OGH 6Ob333/97g

OGH6Ob333/97g27.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut U*****, vertreten durch Dr.Franz Hitzenberger und Dr.Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1. Ing.Gerhard H*****, 2. Annemarie H*****, beide *****, beide vertreten durch Dr.Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Unterlassung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1997, GZ 22 R 149/97m-28, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 8. März 1997, GZ 11 C 78/96y-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es lautet:

"Die Beklagten sind schuldig, das Befahren des vom öffentlichen Zufahrtsweg Grundstück Nr. 2351 in südliche Richtung abzweigenden und in einer Länge von ca. 20 m über die Grundstücke 1270 und 1274 je Grundbuch***** zum Haus Miglberg 7 führenden Privatwegs zu unterlassen, soferne dieses nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken erfolgt."

Die beklagten Parteien haben dem Kläger die mit 5.358,14 S (darin 893,02 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren des vom öffentlichen Zufahrtsweg Grundstück Nr 2351 in südlicher Richtung abzweigenden und in einer Länge von ca 20 m über die Grundstücke 1270 und 1274 je Grundbuch ***** zum Haus Miglberg 7 führenden Privatweges zu anderen als zu landwirtschaftlichen Zwecken oder mit einspurigen Fahrzeugen zu unterlassen und für die Unterlassung zu sorgen. Der beschriebene Weg dürfe von den Beklagten bzw ihren Bestandnehmern lediglich zu landwirtschaftlichen Zwecken benützt werden. Eine Wegdienstbarkeit bestehe nur für Zwecke der landwirtschaftlichen Nutzung. Außerdem sei der Weg von den Rechtsvorgängern der Beklagten auch mit einspurigen Fahrzeugen befahren worden, weshalb auch ein Fahrtrecht mit solchen Fahrzeugen anerkannt werde. Nunmehr werde der Weg von den Beklagten bzw deren Bestandnehmern auch mit Personenkraftwagen zu Freizeitzwecken benützt. Darin sei eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit zu erblicken. Der Aufforderung, das Befahren mit Personenkraftwagen zu unterlassen und entsprechend auf ihre Bestandnehmer einzuwirken, seien die Beklagten nicht nachgekommen. Durch das Befahren des Weges mit PKWs werde der Kläger in der Bewirtschaftung seiner Grundstücke eingeschränkt.

Die Beklagten wandten ein, zu ihrem Haus Miglberg 7 habe seit jeher der öffentliche Weg 2357 geführt. Dessen Trasse sei im Lauf der Zeit von allen Anrainern verlegt worden, wobei diese Verlegung in der Grundbuchmappe aber nie ersichtlich gemacht worden sei. Beim strittigen Wegstück handle es sich um einen Teil des öffentlichen Weges. Die Liegenschaft der Beklagten werde nach wie vor als Landwirtschaft genutzt, es sei für diese Bewirtschaftung auch ein PKW erforderlich. Dadurch entstehe keine unzumutbare Mehrbelastung für die dienenden Grundstücke. Die Klage sei schikanös. Die Rechtsvorgängerin des Klägers habe den derzeitigen Pächtern der Liegenschaft der Beklagten auch das Befahren des Weges mit PKWs erlaubt und sich im übrigen seit dem Erwerb der Liegenschaft Miglberg 7 durch die Beklagten im Jahr 1984 nie gegen das Befahren mit PKWs ausgesprochen. Schließlich behaupteten die Beklagten, daß der Kläger bzw seine Rechtsvorgängerin das uneingeschränkte Zufahrtsrecht der Beklagten über den strittigen Weg in einem anhängig gewesenen Agrarverfahren anerkannt hätten.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es legte folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde.

Anna D***** verkaufte ihre 37.510 m2 große Liegenschaft EZ 131 KG W***** mit dem Haus Miglberg 7 am 14.5.1984 an die Beklagten. Sie leistete im Vertrag Gewähr dafür, daß eine gesicherte Zufahrt von der Ortschaft B***** (Gemeinde W*****) zum Haus Miglberg 7 vorhanden sei. Die Beklagten erklärten im Kaufvertrag, auf der erworbenen Liegenschaft eine Landwirtschaft führen zu wollen. Die Rechtsvorgänger der Anna D*****, Franz und Theresia D*****, kauften die Liegenschaft 1952 und bewirtschafteten sie als Landwirtschaft. Die Erschließung des Besitzes erfolgte über den Güterweg Bach (nunmehr Kaiser) Grundstück 2351 und dann an diesen anschließend über die letzten 20 m die Grundstücke 1270 und 1274 der Rechtsvorgänger des Klägers.

