OGH 8ObA70/07p

OGH8ObA70/07p22.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eva G*****, vertreten durch Dr. Günter Niebauer und Dr. Karl Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch DLA Weiss-Tessbach, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen US-Dollar 65.000 (EUR 51.900,35) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Juli 2007, GZ 10 Ra 24/07f-47, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17. Oktober 2006, GZ 25 Cga 189/03a-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.798,02 (darin enthalten EUR 299,67 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Firma MS Z***** GesmbH mit Sitz in Wien wurde im September 2003 mit der W. K***** GmbH verschmolzen. Sie ist seit 1. 1. 2002 Mitglied des Fachverbandes der Seeschifffahrtsunternehmungen Österreichs in der Wirtschaftskammer Wien.

Die Beklagte mit Sitz in Wien, ist Mitglied des Fachverbandes der Seeschifffahrtsunternehmungen Österreichs.

Eigentümerin des Motorschiffes „Z*****" eines Frachtschiffs mit einer Länge von rund 100 m und einer Leistung von rund 1500 kW war die MS Z***** Gesellschaft mbH. Diese schloss am 1. 10. 1991 mit der Beklagten einen vom „Baltic and International Maritime Council" (BIMCO) international aufgelegten Standardvertrag für Schiffsmanagement (Codename „Shipman"), der mit 1. 1. 1992 in Kraft trat.

In diesem - vom Ersturteil in seinem vollen Wortlaut (in deutscher Übersetzung) wiedergegebenen Vertrag - verpflichtete sich die Beklagte (in der Folge: Management), das Schiff zu verwalten, sich nach besten Kräften zu bemühen, die vertraglich vereinbarten Managementleistungen für die Eigentümer gemäß der ordentlichen Schiffsmanagementpraxis zu erbringen und die Interessen der Eigentümer in allen Bereichen im Zusammenhang mit der Erbringung der vertragsmäßigen Leistungen zu schützen und zu fördern. Das Management sollte berechtigt sein, verfügbares Material, Arbeitskräfte und Dienstleistungen in einer Art und Weise zuzuteilen, die es unter den gegebenen Umständen für angemessen und sinnvoll erachtete.

Punkt 2.3 lautet: „Nach Maßgabe der Bestimmungen und Bedingungen dieses Vertrages übt das Manangement während der Dauer dieses Vertrages als Vertreter und namens der Eigentümer jene der folgenden Funktionen hinsichtlich des Schiffes aus, die jeweils in Feld 5 bis 14 in TEIL1 angegeben worden sind:

*) (i) Besatzung (siehe Art. 3)

*) (ii) Technisches Management (siehe Art. 4)

*) (iii) Versicherung (siehe Art. 5)

*) (iv) Frachtmanagement (siehe Art. 6)

*) (v) Buchhaltung (siehe Art. 7)

*) (vi) Charter (siehe Art 8)

*) (vii) Verkauf oder Kauf des Schiffes (siehe Art. 9)

*) (viii) Proviant (siehe Art. 10)

*) (ix) Bunkern (siehe Art. 11)

*) (x) Betrieb (siehe Art. 12)

In den in Klammern angeführten Vertragspunkten sind die jeweiligen

Managementbereiche inhaltlich näher geregelt.

Punkt 14 (Einnahmen und Ausgaben namens der Eigentümer) lautet:

Sämtliche Einnahmen des Managements gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags (bei denen es sich nicht um von den Eigentümern an das Management zu bezahlende Gelder handelt) sowie sämtliche Zinsen aus diesen Einnahmen werden zugunsten der Eigentümer auf eigenem Bankkonto verwahrt. Sämtliche vom Management gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags im Namen der Eigentümer getätigte Ausgaben können von dem angeführten Konto der Eigentümer in Abzug gebracht werden, sind jedoch in jedem Fall von den Eigentümern auf Verlangen des Managements an dieses zu bezahlen.

Die Eigentümer verpflichteten sich, dem Management für dessen Leistungen einen jährlichen Grundpauschalbetrag als Managementhonorar in monatlichen Raten zu zahlen. Nach Punkt 14.4. haben die Vertragsparteien einvernehmlich eine angemessene Herabsetzung des Managementhonorars zu vereinbaren, falls sich die Eigentümer dazu entschließen, das Schiff länger als drei Monate aufzulegen. Nach Punkt 16.6 ist das Management unbeschadet der Bestimmungen dieses Vertrags unter keinen Umständen verpflichtet, eigene Geldmittel für die Finanzierung von Managementleistungen aufzuwenden oder sich dazu zu verpflichten.

