Spruch:
In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben.
Hinsichtlich des Angeklagten Dr. Franz L***** wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Im Übrigen wird in der Sache selbst erkannt:
Alban K***** und Annemarie K***** sind schuldig, sie haben von Ende 2008 bis zum 6. März 2009 fahrlässig den Tod des am 4. Oktober 2006 geborenen Jakob K***** unter besonders gefährlichen Verhältnissen herbeigeführt, indem sie als Eltern des Opfers in Kenntnis des bei diesem vorliegenden schweren kombinierten Immundefekts, der daraus resultierenden Gefahr eines tödlichen Verlaufs auch einfacher Infektionserkrankungen und des Erfordernisses, derartige Erkrankungen möglichst in einem Krankenhaus durch (intravenöse) Gabe von Antibiotika in ausreichender Dosierung zu behandeln, trotz zunehmender Häufung immer schwerer verlaufender Erkrankungen des Jakob K***** diesen nicht in ein Krankenhaus brachten.
Sie haben hiedurch jeweils das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB begangen und werden nach § 81 Abs 1 StGB jeweils zu einer Freiheitsstrafe von
sechs Monaten
verurteilt.
Die Freiheitsstrafen werden gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Dr. Franz L***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alban K*****, Annemarie K***** (zu 1) und Dr. Franz L***** (zu 2) jeweils des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 2 und Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben in M*****, T***** und an anderen Orten ihre Verpflichtung zur Fürsorge, Alban K***** und Annemarie K***** auch ihre Verpflichtung zur Obhut einer unmündigen Person, nämlich dem am 4. Oktober 2006 geborenen Jakob K*****, gegenüber gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, deren Gesundheit beträchtlich geschädigt, und zwar
(1) Alban K***** und Annemarie K***** ungefähr von Oktober 2007 bis 6. März 2009 als Eltern des am 4. Oktober 2006 geborenen Jakob K*****, indem sie trotz Kenntnis des bei diesem vorhandenen schweren kombinierten Immundefekts die einzig lebenserhaltende Behandlung, nämlich eine Knochenmarktransplantation, trotz vorhandenen Spenders verweigerten, in weiterer Folge in Kenntnis des potentiell schweren, allenfalls tödlichen Verlaufs auch „banaler Erkrankungen“ die zu deren Vorbeugung erforderliche Verabreichung von Immunglobulinen im Rahmen regelmäßiger Kontrolltermine an der Kinderklinik Innsbruck ablehnten, das Opfer im Wissen um das Erfordernis der Behandlung von (schweren) Erkrankungen in einem Krankenhaus mit ausreichender Antibiotikagabe weder an der Kinderklinik Innsbruck noch einem anderen Krankenhaus aufnehmen ließen und trotz zunehmender Häufung von immer schwerer verlaufenden Erkrankungen bis zuletzt in häuslicher Pflege und in der ‑ keine erkennbare Besserung bewirkenden ‑ Behandlung des Dr. Franz L***** beließen, was den Tod des Opfers zur Folge hatte;
(2) Dr. Franz L***** als behandelnder Arzt aufgrund des mit den Mitangeklagten abgeschlossenen Behandlungsvertrags, indem er von 22. Februar 2008 bis 6. März 2009 in Kenntnis der zu Punkt 1 beschriebenen Erkrankung des Opfers und deren Verlaufs sowie der aus medizinischer Sicht gebotenen Behandlungsmethoden das Opfer bis zuletzt in häuslicher Pflege beließ, nicht dafür sorgte, dass es den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend die erforderlichen Antibiotika erhielt und nicht die Einlieferung in ein Krankenhaus veranlasste, was den Tod des Opfers zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Franz L*****, der Berechtigung zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Deutlich genug wird im Rahmen der Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach jedoch Z 10) geltend gemacht, dass das Urteil keine ausreichenden Feststellungen zur Frage enthält, ob den Beschwerdeführer aufgrund des im Urteil nicht näher beschriebenen „Behandlungsvertrags“ eine Fürsorgepflicht im Sinn des § 92 Abs 2 StGB traf, deren gröbliche Verletzung ihm angelastet wird.
