OGH 1Ob655/86

OGH1Ob655/863.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut S***, Rechtsanwalt, Wiener Neustadt, Kollonitschgasse 10, als Masseverwalterstellvertreter im Konkurs über das Vermögen der Fa. Hans J. H*** Gesellschaft m.b.H., Lichtenwörth, Nadelburg, wider die beklagte Partei Ö*** L*** AG, Filiale Wiener

Neustadt, Wiener Neustadt, Neunkirchnerstraße 12, vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer und Dr. Wolfgang Putz, Rechtsanwälte in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert S 11,382.219,30 s.A.) infolge Revision der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. April 1986, GZ. 11 R 270/85-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 22. Juli 1985, GZ. 3 Cg 752/83-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren des Inhalts, die Zessionen lt. den Zessionsurkunden vom 23. November 1982 und vom 13. Februar 1982 im Betrag von S 1,305.100 seien den Gläubigern im Konkurse der Firma Hans J. H*** Gesellschaft mbH gegenüber unwirksam (Punkt I/1 lit a bis d des Urteils des Berufungsgerichtes), abgewiesen wird.

Der Revision der klagenden Partei wird, insoweit sie sich gegen die Abweisung des Begehrens auf Ausspruch der Unwirksamkeit weiterer Zessionen im Gesamtbetrag von S 10,077.119,30 wendet (Punkt II/1 lit e bis u des Urteils des Berufungsgerichtes), nicht Folge gegeben;

2) den Beschluß gefaßt:

Im übrigen wird in weiterer Stattgebung der Revision der beklagten Partei das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit, als es die beklagte Partei schuldig erkannte, der klagenden Partei den Betrag von S 1,305.100 s.A. zu bezahlen, und in Stattgebung der Revision der klagenden Partei das Urteil des Berufungsgerichtes und des Erstgerichtes, insoweit das Begehren auf Zuspruch von weiteren S 10,077.119,30 s.A. abgewiesen wurde, aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung zurückzuverwiesen. Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen sein.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma Hans J. H*** Gesellschaft mbH (im folgenden: Firma H***) wurde im Jahre 1973 mit einem Stammkapital von S 1,400.000 gegründet. Mit Schreiben vom 14. Jänner 1980 räumte die beklagte Bank, die als Bevollmächtigte der Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H. Wien auftrat, der Firma H*** einen Exportfonds-Rahmenkredit in der Höhe von S 2,000.000 mit einer Laufzeit bis 15. Jänner 1981 ein. Mit Schreiben vom 7. Mai 1981 wurde unter Nr. 72.392 der Firma H*** ein weiterer Exportfondskredit in gleicher Höhe bis auf weiteres eingeräumt. Mit dem Schreiben der beklagten Partei vom 14. Juni 1982 wurde unter Nr. 73.862 der Firma H*** ein neuerlicher Exportfondskredit von S 2,000.000 eingeräumt; die Kreditzusage hatte bis 15. April 1983 Geltung. Die Kredite konnten revolvierend durch Einreichung von auf Schilling lautenden Akzepten der Firma H*** ausgenützt werden.

Mit Schreiben vom 12. Juni 1981 prolongierte die beklagte Partei der Firma H*** eingeräumte Kredite von S 3,5 Millionen (Barkredit I) und S 2,5 Millionen (Barkredit II) bis zum 3o. September 1981. Zur Besicherung dieser Kredite waren u.a. die Übergabe von Warenwechseln zum Diskont und die Einräumung einer Hypothek über S 3,000.000 ob der EZ 1614 und 2366 KG Lichtenwörth vorgesehen. Mit Schreiben der beklagten Partei vom 23. Juni 1982 wurde dieser Kredit bis 30. September 1982 prolongiert. Zugleich wurde vereinbart, daß die bereits bestellte Hypothek über S 3,000.000 ob den EZ 1614 und 2366 KG Lichtenwörth sowie eine weiteren Hypothek über S 4,000.000 ob den Liegenschaften EZ 1614, 2366 und 791 KG Lichtenwörth zur Besicherung der Forderung dienen sollten. Zur weiteren Sicherstellung verpflichtete sich die Firma H***, alle Fakturenforderungen gegen der beklagten Partei genehme Drittschuldner an die beklagte Partei abzutreten; unter der Voraussetzung, daß die Buchhaltung der Firma H*** stets a jour gehalten wurde, sollten die Zessionen vorerst als stille Zessionen geführt werden. Direkt bei der Firma H*** eingehende Zahlungen aus zedierten Forderungen waren vereinbarungsgemäß auf das bei der beklagten Partei geführte Konto der Firma H*** einzuzahlen. Die Firma H*** verpflichtete sich weiters, für die Dauer des Kreditverhältnisses ihren Geldverkehr ausschließlich über die beklagte Partei abzuführen, der beklagten Partei jederzeit Einblick in die Bücher zu gewähren, alle wünschenswerten Aufschlüsse über die rechtliche, wirtschaftliche und finanzielle Situation zu geben und u. a. von größeren Verlusten der beklagten Partei Mitteilung zu machen. Mit Schreiben vom 24. September 1982 wurde die Laufzeit des der Firma H*** eingeräumten Kredits unter gleichen Bedingungen bis 30. November 1982 prolongiert; eine weitere Prolongation war nach Vorlage der Bilanz zum 30. April 1982 vorgesehen. Die Kreditvereinbarungen sahen unbeschadet der Kreditlaufzeit die Möglichkeit jederzeitiger Lösung des Kreditverhältnisses vor. Die Firma H*** zedierte der beklagten Partei zur Besicherung der eingeräumten Kredite nachfolgende Forderungen:

1. zur Besicherung des auf Konto 333-138-953/00 eingeräumten Kredits

Betrag:

