OGH 2Ob42/93(2Ob43/93)

OGH2Ob42/93(2Ob43/93)26.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georgios M*****, vertreten durch Dr.Helmut Fetz, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagten Parteien 1. Alena W*****, 2. Eduard W*****, beide 8700 Leoben, Lerchenfeld Zeile H 1, und 3. ***** Versicherungs-AG, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Robert Plaß, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 68.972,95 s.A. und Feststellung,

1. als Revisionsgericht infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 5.11.1992, GZ R 688, 689/92-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei der abweisliche Teil des Zwischenurteiles des Bezirksgerichtes Leoben vom 20.5.1992, GZ 6 C 2523/91g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 1.669,25 (darin enthalten S 278,21 an Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 5.11.1992, GZ R 688, 689/92-18, womit der klagsstattgebende Teil des Zwischenurteiles des Bezirksgerichtes Leoben vom 20.5.1992, GZ 6 C 2523/91g-10, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 9.6.1989 ereignete sich auf der Bundesstraße ***** in K***** ein Verkehrsunfall, an dem P***** A***** mit dem dem Kläger gehörigen Sattelschlepper samt Auflieger und die Erstbeklagte als Lenkerin des vom Zweitbeklagten gehaltenen, bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren.

Der Kläger begehrt von den Beklagten den Ersatz von S 68.972,95 s.A. an Frachtschäden mit der Begründung, die Erstbeklagte habe den Unfall allein verschuldet, weil sie ungeachtet des Nachfolgeverkehrs auf der Bundesstraße ein Umkehrmanöver vorgenommen habe. Eine geringfügige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch P***** A***** sei vernachlässigbar. Bereits im Vorprozeß zu 6 C 1392/89f des Bezirksgerichtes L***** sei das Alleinverschulden der Erstbeklagten festgestellt worden. Im Zuge des Verfahrens wurde der Zwischenantrag auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 9.6.1989 (hinsichtlich der Drittbeklagten beschränkt auf die Höhe der Haftpflichtsumme) gestellt. Dieser Antrag wurde mit dem Bestehen noch weiterer selbständiger Ansprüche aus dem Verkehrsunfall begründet.

Die Beklagten bestritten und brachten zum Unfall vor, die Erstbeklagte habe sich ordnungsgemäß zur Vornahme eines Linksabbiegemanövers eingeordnet. Nachdem sie wieder langsam angefahren sei, habe sie der mit überhöhter Geschwindigkeit nachkommende Lenker des Fahrzeuges des Klägers vorschriftswidrig überholt. Mangels Parteienidentität habe der von der klagenden Partei zitierte Vorprozeß keine Bedeutung für diesen Rechtsstreit, der Zwischenantrag auf Feststellung sei unzulässig.

Das Erstgericht entschied über den Zwischenantrag auf Feststellung mit Zwischenurteil, indem es die Haftung der Beklagten (hinsichtlich der drittbeklagten Partei beschränkt auf die Haftpflichtsumme) gegenüber dem Kläger im Ausmaß von 75 % aller Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 9.6.1989 aussprach; das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung für weitere 25 % aller Ansprüche wurde abgewiesen.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Bundesstraße ***** verläuft im Unfallsbereich als Freilandstraße annähernd in Ost-West-Richtung. Im unmittelbaren Unfallsbereich mündet aus Richtung Süden eine Zufahrtsstraße ein. Um ein Einbiegen in diese Straße zu ermöglichen, ist auf der Bundesstraße ein Linksabbiegestreifen für die Fahrtrichtung von Osten nach Westen angelegt. Die nördliche und südliche Randlinie der Bundesstraße ist im unmittelbaren Unfallsbereich als weiße, unterbrochene Begrenzungslinie ausgeführt, die den nördlich anschließenden asphaltierten Parkplatz vor einem Gasthaus und den südlich befindlichen Parkplatz im Bereich eines Kioskes und die Zufahrtsstraße abgrenzen. Die Bundesstraße beschreibt in Richtung von Osten nach Westen eine langgesteckte Rechtskurve; in Anfahrtsrichtung der unfallsbeteiligten Fahrzeuge aus Osten ist die spätere Unfallsstelle aus einer Entfernung von 150 m direkt einsehbar. Im Unfallsbereich ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h verfügt sowie ein Überholverbot. Zum Unfallszeitpunkt herrschte Dunkelheit, die Fahrbahn war trocken.

