OGH 1Ob3/10p

OGH1Ob3/10p20.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Bettina M*****, und 2. Matthias M*****, beide *****, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Mag. Silvia S*****, und 2. Mag. Gustav S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Rückabwicklung eines Kaufvertrags (Streitwert 24.000 EUR), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2009, GZ 4 R 180/09s-36, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. April 2009, GZ 14 Cg 145/07d-31, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Kläger begehrten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine in Innsbruck gelegene Eigentumswohnung. Sie seien je zur Hälfte Erben nach ihrer Großmutter. Diese habe mehr als zwei Jahre vor ihrem Tod die damals in ihrem Eigentum stehende Wohnung je zur Hälfte an die Beklagten verkauft. Der vereinbarte Kaufpreis habe jedoch nicht einmal der Hälfte des wahren Werts entsprochen. Allein die Gewährung zinsenloser Ratenzahlung des Kaufpreises über 10 Jahre führe zu einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Eine teilweise (gemischte) Schenkung liege nicht vor.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Großmutter der Kläger habe gewusst, dass die Wohnung etwa 30.000 EUR wert sei, sei aber dennoch bereit gewesen, ihnen die Wohnung zu schenken. Schließlich habe sie sich mit einem Kaufpreis von 24.000 EUR einverstanden erklärt. Es handle sich um eine gemischte Schenkung, wehalb die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts ausgeschlossen sei. Die Kaufvertragsparteien hätten zudem auf eine Anfechtung wegen einer solchen Verkürzung verzichtet. Überdies sei das nicht auf Rechtsgestaltung gerichtete Klagebegehren verfehlt und sei der Klageanspruch verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Großmutter der Kläger war Eigentümerin von Anteilen an einer in Innsbruck gelegenen Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an einer Dachgeschosswohnung verbunden war. Diese stand leer und war ohne Sanierung nicht vermietbar. Um die Zahlung weiterer Betriebskosten zu vermeiden, bot die Großmutter der Kläger im Jahr 2003 die Wohnung dem Zweitbeklagten, mit dem sie bekannt war, zum Kauf an. Als dieser kein Interesse zeigte, wollte sie ihm die Wohnung schenken. Dies lehnte der Zweitbeklagte ab. Er veranlasste aber die Besichtigung der Wohnung durch einen im Immobilienbereich tätigen Bekannten, der den Verkehrswert mit (umgerechnet) 21.800 EUR bis 29.000 EUR schätzte. Die zu erwartenden Sanierungskosten wurden mit etwa 100.000 EUR beziffert. Dies teilte der Zweitbeklagte der Großmutter der Kläger mit. Als sie ihm neuerlich die Schenkung der Wohnung anbot, erklärte er, er werde einen allfälligen Ankauf mit seiner Ehegattin (der Erstbeklagten) besprechen und die Finanzierung abklären. Am 1. April 2004 schloss die Großmutter der Kläger mit den Beklagten einen Kaufvertrag, womit sie diesen ihre Liegenschaftsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum, je zur Hälfte gegen Zahlung von 24.000 EUR, zahlbar in monatlichen Raten von 200 EUR von April 2004 bis März 2014, übertrug. Laut Vertragspunkt VI. verzichteten alle Vertragsteile - "sofern zulässig“ - auf die Anfechtung des Vertrags "wegen Irrtums, List oder einem sonstigen Grund bzw dergleichen Einreden“. Tatsächlich betrug der Verkehrswert der Eigentumswohnung zum 1. April 2004 60.900 EUR. Die Großmutter der Kläger verstarb am 23. August 2006. In ihrem Testament hatte sie zu ihren Erben die Kläger (je zur Hälfte) eingesetzt. Am 10. Jänner 2007 wurde für die damals noch mj Erstklägerin ein Kollisionskurator und am 16. Februar 2007 wurde der Zweitkläger zum Verlassenschaftskurator bestellt. Der Einantwortungsbeschluss erging am 1. August 2007. Mit Schreiben vom 31. August 2007 forderten die Kläger die Beklagten auf, binnen 14 Tagen der Rückabwicklung des Kaufvertrags durch Unterfertigung der Aufsandungserklärung zuzustimmen. Am 5. Oktober 2007 brachten sie die vorliegende Klage ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Großmutter der Kläger sei der wahre Wert der Wohnung bei Kaufvertragsabschluss nicht bekannt gewesen. Für die Annahme einer gemischten Schenkung fehle es an den subjektiven Voraussetzungen des Schenkungstatbestands, zumal der Zweitbeklagte eine Schenkung stets abgelehnt habe. Verjährung sei nicht eingetreten, da § 1494 ABGB analog auf den ruhenden Nachlass anzuwenden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beklagten hätten den ihnen obliegenden Beweis des Vorliegens eines der in § 935 ABGB aufgezählten Ausnahmetatbestände nicht erbracht. Die Großmutter der Kläger sei bei Kaufvertragsabschluss nicht in Kenntnis der wahren Wertverhältnisse gewesen. Selbst wenn sie sich bewusst auf ein "Verlustgeschäft“ eingelassen haben sollte, sei die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nicht ausgeschlossen, weil sich nachträglich eine noch größere Abweichung vom wahren Wert herausgestellt habe, die zur Hälftewertüberschreitung führe. Eine (gemischte) Schenkung liege nicht vor. Ob eine solche gegeben sei, könne nicht allein danach beurteilt werden, dass der Empfänger des Vermögenswerts mangels Erbringung einer äquivalenten Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert sei. Vielmehr müssten sich beide Vertragspartner des doppelten Charakters des Geschäfts als teilweise entgeltlich und teilweise unentgeltlich bewusst gewesen sein, beide die teilweise Unentgeltlichkeit des Übereignungsvorgangs gewollt und dies auch erkennbar zum Ausdruck gebracht haben. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil feststehe, dass sich die Beklagten die Wohnung nicht schenken lassen wollten, sodass ein gemeinsames Schenkungsbewusstsein auszuschließen sei. Demnach sei die Anfechtung des Kaufvertrags wegen Verkürzung über die Hälfte möglich. Verjährung sei nicht eingetreten, weil § 1494 ABGB analog auf den ruhenden Nachlass in der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der Bestellung eines Nachlasskurators anzuwenden sei. Jedenfalls für die hier zur Anwendung gelangende dreijährige Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB gelte die zweijährige Frist des § 1494 ABGB. Die Erhebung eines Rechtsgestaltungsbegehrens auf Unwirksamerklärung des Kaufvertrags sei nicht erforderlich. Die Kläger könnten das Anfechtungsrecht auch in der Form wahrnehmen, dass sie unter Behauptung der Ungültigkeit des Geschäfts auf Rückübertragung der Liegenschaftsanteile sowie auf Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechts zu ihren Gunsten klagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch - nicht zulässig.

