OGH 5Ob709/81

OGH5Ob709/813.11.1981

SZ 54/154

Normen

ABGB §473
ABGB §479
ABGB §484
ABGB §473
ABGB §479
ABGB §484

 

Spruch:

Für die Ersitzung von Wegedienstbarkeiten durch Gemeinden mit bedeutendem Fremdenverkehr genügt der Bedarf nach geeigneten Wanderwegen in ausreichender Zahl. Die Zunahme der Zahl der Benützer während der Ersitzungszeit ist keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit

OGH 3. November 1981, 5 Ob 709/81 (LG Innsbruck 3 R 305/81; BG Hopfgarten C 241/76 )

Text

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei, den Fremdenverkehrsverband K, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, ihm gegenüber schuldig zu erkennen, die Anleitung dritter Personen zum Gehen auf den (ihm gehörenden) Grundstücken 1022/1, 960/1, 1024/2 und 960/3 je KG K zu unterlassen, insbesondere das Gehen über diese Grundstücke mit der Verleihung eines Abzeichens zu belohnen und Wanderführer, Panoramakarten und Landkarten in ihren Geschäftsräumen aufzulegen und zu verteilen, in denen der Weg über diese Grundstücke angepriesen, empfohlen und gezeigt wird. Seine Grundstücke, insbesondere der unmittelbare Haus- und Hofbereich seiner Liegenschaft, würden von wandernden Touristen durchgangen, die von der beklagten Partei dazu angeleitet würden. Diese lege nämlich ein Büchlein "Wanderführer K" in ihren Geschäftsräumlichkeiten auf, ferner eine Wanderkarte "Panorama zum Wanderführer K", und schließlich eine Landkarte "K, Spazierwege und Wanderungen" und preise darin u. a. einen Wanderweg mit blauer Markierung unter Nr. 5 an, der über seinen Grund führe. Dabei handle es sich um eine Pflichtwanderung für das silberne Wanderabzeichen. Dadurch habe der Fußgängerverkehr über seine Grundstücke in einem nicht mehr erträglichen Ausmaß zugenommen. Er (Kläger) sei nicht in der Lage, den Weg wirksam abzuschließen, da dieser im Bereich seiner Grundstücke über einen Viehtriebs- und Wirtschaftsweg führe, den er selbst zur Bewirtschaftung seines Hofes benütze und auf dem verschiedene andere umliegende Bauern Wegerechte innehätten. Die beklagterseits behauptete Ersitzung sei nicht eingetreten, da nur verschiedene Nachbarn auf dem Weg servitutsberechtigt seien. Außerdem habe er den Leuten der beklagten Partei die Markierung von Wegen im strittigen Bereich ohne sein Einverständnis untersagt und spätestens in Feber 1973 Verbotsschilder gut sichtbar aufstellen lassen, die allein schon verhindert hätten, daß ab dem Zeitpunkt ihrer Aufstellung irgend jemand gutgläubig seine Grundstücke habe benützen können.

Die beklagte Partei wendet ein: Auf der Trasse des Fußweges sei durch Gemeindegebrauch seit unvordenklichen Zeiten, zumindest aber seit einer ununterbrochenen Zeitspanne von 40 Jahren, ein Dienstbarkeitsrecht zugunsten der Gemeinde K begrundet worden. Es handle sich um einen öffentlichen Fuß- bzw. Wanderweg. Alle Kriterien für die Ersitzung, die mindestens 40 jährige Benützung durch Gemeindebewohner und Fremdengäste, Bedarf, Nützlichkeit usw., lägen vor. Die Gemeinde K habe auch ihren Besitzwillen durch einen entsprechenden Beschluß zum Ausdruck gebracht. Überdies erleide die in der Natur ohnehin als Weg ausgebildete Grundfläche durch das Begehen seitens der Touristen keinen Schaden. Sie (beklagte Partei) sei zudem passiv nicht legitimiert.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte den folgenden Sachverhalt fest: Der Kläger ist seit 1956 bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 11 II KG K, zu deren Bestand u. a. die Grundstücke 1022/1 Wiese, 960/1 Wiese, 1024/2 Wald und 960/3 Weg gehören. Über diese Grundstücke verläuft ein Weg, der sich von Süden her bis zur Hofstelle des Klägers auf der Bauparzelle 763 als asphaltierter Fahrweg darstellt und ab dieser Hofstelle in Richtung Norden über das Grundstück 960/1 als Fußweg weiterführt, bis er auf die sogenannte S-Straße trifft, die ihrerseits am Aussichtspunkt "S-Seeblick" vorbei weiter bergwärts beim Gasthof F-Hof ihr Ende hat. Dieser Weg stellte und stellt eine Verbindung zwischen dem Ortszentrum K und dem Hof des Klägers sowie den weiter nördlich gelegenen Höfen her. Zugunsten dieser Höfe besteht ein Wegerecht auf dem über die vorgenannten Grundstücke des Klägers führenden Weg. Dieser Weg existiert zumindest seit der Jahrhundertwende. Ungefähr ebenso lange führt ein Fußweg von K auf den S-Berg. Dieser verläuft etwas westlich des gegenständlichen Weges und trifft seit Errichtung der S-Straße beim H-Bauern auf diese, in welchem Bereich sich auch der Aussichtspunkt "V-Blick" befindet. Der S-Berg ist jedoch seit dem Jahre 1950, in welchem die S-Straße so weit ausgebaut wurde, daß auf ihr der Hof M - der in diesem Bereich neben den F-Hof am nördlichsten gelegene Hof am S-Berg - erreicht werden konnte, vom Ortszentrum K aus über eine Fahrstraße erreichbar.