13.12.1982 S 171.795,--

23.11.1982 S 515.956,--

11.11.1982 S 500.668,--

2.11.1982 S 818.596,--

7.10.1982 S 967.282,--

6.9.1982 S 343.752,--

29.7.1982 S 253.178,--

2. zur Besicherung des auf Konto Nr. 333-138-953 eingeräumten

Kredits

15.7.1982 S 114.696,--

5.7.1982 S 902.001,--

3. zur Besicherung des auf Konto Nr. 333.138-953/00 eingeräumten

Kredits und des Exportkredits Nr. 73.862

13.12.1982 S 110.416,--

23.11.1982 S 506.933,--

11.11.1982 S 318.873,--

2.11.1982 S 399.553,--

7.10.1982 S 734.805,--

22.9.1982 S 531.645,--

6.9.1982 S 338.943,--

26.8.1982 S 434.815,--

29.7.1982 S 341.083,--

29.7.1982 S 1,055.047,--

15.7.1982 S 309.531,--

5.7.1982 S 1,712.631,30.

Am 25. März 1982 wurde vom Bezirksgericht Wiener Neustadt zu E 2331/82 zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung der Gemeinde Lichtenwörth von S 661.959,60 die Fahrnispfändung bewilligt und am 29. März 1982 der Verkauf angeordnet. Das Verfahren wurde am 8. April 1982 zum Teil gemäß § 39 Z 6 EO, zum Teil gemäß den §§ 200, 282 EO eingestellt. Weitere Pfändungen zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen der NÖ. Gebietskrankenkasse von S 234.420,11 und S 229.406,51 erfolgten am 10. November bzw 24. November 1982. Das Finanzamt Wiener Neustadt nahm zur Hereinbringung vollstreckbarer Abgabenforderungen von S 169.177 bzw. S 1,286.439,35 am 23. Juli 1982 Pfändungen vor.

In der Bilanz der Firma H*** für das Wirtschaftsjahr 1981/1982 zum 30. April 1982 sind die Verluste bzw. Gewinne für die Wirtschaftsjahre seit der Gründung der Gesellschaft wie folgt ausgewiesen:

Verlust 1973 S 2,776.067,83

Verlust 1974 S 2,873.390,24

Gewinn 1975 S 552.666,37

Verlust 1976 S 636.221,67

Gewinn 1977 .1 S 1,858.244,65

Gewinn 1977 .2 S 759.643,26

Verlust 1978 S 91.389,67

Verlust 1979 S 1,540.892,--

Verlust 1980 S 586.197,67

Verlust 1981 S 90.610,46

Verlust 1982 S 4,667.208,45.

Vor der Konkurseröffnung erzielte die Firma H*** Umsätze in der Größenordnung von 30 bis 40 Millionen Schilling jährlich. Über das Vermögen der Firma H*** wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14. Dezember 1982, S 79/82, der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 19. April 1983 gemäß § 85 KO zum Stellvertreter des Masseverwalters Dr. Norbert Kosch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, bestellt. In der am 17. Oktober 1983 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von S 11,382.219,30 s.A. zu bezahlen. Die Firma H*** sei zumindest seit 30. April 1982 zahlungsunfähig gewesen, das Wirtschaftsjahr zum 31. April 1982 habe bei einem Stammkapital der Gesellschaft von S 1,4 Millionen mit einem Verlust von S 5,2 Millionen abgeschlossen. In der Zeit vom 1. Mai 1982 bis 31. Oktober 1982 seien weitere Verluste eingetreten, so daß der Status zum 31. Oktober 1982 eine Überschuldung von S 13,583.000 ergeben habe. Die Firma H*** habe der beklagten Partei als Hausbank in der Zeit vom 5. Juli 1982 bis 13. Dezember 1982 zur Sicherstellung bzw. Zahlung eingeräumter Kredite Forderungen zediert. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte die beklagte Partei die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Firma H*** erkennen müssen, zumal die Hauptursache für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der hohe Anteil an Fremdkapital gewesen sei. Die Zahlungsunfähigkeit habe der beklagten Partei auch deshalb bekannt sein müssen, weil die Firma H*** seit Beginn des Jahres 1982 nicht mehr in der Lage gewesen sei, Löhne und Gehälter pünktlich zu bezahlen, und hiefür regelmäßig die Hilfe der beklagten Partei habe in Anspruch nehmen müssen. Gegen die Firma H*** seien auch Exekutionen zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen geführt worden. Die angeführten Zessionen würden daher gemäß den §§ 30 Abs. 1 Z 1 und 31 Abs. 1 Z 2 KO angefochten. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. August 1984 wurde das Klagebegehren dahin ergänzt, daß die in der Klage im einzelnen angeführten Zessionen den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen der Firma H*** gegenüber unwirksam seien.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung seien ihr gegen die Firma H*** Forderungen in der Höhe von S 19,479.956,27 zugestanden; auf Konto 333-138-953/00 habe ein Betrag von S 6,799.471,68 und aus dem gewährten Exportfondskredit ein Betrag von S 2,000.000 ausgehaftet. Die Zessionen stünden nur mit diesen Krediten in Zusammenhang. Der Barkredit über insgesamt S 6,000.000 sei in der Kreditvereinbarung vom 12. Juni 1981 mit einer Laufzeit bis 30. September 1981 verbrieft gewesen und in der Folge bis Juni 1982 in Schwebe gehalten worden. Der Exportfondskredit sei der Firma H*** durch Abrechnung und Prolongierung eines Finanzwechsels am 16. Februar 1980 gewährt worden. Auf die der beklagten Partei abgetretenen Forderungen hätten die Drittschuldner Zahlungen in der Höhe von insgesamt S 1,856.467,55 geleistet, davon S 649.437,94 vor Konkurseröffnung und S 398.155,30 nach Konkurseröffnung. Auf den Exportförderungskredit seien aus Zessionen vor Konkurseröffnung S 561.641,62 und nach Konkurseröffnung S 247.232,69 eingegangen. Die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Firma H*** sei der beklagten Partei im Zeitpunkt der Hereinnahme der Zessionen nicht bekannt gewesen. Die bloße Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit der Überschuldung reiche zur Erfüllung des Anfechtungstatbestandes nach § 31 KO nicht aus. Die Bilanz der Firma H*** zum 30. April 1982 sei der beklagten Partei erst am 18. November 1982 zugekommen. Diese Bilanz habe eine Überschuldung von S 8,337.000 ausgewiesen. Die Bilanzvorlage sei zum Anlaß von Gesprächen mit der Geschäftsleitung genommen worden; dabei seien Sanierungsmaßnahmen, insbesondere der schwedischen Mutterfirma AB T***, erörtert worden. Erst die auf Grund der Vorlage der Bilanz und der nachfolgenden Gespräche veranlaßte Buchprüfung habe für die beklagte Partei die Erkenntnis gebracht, daß die Firma H*** zum 31. Oktober 1982 zahlungsunfähig gewesen sein dürfte, was der beklagten Partei aber nicht vor dem 3. Dezember 1982 bekannt geworden sei. Die der Kreditgestion bis zur Vorlage der Bilanz vom 30. April 1982 zugrundegelegte Bilanz vom 30. April 1981 habe zwar eine Überschuldung von S 3,3 Millionen aufgewiesen, doch wäre jedenfalls bei Bewertung der Betriebsliegenschaft und des Betriebsgebäudes nach den Fortführungswerten (going concern) keine Überschuldung gegeben gewesen. Die Zessionen für die Kredite seien auch Zug um Zug gegen die Kreditgewährung hereingenommen worden, so daß ein anfechtbares Deckungsgeschäft nicht vorliege. Selbst wenn eine gewöhnliche Sicherstellung anzunehmen wäre, habe die beklagte Partei die Sicherheiten im Rahmen des Kreditverhältnisses zu beanspruchen gehabt, so daß eine Anfechtung gemäß § 30 Abs. 1 Z 1 KO nicht zulässig sei. Was den Exportkreditfonds betreffe, sei das Finanzierungsgeschäft außerhalb aller relevanten Zeitpunkte abgeschlossen und der Finanzwechsel im Jahr 1980 abgerechnet worden.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest:

