OGH 6Ob35/09d

OGH6Ob35/09d26.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Elias B*****, geboren am 16. Dezember 2006, über den Revisionsrekurs des Vaters Georg B*****, vertreten durch Mag. Thomas

In der Maur, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. August 2008, GZ 44 R 323/08p-U-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. April 2008, GZ 80 P 1/07x-U-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG). Der Minderjährige wird seit September 2007 von seiner Mutter betreut. Sein Vater bezieht für ihn seit 16. 12. 2006 Kinderbetreuungsgeld von monatlich 435,90 EUR, seit 28. 9. 2007 abwechselnd Notstandshilfe und Krankengeld sowie seit 1. 4. 2008 Pensionsvorschuss in Höhe von monatlich jeweils 659,40 EUR. Er hat keine weiteren Sorgepflichten. Das Erstgericht setzte den vom Vater ab 1. 10. 2007 für seinen Sohn zu leistenden Unterhalt mit 160 EUR monatlich ab 1. 10. 2007 fest. Es ging hiebei von einer Bemessungsgrundlage von 1.095,30 EUR aus. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss in teilweiser Stattgebung des Rekurses des Vaters dahin ab, dass es diesen ab 1. 1. 2008 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 36 EUR verpflichtete, während es die angefochtene Entscheidung in Ansehung der Monate Oktober bis Dezember 2007 bestätigte. Ab 1. 1. 2008 sei das Kinderbetreuungsgeld gemäß § 42 KBGG nicht mehr in die Bemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen einzubeziehen. Das für die Unterhaltsbemessung zu berücksichtigende monatliche Einkommen des Vaters von 659,40 EUR übersteige das Unterhaltsexistenzminimum von 653,63 EUR um rund 6 EUR. Der Vater habe aber seit 28. 7. 2007 den Familienzuschlag von rund 30 EUR monatlich zur Notstandshilfe nicht bezogen. Ein Unterhaltspflichtiger habe diesen Zuschlag dem unterhaltsberechtigten Kind zuzuwenden und sei auf den fiktiven Bezug anzuspannen, wenn er eine Antragstellung auf Gewährung des Zuschlags oder die Beibringung der erforderlichen Nachweise unterlasse. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, welchen Einfluss § 42 KBGG in der seit 1. 1. 2008 geltenden Fassung habe und ob verfassungsrechtliche Bedenken, die das Rekursgericht nicht hege, gegen diese Bestimmung bestünden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der eine Abänderung dahin anstrebt, dass seine Unterhaltspflicht mit 10 EUR monatlich ab 1. 1. 2008 festgesetzt wird.

1. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden (§ 71 Abs 1 AußStrG). Der Revisionsrekurs ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG abhängt.

2. Die vom Rekursgericht für erheblich gehaltenen Fragen stellen sich im Revisionsrekursverfahren nicht. Das Kind hat ein Rechtsmittel nicht erhoben. Für die Entscheidung über den Revisionsrekurs des Vaters ist eine Befassung mit diesen Fragen nicht notwendig; ebenso nicht mit der Frage, ob ein Sachverhalt wie im Anlassfall (der Unterhaltspflichtige bezieht Kinderbetreuungsgeld für das antragstellende, unterhaltsberechtigte Kind) in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt (vgl im Übrigen aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 42 KBGG idgF: 6 Ob 200/08t; 6 Ob 219/08m; 7 Ob 223/08g (Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof); 1 Ob 224/08k; 2 Ob 240/08w; 10 Ob 112/08f [das Kinderbetreuungsgeld ist Einkommen des Unterhaltspflichtigen]).

3. Der Rechtsmittelwerber macht die Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch das Rekursgericht geltend. Der Familienzuschlag sei nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz und des Beschlusses des Erstgerichts gewesen. Hätte das Rekursgericht ihm rechtliches Gehör gewährt, hätte er vorbringen können, dass er den Antrag gestellt, das Arbeitsmarktservice aber - wohl rechtswidrig - den Familienzuschlag nicht zuerkannt habe. Erst ab 1. 6. 2008 werde der Familienzuschlag gewährt. Er sei bereit, diesen an seinen Sohn auszuzahlen. Das Rekursverfahren sei auch mangelhaft geblieben, weil das Gericht zweiter Instanz die Anspannung des Unterhaltspflichtigen auf den Familienzuschlag in Wahrheit nicht begründet habe. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung liege vor, weil das Rekursgericht übersehen habe, dass eine Anspannung Verschulden des Unterhaltspflichtigen voraussetze.

4. Wie der Oberste Gerichtshof bereits dargelegt hat, ist nach § 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG auch bei dem schweren Verfahrensmangel der Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung „selbst aufgrund der Angaben im [Revisions-]Rekursverfahren" möglich ist. Nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG zählt unter anderem die Verletzung des rechtlichen Gehörs wie die anderen Fälle des § 58 AußStrG zu den Revisionsrekursgründen. Damit ist aber auch der übrige Inhalt dieser Norm im Revisionsrekursverfahren sinngemäß anzuwenden, somit auch die Unbeachtlichkeit der darin genannten Verfahrensverstöße, falls nach § 58 Abs 1 AußStrG der angefochtene Beschluss „aufgrund der Angaben im Rekursverfahren" zur Gänze zu bestätigen ist. Wegen des ins Außerstreitverfahren übernommenen Modells der Zulassungsrevision (§ 62 Abs 1 AußStrG) ist im Verfahren dritter Instanz diesem Fall jener gleichzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof zur Ansicht gelangt, dass ein - ordentlicher oder außerordentlicher - Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen der zuletzt genannten Norm zurückzuweisen ist (§ 71 Abs 2 und Abs 3 AußStrG), weil auch in diesen Fällen eine (eingeschränkte) Überprüfung der zweitinstanzlichen Entscheidung erfolgt und damit eine im gegebenen Zusammenhang einer Vollbestätigung gleichzuhaltende Entscheidung vorliegt (3 Ob 76/08k).

5. Keiner der im Rechtsmittel genannten Gründe vermag eine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Vaters durch das Rekursgericht steht einer Zurückweisung seines Rechtsmittels nicht entgegen. Die Frage, ob dem Rechtsmittelwerber anzulasten ist, dass er von Jänner bis Mai 2008 keinen Familienzuschlag bezog, ist für die Entscheidung unerheblich. Für die Zeit ab 1. 6. 2008 - Bezug des Familienzuschlags - sieht er sich nach eigenen Angaben im Rechtsmittel in Wahrheit ohnehin nicht beschwert.

6. Nach der Rechtsprechung darf der Unterhaltspflichtige nicht soweit belastet werden, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre; ihm hat ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist (RIS-Justiz RS0008667). Als Richtsatz für die Belastungsgrenze orientiert sich die Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum des § 291b EO, ohne dass dieses jedoch eine in jedem Fall gültige starre Untergrenze bildete, sondern bei Bedarf in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden darf (RIS-Justiz RS0013458 [T2]; RS0047455). Eine genaue Berechnung der Belastungsgrenze ist nicht möglich, es ist vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen für den Unterhaltsschuldner und den Unterhaltsberechtigten noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen. Diese Grundsätze eröffnen den Gerichten somit einen Ermessensspielraum (9 Ob 507/95 SZ 68/38; RIS-Justiz RS0008667 [T2]; RS0013458 [T3]). Die Ansetzung der Belastungsgrenze im Anlassfall mit 623 EUR liegt im Rahmen dieser Rechtsprechung (vgl 4 Ob 155/06g; 6 Ob 200/07s je mwN). Aus diesem Grund wäre der angefochtene Beschluss voll zu bestätigen.

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