OGH 10Ob537/87 (10Ob538/87)

OGH10Ob537/87 (10Ob538/87)22.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef T***, Detektiv, 1210 Wien, Amtsstraße 7-9/2/2, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johanna T***, Angestellte, 1160 Wien, Gutraterplatz 3/1/15, vertreten durch Dr. Walter Scherlacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltes (Streitwert S 342.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22. September 1987, GZ 47 R 2073,2074/87-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 18. Mai 1987, GZ 1 C 7/87-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.081,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger brachte vor, er sei mit der Beklagten verheiratet, ein anhängiges Ehescheidungsverfahren sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Von 1973 bis 1980 sei er Leibwächter ohne eigene Konzession gewesen, seit 1980 sei er selbständiger Detektiv (Inhaber einer Konzession eingeschränkt auf den Schutz von Personen). Durch einen Verkehrsunfall am 31. Mai 1986 sei er arbeitsunfähig geworden, während die Beklagte als Sparkassenangestellte ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von rund 17.000 S 16 mal jährlich beziehe.

Gestützt auf dieses Vorbringen begehrte der Kläger zunächst einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 8.000 ab Klagseinbringung und dehnte sein Begehren am 7. Mai 1987 auf S 9.500 monatlich aus. Die Beklagte bestritt das Unterhaltsbegehren als rechtsmißbräuchlich, der Kläger sei überdies nach dem Unfall wiederhergestellt und arbeitsfähig.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf zusammengefaßt folgende wesentliche Feststellungen:

Die Streitteile haben am 15. Jänner 1965 geheiratet. Ein seit 22. März 1984 anhängiges Scheidungsverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Bis 1973 gestaltete sich die Ehe weitgehend unauffällig. Der Kläger arbeitete als Schlossergeselle und leistete seinen Beitrag zu den gemeinsamen Lebenshaltungskosten. 1973 kündigte er sein Arbeitsverhältnis, weil seinen Gehaltsforderungen nicht entsprochen wurde. Danach war er arbeitslos und zeigte wenig Interesse an einer Beschäftigung. Fallweise übte er eine Tätigkeit als Begleitschutz aus, leistete aber keinerlei Beitrag zum gemeinsamen Unterhalt. 1981 erhielt der Kläger eine Konzession als Detektiv, eingeschränkt auf den Schutz von Personen. An seinen völlig unzureichenden Einkommensverhältnissen änderte sich nichts, er leistete nach wie vor keinen Beitrag für die Ehegemeinschaft.

Die Beklagte ist seit 1963 Sparkassenangestellte, hat nun eine gehobene Position und bezieht einschließlich aller Zuschläge, Sonderzahlungen und Überstundenentgelte ein Monatsnettoeinkommen von rund S 29.000. Seit 1973 kam die Beklagte praktisch für die gesamten, auch die außergewÄhnlichen Kosten der gemeinsamen Lebensführung auf. Es kam häufig zu Auseinandersetzungen. Die Beklagte warf dem Kläger vor, daß er keiner Arbeit nachgehe und kein Einkommen erziele und von ihr die Finanzierung aller seiner Bedürfnisse begehre. Der Kläger war äußerst aggressiv, beschimpfte und mißhandelte die Beklagte schwer und beschuldigte sie grundlos des Ehebruches. Er richtete wiederholt eine Waffe, deren er mehrere besaß, auf sie, bedrohte sie mit dem Umbringen und versetzte sie dadurch immer wieder in Furcht und Schrecken. Nach einer Mißhandlung am 6. März 1984, welche Blutergüsse, Kontusionen, zahlreiche Kratzer und eine Lockerung der Zähne im Ober- und Unterkiefer zur Folge hatte, zog die Klägerin aus der Ehewohnung aus und wohnte für eine Woche bei einem Arbeitskollegen, mit dem sie schon seit 25 Jahren befreundet war, aber keine ehewidrigen Beziehungen unterhielt und entschloß sich, die Scheidungsklage einzubringen. Als die Klägerin in Begleitung dieses Arbeitskollegen, der sie vor Angriffen des Klägers schützen wollte, persönliche Dinge aus der Ehewohnung holen wollte, darunter ihr Sparbuch, aus dem der Kläger mittlerweile S 30.000 abgehoben hatte, bedrohte der Kläger die Beklagte neuerlich mit dem Umbringen. Es mußte die Polizei geholt werden. Ein deshalb anhängiges Strafverfahren gegen den Kläger endete mit dessen Freispruch, weil die Beklagte die Ermächtigung zur Verfolgung des Klägers zurückzug und der Staatsanwalt daher vom Strafantrag zurücktrat.