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firma H*** seien darauf zurückzuführen, daß sie wegen zu geringer Ausstattung mit Eigenkapital genötigt gewesen sei, Fremdkapital in großem Ausmaß in Anspruch zu nehmen. Die Schwierigkeiten hätten sich auch darin geäußert, daß es ihr zeitweise schwer gefallen sei, die Löhne und Gehälter der Angestellten pünktlich auszuzahlen; in diesem Falle habe die beklagte Partei kurzfristige Überbrückungshilfen gegen Beibringung einer zusätzlichen Garantie der Muttergesellschaft, der AB T***, gewährt. Diese Kredite seien jedoch immer ohne Schwierigkeiten binnen kurzem zurückgezahlt worden. Die beklagte Partei habe monatlich Zessionskontrollen durchgeführt, die keine alarmierenden Ergebnisse erbracht hätten; dem Prüfer sei zur Durchführung der Prüfung aber nur die Debitorenbuchhaltung zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus habe Dkfm. Erwin K*** von der beklagten Partei zu prüfen gehabt, ob die von der Firma H*** gewährten Sicherheiten hinreichend waren. Der am 18. November 1982 bei der beklagten Partei eingelangte Jahresabschluß für das Wirtschaftsjahr 1981/1982 habe zu einer Besprechung zwischen dem stillvertretenden Generaldirektor der beklagten Partei Dr. D*** und Organen der beklagten Partei geführt. Diese hätten dabei zum Ausdruck gebracht, daß unter Umständen die Muttergesellschaft helfend einspringen und Zinsenzuschüsse gewähren werde. Auf Grund der Ergebnisse dieser Besprechung sei eine außerordentliche Zessionskontrolle durchgeführt worden, die aber gleichfalls kein negatives Ergebnis erbracht habe. Mitte November 1982 habe die beklagte Partei erfahren, daß von der Firma H*** akzeptierte Wechsel protestiert bzw. ausgestellte Schecks nicht mehr eingelöst worden seien. Geplante Sanierungsmaßnahmen seien nicht mehr realisiert worden.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die behaupteten Anfechtungstatbestände lägen nicht vor. Der Anfechtungsgrund des § 30 Abs. 1 Z 1 KO treffe nicht zu, weil keine inkongruente Deckung vorliege. Die beklagte Partei habe auf die gewährte Sicherstellung bzw. die Befriedigung einen vor Beginn der in § 30 Abs. 1 KO genannten Frist begründeten Anspruch gehabt. Der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs. 1 Z 2 KO sei nicht gegeben, weil die beklagte Partei vor Einlangen des Jahresabschlusses 1982 am 18. November 1982 die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Firma H*** nicht kannte und auch nicht habe kennen müssen. Von den gerichtlichen bzw. finanzbehördlichen Pfändungen habe die beklagte Partei keine Kenntnis gehabt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Zessionen laut den Zessionsurkunden vom 13. Dezember 1982 (S 171.795 und S 110.416) und vom 23. November 1982 (S 515.956 bzw. S 506.933) den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam erkannte und die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger den Betrag von S 1,305.100 s.A. zu bezahlen. Im übrigen bestätigte es das angefochtene Urteil. Eine inkongruente Deckung liege nicht vor, so daß der Anfechtungsgrund des § 30 Abs. 1 Z 1 KO nicht gegeben sei. Dem Anfechtungsbegehren nach § 31 Abs.1 Z 2 KO komme teilweise Berechtigung zu. Der beklagten Partei habe die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Firma H*** erst nach Vorlage der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1981/1982 am 18. November 1982 bekannt sein müssen. Der für das vorangegangene Wirtschaftsjahr erstellten Bilanz habe die beklagte Partei entnehmen können, daß es mit dem Unternehmen nach langer Zeit wieder aufwärts gehe. Die beträchtlichen Verluste der letzten Jahre hätten sich 1980 auf knapp über S 500.000 verringert und 1981 nur mehr S 90.000 betragen. Die monatlichen Zessionsprüfungen hätten nichts Auffälliges ergeben; kurzfristige Engpässe bei der Lohnzahlung habe es schon jahrelang gegeben, doch sei es der Firma H*** möglich gewesen, die zu diesem Zweck gewährten Kredite stets nach einigen Tagen wieder zurückzubezahlen. Daß sich die beklagte Partei im Kreditvertrag vom 23. Juni 1982 eine weitere Sicherheit, die Einräumung einer Hypothek über S 4,000.000, ausbedungen habe, deute gleichfalls nicht darauf hin, daß sie dies getan hätte, weil sie von der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung bereits Kenntnis gehabt oder doch eine solche vermutet habe. Lediglich die Pfändungen im März 1982 und im Juli 1982 hätten einen schwachen Hinweis auf die wiederum verschlechterte wirtschaftliche Lage der späteren Gemeinschuldnerin bieten können. Es stelle aber keine Fahrlässigkeit der beklagten Partei dar, wenn sie sich, ohne hiefür irgendwelche objektive Anhaltspunkte zu haben, mit der monatlichen Zessionsprüfung und der Vorlage der Bilanzen zufriedengegeben habe. Als die beklagte Partei nach Übersendung der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1981/82 am 18. November 1982 Kenntnis vom wirtschaftlichen Verfall der Firma H*** erlangt habe, habe sie ohnehin entsprechende Überprüfungsmaßnahmen eingeleitet. Die Zessionen vom 23. November 1982 und vom 13. Dezember 1982 seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der beklagten Partei die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin habe bekannt sein müssen. Demzufolge sei insoweit das Klagebegehren gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen beider Streitteile, die gerechtfertigt sind. Der Kläger hat in der Klage unter Behauptung der Rechtsunwirksamkeit von Zessionen gemäß den §§ 30, 31 KO das Begehren auf Leistung des Betrages von S 11,382.219,30 s.A. gestellt und erst in der Folge nach Ablauf der Jahresfrist des § 43 Abs. 2 KO den weiteren Ausspruch begehrt, die Zessionen seien den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen der Firma H*** gegenüber unwirksam. Die Frage, ob die Anfechtungsklage im Konkurs ein Rechtsgestaltungsbegehren auf Unwirksamerklärung bzw. das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung zu enthalten hat und nur darüber hinaus auch ein Begehren auf Leistung an die Konkursmasse enthalten kann, wurde in Rechtsprechung und Lehre nicht einheitlich beantwortet.