Franz D***** transportierte mit einem Pferdefuhrwerk alle zur Bewirtschaftung der Landwirtschaft erforderlichen Güter. Er hatte keinen PKW und ging meist zu Fuß zum Hof. Später kaufte sein Sohn Franz D***** jun. einen sogenannten Motormuli, mit dem die erforderlichen Sachen zum landwirtschaftlichen Anwesen gebracht wurden. Franz D***** jun., der Ehemann der Anna D*****, war Chemiearbeiter. Er hatte sein Moped im Tal in der Nähe der Landwirtschaft der Eheleute K***** in einem Schuppen eingestellt. Er fuhr mit seinem Zweirad nur ausnahmsweise bis zum Anwesen, wenn er am Fahrzeug etwas zu reparieren hatte. Wenn er Einkäufe im Lagerhaus besorgte, benutzte er den Motormuli zum Transport bis zum Hof.

Am 9.12.1976 beantragten Franz und Anna D***** die Bewilligung zum Bau eines Nebengebäudes als freistehende Remise für landwirtschaftliche Geräte. Eine der fünf vorgesehenen "Garagen" sollte als Werkraum Verwendung finden. Die Mutter des Klägers, Karoline U*****, erklärte als Grundanrainerin am 31.3.1977 ihr Einverständnis zu diesem Bauvorhaben. Nach dem Tod von Franz D***** jun. wurde Anna D***** 1979 Alleineigentümerin der Landwirtschaft Miglberg 7. Auch sie hatte keinen PKW. Ihr Bruder Gottfried E***** half ihr beim Bewirtschaften der Wiesenflächen. Dazu fuhr er mit seinem PKW vom Güterweg Bach über den strittigen Weg zum Haus Miglberg 7.

Der Kläger pachtete 1984 die Landwirtschaft Miglberg 8 (EZ 132 und 486 KG W*****) von seiner Mutter Karoline U*****. Er ist Kraftfahrer und führt die Landwirtschaft mit Viehhaltung im Nebenerwerb. Am 4.11.1996 übernahm er die Landwirtschaft mit Übergabevertrag, so daß er nun auch bücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaften ist. Das Grundstück 1270 der EZ 81 Grundbuch W***** steht im Eigentum von Josef und Josefa K*****. Da es jedoch seit Jahrzehnten vom Kläger bzw dessen Rechtsvorgängern bewirtschaftet wurde, haben sich die Ehegatten K***** mit der lastenfreien Abschreibung und Zuschreibung zugunsten Karoline U***** einverstanden erklärt.

Der Erstbeklagte arbeitet in Wien und kommt über die Wochenenden zu seinem Wohnsitz in ***** Z*****. Da er auf einer Landwirtschaft aufwuchs, kauften er und seine Ehefrau die Liegenschaft Miglberg 7 in W*****. Vor Unterfertigung des Kaufvertrages besichtigte er den Besitz, wobei ihm von "allen Beteiligten" gesagt wurde, bei der Zufahrt über das Grundstück 2351 einschließlich der Fortsetzung über die Grundstücke 1270 und 1274 des Klägers handle es sich um einen "öffentlichen "Weg". Mit der Rechtsvorgängerin des Klägers nahm er vor Unterfertigung des Kaufvertrages keinen Kontakt auf. Seit etwa eineinhalb Jahren haben die Beklagten das Haus Miglberg 7 an die Ehegatten O*****, die beide einen PKW besitzen, vermietet. Rupert O***** arbeitet in Timelkam und fährt mit seinem PKW über den Güterweg Bach (Kaiser) und den strittigen Weg auf dem Grundstück des Klägers zum Haus Miglberg 7. Seine Frau läßt ihr Fahrzeug bei schlechter Witterung meist ein Stück weiter unten stehen und geht dann zu Fuß. In den Stallungen des Hauses Miglberg 7 befindet sich derzeit kein Vieh. In den letzten beiden Jahren haben die Beklagten nur einen Teil der Wiesen abmähen lassen, das Gras blieb jedoch liegen und verfaulte.