Die Erstbeklagte fuhr gegen 3,50 Uhr von St.M***** kommend in Richtung K*****. Da sie etwas vergessen hatte, wollte sie mit ihrem Fahrzeug umdrehen und zurückfahren. P***** A***** fuhr mit dem Fahrzeug des Klägers in der gleichen Richtung mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h, wobei er zu dem vor ihm fahrenden Reisebus einen Tiefenabstand von 60 m einhielt. Da der Reisebus bremste, reduzierte auch A***** die Geschwindigkeit des von ihm gelenkten Fahrzeuges auf 81,5 km/h, wodurch sich der Tiefenabstand zum Bus auf etwa 30 m verringerte. Als A***** bemerkte, daß der Reisebus plötzlich nach rechts ausgelenkt wurde, bremste er stark. In einer Position von 49,5 m (Front des Beklagtenfahrzeuges) sah er vor sich auf der Bundesstraße das Beklagtenfahrzeug in einer Stellung senkrecht zur Fahrbahnlängsachse der Bundesstraße. Er faßte unverzüglich den Entschluß, nach links auszulenken, weil er befürchtete, sonst frontal gegen die Längsseite des Beklagtenfahrzeuges zu stoßen. Die Erstbeklagte fuhr vom Abstellplatz nördlich der Bundesstraße in die Bundesstraße ein und versuchte diese in einem Winkel von etwa 70 Grad, somit senkrecht zur Fahrbahnlängsachse, zu queren. Sie stieß mit dem linken vorderen Frontbereich mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 km/h in einem Bereich von 1 bis 8 m hinter der Front gegen die rechte Seitenflanke des Fahrzeuges des Klägers. Nach der Kollision stürzte das Sattelkraftfahrzeug des Klägers über eine Böschung. Auch dann, wenn der Lenker des Fahrzeuges des Klägers die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte, wäre es zum Zusammenstoß gekommen. Bei Einhaltung einer Geschwindigkeit zwischen 77 und 78 km/h wäre allerdings das Sattelkraftfahrzeug des Klägers nicht abgestürzt; in diesem Falle wären am Klagsfahrzeug nur geringe Streifspuren entstanden.

Das Erstgericht gründete diese Feststellungen auf die Ergebnisse des Vorprozesses 6 C 1392/89f und hielt nach Verlesung von Akten nur eine ergänzende Befragung des Sachverständigen für nötig.

In rechtlicher Hinsicht kam es zum Ergebnis, daß die Erstbeklagte den Vorrang des Fahrzeuges des Klägers verletzt habe, doch müsse sich der Kläger eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit durch seinen Lenker anrechnen lassen; eine Schadensteilung von 3 : 1 zu Lasten der Beklagten sei angemessen. Der Zwischenantrag auf Feststellung sei zulässig, weil so eine präjudizielle Klärung des Anspruchsgrundes möglich sei und weitere Schadenersatzforderungen im Raum stünden.

Den klagsabweisenden Teil dieser Entscheidung bekämpfte der Kläger, den klagsstattgebenden bekämpften die Beklagten.

Der Berufung des Klägers wurde nicht Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung hinsichtlich seiner Abweisung als Teilzwischenurteil bestätigt. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Der Berufung der Beklagten hingegen wurde Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Mit Berichtigungsbeschluß vom 22.7.1993 wurde ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt.

Das Berufungsgericht bejahte die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung, weil aus dem klagsgegenständlichen Unfall bereits weitere Rechtsstreite anhängig seien, sodaß das besondere Rechtsschutzinteresse der über den konkreten Rechtsstreit hinausreichenden Wirkungen vorliege.

Auch dann, wenn ein Teil des Rechtsanspruches bereits mit Leistungsklage geltend gemacht werden könne, sei ein Zwischenantrag auf Feststellung zulässig.

Die von den beklagten Parteien geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens bejahte das Berufungsgericht, weil die Abweisung der Beweisanträge die abstrakte Eignung hatte, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. Eine Bindungswirkung der Ergebnisse des Vorprozesses komme mangels Parteienidentität nicht in Frage. Bei dem zitierten Vorprozeß (6 C 1392/89f des Erstgerichtes) handle es sich um eine Klage des hier Zweitbeklagten gegen den Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs. Auch § 281a ZPO sei mangels Parteienidentität nicht anwendbar. Da die von den Beklagten gestellten Beweisanträge zu einem relevanten Beweisthema gestellt wurden, der Vorprozeß keine Bindungswirkung entfalten konnte und auch die Voraussetzungen des § 281a ZPO fehlten, laufe die Ablehnung der angebotenen Beweismittel auf eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung hinaus.

Zur Berufung der klagenden Partei vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß im Hinblick darauf, daß diese allein eine Rechtsrüge erhoben habe, von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen sei. Davon ausgehend erweise sich aber die Rechtsrüge als nicht berechtigt, weil der Lenker des Fahrzeuges des Klägers die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 16 % überschritten habe. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hingegen wäre das Fahrzeuge nicht über die Böschung gestürzt. Der Beweis, daß der Schaden auch bei vorschriftsgemäßem Verhalten eingetreten wäre, sei dem Kläger mißlungen, weil ohne die Geschwindigkeitsüberschreitung das Fahrzeug nicht über die Böschung gestürzt und deshalb der Schaden an der Ladung geringer ausgefallen wäre. Die vom Erstgericht gemäß § 11 EKHG vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten sei zutreffend.