Ein Teil der Lehre vertritt den Standpunkt, daß der Anfechtungsanspruch im Konkurs auf Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung zu richten sei; neben diesem Rechtsgestaltungsbegehren sei dann erforderlichenfalls ein Leistungsbegehren zu stellen (Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung 328, Ehrenzweig, Kommentar zur Anfechtungsordnung 388;

Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 380;

Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht 2 51). König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Rz 400 ff, steht ebenfalls auf dem Boden dieser Lehre und spricht einer Anfechtungsklage ohne Rechtsgestaltungsbegehren sogar die Schlüssigkeit ab (a.a.O. Rz 402). Fasching, Kommentar III 55, vertritt hingegen die Rechtsansicht, die Fassung des § 28 KO rechtfertige "auch" ein Rechtsgestaltungs-, ja sogar ein Feststellungsbegehren. Bartsch-Pollak, KO 3 I 244, erblicken den Inhalt des Anfechtungsanspruchs im Konkurs allein in der schuldrechtlichen Leistung des Anfechtungsgegners zur Konkursmasse als Folge der relativen Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung. Die Unwirksamkeit der Rechtshandlung sei immer nur als Voraussetzung oder Vorfrage der Leistungspflicht des Anfechtungsgegners von Bedeutung, sie könne jedoch selbst nicht das Ziel einer Anfechtung bilden. Es bestehe daher neben dem Leistungsanspruch kein weiterer Anspruch, insbesondere nicht auf präjudizielle Unwirksamerklärung, wohl aber sei eine gewöhnliche Feststellungsklage (§ 228 ZPO) möglich. Dem Klagebegehren müsse nur zu entnehmen sein, daß es auf Anwendung anfechtungsrechtlicher Normen gerichtet sei (a.a.O. FN 5). Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 Rz 264, erblicken den Inhalt des Anfechtungsanspruchs ebenfalls in der Leistung dessen, was dem Vermögen des Gemeinschuldners entgangen ist, in die Konkursmasse.

Auch in der neueren Rechtsprechung wird die Frage des Inhalts der Anfechtungsklage nicht einheitlich beurteilt. Die Entscheidung SZ 53/31 erachtete dann, wenn die geltend gemachte Anfechtung primär einen Leistungsanspruch an die Konkursmasse zum Gegenstand hat, das Leistungsbegehren als hinreichend und ein darüber hinausgehendes Feststellungsbegehren als unzulässig, weil das Leistungsbegehren alles das biete, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird; die Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung sei nur eine Vorfrage für das erhobene Leistungsbegehren, der darüber hinaus keine weitere Bedeutung zukomme. In den Entscheidungen RZ 1958, 27 und RZ 1958, 139 wurde ausgesprochen, daß die Umstände des Einzelfalls für die Fassung des Klagebegehrens entscheidend seien. Die Entscheidung SZ 54/153 erblickte in der Verbindung eines Rechtsgestaltungs- mit einem Leistungsbegehren keinen Rechtsirrtum; in der Entscheidung SZ 57/26 wird es unter Zitierung der Entscheidungen 7 Ob 151/72, 5 Ob 605/80, SZ 54/153 und 4 Ob 547,548/81 u.a. als gesicherte Rechtsprechung bezeichnet, daß das Begehren auf (relative) Unwirksamkeitserklärung der angefochtenen Rechtshandlung neben dem sich daraus ergebenden Leistungsbegehren geltend gemacht werden kann. Erst die Entscheidung JBl. 1986, 665 = EvBl. 1986/165 spricht, König folgend, als obiter dictum aus, daß eine Anfechtungsklage nach der Konkursordnung jedenfalls das Rechtsgestaltungsbegehren auf Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung gegenüber den Konkursgläubigern zu enthalten habe. Das Fehlen des Rechtsgestaltungsbegehrens bewirke die Unschlüssigkeit der Anfechtungsklage, weil das Leistungsbegehren immer nur als rechtliche Konsequenz des rechtsgestaltenden Ausspruchs angesehen werden könne.