Unter dem Begriff der Fürsorge verstehen Rechtsprechung und Lehre allgemein Rechtsverhältnisse, welche die Verpflichtung begründen, für das körperliche oder geistig-seelische Wohl der geschützten Person zu sorgen, wobei diese Pflicht auf Gesetz, behördlichem Auftrag oder Vertrag beruhen kann (RIS-Justiz RS0093076; Jerabek in WK2 § 92 Rz 4; Kienapfel/Schroll, Grundriss BT I5 § 92 Rz 9). Diese Definition bedarf insofern einer Präzisierung, als nach den unmissverständlichen Intentionen des historischen Gesetzgebers nur auf längere Dauer angelegte (zutreffend: Zagler SbgK § 92 Rz 8) ‑ auf Betreuung und Sorge um das (umfassende) Wohl des Schutzbefohlenen gerichtete ‑ Rechtsverhältnisse, wie sie etwa für das Familienrecht typisch sind (vgl zum Begriff der Fürsorge als Element des Kindeswohls: RIS-Justiz RS0048835), erfasst sein sollten. Gekennzeichnet sind derartige Beziehungen durch eine „Beschützerstellung“ des Fürsorgepflichtigen (14 Os 104/95) und eine (länger andauernde) „Abhängigkeit“ des auf die Fürsorge Angewiesenen (vgl NK-StGB-Paeffgen § 225 Rz 5). Als Beispiele nennen die Gesetzesmaterialien, die sich ausdrücklich an der vergleichbaren deutschen Regelung orientieren (§ 225 [vormals § 223b] dStGB; vgl Kienapfel/Schroll, Grundriss BT I5 § 92 Rz 1), das Verhältnis zwischen (Pflege-)Eltern und (Pflege-)Kindern, Vormund und Mündel, Bewährungshelfer und jugendlichem Rechtsbrecher sowie (bei entsprechender vertraglicher Verpflichtung) „Ausgedinglern und den Übernehmern“ (JAB 512 BlgNR 12. GP 6 f; vgl das einhellige Schrifttum zur deutschen Rechtslage: Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB28 § 225 Rz 7; Hardtung in Münchener Kommentar § 225 Rz 6; SK-StGB/Horn/Wolters § 225 Rz 5). Aus einem Vertrag über eine ärztliche Behandlung erwachsende Hauptpflichten (zur fachgerechten, dem objektiven Standard ‑ allenfalls eines besonderen Fachs ‑ entsprechenden Behandlung [RIS-Justiz RS0021335] und gewissenhaften Betreuung [§ 49 Abs 1 ÄrzteG]) oder Nebenpflichten (etwa unter bestimmten Umständen Anzeige an die Sicherheitsbehörde [§ 54 Abs 5 ÄrzteG] oder Meldung an den Träger der Unfallversicherung [§ 363 Abs 2 ASVG; vgl 2 Ob 95/03i] zu erstatten) erfüllen per se ‑ selbst bei (wie hier) wiederholten Kontakten zwischen Arzt und Patienten ‑ die dargestellten Kriterien der von § 92 Abs 2 StGB gemeinten (umfassenden) Fürsorgepflicht nicht. Dass der Beschwerdeführer mit dem im Urteil nicht näher beschriebenen Behandlungsvertrag Pflichten übernommen hätte, aus denen sich rechtlich eine Fürsorgepflicht im dargelegten Sinn ergeben hätte, hat das Erstgericht aber nicht festgestellt.
