Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.187,28 EUR (darin enthalten 197,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger war am 27. 8. 2006 Gast in einem von der Zweitbeklagten betriebenen Lokal. Der über Vermittlung eines Securityunternehmens als Türsteher eingesetzte Erstbeklagte, gegen den das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, wurde wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 1 StGB rechtskräftig verurteilt, weil er den Kläger im Eingangsbereich des Lokals auf den Boden geworfen, ihm mehrere Fußtritte gegen den Körper versetzt und dadurch einen Bruch des linken Wadenbeins sowie des linken Knöchels zugefügt hatte.
Der Kläger begehrte aufgrund der durch Fußtritte erlittenen Verletzungen Schadenersatz und Feststellung der Haftung für künftige Schäden.
Das Erstgericht verpflichtete beide Beklagte zur Zahlung von 15.471,72 EUR, wies das Mehrbegehren von 299,28 EUR (vom Kläger unbekämpft) ab und gab dem Feststellungsbegehren statt. Das in der Hauptsache nur von der Zweitbeklagten angerufene Berufungsgericht hob das klagsstattgebende Urteil gegen die Zweitbeklagte auf, sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand insgesamt 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es warf dem Erstgericht eine „kryptische" bzw völlig fehlende Beweiswürdigung und damit einen Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO vor, soweit es die Feststellungen zum Tathergang betraf. Dieser Verfahrensmangel sei nur dann nicht relevant, falls sich die Bindungswirkung der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung auch auf die nach § 1313a ABGB in Anspruch genommene Zweitbeklagte erstrecke. Zur Frage der Bindung des Geschäftsherrn an die strafgerichtliche Verurteilung seines Erfüllungsgehilfen fehle höchstgerichtliche Judikatur.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige verurteilende Entscheidungen der Strafgerichte (verstärkter Senat vom 17. 10. 1995, 1 Ob 612/95) bedeutet, dass der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf. Maßgebend für die Beurteilung der Bindungswirkung ist in erster Linie der Spruch des strafgerichtlichen Erkenntnisses; das Zivilgericht ist nicht an jede einzelne Tatsachenfeststellung des Strafurteils gebunden (7 Ob 253/00g mzwN). Nach dem Schuldspruch des strafgerichtlichen Erkenntnisses (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) steht der Kausalzusammenhang zwischen einem Verhalten des Erstbeklagten und den Verletzungen des Klägers im Verhältnis zum Täter bindend fest. Diesen Zusammenhang zwischen der Tat und den Verletzungsfolgen, die dem Klagebegehren zugrunde liegen, hat die Zweitbeklagte im Sinn des § 267 ZPO schlüssig durch einen Verweis auf das eigene Vorbringen des Klägers anerkannt (3 Ob 507/85; Rechberger in Fasching/Konecny2 §§ 266, 267 ZPO Rz 18), indem sie vorbrachte, die Verletzung des Klägers sei entsprechend seinem eigenen Vorbringen durch den Tritt des Erstbeklagten auf den am Boden liegenden Kläger entstanden (ON 9 S 3). Erstmals in ihrer Berufung bestritt die Zweitbeklagte diesen Kausalzusammenhang zwischen Fußtritten und Verletzung (ON 25 S 4 f), was eine unzulässige Neuerung darstellt. Die dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Frage nach der Erstreckung der Bindungswirkung auf die am Strafverfahren nicht beteiligte Zweitbeklagte (vgl dazu RIS-Justiz RS0074953) stellt sich somit gar nicht, wenn die fraglichen Tatsachen außer Streit stehen und daher keines Beweises bedürfen.
2. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, endete der Bewirtungsvertrag der Zweitbeklagten erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses (RIS-Justiz RS0019248) und gehörte es zur vertraglichen Schutzpflicht der Zweitbeklagten, einen aus dem Lokal „entfernten" Gast nicht zu verletzen (5 Ob 555/78 = SZ 51/55). Bediente sich die Zweitbeklagte dabei des Erstbeklagten als Gehilfen, haftet sie für die durch den Erstbeklagten zugefügte Körperverletzung nach § 1313a ABGB, wenn das Verhalten des Erstbeklagten in den von der Zweitbeklagten zugewiesenen Aufgabenbereich fiel und für diese vorhersehbar war (RIS-Justiz RS0023482; RS0028626). Ob diese Voraussetzung des inneren Zusammenhangs zwischen der schädigenden Handlung und der Erfüllung des Vertrags (Harrer in Schwimann ABGB3 § 1313a Rz 22 f) verwirklicht ist, lässt sich nur nach den im konkreten Fall getroffenen Tatsachenfeststellungen beurteilen (1 Ob 127/07v). Das Erstgericht hat hier die Feststellungen zum gesamten Tathergang (also auch des Geschehens vor der Zufügung der Verletzungen außerhalb des Lokals) ausschließlich auf die (im Straferkenntnis gar nicht enthaltenen) Feststellungen des Strafgerichts bzw das rechtskräftige Erkenntnis gestützt, was das Berufungsgericht als Verstoß gegen die Begründungspflicht im Sinne des § 272 Abs 3 ZPO wertete. Diese Einschätzung des Berufungsgerichts begründet keine erhebliche Rechtsfrage.
Da sich die dem Zulassungsausspruch zugrunde liegende Frage nicht stellt und der Rekurs des Klägers auch sonst keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt, ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Zweitbeklagte hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Im Verfahren über den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet in einem solchen Fall ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (5 Ob 110/08z; 2 Ob 175/08m).
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