In seiner jüngsten Entscheidung vom 12. November 1986, 3 Ob 632/86, hat der dritte Senat des Obersten Gerichtshofes die Auffassung vertreten, daß zwar ein Rechtsgestaltungsbegehren erforderlich sei, daß es aber noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist nachgeholt werden könne, weil keine Klagsänderung vorliege. Er hat die zur Nachholung des Rechtsgestaltungsbegehrens die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die zuletzt dargestellten, im Gegensatz zur bisherigen Judikatur stehenden Rechtsansichten werden vom erkennenden Senat nicht geteilt. Wohl spricht § 27 KO davon, daß Rechtshandlungen "angefochten und den Konkursgläubigern gegenüber als unwirksam erklärt werden können", so daß es sicher nicht unzulässig ist, ein solches Begehren zu stellen; § 39 Abs. 1 KO bestimmt jedoch den Inhalt des Anfechtungsanspruches nur dahin, daß das, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Gemeinschuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, zur Konkursmasse zu leisten ist. Für die Notwendigkeit eines Rechtsgestaltungsbegehrens wird ins Treffen geführt (Holzhammer a. a.O. 51), daß die konkursrechtliche Anfechtung, anders als die zivilrechtliche, die Rechtswirkungen einer dem Kläger fremden Rechtshandlung im Verhältnis zur Konkursmasse beseitigen wolle, was der allgemeinen Rechtssicherheit halber nur durch rechtsgestaltenden Urteilsspruch geschehen könne. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit wird aber nach Ansicht des erkennenden Senates auch damit hinreichend entsprochen, daß sich aus dem Inhalt der Klage eindeutig ergibt, daß Rechtshandlungen des Gemeinschuldners gestützt auf die Bestimmungen der Konkursordnung angefochten und daraus Leistungsansprüche abgeleitet werden. Das Leistungsbegehren setzt daher nicht ein es einschließendes Rechtsgestaltungsbegehren - mag ein solches auch der Klarheit dienen - voraus; sein Fehlen macht also das bloße Leistungsbegehren, ebenso wie bei Klagen nach §§ 870, 871 ABGB ua. (SZ 36/22 mwN, zuletzt 6 Ob 868/82; Rummel, ABGB, Rdz 19 zu § 871; Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 136; Fasching, JBl. 1975, 515), nicht unschlüssig; nur wenn der Anfechtungsgegner zu einer Leistung nicht verpflichtet ist und daher nur eine vom Gemeinschuldner vorgenommene Rechtshandlung für unwirksam erklärt werden soll, also kein Leistungsbegehren gestellt werden kann, ist ein Rechtsgestaltungsbegehren erforderlich.

Es wird daher auch die Rechtsansicht des dritten Senates nicht geteilt. Wenn die Rechtsgestaltung schon in der Geltendmachung des Leistungsbegehrens liegt, ist ein formelles Rechtsgestaltungsbegehren nicht mehr erforderlich; würde es aber für die Schlüssigkeit der Klage als unabdingbar angesehen und gar dann, wenn es allein zielführend sein kann, weil ein Leistungsbegehren nicht gestellt werden kann, kann in der Stellung des Rechtsgestaltungsbegehrens aber nur eine Klagsänderung erblickt werden, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt der Stellung des Begehrens zu beurteilen ist. Eine Rückverweisung der Sache bloß zur Nachholung eines ohnehin schon als erhoben und daher nicht als verspätet angesehenen Begehrens erscheint dem Senat nicht zielführend, zur Nachholung eines verspäteten Begehrens aber unzulässig.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger sein Leistungsbegehren zwar ohnehin dahin erweitert, daß die (im einzelnen bezeichneten) Zessionen den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen der Firma H*** gegenüber "unwirksam sind", worin auch ein Rechtsgestaltungsbegehren erblickt werden könnte, doch wurde diese als Klagsänderung (§ 235 Abs. 1 ZPO) zu qualifizierende Erweiterung des Begehrens (vgl. Fasching, Komm. III 114) erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 43 Abs. 2 KO und damit verspätet erklärt. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiellrechtliche Ausschlußfrist, die auch noch im Rechtsmittelverfahren im Rahmen der Rechtsrüge von Amts wegen wahrzunehmen ist (1 Ob 653/79; SZ 46/57; SZ 45/80; JBl. 1956, 507). Demzufolge ist das Begehren auf Unwirksamerklärung der Zession abzuweisen, zumal ein verbesserungsfähiger Mangel (§ 84 Abs. 3 ZPO) nicht vorliegt (König a.a.O. Rz 402).