Die Liegenschaft des Klägers wird auch über den Wirtschaftsweg "Grubinger" erschlossen. Ein Antrag der Beklagten, ihnen für die Liegenschaft Miglberg 7 ein landwirtschaftliches Bringungsrecht einzuräumen, wurde in allen Instanzen abgewiesen. Im Sommer 1995 wies Karoline U***** den Mieter der Beklagten Rupert O*****, darauf hin, daß man normalerweise mit Kraftfahrzeugen über die Grundstücke 1270 und 1274 nicht fahren dürfe. Für die Ehegatten O***** werde jedoch eine Ausnahme gemacht. Schon im November 1995 richtete der Klagevertreter an Johanna O***** ein Schreiben, mit dem er sie darauf hinwies, daß eine Benützung des strittigen Weges nur zu landwirtschaftlichen Zwecken erlaubt sei.

Der Güterweg Bach (nunmehr Kaiser) wurde vor längerer Zeit verlegt. Die neue Trasse wurde nicht in die Katastermappe eingetragen. 1992 wurde eine Interessentengemeinschaft für den "Bau" des Güterweges Bach gebildet. Nach dem von der Gemeinde genehmigten Entwurf der Satzung sollte der Güterweg im Ortsgebiet Bach beim Anwesen Sch***** beginnen, an den Anwesen K***** und G***** vorbeiführen und nach einer Länge von 270 m beim Anwesen A***** enden. Mitglieder der Interessentengemeinschaft waren auch die Beklagten. Sie waren mit dem Beitritt unter der Bedingung einverstanden, daß auch das anschließende Steilstück (Hohlweg) in den Güterweg einbezogen werde, weil der Güterweg sonst für sie keinerlei Vorteile bringe. Am 23.1.1996 wurde in einer Sitzung der Interessentengemeinschaft unter anderem über den Weiterbau des Güterweges bis zur Liegenschaft der Beklagten beraten. Dieser Weiterbau wäre nach Auffassung des Vertreters der Güterwegeabteilung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung mit großen technischen Problemen verbunden gewesen. Der Kläger wandte sich gegen das Bauvorhaben, weil keine weiteren Steuergelder verschwendet werden sollten und es Probleme beim Zufahren nur während des Winters gebe. Schließlich wurde der Antrag des Obmanns, den Bau bzw die Neuerrichtung des Güterweges Bach mit der vorhandenen Ausbaustufe als technisch abgeschlossen zu betrachten, mehrstimmig gegen die Stimme des Erstbeklagten angenommen. Außerdem wurde der Güterweg in "Güterweg Kaiser" unbenannt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß bei der Ersitzung eines Fahrrechtes für den Inhalt dieses Rechtes das Ausmaß des Rechtsbesitzes zu Beginn der Ersitzungszeit entscheidend sei. Eine Dienstbarkeit werde nur in jenen Grenzen erworben, in denen sie schon vor 30 Jahren ausgeübt worden sei. Das Befahren des strittigen Weges sei, mit Ausnahme eines Mopeds durch einen Miteigentümer der Kleinlandwirtschaft während der Ersitzungszeit, immer nur zu landwirtschaftlichen Zwecken erfolgt. Durch das von den Beklagten angestrebte allgemeine Fahrrecht käme es zu einer unzulässigen Erweiterung der Servitut, weil die Dienstbarkeit dann unabhängig von einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung des Anwesens Miglberg 7 ausgeübt werden könnte. Nach den Feststellungen gebe es auch keine Hinweise dafür, daß andere Personen als die Rechtsvorgänger der Beklagten und deren Besucher und Helfer zur Liegenschaft Miglberg 7 zugefahren seien. Ein öffentlicher Weg könne zwar nicht nur durch Widmung, sondern auch durch Ersitzung infolge Gemeingebrauches entstehen. Die Frage nach den Grenzen des Gemeingebrauches gehöre aber zum öffentlichen Recht und damit in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde. Eine Erlaubnis, den strittigen Weg mit PKWs zu befahren, sei von der Rechtsvorgängerin des Klägers, Karoline U***** nur den Ehegatten O***** erteilt worden, erstrecke sich jedoch nicht auf die Beklagten. Aus dem Verhalten des Klägers und seiner Rechtsvorgänger in diversen Verwaltungsverfahren könne ein Anerkenntnis eines allgemeinen Fahrrechtes zugunsten der Liegenschaft Miglberg 7 nicht erblickt werden. Das Verhalten des Klägers sei auch nicht schikanös, die Klage daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß die Beklagten das Befahren des vom öffentlichen Zufahrtsweg abzweigenden, näher beschriebenen Privatweges mit anderen als einspurigen Fahrzeugen zu unterlassen hätten, soferne dies nicht "wie zu landwirtschaftlichen Zwecken" erfolge, und für die Unterlassung zu sorgen hätten.

