OGH 2Ob167/10p

OGH2Ob167/10p17.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E*****, und 2. (richtig) Z*****-AG, *****, beide vertreten durch Dr. Herwig Aichholzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 53.233,41 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Juni 2010, GZ 6 R 171/09b-79, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. August 2009, GZ 23 Cg 90/06v-66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

B e g r ü n d u n g:

Der 1959 geborene Kläger wurde am 28. 10. 1994 bei einem Verkehrsunfall, den die Erstbeklagte als Lenkerin eines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs allein verschuldet hat, schwer verletzt. Er erlitt am rechten Bein einen geschlossenen Oberschenkelschaftbruch. Während des (komplizierten) Heilungsverlaufs hatte er Schmerzen beim Gehen, sodass er eine Schonhaltung einnahm und ein außenrotierendes Gangbild entwickelte.

Im Verfahren 20 Cg 125/96a des Landesgerichts Klagenfurt wurde mit Teilanerkenntnisurteil vom 19. 2. 1997 festgestellt, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Unfallgeschehen haften, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der Versicherungssumme beschränkt ist. Mit Endurteil wurde ihm für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 31. 8. 1997 Verdienstentgang von 308.962 S rechtskräftig zugesprochen.

Zu 20 Cg 221/98t des Landesgerichts Klagenfurt wurde ihm für die Zeit vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1998 ein weiterer Verdienstentgang von 158.184 S zuerkannt. In diesem Verfahren wurde festgestellt, dass der außenrotierende Gang Folge einer Unfallreaktion des Klägers sei, die wegen einer bei ihm bestehenden Persönlichkeitsstörung wesentlich ausgeprägter als bei anderen Persönlichkeitsstrukturen ausgefallen sei. Diese Gangart sei sowohl spontan als auch durch Behandlung heilbar.

Zu 26 Cg 95/02w des Landesgerichts Klagenfurt begehrte der Kläger Verdienstentgang für die Zeit vom 1. 1. 1999 bis 30. 4. 2002, der ihm in Höhe von 72.348,04 EUR auch zuerkannt wurde. Dieser Entscheidung lagen ua folgende Feststellungen zugrunde:

Nach wie vor findet sich eine deutliche Haltung des Beines nach außen, sodass beim Gehen eine Hemmung mit dem rechten Bein nach vorne eintritt. Das an sich flüssige Gangbild entstand auch dadurch, dass der Kläger versuchte, einen sicheren Gang zu entwickeln, um die Instabilität im Bereich des rechten Hüftgelenks auszugleichen. Eine Heilung des im Vorprozess festgestellten außenrotierenden Gangs ist zwischenzeitig nicht eingetreten und eine wesentliche Besserung ist aufgrund des langen Abstands vom Unfallgeschehen nicht mehr zu erwarten.

Mit der am 1. 6. 2006 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger weiteren Verdienstentgang in Höhe von 53.233,41 EUR sA für die Zeit vom 1. 5. 2002 bis 30. 6. 2006. Er brachte vor, mit dem Berufungsurteil des Vorprozesses sei „definitiv und für die Folgezeit bindend“ festgestellt worden, dass das außenrotierende Gangbild unfallskausal, er hiedurch in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt und dieser Zustand einer Verbesserung nicht mehr zugänglich sei. Er beziehe eine Unfallrente der AUVA im Ausmaß von 20 %. Das Bundessozialamt Kärnten habe den Grad seiner Invalidität mit 70 % festgesetzt. Seit 1. 2. 2004 beziehe er eine Invaliditätspension, weil sich zu den rein körperlichen Unfallsfolgen auch noch ein depressives Zustandsbild hinzugesellt habe. Durch den Bezug einer Invaliditätspension stehe seine absolute Erwerbsunfähigkeit fest. In der Zeit vom 7. 10. 2002 bis 13. 1. 2003 sei er ein Arbeitsverhältnis eingegangen, sein Arbeitgeber sei jedoch insolvent geworden. Er sei verletzungsbedingt auch nicht in der Lage gewesen, die geforderte Arbeitsleistung zu erbringen.

