OGH 6Ob219/08m

OGH6Ob219/08m6.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Mehmet, geboren am 20. Dezember 1994, und Sefika, geboren am 14. Dezember 1996, Ö*****, beide *****, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirke 2, 20, 1200 Wien, Meldemannstraße 12-14, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. August 2008, GZ 44 R 351/08f-U86, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 6. Juni 2008, GZ 15 P 184/03k-U78, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen setzten die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für seine beiden minderjährigen Kinder ab 1. 2. 2008 von jeweils 184 EUR auf jeweils 121 EUR mit der Begründung herab, er sei unter anderem für seine nunmehrige Ehegattin sorgepflichtig; diese beziehe zwar Kinderbetreuungsgeld für ein 2006 geborenes Kind, gemäß § 42 KBGG sei Kinderbetreuungsgeld jedoch seit 1. 1. 2008 nicht mehr als anrechenbares Einkommen anzusehen, weshalb dem Vater nunmehr in Anwendung der Prozentwertmethode ein Abzug von 3 % für seine Ehegattin zustehe. Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 42 KBGG in der Fassung BGBl I Nr. 2007/76 bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs macht ausschließlich geltend, durch § 42 KBGG in der Fassung seit 1. 1. 2008, wonach Kinderbetreuungsgeld weder Einkommen des Kindes noch Einkommen des das Kind betreuenden Elternteils ist, komme es zu einer Ungleichbehandlung einerseits von betreuten Kindern und geldunterhaltsberechtigten Kindern sowie andererseits von Kindern mit einem Elternteil, der Arbeitsentgelt bezieht, und Kindern mit einem Elternteil, der Kinderbetreuungsgeld bezieht. Damit sei § 42 KBGG BGBl I Nr. 2007/76 verfassungswidrig. Dem vermag sich der erkennende Senat - ebenso wie in der Entscheidung 6 Ob 200/08t - jedoch nicht anzuschließen:

Bisher waren nach ständiger Rechtsprechung auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Die in der Leistung liegende Zweckbestimmung allein führte noch nicht zum Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0047456). In diesem Sinne wurde etwa Kinderbetreuungsgeld des Landes Kärnten als Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn angesehen (7 Ob 174/02t; 2 Ob 59/07a). Auch das Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl I Nr. 2001/103, hat der Oberste Gerichtshof - wie schon bisher das Karenzgeld der Ehegattin des Geldunterhaltspflichtigen - als ein für die Unterhaltsermittlung relevantes Einkommen der Ehegattin qualifiziert (1 Ob 157/03z).

Durch BGBl I Nr. 2007/76 wurde jedoch das Kinderbetreuungsgeldgesetz unter anderem in § 42 geändert. Diese mit „Unterhaltsanspruch" überschriebene Bestimmung sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils gelten und nicht deren Unterhaltsansprüche mindern. § 43 KBGG normiert sodann, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gemäß § 290 EO nicht pfändbar sind. Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind von der Einkommenssteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (229 BlgNR 23. GP 7) beschränken sich im Wesentlichen auf die Wiederholung des Gesetzestextes. Auch der Bericht des Familienausschusses (250 BlgNR 23. GP 1) bietet keine näheren Aufschlüsse.

Damit brachte der Gesetzgeber aber in § 42 KBGG in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zum Ausdruck, dass er im Bereich des Unterhaltsrechts das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben will. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine ausschließlich steuerrechtliche Regelung handelt. Die steuerrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld sind vielmehr in der gesonderten, ausdrücklich mit „Pfändungsverbot und Steuerbefreiung" überschriebenen Bestimmung des § 43 KBGG geregelt.

Gegen diese Regelung bestehen - jedenfalls in der hier zu beurteilenden Konstellation - auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kommt dem einfachen Gesetzgeber bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen ein großer Gestaltungsspielraum zu (VfSlg 8605, 14.694, 16.542, 16.820; B 1.397/06). Dass andere Sozialleistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden, ändert daran schon allein deshalb nichts, weil sich das Kinderbetreuungsgeld von diesen Leistungen mit Einkommensersatzfunktion insofern unterscheidet, als es eine Abgeltung dafür darstellen soll, dass man sich dem Kind widmet (vgl Gitschthaler, Eine [kurze] Anmerkung zum neuen Kinderbetreuungsgeld aus unterhaltsrechtlicher Sicht, EF-Z 2008, 45).

Wenngleich die neue Regelung teilweise heftig angegriffen wurde und behauptet wurde, es würden gewissermaßen durch die Hintertür Zahlungen unterhaltspflichtiger Männer an die (geschiedene) Gattin erhöht (vgl „Höherer Unterhalt durch die Hintertür", Die Presse vom 3. 1. 2008, S 1 sowie die dort abgedruckten Rechenbeispiele von Tews), zeigt (auch) der vorliegende Fall, dass die neue Regelung auch den umgekehrten Effekt haben kann, dass der Unterhaltsanspruch sinkt. Nach Gitschthaler hat die Neuregelung wohl in der größeren Zahl von Fällen die Situation für die (Ex-)Gattin und die „alte Familie" des unterhaltspflichtigen Mannes verschlechtert (EF-Z 2008, 45 [46]). Diese Ausführungen betreffen jedoch lediglich die (rechtspolitische) Zweckmäßigkeit der Neuregelung. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung, allenfalls unbefriedigende Regelungen zu korrigieren (JBl 1993, 235) oder im Wege der Rechtsfortbildung oder einer allzu weitherzigen Interpretation möglicher Intentionen des Gesetzgebers Gedanken in ein Gesetz hineinzutragen, die darin nicht enthalten sind (SZ 54/120; RIS-Justiz RS0075803; 8 ObA 70/07p; RIS-Justiz RS0008831, RS0009099, RS0008880).

Soweit der Revisionsrekurs versucht, die Verfassungswidrigkeit des § 42 KBGG an Hand von Beispielen aufzuzeigen, in denen unterhaltsberechtigte Kinder selbst Kinderbetreuungsgeld für ihre eigenen Kinder beziehen, braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.

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