Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zum Thema des Befristungsmotivs als Voraussetzung des Ausnahmetatbestands der Befristung zur Erprobung gemäß § 10a MSchG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Die Revisionswerberin schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an und machte überdies geltend, dass das Berufungsgericht bezüglich des Abstellens auf das Befristungsmotiv von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei und gegen das Überraschungsverbot verstoßen habe. Die Klägerin habe auch nicht vorgebracht, dass die Befristung nicht zum Zweck der Arbeitserprobung erfolgt sei. Die Revisionsgegnerin bestritt demgegenüber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme, muss fallbezogen nicht gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Zum besseren Verständnis sei vorangestellt, dass die Klägerin ab 15. 10. 2007 bei der Beklagten angestellt war. Das Dienstverhältnis war auf drei Monate befristet, wobei das erste Monat als „Probezeit“ gemäß § 19 Abs 2 AngG vereinbart wurde. Für den Fall der Fortführung nach Ablauf von drei Monaten sollte das Dienstverhältnis in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergehen. Als die Klägerin vom Sohn des Geschäftsführers der Beklagten den schriftlichen Dienstvertrag erhielt und auf die darin vorgesehene Befristung aufmerksam wurde, hieß es, dass es sich um einen „Standardvertrag“ handle und das Dienstverhältnis nach Ablauf von drei Monaten in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergehe. Auch bei der Weihnachtsfeier 2007 wies der Geschäftsführer der Beklagten in seiner Ansprache darauf hin, dass man mit der Arbeit der Klägerin zufrieden sei und ab Jänner 2008 die Einschulung erfolgen werde. Am 8. 1. 2008 gab die Klägerin bekannt, dass sie schwanger sei, wovon sie am Vortag beim Frauenarzt erfahren hatte. Am 9. 1. 2008 wurde ihr von der Beklagten entgegen aller vorherigen Beteuerungen mitgeteilt, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht über die dreimonatige Befristung hinaus fortgeführt werde und daher am 14. 1. 2008 ende.
Im Revisionsverfahren geht es ausschließlich um die Frage der Hemmung des Ablaufs des befristeten Arbeitsverhältnisses der Klägerin gemäß § 10a Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG) bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots für werdende Mütter nach § 3 Abs 1 MSchG. Es geht hingegen nicht um allfällige Ansprüche der Klägerin nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG).
Nach § 10a Abs 1 MSchG, der ab 1. 1. 1993 durch das Arbeitsrechtliche Begleitgesetz (ArbBG), BGBl 1992/833, in das Mutterschutzgesetz 1979 eingefügt wurde, wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis - soweit hier relevant - zu dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MSchG gehemmt. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ArbBG ist zu entnehmen, dass der Grund für diese Regelung darin lag, die Umgehung des Mutterschutzes zu vermeiden. Immer häufiger wurden nämlich mit jungen Frauen befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, was dazu führte, dass diese Frauen infolge Zeitablaufs des Arbeitsverhältnisses und Nichterlangung eines neuen Arbeitsplatzes bei Schwangerschaft eine Reihe von Ansprüchen verloren. Daher wurde mit dem ArbBG für befristete Arbeitsverhältnisse eine Ablaufhemmung, ähnlich wie im Fall der Hemmung des Ablaufs der Beschäftigungsbewilligung für Ausländer, normiert (RV 735 BlgNR 18. GP 22 f).
Gemäß § 10a Abs 1 MSchG greift die Anordnung der Ablaufhemmung dann nicht ein, wenn die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist (Wolfsgruber in ZellKomm § 10a MSchG Rz 5 ua). Dies ist vom Dienstgeber zu behaupten und zu beweisen (8 ObA 51/02m; RIS-Justiz RS0115025 ua). Der Einwand der Revisionswerberin, die Klägerin habe die mangelnde Rechtfertigung der Befristung zur Arbeitserprobung nicht ausreichend eingewendet, geht daher ins Leere.
Eine sachliche Rechtfertigung der Befristung liegt gemäß § 10a Abs 2 MSchG dann vor, wenn diese im Interesse der Dienstnehmerin liegt, oder wenn das Dienstverhältnis für die Dauer der Vertretung an der Arbeitsleistung verhinderter Dienstnehmer, zu Ausbildungszwecken, für die Zeit der Saison oder zur Erprobung abgeschlossen wurde, wenn aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Die Beklagte stützte sich ausschließlich auf den letzten Grund, also den Abschluss eines Dienstverhältnisses zur Erprobung.