Die Revision und der Rekurs seien zulässig, weil Rechtsfragen des Verfahrensrechtes, denen erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO zukomme, gegeben seien.

Gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung erhob der Kläger Revision, gegen den aufhebenden Teil Rekurs. In der Revision wird beantragt, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Im Rekurs wird beantragt, den Aufhebungsbeschluß aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Erstgerichtes keine Folge zu geben; auch hier wird hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt. Als Rechtsmittelgründe werden jeweils Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Zur Revision gegen die Klagsabweisung:

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Kläger geltend, die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, er könne sich von seiner Haftung nur durch den Beweis befreien, daß der Schaden auch im Fall vorschriftsgemäßen Verhaltens eingetreten wäre, sei unrichtig. Es sei verfehlt, einen Entlastungsbeweis unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 1311 ABGB zu verlangen. Gemäß § 11 EKHG hänge die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang des Ersatzes von den Umständen, insbesonders davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verschuldet oder durch außergewöhnliche oder überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr verursacht wurde. Es komme nicht auf die Erbringung des Entlastungsbeweises nach § 9 EKHG an und müsse ein nicht allen Gegebenheiten voll Rechnung tragendes Verhalten nicht in jedem Fall zu einer Anspruchskürzung führen. Zu Unrecht hätten die Vorinstanzen dem Lenker des Klagsfahrzeuges eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 11,5 km/h angelastet, kausal sei nur eine solche von 7 bis 8 km/h gewesen. Diese Schutznormübertretung trete bei der Verschuldensteilung unter Beachtung der Grundsätze des § 11 EKHG dermaßen in den Hintergrund, daß sie bei der Schadensteilung außer Betracht zu bleiben habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Für die Bemessung der Mitverantwortung der geschädigten Beteiligten eines Unfalles kommt es gemäß § 11 Abs. 1 EKHG in erster Linie auf das Verschulden der Beteiligten an. Geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen begründen kein Verschulden oder sind gegenüber schwerem Verschulden des Unfallgegners zu vernachlässigen (Apathy, KommzEKHG, Rz 67 zu § 11). Je größer die Geschwindigkeitsüberschreitung, desto größer aber auch das Verschulden. Bei der Prüfung des Verschuldens des Lenkers des Klagsfahrzeuges ist daher nicht von der kausalen Geschwindigkeitsüberschreitung auszugehen, sondern von der absoluten. Der Lenker des Klagsfahrzeuges hat sohin die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 11,5 km/h - sohin um mehr als 16 % - überschritten. Es ist ständige Rechtsprechung, daß selbst die Überschreitung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 5 bis 10 km/h bei der Verschuldensteilung auch dann nicht mehr außer Betracht bleiben kann, wenn sie einer Vorrangsverletzung gegenübersteht. Umso weniger kann dies der Fall sein, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um mehr als 16 % überschritten wird (vgl. ZVR 1986/150). Die Vorschriften des EKHG ändern aber nichts daran, daß der Geschädigte die Verursachung seines Schadens durch das Kfz zu beweisen hat (ZVR 1989/108) und der Schädiger nachzuweisen hat, daß sich der Unfall auch bei rechtmäßigem Verhalten in gleicher Weise und mit gleich schweren Folgen ereignet hätte. Unklarheiten in dieser Richtung gehen zu Lasten des Schädigers (ZVR 1990/119 mwN). Diese dem Kläger obliegende Beweispflicht resultiert nicht aus der Bestimmung des § 9 EKHG, sondern auf dem allgemeinen Gedanken, daß im Zweifel der rechtswidrig Handelnde den Nachteil wegen der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens tragen soll (Reischauer in Rummel2 Rz 8 zu § 1311). Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Erstgerichtes erweist sich die von den Vorinstanzen vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten als zutreffend, sodaß dem Rechtsmittel des Klägers ein Erfolg zu versagen war.

Insoweit beruht die Entscheidung über die Kosten auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei von der vom Kläger vorgenommenen Bewertung des Zwischenfeststellungsantrags mit S 5.000,- auszugehen war; die Revision betrifft davon ein Viertel. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß:

Der Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, er ist ebenfalls nicht gegeben (§§ 528a, 510 Abs. 3 ZPO).