Der Kläger erschien auch am Arbeitsplatz der Beklagten, machte sie gegenüber Vorgesetzten verächtlich und beschuldigte sie des Ehebruches und des Alkoholismus.

Am 30. Mai 1986 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall und mußte zweimal urologisch operiert werden. Derzeit besteht noch eine Muskelverschmächtigung, durch die die Gehleistung des Klägers gemindert ist. Er hat daher derzeit keine Möglichkeit, seinen Beruf auszuüben und erhält eine monatliche Sozialunterstützung von S 4.986 zuzüglich der Nutzungsgebühr für die Wohnung und der Gas- und Stromkosten.

Aus diesem Sachverhalt leitete das Erstgericht ab, dem Kläger stehe wegen seiner Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Beklagten zwar grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch zu, diesen habe er aber auf Grund seiner krassen, zahlreichen Eheverfehlungen, die geradezu das Bild der Ehe prägten, und jahrelanger Verletzung der Beistandspflicht, weil er seit 1973 keinen Beitrag zum Unterhalt leistete, verwirkt. Das Verlassen der Ehewohnung könne der Beklagten unter diesen Verhältnissen nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil ein weiterer Verbleib unzumutbar gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Der Kläger habe eine so krasse Folge schwerster Eheverfehlungen begangen, daß er einen allfälligen Unterhaltsanspruch, der allerdings voraussetzen würde, daß er den gemeinsamen Haushalt zumindest zusammen mit der Beklagten geführt habe (was vom Erstgericht nicht festgestellt worden sei), verwirkt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO besteht nicht in einem Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und irgendeinem vorhandenen Beweismittel, sondern ausschließlich in einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstückes einerseits und der Zugrundelegung und Wiedergabe desselben durch das Berufungsgericht andererseits. Wenn der Revisionswerber meint, auf Grund der Aussage einer Zeugin bei einer polizeilichen Vernehmung hätte eine ehewidrige Beziehung der Beklagten zu einem Arbeitskollegen angenommen werden müssen, so macht er damit keine Aktenwidrigkeit, sondern unzulässig ausschließlich unrichtige Beweiswürdigung geltend.

Soweit sich die Rechtsrüge nicht ebenfalls in der Bekämpfung der Beweiswürdigung erschöpft, kommt ihr keine Berechtigung zu. Mit seinem Vorbringen, er sei durch seinen Verkehrsunfall arbeitsunfähig, während die Beklagte ein gutes Einkommen beziehe, stützt der Kläger seinen Unterhaltsanspruch auf § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB. Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf verwiesen, daß eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches dann anzunehmen ist, wenn die Geltendmachung des Anspruchs rechtsmißbräuchlich erfolgt (EfSlg 42.552 uva). Ein Mißbrauch des Rechtes liegt vor, wenn es auf Grund schwerwiegender, gegen die wichtigsten Grundsätze der Ehe verstoßender Eheverfehlungen sittenwidrig wäre, einen Unterhaltsanspruch zu gewähren (EfSlg 30.648 uva), wobei stets die besonderen Umstände des Einzelfalles zu prüfen sind (EfSlg 42.551 uva). Berücksichtigt man diese Grundsätze, dann steht einem jahrelangen, durch immer wiederholte schwere Drohungen und Mißhandlungen und überdies mangelnde Anstrengungsbereitschaft, zum ehelichen Unterhalt auch nur geringfügig beizutragen, gekennzeichneten Verhalten des Klägers ein Verhalten der Beklagten gegenüber, das über bloße Reaktions- und Abwehrhandlung gegen die schweren Eheverfehlungen des Klägers in keiner Weise hinausging. Dazu kommt noch, daß der Kläger nach den Feststellungen nur nicht in der Lage ist, einer Tätigkeit als Begleiter zum Personenschutz nachzugehen, mit welcher er schon bisher ohnedies kein erwähnenswertes Einkommen erzielen konnte, ihm andere unselbständige Arbeiten auf Grund seines Gesundheitszustandes aber durchaus zuzumuten wären. Die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches stellt sich daher unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände als so grob unbillig dar, daß sie als Rechtsmißbrauch angesehen werden muß.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte