OGH 7Ob201/09y

OGH7Ob201/09y21.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien T***** L*****, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei D***** Versicherung AG *****, vertreten durch Dr. Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 7.743,94 EUR samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. April 2009, GZ 53 R 68/09w-36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2008, GZ 34 C 1253/06m-32, über Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Strittig ist im Revisionsverfahren (nur mehr) die schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten als Kaskoversicherer, die vom Berufungsgericht verneint wurde.

Der Kläger erachtet sie (zusammengefasst) aus folgenden Gründen als gegeben und erblickt darin mangels dazu vorliegender höchstgerichtlicher Judikatur eine erhebliche Rechtsfrage: Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige habe dieser die Empfehlung gegeben, nach Demontage der zerstörten Kabine des beschädigten Traktors mit der Reparaturwerkstätte Kontakt aufzunehmen, um eventuell dann zu Tage getretene weitere Beschädigungen vor Fertigstellung der Reparatur abzuklären. Da im Rahmenvertrag zum Versicherungsvertrag vereinbart worden sei, dass der Schaden vor Reparaturbeginn von der Versicherung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen besichtigt werden müsse, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, eine Nachbesichtigung „anzuordnen“; die Beklagte habe auch die versicherungsvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflicht getroffen, entweder den Kläger als Geschädigten oder die von ihm beauftragte Reparaturwerkstätte von der Empfehlung des Sachverständigen zu informieren.

Das Berufungsgericht änderte nach Zulassungsvorstellung seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision ab, weil sich erhebliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht des Versicherers nach § 62 VersVG zum Inhalt und Umfang dabei gegebener Schutz- und Sorgfaltspflichten stellen würden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - aus folgenden Gründen nicht zulässig.

1.1. Der Kläger leitet die von ihm unterstellte Verpflichtung der Beklagten zur Nachbesichtigung aus der zum vorliegenden Versicherungsvertrag abgeschlossenen Rahmenvereinbarung ab. Schon die Formulierung der Sonderbedingung, dass der Schaden „vor Reparaturbeginn“ besichtigt werden müsse, lässt ihren Zweck, nämlich die Deckungspflicht des Versicherers eigenständig und unmittelbar beurteilen zu können, zweifelsfrei erkennen; es wird damit der Versicherungsnehmer angehalten, die Reparatur nicht vor der Besichtigung beginnen zu lassen, jedoch keine Verpflichtung des Versicherers zugunsten des Versicherten normiert, auch in dessen Interesse eine Begutachtung vornehmen zu lassen. Dem Berufungsgericht, das in der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen des Versicherers als vordergründig ansah, ist damit ebenso wenig eine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen, wie mit dem Hinweis darauf, dass es dem Kläger als Versicherten obliegt, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls und damit auch die Höhe des Schadens zu beweisen; das entspricht nämlich der ständigen Judikatur (RIS-Justiz RS0080003; RS0043438; RS0043563).

1.2. Zutreffend ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, aus § 62 Abs 1 VersVG ergebe sich nur die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, beim Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen. Eine erhebliche Rechtsfrage ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu beantworten (vgl RIS-Justiz RS0042656), weil nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung eine Verpflichtung des Versicherers, Weisungen zu erteilen, nicht vorgesehen ist; diese Ansicht entspricht auch der einhelligen Lehre (Beckmann in Berliner Kommentar, § 62 VersVG Rz 31; Beckmann in Versicherungsrechts-Handbuch § 15 Rz 50 mwN; Voit/Knappmann in Prölss/Martin VersVG27 § 62 Rz 24 f).

1.3. Die Verneinung einer Verpflichtung der Beklagten zur Nachbesichtigung des Traktors nach Demontage der Kabine durch die zweite Instanz hält sich daher im Rahmen der dargestellten Grundsätze der Judikatur sowie des klaren Gesetzeswortlauts und bedarf deshalb keiner Korrektur.

2. Der Umfang vertraglicher Nebenpflichten hängt weitgehend vom Einzelfall ab (7 Ob 185/99b = RIS-Justiz RS0044358 [T16]); wann eine Aufklärungspflicht des Vertragspartners besteht, stellt jeweils eine Frage des Einzelfalls dar, der nicht die in § 502 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0111165). Auch die Beurteilung, ob der das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben eine Aufklärung des Versicherungsnehmers durch den Versicherer erfordert (vgl RIS-Justiz RS0018055; RS0125555), ist typisch von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägt (7 Ob 97/01t).

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem vom Kläger mit der Reparatur des beschädigten Traktors beauftragten Werkunternehmer (auch) obliegt, den eingetretenen Schaden festzustellen und den notwendigen Reparaturaufwand zu ermitteln. Es hat damit erkennbar angesprochen, dass die Aufklärungspflicht an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Vertragspartners endet (vgl RIS-Justiz RS0016390), weshalb die Beklagte davon ausgehen konnte, allfällige (nach dem Gutachten ohnehin „nur in geringem Umfang - wenn überhaupt - zu erwartende“) weitere Schäden würden bei Durchführung der Reparatur in einer Fachwerkstätte, die den Ersatz der zerstörten Kabine erforderte, von dieser wahrgenommen werden. Dass die Beklagte erkennen hätte müssen, ein Haarriss im Getriebe könne von (den Mitarbeitern) der Fachwerkstätte nicht erkannt werden, lässt sich den Feststellungen des Erstgerichts nicht entnehmen.

Dass eine nebenvertragliche Aufklärungspflicht des Versicherers über die Möglichkeit der Entdeckung weiterer Schäden des Traktors in zerlegtem Zustand mangels Erkennbarkeit der Gefährdung der Interessen des Klägers verneint wurde, stellt unter diesen Umständen jedenfalls keine aufzugreifende Verkennung der Rechtslage dar.

3. Mangels Hinweises auf die Unzulässigkeit der Revision hat die Beklagte die Kosten ihrer (somit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienenden) Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.

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