Der angefochtene Schuldspruch, demgemäß auch der darauf beruhende Strafausspruch waren daher aufzuheben und die Sache hinsichtlich des Beschwerdeführers zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Das weitere Beschwerdevorbringen, das sich im Rahmen von Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) inhaltlich ausschließlich auf das Tatbestandselement des (vorsätzlichen) gröblichen Vernachlässigens bezieht, bedarf somit keiner Erörterung.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Dr. Franz L***** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Zur amtswegigen Maßnahme hinsichtlich der anderen Angeklagten:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil zudem nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10) zum Nachteil der beiden anderen Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Der Tatbestand des § 92 Abs 2 StGB setzt eine gröbliche Vernachlässigung der Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut voraus. Das Element der Gröblichkeit scheidet Fälle „einfacher“ Pflichtverletzung (also solcher, die auch ansonsten pflichtbewussten Menschen unterlaufen) aus dem Tatbestand des Abs 2 aus und dient solcherart als Korrektiv für dessen rechtliche Gleichstellung mit dem Unwertgehalt des in Abs 1 vertypten Zufügens körperlicher oder seelischer Qualen (vgl ErläutRV 30 BlgNR 13. GP 222; RIS-Justiz RS0093109). Gröblich ist die Pflichtverletzung dann, wenn ein krasses, geradezu auf einen Charaktermangel hinweisendes Missverhältnis zwischen dem Verhalten des Täters und dem von ihm erwarteten Maß an Fürsorge und Obhut besteht. In subjektiver Hinsicht müssen die Pflichtverletzung und die Umstände, welche die Gröblichkeit ausmachen, vom Vorsatz umfasst sein (RIS-Justiz RS0093116, RS0093113; Jerabek in WK2 § 92 Rz 15). Bestimmte Charaktermängel sind zwar nicht Tatbestandselement und müssen daher nicht festgestellt werden, sie können die Gröblichkeit der Pflichtverletzung aber indizieren (15 Os 185/93). Der Begriff „vernachlässigt“ bringt zum Ausdruck, dass der Tatbestand primär einen erheblichen Mangel an Bereitschaft, seinen Pflichten nachzukommen (vgl RIS-Justiz RS0093155; ErläutRV 30 BlgNR 13. GP, 222), typischerweise also qualifizierte Untätigkeit, nicht etwa vom Täter gut gemeinte ‑ wenngleich aus objektiver Sicht falsche ‑ Entscheidungen, erfasst (vgl Kienapfel/Schroll, Grundriss BT I5 § 92 Rz 26; Kienapfel/Schmoller BT III § 199 Rz 8).
Nach den wesentlichen Urteilsannahmen waren Alban K***** und Annemarie K***** in Kenntnis, dass eine realistische Chance auf Heilung der bei ihrem Sohn diagnostizierten, lebensbedrohlichen Immunschwächekrank-heit (SCID ‑ Severe Combined Immunodeficiency) nur bei Durchführung einer Knochenmarktransplantation bestand. Nachdem sie anfänglich einer solchen Behandlung und der Verlegung ihres Sohnes in ein spezialisiertes Klinikum in Ulm zugestimmt hatten (US 8 f), änderten sie ihre Meinung, weil sie dort Patienten kennengelernt hatten, „denen es nach erfolgter Transplantation offensichtlich nicht gut gegangen sei“, und weil sich ihr Sohn „in einem recht guten Allgemeinzustand“ befand (US 10). Dem Opfer wurden danach mehrmals Immunglobuline nach tagesstationärer Aufnahme in der Universitätsklinik Innsbruck verabreicht. Da nach einer dieser Behandlungen „Temperaturanstieg, Erbrechen und Durchfall“ aufgetreten waren, wollten Alban K***** und Annemarie K***** unter Bezugnahme auf einen Arztbrief des Klinikums Ulm der Gabe weiterer Immunglobuline nur nach Durchführung eines Tests zur Bestimmung des Immunglobulin-Spiegels ihres Sohnes zustimmen (US 12 f). Anlässlich einer Besprechung in der Universitätsklinik Innsbruck wurden alle drei Angeklagten ‑ Dr. Franz L*****, mit dem die beiden anderen Angeklagten mittlerweile einen Behandlungsvertrag abgeschlossen hatten, war dem Gespräch als Vertrauensperson beigezogen worden ‑ darauf hingewiesen, dass Infektionen, die beim Opfer auftreten würden, „nicht mit herkömmlichen, oral verabreichten Antibiotika behandelt werden, sondern nur durch eine intensive, intravenöse Gabe von Antibiotika bekämpft werden könnten“ (US 14) und dass „jede Infektion bedrohlich werden könnte, die nicht sofort auf eine 'normale, orale antibiotische Behandlung' anspräche“ (US 15). Danach wurde das Opfer nicht mehr in der Universitätsklinik Innsbruck, sondern stattdessen im Jahr 2008 wiederholt von Dr. Franz L***** wegen Bronchitis behandelt. Wiederkehrend traten auch Durchfallerkrankungen auf, wobei sich diese Erkrankungen gegen Jahresende häuften (US 16). Am 17. Februar 2009 wurden eine vom Angeklagten Dr. Franz L***** diagnostizierte Ohrenentzündung und eine Pilzinfektion im Mundbereich des Opfers mittels Spülungen, Lasertherapie und (oral verabreichtem) Antibiotikum behandelt. Anlässlich eines Hausbesuchs am 4. März 2009 stellte dieser Angeklagte beim Opfer ein Fortdauern des Fiebers und der Ohrenentzündung, ein beginnendes Gerstenkorn am rechten Oberlid, vermehrte Hustengeräusche, eine Hautläsion am Bauch sowie leicht geschwollene Fußknöchel fest. Die Behandlung wurde „mit einem herkömmlichen oralen Antibiotikum (und zusätzlichen homöopathischen Mitteln)“ fortgesetzt. Die Notwendigkeit der Verlegung des Opfers in ein Krankenhaus wurde von Dr. Franz L***** zu keiner Zeit angesprochen (US 16). Als dieser nach zweimaligem Anruf der beiden anderen Angeklagten am 6. März 2009 zu einem weiteren Hausbesuch eintraf, hatte sich der Allgemeinzustand des Opfers verschlechtert: Es war schwach, wies eine blasse Hautfarbe und erschwerten Husten auf, verlor noch während der Untersuchung durch Dr. Franz L***** das Bewusstsein und verstarb kurz darauf (US 17). Dass Alban K***** und Annemarie K***** das vom behandelnden Arzt verschriebene Antibiotikum nicht verabreicht hätten oder die Mangelernährung ihres Sohnes in dessen letzten Lebensmonaten wahrgenommen hätten, wurde vom Erstgericht ausdrücklich nicht angenommen (US 19). Die übereinstimmende Verantwortung dieser beiden Angeklagten, sie hätten aufgrund des (zunächst noch) guten Allgemeinzustands ihres Sohnes gehofft, es gäbe für ihn „noch andere Möglichkeiten“ (als eine Knochenmarktransplantation), und sie hätten die „Notwendigkeit der Immunglobulin-Gabe bezweifelt“, wurde von den Tatrichtern nicht als unglaubwürdig verworfen (US 20 ff). Dem Angeklagten Dr. Franz L***** wurde ausdrücklich zugestanden, „dass er tatsächlich gehofft hat, dass Jakob K***** die nachfolgenden Infektionen mit einer herkömmlichen (homöopathischen und antibiotischen) Behandlung überstehen bzw. ausheilen könne“ (US 25).
Die Entscheidungsgründe stellen somit zwar rechtlich betrachtet ein Fehlverhalten von Alban K***** und Annemarie K***** dar, bieten aber (insbesondere in subjektiver Hinsicht) keinen (ausreichenden) Sachverhaltsbezug für die unter bloßer Verwendung der verba legalia zur inneren Tatseite getroffene Feststellung, diese beiden Angeklagten hätten ihre Verpflichtung zur Fürsorge und Obhut (vorsätzlich) gröblich vernachlässigt (US 19 iVm US 22 und 30). Zufolge dieses Rechtsfehlers (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8) waren auch der Schuldspruch 1 sowie die darauf beruhenden Strafaussprüche aufzuheben.