Das Erstgericht hielt den Einwand der fehlenden Passivlegitimation nicht für stichhältig. Eine Eigentumsfreiheitsklage richte sich gegen jeden unbefugten Eingriff in das Eigentum. Sie könne gegen jeden erhoben werden, durch dessen Willen der mit dem Inhalt des fremden Eigentums im Widerspruch stehende Zustand aufrecht erhalten werde. Da die Erstellung des Wanderführers, der Wanderkarte und des Wanderbuches im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der beklagten Partei erfolgt sei und diese auch ein großes Interesse daran habe, daß die darin enthaltenen Wanderwege, darunter auch jener über die Grundstücke des Klägers, begangen würden, und dies überdies durch Verleihung von Wanderabzeichen, an denen bekanntermaßen bei den Touristen reges Interesse bestehe, fördere, müsse davon ausgegangen werden, daß die Begehung der gegenständlichen Grundstücke durch dritte Personen durch den Willen der beklagten Partei aufrecht erhalten werde (EvBl. 1965/197 u. a.). Ein öffentlicher Weg könne auch durch Ersitzung infolge Gemeingebrauches entstehen. Zur Ersitzung eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde sei der Gemeingebrauch während der Ersitzungszeit sowie die Notwendigkeit des Weges erforderlich. Es genüge für die Ersitzung, daß jedermann den Weg als öffentlichen Weg ansehe und behandle. Eine besondere Absicht, das Wegerecht für die Gemeinde zu ersitzen, sei dagegen nicht erforderlich. Die Ersitzung führe zum Ziel, wenn die Gemeinde selbst den Besitzwillen habe. Sie könne diesen Besitzwillen auch noch durch nachfolgende Genehmigung in Form eines Gemeinderatsbeschlusses erklären (JBl. 1966, 525). Da der gegenständliche Weg zumindest seit der Jahrhundertwende von Beerenpflückern und Touristen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, so begangen worden sei, als ob es sich um einen öffentlichen Weg handeln würde, und auch die Gemeinde K in der erforderlichen Art ihren Besitzwillen erklärt habe, seien sowohl der Gemeingebrauch während der erforderlichen Ersitzungszeit als auch der Besitzwille der Gemeinde anzunehmen. Erforderlich sei aber auch, daß der Weg notwendig sei. Diese Notwendigkeit sei dann gegeben, wenn der Weg eine Verbindung herstelle, für die die Gemeinde hätte sorgen müssen. Diese Voraussetzung sei jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zugunsten der nördlich des Hofes des Klägers am S- Berg gelegenen Höfe habe ein Wegerecht bestanden und bestehe ein solches über die Grundstücke des Klägers. Von einer Verpflichtung der Gemeinde zur Herstellung einer Wegverbindung auf den S-Berg für Beerenpflücker und Spaziergänger könne aber nicht gesprochen werden. Ein öffentlicher Weg durch Ersitzung infolge Gemeingebrauches sei daher nicht entstanden.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Klageabweisung ab und sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes 2000 S übersteige. Es sei richtig, daß die Entscheidung JBl. 1966, 525 als Voraussetzung für die Ersitzung durch Gemeingebrauch die Notwendigkeit des Weges für die Gemeinde verlange. Eine inhaltliche Begründung enthalte diese Entscheidung jedoch nicht. Auch die Entscheidung SZ 9/163 enthalte keine inhaltliche Begründung für das Ersitzungserfordernis der Notwendigkeit. Auch Ehrenzweig[2] I/2, 10 f. gebe keine Begründung für das auch von ihm postulierte Erfordernis der Notwendigkeit. Ehrenzweig führe nur aus, daß die Notwendigkeit eine Voraussetzung für die Ersitzung sei. Daneben führe er zwei Beispiele an. Es könne keine Ersitzung bei einem bloßen Abkürzungsweg geben. Der Weg, der vom Dorf über privaten Grund zu einer Touristenwirtschaft führe, könne trotz fleißigen Besuches nicht zum öffentlichen Weg werden. Eine Begründung, warum das so sei, liefere Ehrenzweig aber auch nicht. Soweit bekannt, sei die einzige veröffentlichte Entscheidung, die sich inhaltlich mit dieser Frage auseinandersetze, die Entscheidung RZ 1957, 104. Diese führe im wesentlichen aus, daß unregelmäßige Servituten nach § 479 ABGB normalerweise an eine physische Person gebunden und damit zeitlich begrenzt seien. Bei der Ersitzung zugunsten einer Gemeinde liege hingegen eine unbegrenzte Dauer vor, es seien daher schwerere Voraussetzungen zu fordern. Dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden. Die Erfordernisse der Ersitzung seien in den §§ 1460 ff. ABGB angeführt. In diesen Bestimmungen werde aber ein Erfordernis der Notwendigkeit für die Ersitzung nicht aufgestellt. Es möge sein, daß bei der Ersitzung zugunsten einer Gemeinde oder der Öffentlichkeit ein strengerer Maßstab anzulegen sei als bei der Ersitzung zugunsten einer physischen Person, doch dürfe dieser strengere Maßstab nicht dazu führen, daß ein zusätzliches Erfordernis aufgestellt werde, das im Gesetz nicht vorgesehen sei. Es dürfe hiebei auch nicht übersehen werden, daß es in den sich über das ganze Bundesland Tirol erstreckenden Fremdenverkehrsgebieten eine Unzahl von Wander- und Touristenwegen gebe, bei denen die übrigen Ersitzungsvoraussetzungen zugunsten der Allgemeinheit vorlägen, bei denen aber von einer Notwendigkeit keine Rede sein könne. In all diesen Fällen könnten die Liegenschaftseigentümer