Die Beklagten stützten ihr behauptetes allgemeines Fahrrecht nicht nur auf Ersitzung, sondern auch darauf, daß das strittige Wegstück trotz Verlegung der Trasse des Weges 2357 im Lauf der Zeit wegen bestehenden Gemeingebrauches Teil dieses öffentlichen Weges sei. Über Bestand und Umfang des Gemeingebrauches sei von den zuständigen Verwaltungsbehörden abzusprechen, die auch für die ungehinderte Ausübung zu sorgen hätten. Über aus dem Eigentum und dem Bestand von Dienstbarkeiten abgeleitete Ansprüche hätten die Gerichte, unabhängig von den Einwendungen des Beklagten zu entscheiden. Die Frage des Gemeingebrauches sei dann von den Gerichten als Vorfrage zu lösen. Die Widmung einer Straße für den Gemeingebrauch habe nach § 11 Abs 1 des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 bei Verkehrsflächen der Gemeinde durch Verordnung des Gemeinderates zu erfolgen. Daneben habe die Behörde nach § 10 Abs 1 leg cit über Antrag des Grundeigentümers oder von Amts wegen durch Bescheid das Vorliegen des Gemeingebrauches festzustellen, wenn Grundstücke oder Grundstücksteile seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritten Personen im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt werden, ohne daß hiefür eine ausdrückliche Widmung vorliege. Der strittige Wegstreifen über die Grundstücke des Klägers sei keine öffentliche Straße. Eine Widmung für den Gemeingebrauch durch Verordnung oder Feststellung durch Bescheid sei von den Beklagten nicht behauptet worden und im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Die Benützung der Grundstücke des Klägers im Bereich des strittigen Weges für Verkehrszwecke im Gemeingebrauch seit mindestens 30 Jahren durch andere Personen als die Beklagten, deren Rechtsvorgänger oder ihre Bestandnehmer und Besucher und Helfer sei von den Beklagten gar nicht behauptet und auch nicht festgestellt worden.