Zutreffend hob nun das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang hervor, dass es nach dem Inhalt des § 10a Abs 2 MSchG nicht nur darauf ankommt, dass „aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist“. Das Gesetz verlangt darüber hinaus ausdrücklich, dass das Dienstverhältnis „zur Erprobung“ abgeschlossen wurde. Damit geht § 10a MSchG klar erkennbar von einer bestimmten Zwecksetzung der Befristung aus. Nur so wird zum Schutz werdender Mütter sichergestellt, dass nur jene befristeten Dienstverhältnisse von der Ablaufhemmung nach § 10a Abs 1 MSchG ausgenommen werden, die ein bestimmtes zu berücksichtigendes Motiv verfolgen (vgl Ritzberger-Moser in DRdA 2001/41, 441 ua). Dass einem Dienstverhältnis „zur Probe“ eine bestimmte Zwecksetzung bzw ein bestimmtes Motiv des Dienstgebers, nämlich die „Erprobung“ des Dienstnehmers zugrundeliegt, ist nun aber keineswegs etwas Neues, sondern entspricht der Lehre (Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 95; Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 357; Löschnigg, Arbeitsrecht10 216; Trost in Löschnigg, AngG8 § 19 Erl 49; Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 19 Rz 144; Reissner in ZellKomm § 19 AngG Rz 54; Engelbrecht in Mazal/Risak, Arbeitsrecht Kap XVI Rz 102 ua) und Rechtsprechung (4 Ob 125/78, SZ 51/21; 9 ObA 365/89; 8 ObA 26/00g; 8 ObA 1/03k; RIS-Justiz RS0028263 ua). Der Auffassung, daraus könnte sich im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ergeben, kann daher nicht beigetreten werden. Es trifft auch nicht die Behauptung der Revisionswerberin zu, das Berufungsgericht sei mit der Prüfung des Vorliegens eines Erprobungsmotivs - bei einem von der Beklagten behaupteten Dienstverhältnis zur Erprobung - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen.
Wenn es in den einschlägigen Rechtssätzen zu Dienstverhältnissen zur Probe häufig heißt, das Motiv sei „rechtlich unerheblich“, dann geht dies auf einen Diskussions- und Meinungsstand zurück, der schon vor der Einführung des § 10a MSchG per 1. 1. 1993 datiert (vgl Löschnigg, Arbeitsrecht10 216; 9 ObA 365/89 ua). Durch die Einschränkung „rechtlich unerheblich“ sollte, wie den Ausführungen in den zitierten Belegstellen zu entnehmen ist, klar- bzw sichergestellt werden, dass das befristete Dienstverhältnis „zur Probe“ oder „zur Erprobung“ (Trost in Löschnigg, AngG8 § 19 Erl 49), dem unstrittig eine bestimmte Zwecksetzung zugrundeliegt, - im Gegensatz zum Dienstverhältnis „auf Probe“ - keiner besonders leichten Lösbarkeit unterliegt. In diesem Sinn ist daher das Motiv „zur Probe“ tatsächlich „rechtlich unerheblich“, dh dieses Motiv gibt dem Dienstgeber keine besonders leichte Lösbarkeit des Dienstverhältnisses. Durchaus „rechtlich erheblich“ ist das Motiv aber natürlich dort, wo das Gesetz wie eben in § 10a Abs 2 MSchG ausdrücklich darauf abstellt, dass es sich nicht um irgendein befristetes Dienstverhältnis, sondern (soweit hier relevant) um ein Dienstverhältnis „zur Probe“ oder „zur Erprobung“ handelt.
Der Auffassung der Revisionswerberin, sie sei von der Frage des Motivs „zur Erprobung“ unzulässigerweise überrascht worden, kann nicht beigetreten werden. Wie schon ausgeführt, trifft den Dienstgeber die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgte. Berief sich nun die Beklagte auf die Vereinbarung eines Dienstverhältnisses „zur Erprobung“, dann kann sie nicht ernsthaft durch die Erörterung der Frage überrascht werden, ob hier tatsächlich ein solches vorlag. Ob dies der Fall war, hängt im Übrigen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (8 ObA 288/95, DRdA 1996/48 [Knöfler] ua) und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage (8 ObA 102/04i ua). Verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zur Erprobung iSd § 10a Abs 2 MSchG, so ist dies in Anbetracht des Sachverhalts nicht zu beanstanden. Der Klägerin wurde weder bei Vertragsabschluss noch beispielsweise bei der späteren Weihnachtsfeier vermittelt, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses von einer dreimonatigen Erprobung abhängig sei. Im Gegenteil, im Dienstvertrag war nur bezüglich des ersten Monats ausdrücklich von einer Probezeit die Rede. Solange man auf Beklagtenseite von der Schwangerschaft der Klägerin nichts wusste, ging man von einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses aus. Während der ersten drei Monate wurde die Klägerin nur mit verhältnismäßig einfachen Tätigkeiten befasst, die keiner dreimonatigen Erprobung bedurft hätten. Die Klägerin wurde nur einen Tag eingeschult; es hieß, sie solle das machen, was sie könne, die „richtige“ Einschulung beginne erst im Jänner 2008. Ob aufgrund der für die vorgesehene Verwendung der Klägerin erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, weil das Berufungsgericht vertretbar davon ausging, dass das Dienstverhältnis der Klägerin nicht zur Erprobung iSd § 10a Abs 2 MSchG abgeschlossen wurde. Der Fall der Klägerin unterstreicht einmal mehr, dass sich ohne die Regelung des § 10a Abs 1 MSchG genau jenes Risiko für junge Frauen verwirklicht hätte, das den Gesetzgeber im Jahr 1992/93 zur Einführung der Regelung bewogen hat (vgl RV 735 BlgNR 18. GP 22 f).
Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).
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