Spruch:
§ 1497 ABGB ist analog auch auf einzelne Ausschlußfristen anzuwenden, so insbesondere auf die Anfechtungsfrist des § 43 Abs 2
KO
OGH 11. 7. 1972, 5 Ob 135/72 (KG Wels R 86/72; BG Gmunden 1 C 411/71)
Text
Mit Beschluß des LG Linz vom 4. 2. 1966, S 1/66-2, wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners Hans (Johann) M das Konkursverfahren eröffnet. Dr Kurt St (Kläger) wurde zum Masseverwalter bestellt.
Der Beklagte stand mit dem Gemeinschuldner in den Jahren 1964 und 1965 in Geschäftsverbindung. Der Beklagte übergab dem Gemeinschuldner im Dezember 1964 einen Wechsel über S 73.500.- mit der Vereinbarung, daß der Gemeinschuldner den Wechsel fertigen, ihn bei einer Bank zum Eskompt einreichen und die Wechselsumme ihm aushändigen sollte. Der Gemeinschuldner löste den Wechsel zwar ein, verwendete aber die Wechselsumme für sich.
Auf Grund einer vom Beklagten beim LG Linz eingebrachten Klage verurteilte das LG Linz als Handelsgericht den Gemeinschuldner mit Versäumungsurteil vom 14. 9. 1965, 9 Cg 837/65-2, dem Beklagten S 77.000.- samt 5% Zinsen seit 1. 8. 1965 und S 2241.43 an Prozeßkosten zu bezahlen.
Mit Beschluß des BG Linz vom 12. 10. 1965, 14 E 7048/65, wurde dem Beklagten auf Grund des angeführten Versäumungsurteiles zur Hereinbringung der Forderung von S 77.000.- samt 5% Zinsen seit 1. 8. 1965 und der Kostenforderung von S 2241.43 wider den Gemeinschuldner die Fahrnisexekution bewilligt. Die Forderung wurde durch Anmerkung auf dem Pfändungsprotokoll 14 E 8665/64 des BG Linz am 15. 11. 1965 vollzogen. Aus dem Erlös der gepfändeten und am 14. 1. 1966 versteigerten Gegenstände wurden dem Beklagten nach dem Verteilungsbeschluß des BG Linz vom 11. 2. 1966, 14 E 7048/65-16. S 6182.91 zugewiesen, welchen Betrag er auch erhielt.
Der Gemeinschuldner war spätestens seit Mitte April 1965 zahlungsunfähig.
Mit der vorliegenden, am 3. 2. 1967 eingebrachten Klage begehrt der klagende Masseverwalter, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von S 6182.91 zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß der Gemeinschuldner vom Dezember 1964 bis zur Konkurseröffnung zahlungsunfähig gewesen sei. Seit Jänner 1965 seien gegen den Gemeinschuldner laufend Fahrnisexekutionen geführt worden. Auch der Beklagte habe auf Grund des Versäumungsurteiles des LG Linz vom 14. 9. 1965, 9 Cg 837/65-2, ein exekutives Pfandrecht erwirkt und hinsichtlich des Klagebetrages Befriedigung erlangt. Die Zahlung bzw Sicherstellung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw innerhalb der letzten 60 Tage vor der Konkurseröffnung sei nach §§ 30 und 31 KO anfechtbar, weil der Beklagte dadurch eine inkongruente Deckung erlangt habe, die ihn vor den übrigen Gläubigern begünstige, und weil er Zahlung bzw Sicherstellung erlangt habe, obwohl ihm die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt gewesen sei, jedenfalls aber auf Grund der laufenden Exekutionen bekannt sein mußte.
Der Beklagte wendete ein, er sei weder objektiv noch subjektiv begünstigt worden. Er habe vor der Eröffnung des Konkurses nicht gewußt, daß der Gemeinschuldner zahlungsunfähig geworden sei.
Am 25. 9. 1967 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens. Der Beklagte gab folgende Erklärung zu Protokoll: "Für den Fall, als das Verfahren erst später als nach 3 Monaten fortgesetzt werden sollte (und zwar wegen der Dauer der Erstattung eines Sachverständigengutachtens), verzichte ich auf die Einrede der Verjährung".
Am 20. 9. 1971 beantragte der Kläger die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von S 6182.91 zu zahlen. Es ging davon aus, daß eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder in den letzten 60 Tagen vorher vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers dann anfechtbar sei, wenn der Gläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt habe, die er nicht in der Art oder in der Zeit zu beanspruchen gehabt habe, es sei denn, daß er durch die Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden sei. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte am 15. 11. 1965 das Pfandrecht erwirkt. Der Gemeinschuldner sei aber schon seit April 1965 zahlungsunfähig gewesen. Die Anfechtung sei auch nicht etwa nach § 30 Abs 2 KO ausgeschlossen, weil die Begünstigung früher als ein Jahr vor der Konkurseröffnung stattgefunden habe. Der Konkurs sei am 4. 2. 1966 eröffnet worden. Die Erwirkung des Pfandrechtes am 15. 11. 1965 liege innerhalb der Jahresfrist.