Da Feststellungen, die einen Schuldspruch nach § 92 Abs 2 StGB tragen könnten, hinsichtlich der Angeklagten Alban K***** und Annemarie K***** nach der Aktenlage auch in einem zweiten Rechtsgang nicht zu erwarten sind (RIS-Justiz RS0118545; Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24), war in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO), wobei die Parteien vor dem Gerichtstag im Sinn des § 262 StPO über die Möglichkeit einer Subsumtion nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB informiert wurden (vgl 12 Os 123/09v; Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 23).
Der Entscheidung waren ‑ neben den zuvor wiedergegebenen ‑ auch die nachstehenden erstgerichtlichen Konstatierungen zugrunde zu legen, nachdem eine amtswegige Prüfung keine Begründungs- oder Verfahrensmängel oder erhebliche Bedenken ergeben hatte (RIS-Justiz RS0114638) und den Parteien vor dem Gerichtstag noch eine Frist für das deutliche und bestimmte Vorbringen solcher Einwände eingeräumt worden war (vgl 13 Os 100/09v; 13 Os 17/11s):
Ab dem Jahresende 2008 waren sich Alban K***** und Annemarie K***** des sich rapide verschlechternden Gesundheitszustands ihres Sohnes bewusst. Sie haben ungeachtet dieser Entwicklung und trotz ihres Wissens um die Immunschwächekrankheit des Jakob K***** einen stationären Krankenhausaufenthalt nicht veranlasst, im Zuge dessen auch eine ‑ aus medizinischer Sicht gebotene ‑ intravenöse Behandlung mit Antibiotika des Opfers hätte stattfinden können. Durch eine Behandlung der in den letzten Wochen vor dem Tod des Opfers vorliegenden Lungenentzündung, Ohrenentzündung und Durchfallerkrankung durch die intravenöse Gabe von Antibiotika in einem Krankenhaus hätte der Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet werden können. All dies war für Alban K***** und Annemarie K***** bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar (US 18 f).
Die Feststellungen zur Immunschwäche des Opfers und zu den sich daraus ergebenden besonderen Komplikationen bei damit typischerweise einhergehenden Infektionen (hier etwa Bronchitis, Lungenentzündung, Mittelohrentzündung) bringen eine ‑ im Vergleich zu sonst (also ohne Hinzutreten dieser Immunschwäche) gegebenen Situationen bei der Behandlung derartiger Infekte (vgl zum anzuwendenden Vergleichsmaßstab: Burgstaller in WK2 § 81 Rz 16; Kienapfel/Schroll Studienbuch BT I2 § 81 Rz 26; 13 Os 36/98; vgl auch 14 Os 71/99) ‑ besonders gesteigerte Gefahrenlage im Sinn des § 81 Abs 1 Z 1 StGB zum Ausdruck, die Alban K***** und Annemarie K***** infolge umfassender medizinischer Aufklärung bekannt war. Auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen haben diese beiden Angeklagten die Merkmale des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB erfüllt und waren nach dieser Gesetzesstelle schuldig zu erkennen.
Bei der Neubemessung der Strafe war bei beiden der lange Tatzeitraum als erschwerend zu werten, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und dass die Tat mit ihrem sonstigem Verhalten in auffallendem Widerspruch steht sowie der Verlust des eigenen Kindes.
Davon ausgehend entsprechen die verhängten Freiheitsstrafen dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie den Täterpersönlichkeiten.
Die vom Erstgericht beiden Angeklagten gewährte bedingte Strafnachsicht war schon wegen des Verschlechterungsverbots (§§ 16, 290 Abs 2 StPO) zu übernehmen.
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