OGH 14Os111/11x

OGH14Os111/11x4.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer in der Strafsache gegen Olu O***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 20l Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2011, GZ 032 Hv 14/11b-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Olu O***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(1) am 21. August 2010 Claudia R***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie gegen die Hauswand drückte, den Gürtel ihrer Hose aufriss, sich auf ihr Becken setzte und sie würgte;

(2) am 11. Juni 2010 Zoran L***** am Körper verletzt, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch der Genannte eine Platzwunde an der Innenseite der Oberlippe, eine etwa einen Zentimeter lange Blutkruste unterhalb der Nase sowie Schmerzen im Bereich des rechten Jochbeins, des gesamten Oberkiefers und an der Oberlippe erlitt.

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (wonach sein Vorsatz auf die gewaltsame Nötigung des Tatopfers zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung gerichtet war, US 3) im Wesentlichen aus dem - mit mängelfreier Begründung (US 5 f) konstatierten - objektiven Verhalten des Beschwerdeführers (Zerren des Opfers in eine dunkle Nische, Herunterreißen dessen Hose, Fixieren am Boden und Würgen) im Verein mit dem durch Komplimente über ihr Aussehen dokumentiertem sexuellen Interesse an Claudia R***** (US 6) widerspricht weder Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0118317; vgl auch RIS-Justiz RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) und ist daher der dagegen erhobenen Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit dem Einwand, aus den angesprochenen Verfahrensergebnissen hätten auch andere Schlüsse gezogen werden können, wird verkannt, dass es eines zwingenden Schlusses nicht bedarf und Nichtigkeit aus Z 5 nicht angesprochen (RIS-Justiz RS0099455); durch Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK, § 14 StPO) ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt.

Dass die Aussage der Claudia R***** (wonach ihre Hose durch das Aufreißen des Gürtels lockerer wurde und ein wenig, aber nicht über die Hüften herunterrutschte; ON 2 S 61) mit den Wahrnehmungen der Polizisten am Tatort übereinstimmt (ON 2 S 25; US 5), entspricht - abgesehen davon, dass es sich hiebei um keine entscheidende Tatsache handelt (unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit der Zeugin vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f; RIS-Justiz RS0120109) - dem Akteninhalt, wobei der dagegen erhobene Einwand, die Genannte habe insoweit bloß einen Vorhalt des Vorsitzenden bejaht, den Vorwurf von Aktenwidrigkeit (die dann vorliegt, wenn ein Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt; RIS-Justiz RS0099431) gar nicht beinhaltet.

Indem die Beschwerde schließlich einzelne Elemente der beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts isoliert herausgreift, daran eigene Beweiswerterwägungen knüpft (etwa dass die tatrichterlichen Ausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten nicht überzeugend seien, und dass die Drogenabhängigkeit und der eingestandene Cannabiskonsum am Morgen des Tattages [ON 85 S 9] und nicht das gerade Erlebte Ursache für den ängstlichen und weinerlichen Zustand der Claudia R***** unmittelbar nach dem Vorfall gewesen sein könnte) und sie solcherart als dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht genügend darzustellen trachtet (erneut Z 5 vierter Fall), unterlässt sie die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe, verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0116504 [T3]) und bekämpft damit bloß (unzulässig) die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Sich aus den Akten ergebende - nominell geltend gemachte (Z 5a) - erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen werden mit dem besprochenen Vorbringen ebenfalls nicht geweckt.

Die auf Z 10 gestützte Behauptung, die Tat sei „durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen worden, das darauf nicht anzuwenden ist“, entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer sachbezogenen Erwiderung.

Was mit dem Hinweis auf das Vorbringen im Einspruch gegen die Anklageschrift zu angeblicher Säumnis der Staatsanwaltschaft betreffend die Zustellung von Aktenkopien gesagt werden soll, ist nicht verständlich.

Soweit mit dem Vorwurf, der Verteidiger habe auch den Aktenteilen aus dem „einbezogenen“, den Schuldspruch 2 betreffenden Verfahren (AZ 11 U 109/10z des Bezirksgerichts Meidling; ON 75) „mühsam nachlaufen müssen“, und der „Verfahrensbehauptung“, es widerspreche dem Grundsatz des fairen Verfahrens, „eine wohl zufällig aufgefundene … Strafsache, noch rasch in die Hauptverhandlung einzuführen und damit sowohl den Angeklagten als auch den Verteidiger zu überraschen“, eine Verletzung des von Art 6 Abs 3 lit b MRK garantierten Rechts des Angeklagten, über ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen, angesprochen wird, hätte es zur Geltendmachung aus Z 4 eines entsprechenden - hier nicht vorliegenden - (Vertagungs-)Antrags bedurft (RIS-Justiz RS0108863, RS0099112, RS0099250; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302; vgl auch RIS-Justiz RS0098367). Im Übrigen wurde die Hauptverhandlung nach Vernehmung des (insoweit im Wesentlichen geständigen) Angeklagten zu diesem Vorwurf am 7. April 2011 ohnehin vertagt und die Befragung der (einzigen) Zeugen Zoran L***** und Mamun H***** erst in der fortgesetzten Verhandlung am 28. April 2011 durchgeführt (ON 85 S 15 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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