unter Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit die Unterlassung der Benützung durch die Allgemeinheit erwirken, was geradezu katastrophale Folgen für den Fremdenverkehr haben würde. Selbst wenn man der Meinung wäre, daß die Notwendigkeit gegeben sein müsse, könnte man nicht von einem besonders hohen Grad der Notwendigkeit ausgehen. Man dürfte an dieses Erfordernis nur geringe Anforderungen stellen, wie dies etwa in der Entscheidung EvBl. 1961/332 der Fall gewesen sei. Das dort für eine Schiabfahrt aufgestellte Verlangen, daß sie für den Touristenverkehr, die winterliche Ersteigung der Berggipfel und den Betrieb des Schiliftes notwendig sei, erscheine aber als zu streng. Folge man dieser Ansicht, so würde dies etwa bei einer Schiabfahrt bedeuten, daß dann, wenn bereits eine andere Schiabfahrt vom selben Ausgangspunkt möglich sei, die Notwendigkeit für weitere Schiabfahrten von diesem Ausgangspunkt in der Regel zu verneinen und damit die Ersitzungsmöglichkeit weiterer Schiabfahrten vom selben Ausgangspunkt nicht möglich wäre. Es müsse genügen - wenn man überhaupt die Notwendigkeit als Erfordernis anzusehen habe -, daß ein Wander- oder Touristenweg in einer Fremdenverkehrsgemeinde das Angebot an solchen Wegen vergrößere. Jede Fremdenverkehrsgemeinde mit Massentourismus müsse ihren Gästen ein möglichst umfangreiches Wanderprogramm bieten, um ihre Erwartungen und Ansprüche zu erfüllen. Lediglich in Ausnahmefällen wäre die Notwendigkeit zu verneinen, so etwa dann, wenn zwei Wege unmittelbar nebeneinander zum gleichen Ziel führten. Der klagsgegenständliche Weg diene zweifelsohne der Erweiterung des Angebotes der Gemeinde K an Wander- und Touristenwegen. Hiebei sei zu bedenken, daß Touristen häufig Rundwanderungen machten, das heiße, daß sie für den Rückweg einen anderen Weg wünschten als für den Hinweg. Im vorliegenden Fall führten noch zwei weitere Wegeverbindungen zum gleichen Ziel. Eine dieser Verbindungen sei allerdings eine Straße. Straßen würden von Wanderern häufig gemieden. Damit eröffne der klagsgegenständliche Weg die Möglichkeit, unter Vermeidung eines allzu langen Straßenmarsches Wanderungen im Bereich des S-Berges durchzuführen, bei denen Hin- und Rückweg nicht identisch seien. Diese Erweiterung des Wegeangebotes, die mittels des Weges erreicht werde, reiche aus, um die in den zitierten Entscheidungen für die Ersitzung verlangte Notwendigkeit zu begrunden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur sogenannten utilitas praedii genügt gemäß § 473 ABGB die Erhöhung der Bequemlichkeit der Benützung des herrschenden Grundstückes. Sie steht der Erzielung einer vorteilhafteren Benützung gleich. Die Notwendigkeit eines solchen Rechtes ist nicht Voraussetzung. Nur die völlige Zwecklosigkeit verhindert das Entstehen einer privaten Dienstbarkeit (SZ 43/117; JBl. 1979, 90; EvBl. 1979/69 u. a.). Dies gilt umso mehr bei unregelmäßigen Servituten im Sinne des § 479 ABGB (4 Ob 551/75). Für die Ersitzung eines als unregelmäßige Servitut zu qualifizierenden Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde stellten allerdings mehrere Entscheidungen - von Ehrenzweig[2] I/2, 11 gebilligt - das Erfordernis der Notwendigkeit einer solchen Wegeverbindung auf (SZ 9/163; RZ 1957, 104; SZ 34/59 = JBl. 1962, 148 mit zustimmender Glosse von Gschnitzer, JBl. 1966, 525; EvBl. 1961/296; RZ 1966, 165; ähnlich auch 4 Ob 551/75 und JBl. 1979, 90). Dieses (gegenüber § 473 ABGB strengere) Erfordernis wurde einerseits mit der (privatrechtlichen) Überlegung zu begrunden versucht, daß unregelmäßige Servituten normalerweise an eine physische Person gebunden und damit zeitlich begrenzt seien, während die Ersitzung zugunsten einer Gemeinde in der Regel zu einer Dauerbelastung führe (RZ 1957, 104; dem Einwand, daß regelmäßig auch eine Grunddienstbarkeit eine Dauerbelastung darstelle, dennoch aber § 473 ABGB gelte, hielt die Entscheidung JBl. 1979, 90 entgegen, daß die durch die Ersitzung eines unregelmäßigen Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde herbeigeführte besondere Belastung durch die große Zahl der Benützer, die im Normalfall einer unregelmäßigen Dienstbarkeit fehle, gekennzeichnet sei). Andererseits scheinen hiefür die - insbesondere von der Rechtsprechung des VwGH erarbeiteten - Grundsätze des öffentlichen Wegerechts von Bedeutung gewesen zu sein, wonach die durch Gemeindegebrauch erfolgende (als Institut des öffentlichen Rechtes anzusehende) stillschweigende Widmung als öffentlicher Weg ein dringendes Verkehrsbedürfnis voraussetzt (so beruft sich die Entscheidung SZ 9/163 darauf, daß ein öffentliches Interesse daran bestehe, wenn und so weit der Weg ein notwendiger sei; die Entscheidung SZ 34/59 und RZ 1966, 165 verweisen insbesondere auch auf Lenhoff, Die Absperrung der Berge, JBl. 1914, 296, der die Touristenwege in Hochregionen wegen ihrer Notwendigkeit für den im öffentlichen Interesse gelegenen Touristenverkehr als öffentliche Wege ansieht; vgl. dazu ferner Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 105 f. und SZ 41/48; zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen privatrechtlicher Ersitzung und öffentlichrechtlicher stillschweigender Widmung s. Krzizek a.a.O.).

