Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander H***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 9. Juli 2011 in W***** außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar
1./ an der am 22. Juni 2001 geborenen Sarah B*****, indem er unter ihr Bikinioberteil griff und ihre nackte rechte Brust massierte;
2./ an der am 1. Februar 2003 geborenen Mirijam A*****, indem er unter ihre Bikinihose griff und ihre Scheide streichelte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag des Rechtsmittelwerbers auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich Sarah B***** und Mirijam A***** (ON 16 S 39) zu Recht der Abweisung, weil nicht dargelegt wurde, warum anzunehmen sei, dass sich die Zeuginnen zur Befundaufnahme bereit finden werden und dass die gesetzlichen Vertreter ihre Zustimmung erteilen würden (RIS-Justiz RS0118956, RS0108614; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).
Weiters bezieht sich die Verfahrensrüge auf den vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 16. März 2012 gestellten Beweisantrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins zum Beweis dafür, dass er Sarah B***** „nicht auf die Brust auf dem Gang greifen hat können“ (ON 16 S 39). Auch durch die Abweisung dieses Antrags wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt: Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, aus welchem Grund die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und lief somit auf einen im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus (§ 55 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Soweit sich der Rechtsmittelwerber auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 8. März 2012 (ON 15) bezieht, verkennt er, dass nur mündlich in der Hauptverhandlung erstattetes Vorbringen relevant ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310 ff). Das in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung ergänzte Vorbringen ist prozessual verspätet und somit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Auch beim Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der Großmutter der Sarah B***** und der Mirijam A*****, Sylvia A*****, als Zeugin, weil sich aus einer von dieser an den Angeklagten und seine Ehefrau geschickten Weihnachtskarte ergebe, „dass die Vorwürfe unrichtig sind und sie unter Druck der Familie steht“ und „das auf der Weihnachtskarte Geschriebene indiziert, dass die Aussagen der Familie falsch sind“ (ON 16 S 39, 41), handelt es sich um einen im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweis.
Der Mängelrüge gelingt es nicht, formale Begründungsfehler aufzuzeigen.
Undeutlichkeit der Entscheidungsbegründung (Z 5 erster Fall) liegt nur vor, wenn aus objektiver Sicht nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob und aus welchen Gründen entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0099480). Entgegen dem (nominell auch unter Z 9 lit a erstatteten) Vorbringen des Rechtsmittelwerbers ist aufgrund der vom Erstgericht gewählten Formulierung, wonach der Angeklagte in die Bikinihose „des Mädchens griff“ und sie im Scheidenbereich streichelte (US 4) keineswegs unklar, wen er berührte, vielmehr ist unzweifelhaft erkennbar, dass damit die im vorangehenden Satz namentlich genannte Mirijam A***** bezeichnet werden sollte. Im Übrigen verkennt der Nichtigkeitswerber, dass der Urteilsspruch zur Verdeutlichung des Urteilssachverhalts herangezogen werden kann (RIS-Justiz RS0116587).
Mit dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall), die Feststellung der Tatrichter, wonach dem Angeklagten „vollinhaltlich bewusst [war], dass er durch die genannten Handlungen jeweils geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vornimmt“ (US 4), wäre „undeutlich“, weil Feststellungen zur Wollenskomponente der subjektiven Tatseite fehlten, macht die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) geltend. Der Angeklagte übergeht insoweit, dass nach der erstgerichtlichen Urteilsbegründung er jeweils geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vornehmen „wollte“ (US 7).
Das weitere Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), das Schöffengericht hätte die Aussage der als Zeugin vernommenen Mutter der Mirijam A*****, Renate A*****, nicht ausreichend gewürdigt, weil deren Angabe, der Angeklagte wäre zu dem Zeitpunkt, als ihr ihre Tochter den Übergriff geschildert hätte, nicht mehr anwesend gewesen, gegen die erstgerichtliche Urteilsbegründung spreche, wonach die Mädchen ihren Eltern unmittelbar nach dem Vorfall berichteten, richtet sich nach Art einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen - Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Erstgericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jeden gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt (RIS-Justiz RS0098377).
Ob Sarah B***** und der Angeklagte nebeneinander oder hintereinander über den Gang schritten, betrifft keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399), sodass die - im Übrigen unzutreffende - Behauptung der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) auf sich beruhen kann.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, warum das konstatierte Massieren der Brust der Sarah B*****, welche „zum Tatzeitpunkt bereits einen derartigen Entwicklungsstand erreicht“ hatte, dass sie dies „als grenzüberschreitenden Eingriff in ihre Sexualsphäre erlebte“ (US 4), nicht den objektiven Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB erfüllen sollte (vgl RIS-Justiz RS0095113, RS0094936), und verfehlt somit prozessordnungskonforme Darstellung (RIS-Justiz RS0099810). Im Übrigen verkennt der Rechtsmittelwerber, dass selbst bei Nichtannahme eines zur Tatzeit bereits eingetretenen Pubertätsbeginns beim Tatopfer Deliktsbegehung durch (bloß relativ untauglichen) Versuch anzunehmen wäre (12 Os 32/11i, EvBl 2011/101, 681).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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