Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 838,44 EUR (darin 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 15. 6. 1992 bis 12. 4. 2009 bei der Beklagten als LKW-Fahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) Anwendung. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20. 3. 2009 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 12. 4. 2009, wobei sie im Kündigungsschreiben eine Wiedereinstellungszusage für den 7. 9. 2009 abgab. Mündlich wurde dem Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten erläutert, dass er zwar gekündigt sei, im September aber wieder zur Arbeit kommen solle; in der Zwischenzeit beziehe er Arbeitslosengeld. Wenn der Kläger nicht wieder zu arbeiten beginne, verliere er seine Abfertigung. Die Vordienstzeiten und deren allfällige Anrechnung waren bei dieser Unterredung kein Thema. Der Kläger kündigte an, sich bei der Arbeiterkammer zu informieren. Im Juni 2009 gab er bekannt, dass er nicht beabsichtige, im September wieder bei der Beklagten zu arbeiten.
Die Vorinstanzen bejahten übereinstimmend den vom Kläger mit der vorliegenden Klage - auf der Basis eines 15 Dienstjahre übersteigenden, von der Beklagten mit Kündigung beendeten Arbeitsverhältnisses - geltend gemachten Abfertigungsanspruch. Dieser steht der Höhe nach außer Streit.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu. Die anzuwendende Rechtslage erscheine ihm zwar eindeutig; die von der Beklagten angestrengte Auslegung des § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG, wonach die Nichtannahme einer einseitigen Wiedereinstellungszusage durch den Arbeitnehmer zu einem Abfertigungsverlust führe, sei aber noch nicht durch oberstgerichtliche Rechtsprechung widerlegt. Die Beklagte schloss sich der Begründung der Zulässigkeit der Revision an. Ergänzend machte sie noch geltend, dass das Berufungsgericht bezüglich des Abfertigungsverlusts eines Arbeitnehmers bei saisonaler Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, um diesem den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, die Rechtslage grob verkannt habe. Der Kläger bestritt ausdrücklich die Zulässigkeit der Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte deren Zurückweisung.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Der gegenständliche Fall, dessen Beurteilung primär von der Auslegung der Erklärungen der beteiligten Personen und den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt, kann auf der Grundlage der - soweit hier relevant - eindeutigen Gesetzeslage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Hinsichtlich der Abfertigung gelten gemäß Art XVI Z 1 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe Österreich (Arbeiter) für alle Arbeitsverhältnisse, die - wie jenes des Klägers - vor dem 1. 1. 2003 begonnen haben, die Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes, sofern - was hier jedoch nicht geltend gemacht wurde - kein Übertritt gemäß § 47 BMVG erfolgt. Nach § 2 Abs 1 Arbeiter-Abfertigungsgesetz (ArbAbfG), BGBl 1979/107, gebührt dem Arbeitnehmer eine Abfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Auf diese Abfertigung sind die §§ 23 und 23a AngG in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Unstrittig ist, dass die Beklagte bei ihren Erklärungen gegenüber dem Kläger im März/April 2009 vom anschließenden Arbeitslosengeldbezug des Klägers und von dessen „Wiedereinstellung“ im September 2009 ausging. Ob nun ein Arbeitsverhältnis tatsächlich im Sinne einer echten Beendigung „unterbrochen“ oder bloß „ausgesetzt“ (karenziert) wird, hängt von der Auslegung der Willenserklärungen der beteiligten Personen im Einzelfall ab, der regelmäßig keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (vgl 9 ObS 123/07i ua). Im vorliegenden Fall gelangten die Vorinstanzen zur rechtlichen Beurteilung, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers von der Beklagten gekündigt (und damit beendet) - und nicht bloß ausgesetzt - wurde. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist eine Beendigungsart, die dem Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht entgegensteht (§ 23 Abs 7 AngG; Mayr in ZellKomm² § 23 AngG Rz 8 ua). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird in diesem Zusammenhang von der Beklagten nicht dargelegt. Davon, dass das Berufungsgericht insoweit die einschlägige Rechtslage „grob verkannt“ habe, kann keine Rede sein. Relevante Feststellungsmängel werden von der Beklagten nicht aufgezeigt.
Eine erhebliche Rechtsfrage liegt auch nicht hinsichtlich jener Frage vor, bezüglich deren Lösung das Berufungsgericht die ordentliche Revision zugelassen hat. Nach § 502 Abs 1 ZPO kommt es darauf an, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dass der Oberste Gerichtshof eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auffassung einer Partei noch nicht „widerlegt“ habe, genügt nicht. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nämlich dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656 ua).
Konkret geht es hier nach Meinung der Beklagten um § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG, BGBl I 2002/100, aus dem sich allerdings nichts für deren Standpunkt ergibt. § 46 BMSVG befindet sich im 3. Teil („Übergangsrecht“) dieses am 1. 7. 2002 in Kraft getretenen Gesetzes und regelt dessen zeitlichen Geltungsbereich. In § 46 Abs 1 BMSVG wird klargestellt, dass das BMSVG auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31. 12. 2002 liegt. Dies trifft auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zu; dessen Beginn lag nämlich vor dem 1. 1. 2003. In den weiteren Absätzen des § 46 BMSVG werden verschiedene Ausnahmen von dem vorstehenden, in Abs 1 normierten Grundsatz geregelt, wovon die Beklagte - zur Widerlegung des Abfertigungsanspruchs des Klägers - den Abs 3 Z 1 leg cit für sich in Anspruch nimmt. Danach gelten die Abfertigungsregelungen nach dem AngG, dem ArbAbfG etc weiter, wenn nach dem 31. 12. 2002 aufgrund von Wiedereinstellungszusagen oder -vereinbarungen unterbrochene Arbeitsverhältnisse unter Anrechnung von Vordienstzeiten bei dem selben Arbeitgeber fortgesetzt werden. Sämtliche Überlegungen der Beklagten zum Vorliegen einer Wiedereinstellungszusage und der Anrechnung der Vordienstzeiten können hier allerdings im Zusammenhang mit § 46 BMSVG dahingestellt bleiben, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nach der - von den Vorinstanzen mit vertretbarer Begründung angenommenen - Kündigung durch die Beklagte vom 12. 4. 2009 nicht fortgesetzt wurde. Für den Abfertigungsanspruch des Klägers folgt aus der Nicht-Verlängerung des zeitlichen Geltungsbereichs des ArbAbfG im Wege des § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG nichts Besonderes. Die Abfertigungsregelungen des ArbAbfG iVm § 23 AngG sind nämlich hier, wie bereits erwähnt, schon deshalb anzuwenden, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers vor dem 1. 1. 2003 begonnen wurde. Von einem aus § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG resultierenden „Abfertigungsverlust“ des Klägers kann keine Rede sein.