1.) Zur gemischten Schenkung:

Gemäß § 935 ABGB ist die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte ua dann ausgeschlossen, wenn aus dem Verhältnis der Personen zu vermuten ist, dass sie einen aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen vermischten Vertrag schließen wollten. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine gemischte Schenkung neben dem objektiven Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auch das Einverständnis der Vertragspartner über die teilweise Unentgeltlichkeit voraus (RIS-Justiz RS0019356). Entscheidend ist, ob die vereinbarte Gegenleistung als volles Entgelt angesehen wurde oder ob darin nach dem Parteiwillen zumindest teilweise ein Akt der Freigiebigkeit gelegen sein sollte bzw die Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollten (RIS-Justiz RS0019293; RS0024117). Dabei reicht es aus, dass dieser Wille aus den Umständen des Einzelfalls erschließbar ist (1 Ob 309/98t mwN; 8 Ob 48/09f). Nicht jeder für den Käufer "gute“ Kauf bedeutet aber schon einen unentgeltlichen Schenkungsteil (6 Ob 175/01f).

Dass der Zweitbeklagte nicht beabsichtigte, die Eigentumswohnung teilweise geschenkt zu erhalten, ergibt sich unzweifelhaft aus den vom Berufungsgericht übernommenen erstinstanzlichen Feststellungen, wonach er die Annahme einer Schenkung ausdrücklich ablehnte. Die Tatsachenfeststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen einer gemischten Schenkung sind aber der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (RIS-Justiz RS0019229). In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, dass gegen die Annahme einer teilweisen Schenkung gewiss spricht, dass der Zweitbeklagte den ungefähren Verkehrswert der Wohnung ermitteln ließ und sich in diesem Rahmen der dann vereinbarte Kaufpreis hielt. Über diese Feststellungen setzen sich die Revisionswerber hinweg, wenn sie nunmehr vorbringen, in Wahrheit (doch) den teilweise unentgeltlichen Erwerb der Wohnung angestrebt zu haben. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt entspricht das von den Vorinstanzen aus den konkreten Umständen des Einzelfalls abgleitete Ergebnis, es liege keine gemischte Schenkung vor, den gesetzlichen Grundsätzen und der Logik, sodass keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO gegeben ist.

2.) Zur Fassung des Klagebegehrens:

Das Recht zur Aufhebung eines Vertrags aus den Gründen des § 934 ABGB ist ein Gestaltungsrecht (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 934 Rz 7). Nach einem Teil der älteren Rechtsprechung wurde zunächst ein auf Aufhebung des Vertrags gerichtetes Rechtsgestaltungsbegehren deshalb gefordert, weil die Vertragsaufhebung anders nicht herbeigeführt werden könne (siehe nur 2 Ob 575/90). Es wurde aber auch schon früher die Ansicht vertreten, dass der Irrende seinen Anfechtungsanspruch dadurch gerichtlich geltend machen könne, dass er unter Behauptung der Ungültigkeit des Geschäfts auf Rückstellung der von ihm bewirkten Leistung klagt (5 Ob 8/63 = SZ 36/22; Fasching, Urteilsmäßige Rechtsgestaltung im Zivilprozess, in JBl 1975, 513 [515]). Nach der neueren Rechtsprechung muss die Rechtsgestaltungswirkung nicht unbedingt in einem Rechtsgestaltungsklagebegehren ihren Niederschlag finden (3 Ob 20/97f; 4 Ob 88/03z). Selbst wenn nur die Rückzahlung eines Betrags aus dem Rechtsgrund des § 934 ABGB begehrt wird, wird der Vertrag mit der Rechtskraft des stattgebenden Urteils aufgehoben (4 Ob 88/03z). Gegenteilige jüngere Entscheidungen liegen nicht vor. Auch bei der Gläubigeranfechtung ist ständige Rechtsprechung, dass das Fehlen eines Rechtsgestaltungsbegehrens das bloße Leistungsbegehren nicht unschlüssig macht (1 Ob 655/86 = SZ 59/216; RIS-Justiz RS0064373).

