Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR (darin 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger ist bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück 142/2 (neu), an welches westlich das Grundstück 143/3 angrenzt. Nach diesem folgen die zur Liegenschaft EZ ***** gehörigen Grundstücke der Beklagten 143/2 (neu) und 143/4, die in deren grundbücherlichem Eigentum stehen. Die Liegenschaft der Beklagten ist auf einem asphaltierten Zufahrtsweg erreichbar, der (ua) über das Grundstück des Klägers führt.
Der Kläger, der damalige Eigentümer des Grundstücks 143/3 und die Eltern der Beklagten (als damalige Eigentümer der EZ *****) schlossen im Oktober 1987 einen Dienstbarkeitsvertrag, in dessen Punkt III. der Kläger für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks 142/2 (neu) den Eltern der Beklagten für diese und deren Rechtsnachfolger im Eigentum der Grundstücke 143/2 (neu) und 143/4 zu Gunsten dieser Grundstücke die Dienstbarkeit des unentgeltlichen Geh- und Fahrwegs auf der unter Punkt II. näher beschriebenen Wegtrasse einräumte. Im Grundbuch wurde entsprechend dieser Vereinbarung ob der Liegenschaft EZ ***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrwegs zu Gunsten der Liegenschaft EZ ***** einverleibt.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand sich auf dem Grundstück 143/2 (neu) ein zweigeschoßiges Einfamilienhaus mit zwei getrennten Wohneinheiten und einer Garage, das der Vater der Beklagten im Jahr 1980 mit behördlicher Bewilligung errichtet hatte. Das obere Geschoß wurde von den Eltern der Beklagten bewohnt, das untere Geschoß von dieser, ihrem Ehemann und der 1986 geborenen ersten Tochter (der 1989 eine weitere folgte). Der Kläger wusste über diese Wohnverhältnisse genau Bescheid. Auf einem von ihm mit Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten auf dem Dienstbarkeitsweg errichteten Tor brachte er zwei Klingeln mit Namensschildern für die Familie der Beklagten und für deren Eltern an.
Im Jahr 1994 erwirkte der Vater der Beklagten die behördliche Genehmigung, einen zweigeschoßigen Zubau zum bestehenden Wohnhaus zu errichten. Grund dafür waren die beengten räumlichen Verhältnisse in der Wohnung der Beklagten, welche durch den Zubau um zwei Kinderzimmer erweitert wurde. Im Obergeschoß wurde ein Wintergarten gebaut. Im Jänner 1996 wurde für den Zubau die Benützungsbewilligung erteilt.
Das Haus der Beklagten dient nach wie vor ihren Eltern und ihrer eigenen Familie als Wohnhaus. Eine Tochter ist bereits ausgezogen, der Auszug der zweiten Tochter steht bevor. Eine Mehrbelastung des Dienstbarkeitswegs durch die Familie der Beklagten ist seit der Einräumung des Geh- und Fahrrechts nicht eingetreten.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die im Jahr 1994 begonnenen baulichen Maßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten hätten zu einer unzulässigen Erweiterung der Dienstbarkeit geführt. Er stellte das Begehren, die Ausübung der Dienstbarkeit in einem konkret bezeichneten Umfang zu unterlassen. Hilfsweise beantragte er festzustellen, dass die Dienstbarkeit nur in einem bestimmt bezeichneten Umfang besteht.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass es seit dem Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags im Jahr 1987 zu keiner Mehrbelastung des dienenden Grundstücks gekommen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es vertrat die Ansicht, bei dem im Jahr 1987 eingeräumten Geh- und Fahrrecht handle es sich um eine ungemessene Servitut. Eine Erweiterung dieser Dienstbarkeit liege nicht vor, weil sich durch die Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten weder an der Art noch am Ausmaß der Ausübung der Dienstbarkeit etwas geändert habe. Ob der Zubau mit den baurechtlichen Vorschriften im Einklang stehe, sei unerheblich. Auf Fragen der Baudichte oder einer allfälligen Kulturänderung komme es nicht an.
Aufgrund eines Antrags des Klägers änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch, mit dem es die ordentliche Revision nicht zugelassen hatte, dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Eine Überprüfung des Zulässigkeitsausspruchs im Licht der Argumente des Rechtsmittelwerbers führe zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage möglich sei.
Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof sprach schon in zahlreichen Fällen aus, dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen darf und sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich ‑ wenngleich kurz ‑ auseinander-zusetzen hat, darf es doch einem solchen Antrag nur stattgeben, wenn es ihn für „stichhältig“ hält (2 Ob 54/05p mwN; RIS-Justiz RS0112166, RS0111729). Hier lässt das Berufungsgericht diese Auseinandersetzung zur Gänze vermissen. Seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, worin die erhebliche Rechtsfrage bestehen soll.
Auch in der Revision des Klägers wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Eine solche wird nicht schon dadurch begründet, dass sich der Oberste Gerichtshof zu einer völlig gleichgelagerten Fallkonstellation bisher noch nicht geäußert hat (RIS-Justiz RS0107773, RS0110702, RS0102181).