Zur Rechtsfrage vertritt der Kläger die Ansicht, im vorliegenden Fall scheine eine partielle Rechtskrafterstreckung der Entscheidung im Vorprozeß gerechtfertigt, weil es um eine begriffsnotwendige Einheitlichkeit einer Entscheidung eines mehreren Personen gemeinsamen Rechtsverhältnisses gehe. Im Verfahren zu 6 C 1392/89f des Bezirksgerichtes L***** sei bereits der Unfallshergang abschließend geklärt worden; nunmehr liege auch ein unbekämpfbares Urteil des Kreisgerichtes L***** zu 6 C 2524/91d vor, in welchem zwischen dem Lenker des Klagsfahrzeuges und den Beklagten dieses Verfahrens eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zugunsten des Lenkers vorgenommen worden sei. In diesem Verfahren sei der gleiche Sachverhalt wie im vorliegenden festgestellt worden. Es würde dem Gebot der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie grob zuwiderlaufen, wenn nunmehr neuerlich ein Sachverhalt ermittelt werden müßte, der von dem bereits rechtskräftig festgestellten abweiche. Es wäre für einen rechtlich nicht versierten Verfahrensbeteiligten wohl kaum verständlich, daß aus einem einzigen Sachverhalt mehrere verschiedene Urteile ableitbar wären. Überdies habe die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer ohnehin keinen Einfluß auf den Gang des Verfahrens, soweit es den Unfallshergang betreffe. Die vom Berufungsgericht angenommene Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens sei nicht gegeben, weshalb das Berufungsgericht zu Unrecht die Aufhebung des Ersturteiles verfügt habe.

Auch diese Ausführungen sind nicht zutreffend:

Zu unterscheiden ist zwischen dem Wiederholungsverbot der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung und deren Bindungswirkung. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung hat im Falle der Identiät des Anspruches und der Parteien zur Zurückweisung einer identischen oder bloß eine reine Negation des ersten Begehrens darstellenden Klage zur Folge (Fasching, LB2, Rz 1514 bis 1517). Demgegenüber äußert sich die Bindungswirkung darin, daß das Gericht zwar über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen, dabei aber die rechtskräftige Entscheidung zugrundezulegen hat (Fasching, aaO, Rz 1517; SZ 60/43 ua). Die Bindungswirkung ist dann anzunehmen, wenn zwar die Identität der Begehren zu verneinen ist, aber gewisse Fälle der Präjudizialität vorliegen. Hauptfall der Bindungswirkung ist es, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch für den neuen Anspruch Vorfrage ist, also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit neuer Klage begehrten Rechtsfolge gehört. Ein Sonderfall der Präjudizialität liegt vor, wenn die beiden Begehren nur deshalb miteinander unvereinbar sind, weil durch die Vorentscheidung die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für das neue Begehren verneint wurden, wenn also ein im Gesetz begründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht und dieser inhaltliche Zusammenhang so eng ist, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (1 Ob 576/92; JBl. 1990, 52; RZ 1989/96 ua).

Eine Bindungswirkung ist im vorliegenden Fall aber schon deshalb zu verneinen, weil die Rechtskraft nach der in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Auffassung - von den Fällen erweiterter und absoluter Rechtskraft abgesehen - grundsätzlich nur zwischen denselben Parteien wirkt (Fasching, aaO, Rz 1524; SZ 48/142 uva) und keine der nach der herrschenden Auffassung aus prozessualen oder aus materiellrechtlichen Gründen anzuerkennende Ausnahme von diesem Grundsatz - erweiterte Rechtskraftwirkung (siehe Fasching, aaO, Rz 1525 ff) - vorliegt (5 Ob 67/90). Jedenfalls aber können die Tatsachenfeststellungen der Vorprozesse, die das Gericht zur Gewinnung des für die Subsumtion erforderlichen Tatbestandes benötigte, nicht in Rechtskraft erwachsen (JBl. 1984, 489).

Es kann auch keinesfalls die in der Revision vertretene Ansicht, die drittbeklagte Haftpflichtversicherung habe keinen Einfluß mehr auf den Gang des Verfahrens, soweit es den Unfallshergang betrifft, geteilt werden. Selbst das im Haftpflichtprozeß gegen den Haftpflichtversicherten ergangene Urteil hat mit Rücksicht auf die Rechtsnatur und den Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrages die Bindungswirkung, daß die Ersatzpflicht des Versicherers nach Bestand und Betrag im Deckungsprozeß gegen den Versicherer nicth nachgeprüft werden darf, nur dann, wenn sich der Versicherer am Haftpflichtprozeß beteiligt hatte oder vergeblich zur Intervention aufgefordert worden war (ZVR 1991/20).

Der Rekurs des Klägers ist sohin nicht berechtigt.

Auf die in der Rekursbeantwortung aufgeworfene Frage der Spruchreife wegen Unzulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung ist nicht einzugehen, weil die übereinstimmende Bejahung der Zulässigkeit eines derartigen Zwischenantrages durch das Erstgericht und das Berufungsgericht, auch wenn sie formell nicht in Beschlußform zu erfolgen hat, zwei die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung bejahende Beschlüsse enthält und daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann (SZ 60/154 ua).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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