Das unter Punkt 7. von der beklagten Partei übernommene Frachtmanagement wurde an eine in Hamburg niedergelassene Befrachtungsgesellschaft übertragen, wobei nicht feststellbar ist, ob diese Übertragung durch den Eigentümer oder durch die beklagte Partei erfolgt ist.

Ebenso wurde die Bemannung des Schiffes einer in Malta niedergelassenen Gesellschaft übertragen. Es ist ebenfalls nicht feststellbar, ob diese Übertragung durch den Eigentümer oder durch die beklagte Partei erfolgte.

Die beklagte Partei erhielt für ihre Tätigkeiten im Rahmen des Schiffsmanagements eine Gebühr („Management fee"), die vom Umsatz oder vom Gewinn oder Verlust unabhängig war. Der wirtschaftliche Erfolg des Schiffes kam ausschließlich der Eigentümergesellschaft zu. Zwischen dem in Malta niedergelassenen Unternehmen und Hans-Werner G***** wurde am 19. 5. 2000 ein Dienstvertrag - der ebenfalls in seinem Wortlaut (in deutscher Übersetzung) einen Bestandteil der Feststellungen des Ersturteils bildet - abgeschlossen. In der Nacht zum 16. auf den 17. 9. 2000 lief das Schiff aus dem Hamburger Hafen aus und steuerte in Richtung Norwegen. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verschwand Hans-Werner G***** vom Schiff. Mit Beschluss des Amtsgerichts Walsrode, der seit 5. 8. 2002 rechtskräftig ist, wurde Hans-Werner G***** für tot erklärt. Als Zeitpunkt des Todeseintritts wurde der 17. 9. 2000 24 Uhr festgestellt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung des Euro-Gegenwerts von US-Dollar 65.000. Die beklagte Partei sei Reeder des unter österreichischer Flagge registrierten Schiffs „MS Z*****". Sie sei Witwe nach dem Kapitän des Schiffs, der in der Nacht vom 16. auf den 17. 9. 2000 offenbar durch einen Unglücksfall über Bord gegangen und in der Folge für tot erklärt worden sei. Aufgrund des Kollektivvertrags für die Beschäftigten der österreichischen Hochseeschifffahrt in der vom 1. 1. 1995 bis 31. 12. 2001 geltenden Fassung habe die Reederei im Fall eines durch einen Arbeitsunfall bedingten Ablebens eines Besatzungsmitglieds den Betrag von US-Dollar 65.000 zu bezahlen. Wenn die „MS Z*****" auch nicht im Eigentum der beklagten Partei gestanden sei, ändere dies nichts an deren Reedereieigenschaft. Aus dem Bereederungsvertrag ergebe sich, dass die beklagte Partei für den Betrieb des Schiffes umfassend tätig geworden sei und die nach dem Schifffahrtsgesetz von einer Reederei wahrzunehmenden Aufgaben zu erfüllen gehabt habe. Die beklagte Partei sei insbesondere für die Bemannung zuständig gewesen und habe diese Aufgabe an ein Unternehmen in Malta weitergegeben. Die Punkte 5 bis 14 des Bereederungsvertrags hätten typische Aufgaben einer Reederei beinhaltet. Dafür habe die beklagte Partei ein „management fee" erhalten. Die beklagte Partei sei daher Vertragsreeder im Sinn der §§ 484, 510 HGB. Sie sei auch Reeder im Sinn der §§ 16 ff des österreichischen Seeschifffahrtsgesetzes. Die Beklagte sei auch Mitglied des Fachverbands der Schifffahrtsunternehmungen Österreichs. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und führte im Wesentlichen aus, nicht Reeder der MS Z***** zu sein. Die beklagte Partei habe sich in dem standardisierten Managementvertrag zur Erbringung gewisser Managementleistungen für die Schiffseigentümerin verpflichtet. Dabei habe sie die Interessen der Eigentümerin zu wahren gehabt, ihre Aufgaben weisungsgebunden und lediglich als Vertreterin und für Rechnung und im Namen der Eigentümerin auszuüben gehabt. An Gewinn oder Verlust des Schifffahrtsbetriebes sei sie nicht beteiligt gewesen. Für ihre Leistungen habe sie lediglich eine Managementgebühr erhalten. Damit sei sie weder Reeder im Sinn des § 484 HGB noch Ausrüster im Sinn des § 510 HGB. Im Übrigen liege Streitanhängigkeit vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtlich gelangte es zu dem Ergebnis, dass die beklagte Partei weder als Reeder noch als Ausrüster zu qualifizieren sei, sodass die erhobenen Ansprüche nicht gegenüber der beklagten Partei geltend gemacht werden könnten.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin das erstgerichtliche Urteil und ließ die ordentliche Revision zu. Rechtlich folgerte es zusammenfassend, dass eine von der beklagten Partei eingewendete Streit- bzw Rechtsanhängigkeit schon mangels Parteienidentität nicht vorliege.