Die beklagten Parteien wandten ein, dass der Kläger in der Lage sei, sich vollkommen normal zu bewegen. Er sei nicht mehr erwerbsunfähig. Eine aus Unfallsfolgen resultierende Invalidität liege nicht vor. Der Kläger habe sich nicht um die Erlangung einer Arbeit bemüht und dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, noch fest, dass es „zwischenzeitlich“ zu einer Ausheilung des ursprünglich unfallskausalen außenrotierenden Gangbildes gekommen sei. Die unfallbedingten heterotropen Ossifikationen (Knochenneubildungen im gelenksnahen Muskel- und Bindegewebe) im Bereich der rechten Hüfte hätten sich - einem typischen Verlauf entsprechend - wieder zurückgebildet. In den Röntgenbildern seien bis zum Jahr 2004 die heterotropen Ossifikationen noch dokumentiert. In einem MRT-Befund aus dem Jahr 2007 seien sie nicht mehr nachweisbar gewesen. Noch Mitte des Jahres 2004 habe die Differenz der Umfangmaße der beiden Beine 12 cm betragen, im Jahr 2007 nur mehr 2 cm. Die beim Kläger vorhandene Atrophie (Muskelschwäche) sei nicht mehr gegeben. Der Kläger drehe beim Gehen den Fuß zwar nach wie vor zum Teil nach außen, dies erfolge aber nur mehr rein willkürlich. Er habe dieses Gangbild bewusst beibehalten. Die „nunmehr“ zeitweise und nicht ständig gegebene vermehrte Außenrotation des Beines mit erhöhtem Fußprogressionswinkel sei nicht auf den seinerzeitigen Bruch zurückzuführen. Das außenrotierende Gangbild sei „nunmehr“ psychogen bedingt, dh der Grund dafür liege „nunmehr“, da die Unfallsfolgen abgeheilt seien, „durch einen Ursachenwandel ausschließlich in der Person des Klägers und seinen Vorstellungen im Sinne eines sekundären Krankheitsgewinns und einer Erwartungshaltung durch das Gerichtsverfahren mit erwarteten weiteren Ansprüchen“. Der Kläger sei in der Lage, normal zu gehen, flüssig und locker über Treppen zu steigen, eine Leiter zu besteigen und relativ schwere Gegenstände zu tragen. Der Kläger leide an psychischen Beschwerden, denen aber kein Krankheitswert zukomme. Dabei handle es sich um eine unspezifische Stimmungsstörung, die nicht Folge des seinerzeitigen Unfalls, sondern „multifaktoriell akausal bedingt“ sei. Die Gründe lägen in finanziellen Sorgen, Arbeitsplatzproblemen und der schweren Erkrankung seiner Ehefrau.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, das Klagebegehren sei abzuweisen, weil das außenrotierende Gangbild des Klägers als Verletzungsfolge „nunmehr“ ausgeheilt sei. Eine auf den Unfall zurückzuführende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit liege nicht mehr vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es verwarf die Mängelrüge, erachtete die Tatsachen- und Beweisrüge als unberechtigt und erörterte in rechtlicher Hinsicht, dass die im Vorprozess getroffenen Feststellungen nur für den dort streitgegenständlichen Zeitraum, also bis zum 30. 4. 2002, Bindungswirkung entfalten könnten. Für den darüber hinausgehenden Zeitraum (gemeint: bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 9. 9. 2004) treffe dies nicht zu, weil die Feststellungen insoweit zur Individualisierung des Urteilsspruchs nicht erforderlich gewesen seien. Es sei mit dem Gedanken der Rechtssicherheit durchaus vereinbar, wenn eine für unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozess der Entscheidung im Folgeprozess über weitere Ansprüche des Klägers nicht mehr zugrunde gelegt werde.

Dem Kläger sei zwar zuzustimmen, wenn er im Rahmen der Rechtsrüge ergänzende Feststellungen zu der Frage begehre, ab wann die Ausheilung eingetreten sei; das Erstgericht habe tatsächlich keine ausdrückliche Feststellung dazu getroffen. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Feststellungen und seiner Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung könne aber nur davon ausgegangen werden, dass es von einer Ausheilung bereits zum 1. 5. 2002 ausgegangen sei, habe es doch das gesamte Klagebegehren abgewiesen. Dafür spreche auch, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen in der Zeit vom 7. 10. 2002 bis 13. 1. 2003 ein Arbeitsverhältnis eingegangen sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht einen Feststellungsmangel des erstinstanzlichen Urteils zwar erkannt, aber mit unvertretbarer Begründung nicht wahrgenommen hat. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Kläger macht geltend, das Berufungsverfahren sei nichtig und mangelhaft, dem Berufungsgericht seien auch zahlreiche Aktenwidrigkeiten unterlaufen. In seiner Rechtsrüge wendet er sich vor allem gegen die Nichtbeachtung der seiner Ansicht nach bindenden Feststellungen aus dem (letzten) Vorprozess und die „Nachholung“ der unterlassenen Feststellung zum Zeitpunkt der angenommenen Ausheilung der Unfallsfolgen durch das Berufungsgericht. Schließlich bemängelt er, dass sich das Berufungsgericht mit der durch den Vorwurf der Verletzung der Schadensminderungspflicht ausgelösten Beweislast nicht auseinandergesetzt habe.