Der Hinweis der Beklagten, dass sich niemand durch eigenes unredliches Verhalten Rechtsvorteile verschaffen dürfe, ist grundsätzlich richtig (vgl RIS-Justiz RS0016433 ua), hier aber ohne besonderen Erkenntniswert. Bei ihrer Annahme, der Kläger habe sich „gegen Treu und Glauben geweigert“, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, unterliegt die Beklagte einem Rechtsirrtum. Genauso, wie es grundsätzlich der Entscheidung des Arbeitgebers vorbehalten ist, von sich aus ein Arbeitsverhältnis zu beenden, ist es der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dessen Anbot auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen oder nicht (vgl 8 ObA 2241/96h ua). Für die Auffassung der Beklagten, der Kläger wäre „verpflichtet“ gewesen, das von der Beklagten einseitig beendete Arbeitsverhältnis wieder nach deren Vorstellungen aufzunehmen, fehlt hier eine rechtliche Grundlage. Der Kläger musste seine „Weigerung“ auch nicht besonders begründen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht im Verhältnis der Parteien aus § 9 AlVG. Die Entscheidung, dass der Kläger keinen Wiederantritt der Beschäftigung vornehmen werde, gab er der Beklagten vor dem Wiederantrittstermin bekannt. Auf den Abfertigungsanspruch hat der Kläger nicht verzichtet. Wenn infolge einer Wiedereinstellungszusage Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis nicht oder nicht zur Gänze erfüllt worden sind, so werden diese gemäß § 9 Abs 6 AlVG spätestens zu jenem Zeitpunkt fällig, zu dem die arbeitslose Person ihre Beschäftigung gemäß der Wiedereinstellungszusage hätte aufnehmen sollen, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Letzteres ist hier nicht der Fall.Wenn man hier unbedingt das Verhalten eines Beteiligten im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben überprüfen wollte, dann wäre diese Prüfung hinsichtlich der unrichtigen Auskunft der Beklagten angebracht, dass der Kläger seine Abfertigung verliere, wenn er nicht wieder zu arbeiten beginne. Nach der Lage des Falls ist aber die Frage, ob die Beklagte gegen Treu und Glauben gehandelt hat, für das Bestehen des Abfertigungsanspruchs des Klägers ohne Bedeutung.
Für die Annahme der Beklagten, der Kläger wäre aufgrund der bloßen Wiedereinstellungszusage der Beklagten zur Wiederaufnahme der Tätigkeit verpflichtet gewesen und habe sie grundlos „konterkariert“, ergibt sich auch nichts aus den in der Revision zitierten Entscheidungen. Dass der Oberste Gerichtshof in einzelnen Fällen Abfertigungsansprüche von Arbeitnehmern verneint hat, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass die dort beurteilten Sachverhalte vom vorliegenden Sachverhalt abwichen. So wurde zB in der von der Beklagten genannten Entscheidung 9 ObA 216/97y der Abfertigungsanspruch deshalb verneint, weil keine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses von zumindest drei Jahren vorlag (§ 23 Abs 1 AngG). Ähnliches gilt für 8 ObS 191/02z, worin der Oberste Gerichtshof ebenfalls von einer Unterbrechung (Beendigung) des Arbeitsverhältnisses ausging. Die ohne Bezugnahme auf den Volltext erfolgende Lektüre des sich auf diese Entscheidung beziehenden Rechtssatzes in RIS-Justiz RS0017802 (T23) ist nicht zielführend. Die Verneinung des Abfertigungsanspruchs folgt dort selbstverständlich nicht aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, um dem Arbeitnehmer den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, ist doch gerade die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber eine von mehreren Voraussetzungen für einen Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers. Abfertigungsschädlich war dort das Fehlen einer ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren (§ 23 Abs 1 AngG). Dass demgegenüber der Kläger bis zur gegenständlichen Arbeitgeberkündigung bereits auf eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als 15 Dienstjahren zurückblickte, wurde bereits erwähnt.
Ob man in der Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers bereits einen „aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag“ sieht (vgl Rebhahn in ZellKomm² §§ 861-864a Rz 23 mwN; 8 ObS 6/05y ua), betrifft nur die Frage der Bindung des Arbeitgebers, beispielsweise im Fall eines Betriebsübergangs. Für eine Bindung des Arbeitnehmers durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers ist hier kein Anwendungsbereich. Der Arbeitnehmer ist nur bei einer vertraglichen Abrede der (Wieder-)Einstellung auch zur Arbeit verpflichtet. Solange der Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - die aufgrund der Wiedereinstellungszusage eingeräumte Option nicht angenommen hat, ist er auch nicht verpflichtet (8 ObA 2241/96h ua).
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger wies in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hin (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)