedenfalls zur Gänze mit Erreichen des Regelpensionsalters, sodass Frauen diesen Anspruch wesentlich früher verlieren als Männer. Sie könnten darüber hinaus den Anspruch auf „Übergangsversorgung Teil 1“ nur wesentlich kürzer als Männer beziehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Auslegung eines Kollektivvertrags grundsätzlich erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Kläger.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionswerber vertreten zusammengefasst die Ansicht, dass sich aus einer Gesamtschau auf die Bestimmungen der Art IV, V und VI KV und dem vom KV verfolgten Versorgungszweck ergebe, dass der KV lediglich den Begriff der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer verwende, sodass die Korridorpension, bei der es sich nicht um eine vorzeitige Alterspension handle, von der Anrechnungsbestimmung des Art V Abs 6 lit a KV nicht erfasst sei. Demgegenüber kann auf die zutreffende Auslegung der Bestimmungen des KV durch das Berufungsgericht verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionswerbern entgegenzuhalten:

1. Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RIS-Justiz RS0008782; RS0008807). Maßgeblich ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). Denn die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, die die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (9 ObA 33/11k ua). Den Kollektivvertragsparteien darf grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).

2. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass Art VI KV die Dauer des Anspruchs auf Übergangsversorgung regelt, während Art V KV dessen Höhe festsetzt. Gemäß Art VI KV gebührt dem ehemaligen Mitarbeiter die „Übergangsversorgung Teil 1“ bis zum Ende des Monats der Vollendung jenes Lebensjahrs, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt. Dass damit unzweifelhaft die - in Art IV Z 4 KV auch ausdrücklich so bezeichnete - vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG gemeint ist und dies von den Streitteilen auch im konkreten Fall so verstanden wurde, haben die Vorinstanzen bereits dargestellt und wird von den Revisionswerbern auch nicht in Zweifel gezogen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die hier zu beurteilende Bestimmung des Art V Z 6 KV die Anrechnung insbesondere von Pensionen und anderweitigem Erwerbseinkommen des ehemaligen Arbeitnehmers vorsieht. Dies entspricht dem in Art II normierten Zweck der Übergangsversorgung, die eine Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst sein soll, nicht aber eine - etwa von einem neuen Erwerbseinkommen des früheren Arbeitnehmers unabhängige - darüber hinausgehende „Versorgung“.

3. Dass in Art V Z 6 lit a KV entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerber nicht nur auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG abgestellt wird, ergibt sich allein schon sprachlich daraus, dass diese Bestimmung in der Mehrzahl von „Pensionen“ bzw „vorzeitigen Alterspensionen“ aus der gesetzlichen Pensionsversicherung spricht. Dass die Kollektivvertragsparteien damit in einem umfassenden Sinn alle Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemeint haben, steht in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtslage fest, die mehrere unterschiedliche Formen von vorzeitigen Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung kannte (vgl nur etwa die mit dem BBG 2003, BGBl I 2003/71 aufgehobenen vorzeitigen Alterspensionen gemäß den §§ 253a, 253c ASVG).

4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Korridorpension gemäß § 4 Abs 2 APG eine gesetzliche Alterspension ist (9 ObA 62/07v). Dies bestreiten die Revisionswerber ebenso wenig wie die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Korridorpension in dem Fall, dass sie von einem der Kläger tatsächlich in Anspruch genommen worden wäre, gemäß Art V Z 6 lit a, erster Halbsatz KV jedenfalls auf die „Übergangsversorgung Teil 1“ anzurechnen gewesen wäre. Die Parteien des Kollektivvertrags haben in Art V Z 6 lit a KV ganz allgemein und in einem umfassenden Sinn alle Pensionen und vorzeitige Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung als anrechenbar auf die „Übergangsversorgung Teil 1“ angesehen. Weder aus dem Umstand, dass die Korridorpension zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Textes des Kollektivvertrags noch nicht existierte, noch aus dem weiteren von den Revisionswerbern ins Treffen geführten Umstand, dass die Kollektivvertragsparteien nicht auf das Pensionsharmonisierungsgesetz BGBl I 2004/142 reagierten, kann daher der Schluss gezogen werden, dass gerade die Korridorpension nicht anrechenbar im Sinn des Art V Z 6 lit a KV wäre. Durch die Schaffung des APG mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 wurde zwar das Pensionsrecht auf ein neues rechtliches Fundament gestellt. Gerade durch die Einführung der Korridorpension in § 4 Abs 2 APG schuf der Gesetzgeber aber auch im Dauerrecht - neben den nach dem ASVG aufrecht bestehen bleibenden Möglichkeiten (vgl §§ 253b, 607 Abs 10 und 12 ASVG) - erneut die Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts mit Vollendung des 62. Lebensjahrs (Felten, Gesetzliches Pensionsrecht und betriebliche Vorruhestandsmodelle in zuvo 2008/61, 91). Der umfassend formulierte Wortlaut des Art V Z 6 lit a KV erfasst daher auch die Anrechnung einer Korridorpension als „vorzeitige Alterspension“ aus der gesetzlichen Pensionsversicherung im Sinn des Art V Z 6 lit a KV auf die „Übergangsversorgung Teil 1“.