Hiezu wurde erwogen:

1. Die relevierte Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht (was nur den Spruch selbst betrifft; ein Widerspruch in den Gründen reicht nicht aus) oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben werden (2 Ob 85/09b mwN; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 477 Rz 12). Keiner dieser Tatbestände trifft auf die angefochtene Berufungsentscheidung zu.

Wenn das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ausführte, dass eine Heilung des außenrotierenden Ganges zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz des Vorprozesses (am 9. 9. 2004) noch nicht gegeben gewesen sei, bezog es sich erkennbar nur auf den Zeitpunkt der Maßgeblichkeit der Feststellungen im Vorprozess, die der Kläger erst mit dem Datum der Berufungsentscheidung, nämlich dem 10. 3. 2005, angenommen hat. Dass es aber eine Bindung an diese Feststellungen im vorliegenden Verfahren ablehnte, geht eindeutig aus den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts hervor. Entgegen der Ansicht des Klägers kann daher keine Rede davon sein, dass eine Überprüfung des Berufungsurteils nicht vorgenommen werden kann. Auch sonstige Umstände, die den Nichtigkeitsgrund verwirklichen könnten, werden unter diesem Revisionsgrund nicht dargetan.

2. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3. Bei der Bindungswirkung handelt es sich ebenso wie bei der Einmaligkeitswirkung um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft (2 Ob 10/96; 17 Ob 28/09f; RIS-Justiz RS0102102). Sie äußert sich dahin, dass das Gericht zwar über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen hat, dabei aber die rechtskräftige ältere Entscheidung zugrunde legen muss (2 Ob 42/93; 17 Ob 28/09f; RIS-Justiz RS0041205). Die Rechtskraftwirkung eines Urteils bezieht sich grundsätzlich nur auf den Spruch. Nur soweit es für die Individualisierung des Anspruchs und dessen Tragweite erforderlich ist, sind auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen; das gilt insbesondere bei abweisenden Entscheidungen (RIS-Justiz RS0041357, RS0041331, RS0043259).

Mit einem Feststellungsurteil (hier vom 19. 2. 1997) wird die Ersatzpflicht des Haftenden festgelegt, nicht aber, welche künftigen Schäden von ihm zu ersetzen sind. Im folgenden Leistungsprozess muss vielmehr geprüft werden, ob der dort geltend gemachte Schaden von der Ersatzpflicht umfasst ist, insbesondere also, ob das haftungsbegründende Verhalten für den Schaden ursächlich war (vgl 2 Ob 184/08k mwN). Das Feststellungsurteil entfaltet für die Unfallskausalität der im Leistungsprozess geltend gemachten Schäden somit noch keine Bindungswirkung.

Folgen mehrere Leistungsprozesse, so findet die Prüfung der Unfallskausalität - bezogen auf den jeweils geltend gemachten Schaden - in jedem einzelnen dieser Prozesse statt. Die Beweislast trifft dabei stets den Kläger. Eine Bindung an die Feststellungen des Vorprozesses tritt dabei nur insoweit ein, als diese Feststellungen für das Ergebnis der dort gefällten Entscheidung (zur Individualisierung des Spruchs) notwendig waren (vgl 4 Ob 252/03t mwN; RIS-Justiz RS0041357 [T10]). Nicht präjudizielle Feststellungen können keine Bindungswirkung entfalten (vgl 4 Ob 151/07w).

Gegenstand der Vorprozesse war das Begehren auf Verdienstentgang in bestimmten Zeiträumen. Nur für diese Zeiträume konnten die in den Vorprozessen getroffenen Feststellungen Bindungswirkung entfalten. Der nunmehrige Streitgegenstand umfasst andere Zeiträume und ist mit jenem der Vorprozesse nicht ident. Schon aus diesem Grund besteht keine Bindungswirkung zur Entscheidung in den Vorprozessen (vgl auch 2 Ob 27/09y; RIS-Justiz RS0039843 [T9 und T12], RS0041256). Soweit die im Vorprozess getroffenen Feststellungen über den dort streitgegenständlichen Zeitraum (bis 30. 4. 2002) hinaus reichen, kommt ihnen daher - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - keine Bindungswirkung im gegenständlichen Verfahren zu. Den beklagten Parteien stand somit der Einwand offen, dass der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Verdienstentgang ab 1. 5. 2002 nicht (mehr) unfallskausal sei.

