OGH 1Ob181/11s

OGH1Ob181/11s22.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** S*****, und 2. Dr. O***** S*****, beide vertreten durch Wille Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei E***** B***** AG, *****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert 62.000 EUR) und 851.570 EUR sA, in eventu Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Juni 2011, GZ 5 R 58/11b-23, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Dezember 2010, GZ 34 Cg 125/09b-17, teils abgeändert und teils bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Die Revisionswerber wenden sich gegen die Annahme eines zwischen den Parteien konkludent zustande gekommenen Vermögensverwaltungsvertrags durch das Berufungsgericht und legen damit den Schwerpunkt ihrer Rechtsmittelausführungen auf die Auslegung von Willenserklärungen. Sie gestehen dazu zwar ein, dass die Vorlage eines Depotvertrags und der Abschluss einer Telefonvereinbarung nicht gegen eine solche Qualifizierung spreche, meinen aber, dass richtigerweise von einem Dissens auszugehen sei.

Rechtliche Beurteilung

2.1 Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Dies gilt auch für die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen; auch diese ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0109021 [T5]; RS0081754 [T5]; RS0043253 [T14]).

2.2 Fest steht, dass zwischen den Klägern und der Beklagten Klarheit darüber bestand, dass die Hälfte des von jenen zunächst bei einem anderen Bankinstitut veranlagten Wertpapiervermögens zur Beklagten transferiert werden sollte, um nach einem Jahr zu vergleichen, welches Institut das bessere Ergebnis erzielte. Zum besseren Vergleich erhielt die Beklagte dabei unter anderem den mit dem bisherigen Institut abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag ausgehändigt. Das von den Klägern demnach offengelegte und von der Beklagten unwidersprochen zur Kenntnis genommene Ziel, die Ertragsergebnisse nach einem Zeitraum von einem Jahr zu vergleichen, ließe sich ohne Betreuung des Portfolios im Sinne einer Verwaltung der am Depot erliegenden Finanzinstrumente mit Verfügungsmacht im Auftrag der Kläger (vgl 9 Ob 85/09d = JBl 2010, 713 [P. Bydlinski]) wohl nicht erreichen. Ausgehend von den Feststellungen liegt in der Ansicht des Berufungsgerichts, zwischen den Streitteilen sei nicht nur ein Depot- sowie An- und Verkaufsvertrag, sondern konkludent auch ein Vermögensverwaltungsvertrag zustande gekommen, daher keine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

3. Die Kläger räumen selbst ein, dass die Annahme eines Vermögensverwaltungsvertrags die in erster Instanz geltend gemachte Irrtumsanfechtung erübrigt. Soweit sie in ihrer Revision dennoch darauf zurückkommen, genügt es daher auf die vom Obersten Gerichtshof gebilligte Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 2 ZPO).

4.1 Ihr hilfsweise erhobenes Schadenersatzbegehren haben die Kläger in erster Instanz auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten gestützt und dazu die zur Haftung des Anlageberaters judizierten Grundsätze herangezogen. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätten sie ihr Vermögen nicht zur Beklagten transferiert und weder den Depot- noch den An- bzw Verkaufsvertrag unterfertigt. In ihrer außerordentlichen Revision berufen sie sich demgegenüber auf eine Schädigung aus unterlassener Vermögensverwaltung.

4.2 Die schadenersatzrechtliche Haftung des Anlageberaters knüpft bei einem Beratungsfehler an der Verletzung vorvertraglicher oder beratervertraglicher Aufklärungs- bzw Informationspflichten an (vgl 9 Ob 85/09d = JBl 2010, 713 [P. Bydlinski] mwN). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig aufgeklärt hätte (RIS-Justiz RS0108267). Für das positive Erfüllungsinteresse aus dem Anlagevertrag haftet der Berater grundsätzlich nicht (4 Ob 28/10m). Betrifft der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens demgegenüber die Nichterfüllung einer gültig begründeten Leistungsverpflichtung, so leitet sich der begehrte Schadenersatz nicht aus der Wurzel des Geschäfts, sondern aus dessen Abwicklung ab. Der Schädiger hat jenen Zustand herzustellen, der im Vermögen des Geschädigten bei gehöriger Erfüllung entstünde (positives Erfüllungsinteresse: RIS-Justiz RS0016377; positives Vertragsinteresse: RS0018239). Erfolgt die behauptete Schadenszufügung daher im Rahmen der Abwicklung eines Vermögensverwaltungsvertrags, so haftet der pflichtwidrig handelnde Vertragspartner für den Nichterfüllungsschaden. Zur Schadensermittlung ist dann das Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung der fiktiven Entwicklung des Portfolios unter Zugrundelegung einer - aus Sicht ex ante - vertragskonformen Gesamtstrategie gegenüberzustellen (RIS-Justiz RS0125829).

4.3 Weder das Bestehen eines Vermögensverwaltungsvertrags, noch eine Schädigung aus einem rechtswidrigen Verhalten der Beklagten, das sich auf die Abwicklung eines wirksam zustande gekommenen Vermögensverwaltungsvertrags bezieht, waren Gegenstand des Vorbringens der Kläger in erster Instanz. Insoweit liegt damit eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung vor (RIS-Justiz RS0037612). Darauf ist nicht Bedacht zu nehmen. Auf die in erster Instanz geltend gemachte schadenersatzrechtliche Haftung wegen einer Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten kommen die Kläger nicht mehr zurück.

5. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang geltend machen, das Berufungsgericht hätte ergänzende Feststellungen zu ihrem Vermögensstand bei angenommener Vermögensverwaltung durch die Beklagte zu treffen gehabt und daraus eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ableiten, zielen sie auf Feststellungen zur Höhe des positiven Vertragsinteresses ab und machen damit einen Feststellungsmangel geltend. Ein solcher liegt aber nur dann vor, wenn ein ausreichendes, das Begehren tragendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 138, ähnlich Rz 197; vgl auch RIS-Justiz RS0043325). Das war - wie dargelegt - hier nicht der Fall. Darüber hinaus leiten die Kläger eine primäre Mangelhaftigkeit und damit einen Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO aus der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht ab.

6. Das Rechtsmittel der Kläger, das damit insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist daher zurückzuweisen, ohne dass es noch einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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