Die Beklagten hätten auch kein uneingeschränktes Fahrrecht ersessen, weil während der Ersitzungszeit der Weg nur mit Pferdefuhrwerk, später mit einem Motormuli befahren worden sei, wobei diese Fahrten dem Betrieb der Landwirtschaft gedient hätten. Den Umfang einer Dienstbarkeit bestimme bei der Ersitzung die gleichartige Benützung seit Beginn der Ersitzungszeit, also Natur und Zweck der Dienstbarkeit nach Kulturgattung und Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstückes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit. Der Belastete müsse nur eine unbedeutende Änderung der Benützungsart hinnehmen. Nach der Art der bisherigen Benützung würde das dienende Gut des Klägers durch ein uneingeschränktes Fahrrecht zugunsten der Liegenschaft der Beklagten erheblich schwerer belastet. Das uneingeschränkte Befahren des Weges durch die Mieter des auf dem herrschenden Grundstück befindlichen Wohnhauses und deren Gäste mit PKW stelle eine unzulässige Mehrbelastung des Servitutsweges dar, für die der Dienstbarkeitsberechtigte einzustehen habe. Das Erstgericht habe der Klage zu Recht stattgegeben, weil sich die Beklagten ein uneingeschränktes Fahrrecht anmaßten.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei aber festzuhalten, daß das Fahrrecht zu landwirtschaftlichen Zwecken im vorliegenden Fall so auszulegen sei, daß die jeweiligen Bewohner des Hauses Miglberg 7 - seien es die Beklagten selbst oder ihre Bestandnehmer - auch mit einem PKW zum Haus zufahren und abfahren dürften, solange das Haus jeweils nur von einer Familie bewohnt werde. In der heutigen Zeit stehe fast jedem landwirtschaftlichen Haushalt auch ein PKW zur Verfügung, der in der Regel dazu benützt werde, das landwirtschaftliche Anwesen zu erreichen und zu verlassen, wenn nicht gerade Sachen transportiert würden, die nach ihrer Größe und Beschaffenheit den Transport mit Traktor oder LKW erforderten. Nebenerwerbslandwirte benützten ihren PKW auch, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Zum derzeitigen Bedürfnis der herrschenden Liegenschaft der Beklagten, das bei ungemessenen Dienstbarkeiten entscheidend sei, gehöre daher auch die Erreichbarkeit des während der Ersitzungszeit vorhandenen Bauernhauses mit einem PKW. Dabei sei es unerheblich, daß auf der Liegenschaft der Beklagten derzeit die Landwirtschaft nicht betrieben werde. Eine teilweise Änderung der Widmungsart des herrschenden Gutes bewirke dann keine Änderung des Servitutsinhaltes, wenn keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstückes damit verbunden sei. Das Zu- und Abfahren mit einem PKW durch die Bewohner der Hofstelle wäre auch dann notwendig, würde die Landwirtschaft noch betrieben, was nach der Größe der Grundflächen offenkundig nur in Form eines Nebenerwerbsbetriebes erfolgen könnte. Das Urteil des Erstgerichtes sei daher "zur Klarstellung" mit der oben angeführten Maßgabe zu bestätigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, daß von einem Fahrrecht zu landwirtschaftlichen Zwecken auch das Fahren mit PKW im beschriebenen Umfang gedeckt sei, keine eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die auf Abweisung des Klagebegehrens gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß sich der Umfang einer nicht schon im Vertrag bemessenen Wegservitut stets nach der Kulturgattung und Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstückes im Zeitpunkt der Bestellung bzw Ersitzung der Dienstbarkeit richtet. Das in § 484 ABGB enthaltene Verbot bzw Gebot, daß Servituten nicht erweitert werden dürfen, vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden müssen, also schonend auszuüben sind, gilt auch für unregelmäßige Wegedienstbarkeiten (SZ 54/154 uva). Für die Ersitzung ist die Ausübung des Besitzes während der gesamten Ersitzungszeit wesentlich. Ausschlaggebend ist dabei aber das Ausmaß der Besitzergreifungsakte am Beginn der Ersitzungszeit, weshalb die Dienstbarkeit nur in jenen räumlichen Grenzen, aber auch nur in jenem Umfang erworben wird, wie deren Rechtsinhalt schon vor 30 Jahren ausgeübt wurde (zuletzt 3 Ob 114/97d).