Der Kläger sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht geklärt habe, ob der Dienstbarkeitsbelastete eine dem seinerzeitigen Flächenwidmungsplan widersprechende Bebauung des herrschenden Grundstücks (Bauen im gewidmeten Freiland) dulden müsse, wenn damit keine oder nur eine geringe zusätzliche Belastung des Dienstbarkeitswegs verbunden sei. Hiebei handle es sich um eine Änderung der Kulturgattung, die jedenfalls zur Unterlassungsklage berechtige. Die Vorinstanzen hätten dem umfangreichen Vorbringen des Klägers zu diesem Thema aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht keine Bedeutung beigemessen, weshalb ihre Entscheidungen mit Feststellungsmängeln und einem primären Verfahrensmangel behaftet seien.
Dem ist zu entgegnen:
1. Der Kläger wendet sich zu Recht nicht mehr gegen die Beurteilung des von ihm eingeräumten Geh- und Fahrrechts als „ungemessene“ Servitut (2 Ob 143/09g mwN; RIS-Justiz RS0011741). Der Inhalt einer solchen Dienstbarkeit orientiert sich zwar am jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Guts, doch findet das eingeräumte Recht seine Grenzen in dessen ursprünglichen Bestand und der ursprünglichen oder doch zumindest vorhersehbaren Bewirtschaftungsart. Es soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Grundstück erheblich schwerer belastet wird (2 Ob 143/09g mwN; 1 Ob 43/10w; 10 Ob 27/11k; RIS-Justiz RS0011733, RS0016368, RS0097856 ua). Die Fragen des Ausmaßes bzw des Umfangs einer Dienstbarkeit und der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen zu lösen und erfüllen daher ‑ von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen ‑ nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 12/07a mwN; 5 Ob 136/09z; auch 6 Ob 39/11w).
Im vorliegenden Fall ist den Vorinstanzen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dieser Fragen unterlaufen. Dies ergibt sich schon aus dem den Feststellungen entsprechenden Zugeständnis des Klägers, dass die baulichen Änderungen auf dem herrschenden Grundstück mit keiner (nennenswerten) Mehrbelastung des dienenden Grundstücks verbunden sind.
2. Aber auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob unter den von ihm behaupteten Prämissen (teilweise Verbauung von als Freiland gewidmeten Flächen; nachträgliche Umwidmung in Bauland) eine vom Kriterium der unzumutbaren Mehrbelastung losgelöste Erweiterung der Dienstbarkeit in Frage kommen kann, wurde von den Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst:
2.1 Danach richtet sich der Umfang einer Wegeservitut stets auch nach der Kulturgattung und ‑ wie erwähnt ‑ der Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstücks im Zeitpunkt der Bestellung bzw Ersitzung der Dienstbarkeit. Kulturänderungen des herrschenden Guts geben daher keinen Anspruch auf Ausdehnung eines Geh- und Fahrrechts (1 Ob 516/96; 6 Ob 333/97g; 1 Ob 295/98h; 9 Ob 1/00p; 2 Ob 194/00v; 10 Ob 27/11k; RIS-Justiz RS0016364 [T2]).
2.2 Die unzulässige Erweiterung einer Dienstbarkeit iSd § 484 ABGB wurde etwa in der Ausdehnung eines für private oder landwirtschaftliche Zwecke eingeräumten Fahrrechts auf andere (insbesondere gewerbliche) Zwecke erblickt, wobei teilweise nur auf die inhaltliche Änderung der Rechtsausübung abgestellt wurde (vgl etwa SZ 42/10; SZ 56/46; 6 Ob 333/97g; RIS-Justiz RS0011718), teilweise aber auch auf eine Mehrbelastung des dienenden Guts (vgl etwa SZ 25/304; 1 Ob 276/02y; 10 Ob 27/11k; RIS-Justiz RS0011725 [T4, T8, T13]). Bei einer Vergrößerung des herrschenden Guts oder baulichen Änderungen auf diesem wurde - sofern es sich nicht um eine gemessene Servitut handelte (6 Ob 84/05d) ‑ hingegen vorrangig berücksichtigt, ob sich daraus eine nachteilige Beanspruchung des dienenden Guts ergibt (vgl 7 Ob 709/77 = MietSlg 29.055; 9 Ob 1/00p; 7 Ob 12/07a; 5 Ob 23/08f; 6 Ob 39/11w).
2.3 Im vorliegenden Fall wurde der Dienstbarkeitsweg vor den baulichen Maßnahmen auf dem herrschenden Grundstück von der dort lebenden Familie für die private Zufahrt zu ihrem Wohngebäude benützt. Daran hat sich durch den Zubau nichts geändert. Diese Art der Nutzung entspricht auch weiterhin dem Zweck, zu dem die Dienstbarkeit seinerzeit bestellt worden war. Eine Änderung des Rechts durch einen von diesem Zweck abweichenden Gebrauch des Dienstbarkeitswegs ist nicht eingetreten, eine Mehrbelastung des dienenden Guts liegt ‑ wie erörtert ‑ nicht vor.
Unter diesen Umständen ist eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage durch die Vorinstanzen nicht zu erkennen, wenn diese eine durch bauliche Maßnahmen auf dem herrschenden Grundstück bewirkte unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit verneinten, ohne auf die vom Kläger ins Treffen geführte Verletzung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen weiter einzugehen. Die angefochtene Entscheidung hält sich vielmehr im Rahmen der zitierten Judikatur.
3. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)