5. Zu Unrecht berufen sich die Revisionswerber für ihren Standpunkt auf die Entscheidungen 9 ObA 52/07y und 9 ObA 87/06v. Der der Entscheidung 9 ObA 52/07y zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem nunmehr zu entscheidenden nicht vergleichbar. Nach dem Gesamtkonzept des damals zu beurteilenden Sozialplans war die Gewährung von Überbrückungsleistungen, Einmalzahlungen und Überbrückungsbeschäftigungen an den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gebunden. Wesentlich war ua, dass danach der Anspruch auf Gewährung einer Überbrückungsleistung mit der Erreichung des individuellen Anspruchs auf vorzeitige gesetzliche Alterspension gemäß § 253b ASVG endete (ähnlich 9 ObA 87/06y). Die Berücksichtigung des von den Parteien des Sozialplans nicht bedachten neuen Pensionsfalls der Korridorpension hätte daher eine nicht nur unwesentliche Änderung der Grundlagen des Sozialplans zur Folge gehabt, weil sich die Anfallszeiten der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer immer weiter von jenen für die Korridorpension entfernten, sodass ihre Ansprüche zu immer früheren Zeitpunkten enden würden. Demgegenüber beziehen die Kläger gemäß Art VI KV die höhere „Übergangsversorgung Teil 1“ unstrittig bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie das gesetzlich vorgesehene Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erreicht haben.

6. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass vorzeitige Alterspensionen gemäß Art V Z 6 lit a KV nicht nur dann auf die „Übergangsversorgung Teil 1“ anzurechnen sind, wenn sie tatsächlich bezogen werden, sondern auch dann, wenn sie ab dem frühest möglichen Anfallszeitpunkt bezogen werden könnten, aber nicht beantragt werden, ziehen die Revisionswerber nicht in Zweifel. Dies entspricht auch dem sich aus Art II KV ergebenden Ausgleichszweck der Übergangsversorgung. Dass eine Gleichstellung der Korridorpension mit der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu einer Diskriminierung der Kläger wegen des Geschlechts führen könnte, wird von den Revisionswerbern nicht mehr thematisiert.

7. Auf die in der Revision aufgestellte Behauptung, der Kollektivvertrag erlege den ehemaligen Arbeitnehmern keine Verpflichtung auf, durch den Erwerb von Versicherungszeiten dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erworben werden, um solcherart einen früheren Pensionsstichtag zu erlangen bzw Anrechnungstatbestände zu schaffen, kommt es nicht an, weil die Bestimmung - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - lediglich auf den gesetzlich frühest möglichen Anfallszeitpunkt abstellt. Dass in der Anknüpfung an das jeweilige gesetzliche Pensionsalter als Tatbestandselement für einer kollektivvertraglichen Regelung keine unzulässige dynamische Verweisung liegt, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen (9 ObA 108/01z).

8. Die Beklagte weist in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot einer sachlichen Differenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen nicht im Wege steht und es insbesondere auch erlaubt, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren (9 ObA 59/06a, RIS-Justiz RS0016829). Das erstinstanzliche Beklagtenvorbringen, dass der Beklagten bei den Jahrgängen 1994 und 1945 die Differenz zwischen dem Antrittsalter für die Korridorpension und dem Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer aufgrund der Übergangsbestimmung des § 607 Abs 10 ASVG noch nicht so gravierend erschienen sei, weshalb die Beklagte im Sinn einer Übergangsregelung in Bezug auf die mögliche Anrechnung der Korridorpension bis zum Jahrgang 1946 (dem auch die Kläger angehören) zugewartet habe, blieb von den Klägern unwidersprochen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagten bei ihrer Handhabung der Anrechnung kein willkürliches Vorgehen vorgeworfen werden kann, ist nicht zu beanstanden (§ 510 Abs 3 ZPO). Dass die Kläger im Vertrauen auf die Leistung der Übergangsversorgung der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt haben, schadet schon deshalb nicht, weil sie nach dem KV stets damit rechnen mussten, dass alle „vorzeitigen Alterspensionen“ der gesetzlichen Pensionsversicherung - bei Vorliegen deren Voraussetzungen - ab dem Anfallszeitpunkt anrechenbar sind.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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