Der Mangel eines fristgerecht gestellten Rechtsgestaltungsbegehrens macht das Leistungsbegehren zwar nicht unschlüssig, doch kann ihm, von allen übrigen Anfechtungsvoraussetzungen abgesehen, Berechtigung nur zukommen, soweit der beklagten Partei Zahlungen der Drittschuldner auf die ihr abgetretenen Forderungen zugekommen sind. Die beklagte Partei hat sich im Verfahren vor dem Erstgericht darauf berufen, daß auf die ihr zedierten Forderungen nur Zahlungen im Gesamtausmaß von S 1,856.467,55 geleistet wurden. Feststellungen darüber, welche Forderungen im einzelnen an die beklagte Partei bezahlt wurden, fehlen. Die Ausführung in der Entscheidung des Erstrichters, der Zeuge Andreas M*** habe eine Liste über Zessionseingänge angefertigt (Beilage 8), vermag Feststellungen hierüber nicht zu ersetzen. Beide Revisionen rügen, daß die Vorinstanzen die Frage, ob und wann der beklagten Partei die Überschuldung bzw. die Zahlungsunfähigkeit der Firma H*** bekannt sein mußte, unrichtig beurteilt hätten. Die beklagte Partei macht geltend, daß die Ansätze der Bilanz der Firma H*** zum 30. April 1982 bedeutende stille Reserven unberücksichtigt ließen. Allein die Betriebsgebäude, die in der Bilanz mit S 4,808.000 bewertet seien, hätten einen Zeitwert von S 18,755.000 gehabt, womit eine positive Bilanz vorgelegen wäre, jedenfalls dann, wenn man Wertansätze nach den Fortführungswerten (going concern) annehme. Der Kläger meint hingegen, daß der wirtschaftliche Verfall der späteren Gemeinschuldnerin der beklagten Partei als der Hausbank bei gehöriger Aufmerksamkeit bereits vor dem 18. November 1982 hätte bekannt sein müssen. Die beklagte Partei habe sich in schuldhafter Unkenntnis von der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Firma H*** viel zu spät und auch dies nicht durch eigene Maßnahmen, sondern nur an Hand der von der Schuldnerin offenbar gezielt verzögert vorgelegten Bilanz informiert. Der Kläger führt die Revision damit nur zum Anfechtungsgrund des § 31 Abs. 1 Z 2 KO aus; der Anfechtungsgrund des § 30 KO wird nicht mehr behauptet, so daß hierauf nicht einzugehen ist.

Für die Anfechtung nach § 31 KO reicht die verschuldete Unkenntnis der Überschuldung (4 Ob 547,458/81; Gamerith, RdW 1]85, 364). Dem kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vor dem 18. November 1982 voraussichtlich schwer erweislich sein wird.

Es ist heute weithin anerkannt, daß eine insolvenzrechtliche bedeutsame Überschuldung nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven anzunehmen ist. Ein derartiges Verständnis des Überschuldungstatbestandes (wonach das Unternehmen als Liquidationsmasse vorzustellen und diese Masse mit den Passiven zu vergleichen sei), ist auf dem Gebiet der Unternehmensinsolvenzen praktisch nicht anwendbar, weil bei einer solchen Beurteilung auch gesunde, aber fremdfinanzierte Unternehmen überschuldet wären (Karsten Schmidt, JZ 1982, 165, 168; Honsell, GesRZ 1984, 134, 138 unter Berufung auf Schlüchter; ähnlich Zeuner, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages II M 18). Selbst eine unter Verwendung von Liquidationswerten sich ergebende (rechnerische) Überschuldung verpflichtet noch nicht zur Eröffnung des Konkurses über eine Kapitalgesellschaft. Die rechnerische Überschuldung bildet zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Einleitung des Insolvenzverfahrens, weil in dieser Phase der Überschuldungsprüfung noch keine Aussage darüber möglich ist, ob eine Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen nicht im Rahmen ihrer laufenden Betriebstätigkeit wird nachkommen können. Die Überschuldungsprüfung ist daher durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplans sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen ist (Platzer, Jahresabschluß und Insolvenzgefahr, 120; Koziol, RdW 1984, 364;