Soweit das Berufungsgericht davon ausging, das auf Rückübereignung gerichtete Klagebegehren sei nicht zu beanstanden, weicht es sohin von der ständigen (neueren) Rechtsprechung nicht ab.

3.) Zur Verjährung:

Nach § 1494 ABGB, kann die Verjährungszeit gegen solche Personen, welche mangels einer erforderlichen gesetzlichen Vertretung zur Verwaltung ihrer Rechte nicht fähig sind, nie früher als zwei Jahre nach Aufhebung des Hindernisses vollendet werden. Nach herrschender Rechtsprechung wird diese Regelung auf den unvertretenen Nachlass analog angewendet (RIS-Justiz RS0034619; zuletzt 8 Ob 41/06x). Dies wird damit begründet, dass der Zweck des § 1494 ABGB darin liege, den handlungsunfähigen Gläubiger vor der Gefahr eines Rechtsverlusts durch Verjährung zu schützen, was auch auf den unvertretenen Nachlass zutreffe.

Den kritischen Stimmen in der Literatur (Graf, Wider die Anwendung des § 1494 ABGB auf den unvertretenen Nachlass, in JBl 1997, 562; Eypeltauer in JBl 1990, 115) wurde dahin Rechnung getragen, dass bei kurzen Verjährungsfristen - etwa im Zusammenhang mit der 14-tägigen Frist des § 569 ZPO - wegen des Missverhältnisses zwischen Frist und Fristverlängerung eine Einschränkung der Zweijahresfrist des § 1494 ABGB geboten erscheine. Diese solle nach Wegfall des Hinderungsgrundes nur als Höchstfrist angesehen werden (1 Ob 412/97p = SZ 71/87). Es sei im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, welche Zeit der neu bestellte gesetzliche Vertreter zumutbarerweise benötige, um sich mit seiner Aufgabe vertraut zu machen und entsprechende Schritte zu unternehmen. Im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Vertragspartners sei eine Frist von sechs Monaten für diesen Zweck als Richtschnur im Allgemeinen ausreichend (1 Ob 412/97p; 2 Ob 276/98x).

In der Folge kehrte jedoch die Entscheidung 5 Ob 212/04v = (SZ 2004/154) - jedenfalls für den Bereich der dreijährigen Frist des § 1487 ABGB - zur Zweijahresfrist des § 1494 ABGB zurück. Wenngleich im Fall der 14-tägigen Frist des § 569 ZPO das Missverhältnis zwischen Frist und Fristverlängerung auf der Hand liege und dort eine Einschränkung vorzunehmen gewesen sei, treffe dies auf Fristen nicht zu, deren Dauer zwei Jahre überschreite, wie zB die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB. Es sei wenig überzeugend, die Analogie zu § 1494 ABGB zu bejahen, die Zweijahresfrist aber nicht anzuwenden. Im Interesse der Rechtssicherheit sei überdies generell einer bestimmten gegenüber einer unbestimmten, von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Verjährungsfrist der Vorzug zu geben.

Dieser Entscheidung folgte schließlich der 8. Senat (8 Ob 41/06x). Die Zweijahresfrist sei aus Gründen der Rechtssicherheit im Allgemeinen schon deshalb heranzuziehen, um eine klare Orientierung zu ermöglichen. Fällt der Hinderungsgrund - etwa durch Bestellung eines gesetzlichen Vertreters - weg, kann im Fall der Verjährungsfrist des § 1487 ABGB die Frist frühestens nach Ablauf von zwei Jahren enden (Dehn in KBB2, § 1494 Rz 2 mwN).

Damit steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang: Bei Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, die mit Abschluss des Kaufvertrags am 1. April 2004 zu laufen begann (6 Ob 1579/90). Die Großmutter der Kläger verstarb innerhalb dieser Frist am 23. August 2006. Ihr Nachlass war erst seit der Bestellung eines Verlassenschaftskurators am 16. Februar 2007 ordnungsgemäß vertreten. Die am 5. Oktober 2007 eingebrachte Klage wurde somit innerhalb der Zweijahresfrist des § 1494 ABGB erhoben.

Dies führt zur Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

Da die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend machten, sind Kosten für die Revisionsbeantwortung nicht zuzusprechen (RIS-Justiz RS0035979; RS0035962).

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