Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei (fortan: Antragsteller) ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina. Die Gegnerin der gefährdeten Partei (fortan: Antragsgegnerin) ist Österreicherin. Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren beide Parteien bosnische Staatsangehörige. Ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten die Parteien zuletzt in Salzburg. Seit Ende 2008 leben die Streitteile getrennt. Die Ehe der Streitteile ist aufrecht. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig.
Das Erstgericht wies das Begehren des Antragstellers auf einstweiligen Unterhalt ab. Es legte seiner rechtlichen Beurteilung unter Berufung auf § 18 Abs 1 Z 1 IPRG näher bezeichnete Bestimmungen des Familiengesetzes der Föderation von Bosnien und Herzegowina vom 6. Juni 2005 zugrunde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es wandte gestützt auf § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht an und erachtete das Sicherungsbegehren deshalb für nicht berechtigt, weil der Antragsteller infolge mehrfacher Gewalttätigkeiten gegen die Antragsgegnerin einen Unterhaltsanspruch verwirkt habe.
Das Rekursgericht ließ nachträglich den Revisionsrekurs zu mit folgender Begründung:
„Bei der Beurteilung, ob Rechtsmissbrauch vorliegt, sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (1 Ob 171/02g; aus jüngerer Zeit 7 Ob 211/07s; 8 Ob 79/07m). Seit Inkrafttreten des EheRÄG 1999 sind bei Beurteilung des Rechtsmissbrauchs aber auch die neuen Wertungen des § 68a EheG (der nach den Erwägungen des Gesetzgebers für bestimmte Härtefälle als Ausnahmeregelung gedacht sein soll) zu berücksichtigen, sodass möglicherweise auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles das von diesem Rekursgericht als rechtsmissbräuchlich beurteilte Unterhaltsbegehren nicht als solches zu bewerten bzw auch die Zuerkennung eines geminderten Anspruchs in Analogie zu § 68a Abs 3 EheG denkbar ist."
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 4 EO) - Ausspruch des Rekursgerichts unzulässig; dies ist wie folgt - kurz (§ 528a ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 4 EO) - zu begründen:
1. Die Anwendung österreichischen Rechts durch das Rekursgericht beanstandet der Antragsteller nicht.
2. Eine vom Rekursgericht angesprochene Relevanz des - Unterhalt nach Scheidung betreffenden - § 68a EheG macht der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht geltend (vgl dazu 1 Ob 171/02g = EvBl 2003/114 = JBl 2004, 45 [Kerschner]; RIS-Justiz RS0117457); auf diese Frage ist daher nicht einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0102059).
3. Die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB ist zu bejahen, wenn die Geltendmachung und Gewährung eines Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten als grob unbillig erschiene (RIS-Justiz RS0009766; Koch in KBB² § 94 ABGB Rz 21 mzN). Bei der Beurteilung, ob Rechtsmissbrauch im zuvor dargestellten Sinn vorliegt, sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS-Justiz RS0047080 [insb T3]). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit stellt die Frage des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs bei aufrechter Ehe wegen Rechtsmissbrauchs nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar, wenn dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dies trifft hier nicht zu:
3.1. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin tätlich angegriffen, sie mit dem Umbringen bedroht, hat ihr bestimmte Verhaltensweisen (Reinigungsrituale) vorgeschrieben, ihr innerhalb der Wohnung das Schließen von Türen verboten, er hat sie überwacht, kontrolliert und ihr zu Unrecht lesbische Beziehungen vorgeworfen. Dieses Verhalten des Antragsgegners zog sich über Jahre hin und war derart massiv, dass es bei der Antragsgegnerin zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen führte. Wenn das Rekursgericht dieses Verhalten des Antragstellers - unabhängig von der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (vgl dazu Stabentheiner in Rummel3, § 94 ABGB Rz 18) - als ausreichend erachtete, um in dessen Begehren nach Unterhalt Rechtsmissbrauch zu erkennen, dann stellt dies keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende unvertretbare Einzelfallbeurteilung dar (vgl 2 Ob 558/78 = EFSlg 30.648; 10 Ob 537/87 = EFSlg 55.920).
3.2. Soweit sich der Antragsteller im Zusammenhang mit seinen Verhaltensweisen auf eine psychische Erkrankung beruft, negiert er entscheidungswesentliche Aspekte des vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalts. Demnach stand das Verhalten des Antragstellers „zwar im Zusammenhang mit dessen psychischer Erkrankung, doch (konnte) nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller anlässlich einzelner Vorfälle dispositions- oder diskretionsunfähig gewesen wäre" (zum notwendigen Verschulden an den Verfehlungen vgl 8 Ob 307/98z; Schwimann/Ferrari in Schwimann³, § 94 ABGB Rz 33 mzN); der - dem Antragsteller obliegende (vgl RIS-Justiz RS0056498; allgemein dazu RIS-Justiz RS0037797) - Nachweis eines seine Verantwortlichkeit ausschließenden Geisteszustands hinsichtlich der ihm angelasteten Verfehlungen ist somit nicht gelungen.
3.3. Ein wegen Rechtsmissbrauch verwirkter Unterhaltsanspruch ist endgültig erloschen (1 Ob 303/00s = EvBl 2001/109 = EFSlg 95.231; Koch in KBB² § 94 ABGB Rz 21). Der zeitweilig wieder gemeinsame Haushalt der Streitteile, führte daher nicht zum Wiederaufleben eines Unterhaltsanspruchs des Antragstellers. Die Zurückziehung des Antrags nach § 382b EO durch die Antragsgegnerin erfolgte im Übrigen nicht wegen einer Verbesserung der Beziehung der Streitteile, sondern weil der Antragsteller Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Ehescheidung zeigte.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 4 EO) ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO (in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 4 EO). Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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