Chalupsky-Ennöckl-Holzapfel, Handbuch des österreichischen Insolvenzrechts, 32). Die Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen sind in diese Überlegungen einzubeziehen. Der Überschuldungstatbestand ist daher wesentlich ein Prognosetatbestand, der auf die Gefahr künftiger Illiquidität abstellt. Hiefür ist die Überlegung maßgebend, daß bei einer Gesellschaft, die nicht zahlungsunfähig ist, eine allfällige Überschuldung nur vorübergehender Natur sein kann und somit keinen Grund für das Eingreifen des Insolvenzrechts darstellt (Karsten Schmidt, Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag, D 62; Chalupsky-Ennöckl-Holzapfel a.a.O. 33). Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung liegt demnach nur vor, wenn die Fortbestehensprognose ungünstig, d.h. die Liquidation oder Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich und das im Gegensatz zur Auffassung der beklagten Partei nicht nach Fortführungs-, sondern nach Liquidationswerten zu bewertende Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger im Liquidationsfall unzureichend ist. Konkursreife besteht demnach auch bei rechnerischer Überschuldung, etwa zufolge des weitgehenden Verlustes des Eigenkapitals, nur dann, wenn sich eine positive Fortbestehensprognose nicht erstellen läßt (Karsten Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbHG 6 Rz 13 zu § 63 dGmbHG; Ulmer in Hachenburg, GmbHG 7 , Rz 29, 30 zu § 63, Rz 16 zu § 64; Rowedder in Rowedder, GmbHG Rz 6,7 zu § 64; Honsell, GesRZ 1984, 134, 138; Doralt, GesRZ 1982, 93, FN 32). Der Überschuldungstatbestand ist daher auf jene Fälle zu reduzieren, in denen die Lebensfähigkeit der Gesellschaft unter Bedachtnahme auf eingeleitete Sanierungsmaßnahmen nicht hinreichend, d.h. mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit, gesichert ist, eine "rechnerische" Unterbilanz daher nicht durch eine geschätzte zukünftige positive Entwicklung ausgeglichen werden kann (RdW 1985, 44; Ulmer a.a.O. RZ 30, 32). Der Oberste Gerichtshof vermag daher den Ausführungen von Reich-Rohrwig, JBl. 1986, 716, 719 (Anm. zu 1 Ob 571/86), schon bei rechnerischer Überschuldung lägen keine positiven Vermögensverhältnisse vor, die die Bezahlung eingegangener Schulden ermöglichten, es bestehe vielmehr das Unvermögen zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger, so daß eine Unternehmensfortführung bei Überschuldung nicht zulässig sei und selbst die Beseitigung der Überschuldung durch Sanierungsmaßnahmen für die Zulässigkeit der Unternehmensfortführung nicht ausreiche, nicht beizupflichten. Diese Auffassung wurzelt im Grunde in einem statischen Verständnis des Überschuldungsbegriffes (hiezu Ulmer a.a.O. Rz 25 zu § 63), der zur Konkursantragspflicht auch bei lebens- und ertragsfähigen Gesellschaften führen würde, was weder dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschafter noch auch dem der Gläubiger und der Öffentlichkeit dienen würde (Ulmer a.a.O. Rz 30). Solange demnach eine künftige positive Unternehmensentwicklung, sei es auch nach Sanierungsmaßnahmen unter Heranziehung von Fremdkapital, erwartet werden kann und die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt, fehlt es an einer konkursrechtlich relevanten Überschuldung. Ob und wann Überschuldung im aufgezeigten Sinne bestand oder die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft verloren ging, kann auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht mit hinreichender Verläßlichkeit beurteilt werden. Die Beweislast für die Kenntnis bzw. verschuldete Unkenntnis des Anfechtungsgegners von der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit trifft den Kläger (König a.a.O. Rz 305). Wohl traten schon in den ersten beiden Geschäftsjahren Verluste auf, die das Stammkapital überstiegen, doch konnten in den Geschäftsjahren 1975 und 1977 erhebliche Gewinne erzielt werden; andererseits waren seit 1978 Verluste in beträchtlicher Höhe zu verzeichnen. Wenngleich die Verluste im Geschäftsjahr 1980/81 auf S 90.610,46 reduziert werden konnten, mußte die Höhe der akkumulierten Verluste bedenklich erscheinen und zu besonderer Aufmerksamkeit bei der Einräumung bzw. Weitergewährung von Krediten Anlaß geben. Die Höhe der Verluste war offenbar auch Anlaß dafür, daß bereits im Jahre 1981 monatliche Vorschau- und Ertragsrechnungen an die schwedische Muttergesellschaft übermittelt wurden (vgl. Zeugin Elisabeth M*** S. 994 d.A.). Zu klären sein wird auch, welche Gründe die beklagte Partei bewogen haben (vgl. Aussage der Zeugin Martha T***, S 84 d.A.), von der Übung, stille Zessionen anzunehmen, abzugehen und die Offenlegung der Zessionen gegenüber dem Drittschuldner zu fordern; ab Mitte 1982 sollen nach der Aussage der Zeugin durchwegs offene Zessionen gegeben worden sein. Es konnte offenbar auch der zur Lohnauszahlung erforderliche Geldbedarf nicht im Rahmen der eingeräumten Kredite gedeckt werden. Wenn es zutreffen sollte (vgl. Aussage der Zeugin Martha T***, S 84 d.A.), daß sich die Firma H*** in den Jahren 1981 und 1982 einmal monatlich an die beklagte Partei um Bevorschussung der Lohnzahlung wendete, deutet auch dies auf eine angespannte finanzielle Situation der Firma H*** hin, zumal weitere Geldmittel von der beklagten Partei nach den Verfahrensergebnissen nur gegen zusätzliche Sicherheiten eingeräumt wurden. Von der beklagten Partei als Hausbank der Firma H*** war im Hinblick auf all diese Umstände zu fordern, von dem in den Kreditverträgen ausbedungenen Recht, jederzeit Einblick in die Bücher der Firma H*** zu nehmen und von ihr alle Aufschlüsse über die wirtschaftliche und finanzielle Situation zu verlangen, Gebrauch zu machen. Zu klären sein wird auch, ob die beklagte Partei nicht ohnehin von dem im Mai 1982 ausgearbeiteten Sanierungsvorschlag Kenntnis erlangt hat, der einen kurzfristigen Kapitalbedarf von S 2 Millionen aufwies (Zeugin Elisabeth M***, S. 92 d.A.). Die finanzielle Situation der Firma H*** hätte allenfalls dann zu keinen Bedenken Anlaß geben müssen, wenn in rechtlich gesicherter Weise eine Verpflichtung der Muttergesellschaft zur Erhöhung des Stammkapitals der Firma H*** um S 3 Millionen bestanden hätte (vgl. Aussage des Zeugen Dkfm. Erwin K*** S. 60 d.A.). Die beklagte Partei hätte vor allem, soweit ihr nicht eine umfassende Prüfung der finanziellen Situation durch eigene Prüfer zuzumuten war, darauf dringen müssen, daß ihr die Bilanz über das Wirtschaftsjahr 1981/82, die bereits am 25. Juni 1982 erstellt gewesen sein soll (Zeugin Elisabeth M*** S. 99 d.A.), zugänglich gemacht wird. Der Vorwurf schuldhafter Unkenntnis der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Firma H*** wäre der beklagten Partei dann nicht zu machen, wenn sie von den Repräsentanten der Firma H*** durch Vorlage manipulierter Geschäftsunterlagen bzw. irreführende Angaben über die Bilanzerstellung vorsätzlich und für sie unüberprüfbar in Irrtum geführt worden sein sollte (vgl. JBl. 1983, 654).

