OGH 13Os36/98

OGH13Os36/9822.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.April 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Peter B***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, AZ 22 E Vr 1309/94 des Landesgerichtes Linz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 8.Jänner 1997, AZ 9 Bs 151/96 (ON 77 des Vr-Aktes) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Dr.Spitzer, und des Verteidigers Dr.Weixelbaum, jedoch in Abwesenheit des (freigesprochenen) Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz verletzt § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 9.April 1996, GZ 22 E Vr 1309/94-70, wurde Univ.Prof. Dr.Peter B***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 17.Juni 1994 in Linz im Zuge einer coronaren Bypassoperation fahrlässig Ing.Max M***** am Körper dadurch schwer verletzt habe, daß er "unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt eine von ihm vorher angebrachte Klemme am Gefäßtransplantat für die rechte Herzkranzarterie nach Beendigung der Operation nicht entfernte, wodurch das regelrecht situierte Bypassgefäß verschlossen blieb und dessen beabsichtigte Funktion als Ersatz der rechten Herzkranzarterie verhindert wurde, wobei die Klemme als Fremdkörper im Brustraum zurückblieb".

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen blieb eines der drei von Univ.Prof.Dr.B***** operativ eingesetzten Gefäßtransplantate, nämlich jenes zur rechten Herzkranzarterie, nur deshalb funktionslos, weil es mittels Klemme verschlossen blieb, so daß die Blutversorgung in diesem Bereich postoperativ in etwa dem Zustand vor der Operation entsprach. Ein Zusammenhang zwischen dem Klemmenverschluß des Bypasses zur rechten Herzkranzarterie und dem nach sechs Tagen postoperativ (24.Juni 1994) eingetretenen Tod des Patienten ist nicht erwiesen. Die zurückgelassene Klemme führte zwar nicht zu einer Komplikation in Form einer Infektion; es bestand jedoch aufgrund der relativ kantigen Beschaffenheit dieses Fremdkörpers die Gefahr einer mechanischen Schädigung bzw Irritation des umgebenden Gewebes. In der kurzen postoperativ bis zum Ableben des Patienten verbliebenen Zeit ist eine derartige Schädigung allerdings nicht eingetreten. Die implantierte Vene blieb jedoch eine "tote" funktionslose Leitung, was dazu führte, daß das Gefäßtransplantat 6 Tage postoperativ bereits vollständig thrombosiert war und sich teilweise in Organisation (Gutachten S 135/I) befand. Nur eine sehr rasche Entdeckung und sofortige Entfernung der Klemme hätte die Funktionsfähigkeit des Bypass noch hergestellt. Nach der bereits bald nach der Operation eingetretenen Thombosierung wäre hingegen eine neuerliche Gefäßtransplantation notwendig gewesen. Da sowohl aus diesem Grunde als auch wegen der bereits erwähnten Gefährlichkeit des Fremdkörpers für das benachbarte Gewebe eine abermalige operative Eröffnung des Brustraumes erforderlich gewesen wäre, sah das Erstgericht unter - im Ergebnis zutreffender (s. Burgstaller in WK § 88 RN 74 und Kienapfel BT I4 § 81 RN 26) - Verneinung der seitens der Staatsanwaltschaft angenommenen besonders gefährlicher Verhältnisse iS des zweiten Falles des § 88 Abs 4 StGB (iVm § 81 Z 1 StGB) das Tatbild des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB als erfüllt an.

Dagegen wandte sich die Staatsanwaltschaft mit Berufung, die einen anklagekonformen Schuldspruch des Univ.Prof.Dr.B***** nach § 88 Abs 1 und 4 zweiter Fall StGB beantragte, jedoch erfolglos blieb, weil der vom Beschuldigten erhobenen Berufung vom Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 8.Jänner 1997, AZ 9 Bs 151/96 (ON 77 des Vr-Aktes), Folge gegeben und Univ.Prof.Dr.Peter B***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hatte das Zurücklassen der Klemme keine Verletzung des Ing.Max M***** zur Folge, weil es im kurzen postoperativen Zeitraum bis zum Tod des genannten weder zu einer Beschädigung der implantierten Vene noch zu einer Komplikation in Form einer Infektion gekommen sei. Zur (wegen der Gefahr der Schädigung und wegen der bereits eingetretenen Thrombosierung des Transplantates erforderlichen) neuerlichen Gefäßtransplantation sei es aufgrund des mittlerweile aus anderer Ursache eingetretenen Todes Ing.M*****s nicht (mehr) gekommen. Auch eine Gesundheitsschädigung wurde verneint, weil die Blutversorgung im Versorgungsgebiet der rechten Herzkranzarterie postoperativ in etwa den Bedingungen entsprochen habe, welche präoperativ bestanden hätten, und die durchgeführte Gefäßoperation, wenngleich auch nicht die gewünschte Besserung, so andererseits auch keine zum Tod führende aktue Verschlimmerung im vorbestehenden Herzleiden des Patienten herbeigeführt habe.

Rechtliche Beurteilung

Wie die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzt die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz das Gesetz in der Bestimmung des § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB.

Ob der am Herzen zurückgebliebene Fremdkörper (Klemme) eine an sich schwere Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte (so die Generalprokuratur), mag dahingestellt bleiben, stellt doch das Anklemmen eines Fremdkörpers im Bereich des Herzens einen Eingriff in die körperliche Integrität, sohin eine Substanzbeeinträchtigung, fallbezogen (an einem lebensentscheidenden Organ) im Sinne einer an sich schweren Körperverletzung dar (Foregger/Kodek StGB6 § 84 Anm III), zu deren Behebung nämlich ein operativer Eingriff mit (neuerlicher) Öffnung des Brustraums erforderlich war. Die Notwendigkeit eines solchen Eingriffs steht nämlich nur dann in Frage, wenn (wie vom Gerichtshof zweiter Instanz vertreten) der am Herzen zurückgebliebene Fremdkörper weder als Körperverletzung noch als Gesundheitsschädigung betrachtet wird. Damit ist eine Erörterung des von der Generalprokuratur zusätzlich hervorgehobenen Umstands, daß die Klemme die Blutzirkulation im bereits funktionstüchtigen Gefäßtransplantat unterband (und eine vollständige Thrombosierung dieses Blutgefäßes bewirkte) und diese Funktionsstörung, die nur durch eine neuerliche Bypassoperation zu beseitigen ist, gleichfalls einen den Grad einer an sich schweren Gesundheitsstörung erreichenden Krankheitswert hätte, entbehrlich.

Das Argument des Oberlandesgerichts, die durchgeführte Gefäßoperation habe keine Verschlimmerung im bestehenden Herzleiden des Patienten herbeigeführt, stellt nur auf den von der Anklage gar nicht betroffenen (erfolgreichen) Teil der Operation und das schon vor dem Eingriff bestandene Herzleiden ab, ohne die durch die Zurücklassung des Instruments am Herzen zusätzlich neu und völlig anders gelagerte Situation zu berücksichtigen. Der Umstand, daß es in der Folge durch den - nicht nachweisbar durch das Verhalten von Univ.Prof.Dr.B***** verursachten - Tod des Patienten nicht mehr zur (neuerlichen) Operation zur Beseitigung dieser Situation gekommen ist, vermag am bereits vorher erfolgten Eintritt der an sich schweren Gesundheitsschädigung nichts zu ändern.

In Stattgebung der Wahrungsbeschwerde war sohin spruchgemäß zu erkennen. Da sich die Gesetzesverletzung zum Vorteil des Angeklagten auswirkte, hatte es mit deren Feststellung sein Bewenden.

Stichworte