4. Unhaltbar ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, aufgrund des Gesamtzusammenhangs der erstinstanzlichen Feststellungen und des Umstands der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens sei von der Ausheilung der Unfallsfolgen bereits zum 1. 5. 2002 auszugehen. Tatsächlich liegt insoweit ein Feststellungsmangel vor, wie dies das Berufungsgericht auch grundsätzlich erkannt hat. Gerade die Feststellungen, wonach bis zum Jahr 2004 in den Röntgenbildern die heterotropen Ossifikationen noch dokumentiert gewesen seien und Mitte des Jahres 2004 noch eine Differenz der Umfangmaße der beiden Beine von 12 cm gegeben gewesen sei, deuten darauf hin, dass die „Ausheilung“ erst später eingetreten ist. Befunde, aus denen die Ausheilung abgeleitet wurde, stammen erst aus dem Jahr 2007, das nach dem bis 30. 6. 2006 reichenden klagsgegenständlichen Zeitraum liegt. Rückschlüsse aus dem Prozessvorbringen des Klägers, er sei vom 7. 10. 2002 bis 13. 1. 2003 in einem Arbeitsverhältnis gestanden, sind so lange nicht möglich, als zu seiner weiteren Behauptung, er sei zur Erbringung der geforderten Arbeitsleistung nicht in der Lage gewesen, keine Feststellungen getroffen worden sind.

5. Zu Recht wird in der Revision aber auch geltend gemacht, dass der Zeitpunkt der (endgültigen) Ausheilung allein noch keine Aussagekraft für die Berechtigung des Verdienstentgangsanspruchs des Klägers hat. Es ist als unstrittig vorauszusetzen, dass der Kläger als Folge des Unfalls mehrere Jahre hindurch kein oder nur ein gemindertes Erwerbseinkommen erzielen konnte. Auch wenn er im streitgegenständlichen Zeitraum wieder völlig genesen sein sollte, wäre nach den folgenden Kriterien zu prüfen, ob ihm seine Arbeitslosigkeit als Verletzung der Schadensminderungspflicht zum Vorwurf gemacht werden kann:

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird zwischen dem Fall der verbliebenen teilweisen Erwerbsunfähigkeit und dem der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im früheren Ausmaß unterschieden. Im ersteren Fall müsste, um eine Verletzung der Schadensminderungspflicht annehmen zu können, der Schädiger den Nachweis erbringen, dass der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ohne zureichende Gründe ausgeschlagen hat. Im zweiten Fall hingegen ist vom wiederhergestellten Verletzten zu erwarten, dass er sich um die Wiedererlangung des früheren oder eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bemüht. In diesem Fall der Wiedererlangung der früheren Arbeitsfähigkeit wäre es unbillig, vom Schädiger zu verlangen, dass er den Geschädigten auf die allfällige Möglichkeit der Wiedererlangung des entsprechenden Arbeitsplatzes besonders hinweist (2 Ob 324/00m; RIS-Justiz RS0022883, RS0027143; Danzl in KBB³ § 1325 Rz 23; krit Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 16/20). Die Erwerbsfähigkeit ist dann beeinträchtigt, wenn der Verletzte in geringerem Ausmaß als vor dem Vorfall oder gar nicht in der Lage ist, in einer seiner Ausbildung, seinen Anlagen und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen; nicht maßgebend ist hingegen die medizinisch-physiologische Arbeitsfähigkeit (2 Ob 161/98k; RIS-Justiz RS0110243). Ob und in welchem Grad Erwerbsunfähigkeit besteht, ist eine vom Gericht zu lösende Tatfrage (2 Ob 38/02f mwN; RIS-Justiz RS0030444).

Die Feststellungen des Erstgerichts zur Ausheilung der Verletzung beziehen sich zumindest überwiegend auf die medizinisch-physiologische Arbeitsfähigkeit des Klägers, geben aber keine Auskunft darüber, ob und gegebenenfalls seit wann er zur Ausübung seines früheren Berufs wieder in der Lage ist. Dazu bedarf es konkreter Feststellungen zur früheren beruflichen Situation des Klägers, zu den Stadien der Wiedererlangung seiner Erwerbsfähigkeit im dargelegten Sinn, und - sollte den Kläger nach den obigen Grundsätzen die Beweislast treffen - zu seinen Bemühungen, eine gleichwertige Arbeitsstelle zu erlangen (vgl 2 Ob 161/98k; RIS-Justiz RS0027220). Dabei wird jedenfalls auch der bisher vernachlässigte zeitliche Aspekt des Heilungsvorgangs zu berücksichtigen sein. Schließlich könnten noch Feststellungen zum Arbeitsverhältnis des Klägers im Zeitraum vom 7. 10. 2002 bis 13. 1. 2003 und seinen dabei erzielten Einkünften erforderlich sein, zumal letztere bei der Berechnung des Verdienstentgangs berücksichtigt werden müssten.

6. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass sich das Verfahren in den angesprochenen Punkten als ergänzungsbedürftig erweist. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die dargestellte Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und nach der gebotenen Verfahrensergänzung erneut über das Klagebegehren zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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