Da der Vorwurf schuldhafter Unkenntnis der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit (hiezu SZ 55/65) nur dann begründet ist, wenn diese Krisentatsachen auch tatsächlich eingetreten sind (König a. a.O. Rz 280), wird im fortgesetzten Verfahren nach Ergänzung des Sachverhalts in den aufgezeigten Richtungen (Mitteilung eines Finanzbedarfes der Gesellschaft von S 2 Millionen an die beklagte Partei, Zusage einer Aufstockung des Eigenkapitals um S 3 Millionen durch die Muttergesellschaft, Bedenklichkeiten bei den Zessionsprüfungen, Gründe für das Abgehen von stillen Zessionen, Einforderung der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1981/82) durch Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zu klären sein, wann für die beklagte Partei erkennbar bzw. nach den ihr eingeräumten Rechten überprüfbar Überschuldung im vorangeführten Sinn (keine positive Fortbestehensprognose und mangelnde Deckung der echten Verbindlichkeiten durch die nach Liquidationswerten anzusetzenden Aktiven) bzw. zufolge Wegfalls der Kreditfähigkeit Zahlungsunfähigkeit der Firma H*** anzunehmen war. Die gegen die Firma H*** geführten Exekutionsverfahren stellten jedenfalls ein Indiz für eine damals bestandene Zahlungsunfähigkeit dar (SZ 55/65). Eine bereits bestandene Zahlungsunfähigkeit könnte auch damit verschleiert worden sein, daß die Firma H*** einerseits Kredite der beklagten Partei in Anspruch nahm, andererseits aber Direktinkassi von Zessionen vornahm und die eingehenden Beträge nicht - wie vertraglich vereinbart - der beklagten Partei zur Verfügung stellte. Das könnte der beklagten Partei zur Last fallen, der doch auffallen mußte, daß viel weniger Zahlungen einlangten, als anzunehmen war. Nach dem Sachvorbringen der Streitteile konnten die der Firma H*** eingeräumten Kredite revolvierend ausgenützt werden (vgl. S 13 d. A.). Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung SZ 57/87 mit der Anfechtung von Zessionen, die zur Sicherstellung bzw. Abstattung revolvierender Kredite vorgenommen wurden, ausführlich auseinandergesetzt. Die Erwägungen dieser Entscheidung lassen sich dahin zusammenfassen, daß nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO nur Rechtshandlungen anfechtbar sind, die sich auf eine bereits begründete Gläubigerstellung beziehen, nicht aber solche, die gleichzeitig oder später begründete Gläubigerrechte betreffen. "Zug-um-Zug-Geschäfte" sind nach dieser gesetzlichen Bestimmung nicht anfechtbar, demnach nicht die Bestellung von Sicherheiten, die Teil des die Schuld begründenden Rechtsverhältnisses sind. Wurde ein Kontokorrentverhältnis vor der Krise begründet und nach deren Eintritt durch Gestattung weiterer Kreditausnützungen und durch Hereinnahme weiterer Zessionen fortgesetzt, so liegt in der Gestattung der Wiederausnützung des zurückgezahlten Kredits aber eine neue Kreditgewährung, wenn der Bank das Recht zustand, den Kredit jederzeit und ohne Angabe von Gründen aufzukündigen. Werden jedoch vor einer Wiederausnützung des Kredites oder gleichzeitig mit dieser weitere Sicherheiten gegeben, so sind diese nicht anfechtbar, wenn sie nur der Sicherung des wieder ausgenützten Kredit-(teil)betrages dienen und nicht zugleich einen offen gebliebenen alten Kreditrest sichern sollen. Dient aber die Zession auch der Sicherung oder Abstattung eines alten Kreditrestes, unterliegen diese Zessionen der Anfechtung. Es ist nur dem Anfechtungsgegner der Beweis möglich, daß er durch die Rechtshandlung nicht begünstigt wurde, weil er für den im Zeitpunkt der Krise aushaftenden Kreditrest keine zusätzliche Deckung erlangt hat. Der Anfechtungsgegner kann daher dartun, daß er bei getrennter Verrechnung der bis zum Eintritt der Krise hereingenommenen Einzelzessionen und der nach Eintritt der Krise Zug um Zug gegen weitere Kreditgewährungen erlangten Sicherheiten und Deckungen für den im Zeitpunkt der Krise aushaftenden Saldo keine weiteren Deckungen erlangt hat. Dies wäre der Fall, wenn die aushaftende Forderung der beklagten Partei im Zeitpunkt der Beendigung des Kreditverhältnisses ungeachtet der hereingenommenen Zessionen höher gewesen wäre als im Zeitpunkt des Eintritts der Krise. Daß Zug-um-Zug-Geschäfte nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO anfechtungsfest sind, schließt die Anfechtung nach dem zweiten Fall dieser Gesetzesstelle als nachteiliges Rechtsgeschäft nicht aus. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Nachteiligkeit eines Rechtsgeschäftes nicht mit der Befriedigungstauglichkeit gleichzusetzen, es wird vielmehr eine typische Nachteiligkeit gefordert (SZ 57/87; JBl. 1983, 654), die aber gerade bei Zessionen anzunehmen ist, weil bei Kreditgeschäften, die im Stadium der Krise gegen Hingabe neuer Sicherheiten geschlossen werden, die Gefahr einer Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger wegen der in aller Regel gegebenen Gefahr des Versickerns der Kreditmittel ohne erkennbare Verbesserung der Masse besteht. Aus besonderen Gründen, für die der Anfechtungsgegner beweispflichtig wäre, könnte aber eine solche typische Nachteiligkeit verneint werden, so etwa wenn unmittelbare Zahlungen an die Gläubiger des nachmaligen Gemeinschuldners erfolgten oder Forderungen abgetreten wurden, die ohne Kreditgewährung nicht existent geworden wären, weil sie z.B. aus Lieferungen herrühren, die ohne die Mittel der Kreditgewährung und die damit ermöglichte Fortsetzung der Produktion nicht entstanden wären (SZ 57/87; Koziol, JBl, 1982, 58). Auch in dieser Richtung wird der Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern sein. Nach Maßgabe des Parteivorbringens sind die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Eine abschließende Beurteilung der Sache ist derzeit nicht möglich, zumal das Berufungsgericht nicht einmal geklärt hat, ob und in welchem Ausmaß der beklagten Partei aus den Zessionen auch Zahlungen zugekommen sind. Die Zession von Forderungen rechtfertigt noch nicht die Stattgebung des auf Zahlung gerichteten Begehrens.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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