OGH 14Os71/99

OGH14Os71/9921.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mittermayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef W***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. Christian D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Feber 1999, GZ 6 Vr 2.596/97-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch der Angeklagten Josef W*****, Anna N***** und Maria W*****) unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Dr. Christian D***** (Punkt 2) aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Dr. Christian D***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Josef W*****, Anna N*****, Maria W***** und Dr. Christian D***** des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Soweit im Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung hat Dr. Christian D***** von Jänner 1996 bis 12. Juni 1996 in Kalch (Bezirk Weiz) als Hausarzt, der die Behandlung der Maria W***** (senior) tatsächlich übernommen hatte, sohin als Garant im Sinn des § 2 StGB, unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig den Tod der am 29. April 1909 geborenen Patientin herbeigeführt, indem er es in Kenntnis der äußerst unzureichenden Pflege durch ihre in diesem Verfahren rechtskräftig verurteilten Angehörigen und der am 9. Jänner 1996 diagnostizierten Lungenentzündung entgegen den Bestimmungen des Ärztegesetzes unterließ, die Genannte gewissenhaft zu betreuen, nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung für ihr Wohl zu sorgen, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern, ihr Linderung der Schmerzen zu verschaffen, seiner in § 27 Ärztegesetz (1984) normierten Anzeigepflicht nicht nachkam und die sofortige intensivärztliche Betreuung durch Einweisung in eine Krankenanstalt nicht veranlaßte, trotz Angabe von Schmerzen die gebotenen Untersuchungen nicht vornahm "und selbst am 7. Juni 1996 bei Lebensgefahr ihre Einweisung in ein Krankenhaus nicht veranlaßte", was den am 12. Juni 1996 eingetretenen Tod der Maria W***** (senior) unter den klinischen Zeichen eines Versagens der Atmung und des Kreislaufes als Folge der Mangelernährung und Austrocknung zur Folge hatte.

Der dagegen vom Angeklagten Dr. D***** aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht ging davon aus, daß Dr. Christian D***** seine seit mehreren Jahren bettlägerige Patientin im Jahr 1996 insgesamt drei mal besuchte:

Zuerst am 9. Jänner wegen einer Lungenentzündung, wobei er die Einnahme eines Medikamentes verordnete, weitere Visiten aber für entbehrlich hielt, weil er nicht von einem ungünstigen Krankeitsverlauf verständigt wurde.

Der zweite Hausbesuch erfolgte am 7. Juni wegen Hüftschmerzen, zu deren Bekämpfung er eine schmerzstillende Injektion in das Gesäß verabreichte.

Als Dr. D***** schließlich am 12. Juni neuerlich gerufen wurde, wies er Maria W***** senior wegen akuter Atemnot in das Landeskrankenhaus Graz ein, wo sie noch am selben Tag verstarb (US 8 f).

Sie litt zuletzt (außerdem) an einem schlechten Allgemein- und Ernährungszustand, Auszehrung, (ausgedehnten - US 9, 16) Druckbandgeschwüren, nekrotischen Ge- schwüren mit Madenbefall und wies (durch Osteoporose bedingte) Brüche des linken Oberschenkels und des rechten Schien- und Wadenbeines auf (wobei der Unterschenkelbruch erst nach dem Tod entstanden sein kann - vgl S 73).

Der Tod war nach Überzeugung der Tatrichter Folge der Mangelernährung und Austrocknung.

Der Beschwerde (undifferenziert Z 5 und Z 5a) zuwider nahm das Schöffengericht ohnedies an, daß der Tod der Maria W***** (senior) schon am 7. Juni 1999 nicht mehr abwendbar war, wobei es entgegen den Depositionen des Beschwerdeführers (S 166) der - unter Hinweis auf das Fehlen einer objektiven Grundlage dazu angestellten - Spekulation des medizinischen Sachverständigen Dr. R***** (S 469) folgte.

Unter dieser Annahme erweist sich jedoch die Behauptung eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a) über die "Kausalität der Handlungen des Viertangeklagten" im Ergebnis als berechtigt. Da wegen der entscheidenden Einschränkung des Tatzeitraums dem Angeklagten Dr. D***** bloß sein Verhalten anläßlich der Visite am 9. Jänner 1996 und im Anschluß daran bis (längstens) 7. Juni 1996 angelastet werden könnte, wären präzise Feststellungen darüber zu treffen gewesen,

Gradwelcher Zustand der Patientin oder ihres Umfeldes welche Handlungen des Arztes aus damaliger Sicht (ex ante) medizinisch indizierte,

Gradob diese Aktivitäten den Tod oder - mangels seiner Zurechenbarkeit - die durch die insuffiziente Pflege verursachte Körperverletzung (beachte aber § 88 Abs 2 Z 2 StGB) abgewendet hätten.

Schon wegen dieser Feststellungsmängel ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben war (§ 285e StPO), ohne daß eine Erörterung weiterer Beschwerdepunkte erforderlich gewesen wäre.

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