Eine Begünstigung liege immer dann vor, wenn ein Gläubiger eine zur Zeit seiner Leistung nicht bedungene Sicherstellung nachträglich von dem schon zahlungsunfähig gewordenen Schuldner verlange. Damit erhalte der Gläubiger etwas, was ihm materiellrechtlich nicht gebühre, somit eine im Vertragsinhalt nicht vorgesehene - inkongruente - Deckung, auch wenn er sich diese durch eine Zwangsvollstreckung habe verschaffen können. Anders wäre es nur, wenn dem Beklagten von Anfang an ein Anspruch auf die am 15. 11. 1965 erlangte Sicherstellung vertraglich zugestanden wäre. Mangels dieses Erfordernisses verstoße aber der Vorgang vom 15. 11. 1965 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger und begünstigte den Beklagten im Umfang des erlangten Klagebetrages. Da der Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 Z 1 KO gegeben sei, erübrige sich eine Erörterung des Anfechtungstatbestandes nach § 31 Abs 1 Z 2 KO.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichtes dahin ab, daß die Klage abgewiesen wurde. Es billigte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen, die Auffassung, daß die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes nach § 30 Abs 1 Z 1 KO vorliegen. § 43 Abs 2 KO bestimme aber, daß die Anfechtung durch Klage bei sonstigem Erlöschen des Anspruches binnen Jahresfrist nach der Konkurseröffnung geltend gemacht werden müsse. Dies sei auch geschehen und die Klage innerhalb der in § 43 Abs 2 KO festgesetzten Ausschlußfrist am 3. 2. 1967 eingebracht worden (Konkurseröffnung 4. 2. 1966). Am 25. 9. 1967 sei aber Ruhen des Verfahrens vereinbart worden, um ein Sachverständigengutachten über die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners im Verfahren 3 Cg 29/67 des LG Linz abzuwarten. Das Sachverständigengutachten sei dem Kläger am 14. 5. 1968 zugestellt worden. Bei der Verhandlung des LG Linz vom 25. 9. 1968, 3 Cg 29/67-17, sei das Gutachten vom Sachverständigen ergänzt worden. Die den Rechtsstreit 3 Cg 29/67 des LG Linz beendende oberstgerichtliche Entscheidung 6 Ob 214/70 sei dem Kläger am 30. 11. 1970 zugestellt worden. Nach § 1497 ABGB sei der Kläger verpflichtet, das Verfahren über die Klage gehörig fortzusetzen. Die angeführte Gesetzesstelle erstrecke sich auch auf Ausschlußfristen und damit auch auf die Frist des § 43 Abs 2 KO. Da von der Kenntnis des Masseverwalters vom Sachverständigengutachten im Rechtsstreit 3 Cg 29/67 des LG Linz (14. 5. 1968) bis zum Fortsetzungsantrag (20. 9. 1971) mehr als drei Jahre verstrichen seien, könne von einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nicht gesprochen werden. Der Kläger habe auch keine tauglichen Gründe dafür vorgebracht, daß er den Fortsetzungsantrag nicht früher habe stellen können. Auf den Verjährungseinwand habe der Beklagte nicht wirksam verzichten können, da es sich diesfalls um eine von Amts wegen wahrzunehmende Ausschlußfrist handle, auf deren Einhaltung im Rahmen der Rechtsrüge Bedacht zu nehmen sei. Mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens sei der Anspruch des Klägers nicht gerechtfertigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß sich schon auf Grund des Textes des § 43 Abs 2 KO: "Die Anfechtung durch Klage muß bei sonstigem Erlöschen des Anspruches binnen Jahresfrist nach der Konkurseröffnung geltend gemacht werden" ergibt, daß für die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche eine materiellrechtliche Ausschlußfrist bestimmt wurde, mit deren Ablauf der Anfechtungsanspruch erlischt. Auch das Schrifttum (Bartsch - Pollak[3] I, Anm 11 zu § 43 KO; Rintelen, HdB des Österr Konkurs- und Ausgleichsrechtes 266 Anm 1; Lehmann, Komm z KO I, 349; Ehrenzweig, Komm z AnfO 37; Klang[2] IV/1, 342) und die Rechtsprechung (EvBl 1935/902; EvBl 1956/172) vertreten die Auffassung, daß die Anfechtungsfristen materiellrechtliche Ausschlußfristen sind. Die gegenteilige Auffassung, daß die Anfechtungsfristen Verjährungsfristen seien, wurde zum Teil im Schrifttum während der Wirksamkeit der Konkursordnung vom 25. 12. 1868 RGBl 1869/1 sowie der Gesetze vom 16. 3. 1884 RGBl 35 und 36 vertreten (Pollak, Das Concursrecht 363; Menzel, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger nach Österr Rechte 106).
Es trifft zu, daß § 1497 ABGB die Unterbrechung der Ersitzung und der Verjährung durch ein Anerkenntnis des Rechtes des anderen oder durch die Einbringung der Klage des Berechtigten und deren gehörige Fortsetzung regelt. Bei Ausschlußfristen kommen in der Regel die für die Hemmung und Unterbrechung von Fristen getroffenen Anordnungen nicht unmittelbar zur Anwendung (Bartsch - Pollak[3] I, Anm 11 zu § 43 KO; Reimer - Schiemer, Das Österr Insolvenzrecht 415f; Ehrenzweig, Komm z AnfO 37).