Im gegenständlichen Fall braucht die Frage, ob das für die Ersitzung von Wegerechten durch Gemeinden von mehreren Entscheidungen aufgestellte Erfordernis der Notwendigkeit des Weges aufrecht zu erhalten ist, nicht abschließend entschieden zu werden. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, müßte nämlich entgegen der Auffassung des Klägers dem Berufungsgericht zugestimmt werden, daß das genannte Erfordernis hier erfüllt ist (vgl. SZ 34/59, LwB 1969, 104). In einer Gemeinde mit bedeutendem Fremdenverkehr ist es eine Notwendigkeit, daß den Touristen Wanderwege in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, wobei ihr Verlangen, mit Kraftfahrzeugen befahrene Gemeindestraßen vermeiden sowie für den Hin- und Rückweg zu einem Ziel verschiedene Wege benützen zu können, nicht außer Betracht bleiben kann. Die durch die §§ 40 ff. Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1963, LGBl. 8 (zuletzt wiederverlautbart als Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1979, LGB. 39), geschaffene Möglichkeit der Einräumung von Benützungsrechten im Interesse des Fremdenverkehrs durch Enteignung gegen Entschädigung ist für die Beurteilung des Ersitzungserfordernisses der Notwendigkeit des Weges nicht von Bedeutung. Daß der strittige Weg nicht die einzige Wegeverbindung zum F-Hof ist, bildet daher kein Hindernis für die Ersitzung eines Wegerechtes durch die Gemeinde K (zu den übrigen, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr umstrittenen Voraussetzungen einer Ersitzung von Wegerechten durch Gemeingebrauch zugunsten einer Gemeinde siehe aus letzter Zeit etwa SZ 50/53 = JBl. 1978, 144 mit Anm. von König; SZ 50/91 = JBl. 1978, 148 mit Anm. von Sprung; JBl. 1978, 257).