Im vorliegenden Fall steht nun fest, daß der strittige Weg auf den Grundstücken des Klägers während der gesamten Ersitzungszeit nur für landwirtschaftliche Zwecke befahren wurde. Lediglich Franz D***** jun., der mit seiner Ehefrau Anna das landwirtschaftliche Gut bewirtschaftete, im Hauptberuf aber Chemiearbeiter war, befuhr den Weg gelegentlich (wenn er am Fahrzeug etwas zu reparieren hatte) mit seinem Moped. Erst seit der Vermietung nur der Hofstelle an das Ehepaar O***** (etwa im Jahr 1995) befährt dieses den Weg mit zwei Personenkraftwagen nur zur leichteren Erreichbarkeit ihres Wohnsitzes. Ersessen ist somit ausschließlich ein Fahrrecht zu landwirtschaftlichen Zwecken, keineswegs aber ein allgemeines Fahrrecht. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß der Eigentümer des herrschenden Gutes nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen, daß also aufgrund der technischen Entwicklung im landwirtschaftlichen Betrieb auch Personenkraftwagen eingesetzt werden und daß gerade bei Nebenerwerbslandwirtschaften deren Nutzung auch zu beruflichen Fahrten Verwendung finden. Dies bedeutet aber nicht, daß der Eigentümer des dienenden Gutes eine Ausdehnung der Servitut dadurch hinzunehmen hat, daß nunmehr, losgelöst und völlig unabhängig vom landwirtschaftlichen Betrieb, regelmäßig Fahrten der Bewohner des auf dem herrschenden Gut befindlichen Hauses mit Personenkraftwagen nur zur leichteren und bequemeren Erreichbarkeit dieses Hauses durchgeführt werden dürften (1 Ob 587, 588/92 mwN). Das dem Servitutsberechtigten zustehende Recht, die dienende Sache zum Befahren für landwirtschaftliche Zwecke zu verwenden, darf nicht auf weitere Beanspruchungen, die sich aus einer Änderung der Wirtschaftsart ergeben, ausgedehnt werden. Die Verwendung von Personenkraftwagen zur bloßen Personenbeförderung stellt eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinne des § 484 ABGB dar (1 Ob 613/88 mwN). Der von den Revisionswerbern vertretenen Ansicht, ein Fahrrecht zu landwirtschaftlichen Zwecken sei so auszulegen, daß die jeweiligen Bewohner einer Hofstelle einer überdies derzeit gar nicht betriebenen Landwirtschaft den Servitutsweg ohne Einschränkungen mit mehreren Fahrzeugen ausschließlich zu privaten Zwecken benützen dürften, kann nicht zugestimmt werden. Dies würde eine vollständige Loslösung vom landwirtschaftlichen Betrieb und eine unzulässige Erweiterung einer nur zu landwirtschaftlichen Zwecken bestehenden Servitut auf ein allgemeines, nicht eingeschränktes Fahrrecht bedeuten. Daß die Grenzen der Rechtsausübung gerade bei ersessenen Servituten besonders genau beachtet werden müssen, folgt nicht zuletzt auch aus der Erwägung, daß die Vollendung der Ersitzung nicht selten nur deshalb möglich wurde, weil der Belastete den Berechtigten, aus welchen Motiven immer, gewähren ließ, sich aber gegen eine weitere Benützung als eine für ihn nun unerträglich gewordene Belastung oder Behinderung rechtzeitig zur Wehr gesetzt hätte. Der Umfang der Wegservitut ist daher auf die Kulturgattung und Bewirtschaftungsart zum Zeitpunkt der Ersitzung einzuschränken, Kulturänderungen des herrschenden Gutes geben keinen Anspruch auf Ausdehnung eines Fahrrechtes. Der Umstand, daß die Landwirtschaft derzeit nicht betrieben wird, hat nur zur Folge, daß das landwirtschaftliche Wegerecht damit noch nicht erloschen ist, zur Ausdehnung der Dienstbarkeit in Ansehung eines anderen Gebrauches (Befahren des Weges zu privaten Zwecken wie hier durch Mieter der Hofstelle) wäre ebenfalls der Ablauf einer 30-jährigen Ersitzungszeit erforderlich (vgl SZ 69/135).

Zutreffend weisen die Revisionswerber aber darauf hin, daß die vom Berufungsgericht "zur Klarstellung und zur Vermeidung von Mißverständnissen" gewählte Formulierung, nämlich anstelle des ursprünglichen Spruches des Erstgerichtes ".....zu anderen als zu landwirtschaftlichen Zwecken...." die Wortfolge "...soferne dieses nicht wie zu landwirtschaftlichen Zwecken erfolgt" zu setzen, gerade zu Mißverständnissen und wegen Auslegungsschwierigkeiten zu weiteren Streitigkeiten führen könnte. Diese Formulierung entspricht weder dem Begehren des Klägers noch den Anträgen der Beklagten. Da aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, auch aus der Formulierung des Urteilsspruches des Erstgerichtes der Umfang des Unterlassungsgebotes nicht mit der für einen Exekutionstitel erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, war der Spruch wie eingangs zu fassen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß der strittige Weg kein öffentlicher Weg ist, sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit die Revisionswerber meinen, der öffentliche Weg sei lediglich verlegt worden, durch die Verlegung habe sich nichts an der Öffentlichkeit verändert, sind sie darauf zu verweisen, daß nach den Feststellungen der öffentliche Weg Grundstück Nr 2357, nicht aber der öffentliche Weg 2351, von dem der strittige Servitutsweg abzweigt, velegt wurde.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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