Demgemäß wurde im Schrifttum (Ehrenzweig, Komm z AnfO 37, 440) und in der älteren Judikatur (GlUNF 3551) die Anwendung der Bestimmung des § 1497 ABGB auf die Anfechtungsfristen teilweise abgelehnt.
Abweichend davon hat aber der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. 2. 1956 EvBl 1957/203 die Auffassung vertreten, daß § 1497 ABGB auch auf Gewährleistungsfristen analog anzuwenden sei. Die Ausschlußfristen für Gewährleistungsansprüche dienten dem gleichen Zweck wie die Verjährungsfrist. Ihre Strenge lasse erkennen, daß sie in erhöhtem Maße der Sicherheit des Geschäftsverkehres zu dienen hätten. Dies fordere nicht nur die Wahrung der Fristen durch die rechtzeitige Klageerhebung, sondern auch die gehörige Fortsetzung der Klage.
Die gleichen Erwägungen wie in dieser Entscheidung greifen aber bei der Anfechtungsfrist des § 43 Abs 2 KO Platz: Auch dort muß die innerhalb der Jahresfrist erhobene Anfechtungsklage gehörig fortgesetzt und Klarheit über die in die Masse gehörigen Ansprüche geschaffen werden, soll nicht das Konkursverfahren eine unnötige Verzögerung erfahren. Der Oberste Gerichtshof hält somit an seiner in der Entscheidung 3 Ob 53/56 vertretenen Auffassung fest, daß § 1497 ABGB analog auf einzelne Ausschlußfristen, darunter die Anfechtungsfrist des § 43 Abs 2 KO, angewendet werden kann.
Diesem Standpunkt trägt auch die Neufassung des § 9 Abs 1 Z 1 AnfO durch das Bundesgesetz vom 19. 6. 1968 BGBl 240 Rechnung, die in Anlehnung an § 1497 ABGB zur Vermeidung des Ablaufes der Anfechtungsfrist die gehörige Fortsetzung der Klage fordert (vgl hiezu 812 BlgNR 11. GP, 5).
Im Schrifttum verweist Gschnitzer in seinem Lehrbuch, Allgemeiner Teil 244 unten, darauf, daß eine nähere Prüfung zeigt, daß die zwischen den Verjährungsfristen und den Ausschlußfristen getroffenen Unterschiede nicht bestehen und daß mit der bloßen Bezeichnung einer Frist als Ausschlußfrist nichts getan sei. Diese Bezeichnung enthebe nicht der Prüfung, wie weit die Verjährungsvorschriften auf sie anwendbar seien.
Dem Revisionswerber ist beizupflichten, daß diesfalls Ruhen des Verfahrens deshalb vereinbart wurde, um das Ergebnis des Sachverständigengutachtens über den Zeitpunkt des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners in einem anderen Prozeß abzuwarten, und daß der Beklagte auf die "Verjährungseinrede" verzichtet hat. Allein das Sachverständigengutachten im Rechtsstreit 3 Cg 29/67 des LG Linz wurde dem Kläger am 14. 5. 1968 zugestellt und bei der Verhandlung vom 25. 9. 1968 ergänzt. Die oberstgerichtliche Entscheidung 6 Ob 214/70, mit der das Verfahren 3 Cg 29/67 des LG Linz beendet wurde, wurde dem Kläger am 30. 11. 1970 zugestellt. Ungeachtet dessen stellte der Kläger den Antrag auf Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens erst am 20. 9. 1971. Da der Kläger taugliche Gründe zur Rechtfertigung der Dauer seiner Untätigkeit nicht behauptet und unter Beweis gestellt hat (MGA ABGB[29] § 1497 ABGB/42 a), ist das Berufungsgericht zutreffend von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens ausgegangen.
Wohl ist der Verzicht des Beklagten auf die Geltendmachung der Einrede der - nicht in Betracht kommenden - Verjährung auch als Verzicht auf die Verjährungseinrede anzusehen. Aber auch dieser Verzicht gilt, da er nach dem Verhandlungsprotokoll vom 25. 9. 1967 auf Ersuchen des Klägers abgegeben und auf die Dauer des Sachverständigengutachtens K abgestellt wurde, nach Treu und Glauben nur bis zur Erstattung des Gutachtens (Mai und September 1968), nicht aber für die weiteren folgenden drei Jahre.
Da es sich um die Wahrung einer Ausschlußfrist handelt, konnte auch von Amts wegen darauf Bedacht genommen werden (MGA ABGB[29] § 1491 ABGB/4; ferner 2 Ob 289, 346/69).
Ist aber die Anfechtungsfrist mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens nicht gewahrt, dann ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, sowohl dem geltend gemachten Anfechtungsgrund nach § 30 Abs 1 Z 1 KO als auch jenem nach § 31 Abs 1 Z 2 KO der Boden entzogen.
Da der geltend gemachte Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO nicht gegeben ist, war der Revision der Erfolg zu versagen.
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