Was nun den Umfang des zugunsten der Gemeinde K ersessenen Wegerechtes über die klagegegenständlichen Grundstücke des Klägers und damit die Frage betrifft, ob die Handlungen der beklagten Partei, deren Unterlassung der Kläger begehrt, zu einer unzulässigen Erweiterung dieser Dienstbarkeit im Sinne des § 484 ABGB führen, so ist auszuführen: Das in der genannten Gesetzesstelle enthaltene Verbot bzw. Gebot, daß Servituten nicht erweitert werden dürfen, vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden müssen, daß Servituten - mit anderen Worten - schonend auszuüben sind, gilt auch für unregelmäßige Wegedienstbarkeiten (SZ 37/62; EvBl. 1978/1 u. a.). Der Umfang einer (regelmäßigen) Wegeservitut richtet sich stets nach der Kulturgattung und Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstückes im Zeitpunkt der Bestellung oder Ersitzung der Dienstbarkeit (EvBl. 1963/83 u. a.; zuletzt etwa MietSlg 30 053). Bei ungemessenen (regelmäßigen) Dienstbarkeiten entscheidet nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis, doch bestehen auch hier Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (Klang in Klang[2] II, 564; EvBl. 1961/333 u. a., zuletzt etwa MietSlg 30 563). Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (MietSlg 29 055 mit weiteren Nachweisen). Diese Grundsätze gelten auch für unregelmäßige Wegedienstbarkeiten, wobei an die Stelle der Verhältnisse des herrschenden Gutes diejenigen der dienstbarkeitsberechtigten Personen treten.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so hat im gegenständlichen Fall dadurch allein, daß die Zahl der Benützer des strittigen Weges, insbesondere der Touristen, im Verlaufe der Ersitzungszeit zugenommen hat, eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit nicht stattgefunden (SZ 50/53; EvBl. 1978/1 u. a.). Nach den Feststellungen ist es weder zu einer Erweiterung des örtlichen Umfanges des Weges noch zu einer Änderung der Benützungsart gekommen. Gegen das Betreten der Wiesen und das Lagern auf ihnen sowie gegen die Benützung des WCs in seinem Haus - welches Verhalten der Touristen durch das ersessene Wegerecht nicht gedeckt ist - wird der Kläger mit anderen geeigneten Maßnahmen (etwa durch das Aufstellen von Verbotstafeln) vorzugehen haben. Die durch das Verhalten der Touristen sowie durch das allfällige Zurückbleiben von Abfällen herbeigeführte Beeinträchtigung der Grundstücke des Klägers würde gleichfalls keine unzulässige Erweiterung der Servitut darstellen, sondern möglicherweise eine Pflicht der Gemeinde zur Vornahme der erforderlichen Ausbesserungen und Säuberungsarbeiten begrunden (§ 483 ABGB; vgl. dazu SZ 50/53). Soweit der Kläger auf die neueste Rechtsprechung und Lehre zum Umfang der ersessenen Dienstbarkeit der Schiabfahrt hinweist (JBl. 1979, 429; Sprung - König in ÖJZ 1979, 209 ff.; vgl. auch Aicher in JBl. 1979, 412 ff.), ist ihm entgegenzuhalten, daß die für den Kläger aus der Zunahme der Zahl der Wanderer auf dem Weg, zu der es auch durch die vom Kläger beanstandete Vorgangsweise der beklagten Partei gekommen sein mag, erwachsenden Beeinträchtigungen mit den Schäden und Erschwernissen, die erfahrungsgemäß mit einer sprunghaften Steigerung der Zahl der Benützungsfälle auf Schiabfahrten verbunden sind, wie sie etwa durch die Errichtung entsprechender Aufstiegshilfen herbeigeführt werden, nicht gleichgesetzt werden können.

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