§ 2 Z 7 öSeeschifffahrtsG folge ausdrücklich der handelsrechtlichen Bestimmung des § 484 HGB. Danach sei Reeder der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Die Argumentation der Klägerin im Hinblick auf das bloße Vorhandenseins eines wirtschaftlichen Eigentums sei schon deshalb nicht überzeugend, weil

§ 484 HGB über das Eigentum hinaus ein „Dienen zum Erwerb durch Seefahrt" fordere, sodass der dem § 484 HGB innewohnende Eigentumsbegriff nur im Rechtssinn, somit als dingliches Vollrecht an einer körperlichen Sache verstanden werden könne. Dass dem österreichischen Seeschifffahrtsrecht ein anderer „Reederbegriff" zu unterstellen sei, sei wenig nachvollziehbar, definiere es doch im Rahmen der Begriffsbestimmung des § 2 Z 7 Seeschifffahrtsgesetz den „Reeder" wortgleich wie im HGB unter ausdrücklichem Verweis auf dessen § 484.

Hier liege auch der erforderliche Erwerb durch die Seefahrt weder im Sinn eines unmittelbaren noch eines mittelbaren Erwerbs vor. Es sei dabei jedenfalls die Benützung eines „eigenen" Schiffes bei der Erwerbstätigkeit erforderlich. Dies sei hier jedenfalls nicht der Fall. Auch eine Qualifikation der beklagten Partei als Ausrüster bzw Scheinreeder im Sinn des § 510 HGB scheide aus. Eine solche setze nämlich voraus, dass ein im fremden Eigentum stehendes Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für eigene Rechnung, im Sinn der herrschenden Meinung im eigenen Namen benutzt werde. Vorliegend könne bereits die erforderliche tatsächliche Verwendung des Schiffs verneint werden, weil der Begriff der Verwendung im § 510 HGB enger als der des Dienens im § 484 HGB sei. Letztlich sei aber entscheidend, dass die von der beklagten Partei erbrachten und von der Eigentümerin des Schiffs beauftragten Leistungen jedenfalls nicht auf eigene Rechnung erledigt wurden, sodass ein wesentliches Kriterium der Einordnung der beklagten Partei als Ausrüster im Sinn des § 510 HGB nicht erfüllt sei. Für den in der Berufung vertretenen Standpunkt, dass der im Jahr 2000 in Geltung befindliche Kollektivvertrag unter dem Begriff Reeder auch die vertraglich übernommenen Tätigkeiten der beklagten Partei einschließe, gebe es keine Hinweise. Allein der Umstand, dass in einem folgenden Kollektivvertrag (in Kraft getreten am 1. 1. 2002) im Geltungsbereich neben der Reederei auch „von einer anerkannten österreichischen Ship Management Organisation, durch die Seeschiffe bereedert werden, die Rede sei und damit Management und Kontrolle von Österreich erfolge", könne auch unter Berücksichtigung der objektiv teleologischen Interpretation nicht zwingend den Schluss zulassen, dass bereits zum Zeitpunkt des Unglücksfalls neben der Reederei auch weitere Unternehmungen miteinbezogen werden sollten. Es sei nämlich darauf hinzuweisen, dass durch die Aufnahme der erwähnten Managementorganisation nur solche Unternehmen gemeint sein können, denen gleich einem Reeder (arg: „bereedert") umfassende Aufgaben übertragen wurden (arg: ...somit Management und Kontrolle....), ohne selbst aber die rechtliche Eigenschaft eines Reeders im dargestellten Sinn zu besitzen. Nach den Feststellungen könne eine solche „Reedertätigkeit" der beklagten Partei nicht unterstellt werden. Die diesbezügliche Nichtbeweisbarkeit gehe zu Lasten der anspruchswerbenden Klägerin.

Weiters sei festzuhalten, dass der zum Zeitpunkt des Unglücksfalls in Kraft stehende Kollektivvertrag nicht bloß den Reeder im Sinn des § 484 HGB umfasse, sondern auch einen solchen nach § 510 HGB, weil in der Formulierung in dessen Geltungsbereich (§ 1) von „gemieteten Schiffen" die Rede sei und damit die Eigentümereigenschaft, die unabdingbare Voraussetzung für den Reederbegriff des § 484 HGB sei, vernachlässigt werde. Charakteristisches Merkmal des Ausrüsters sei aber, dass das Schiff zum Erwerb durch Seefahrt (durch den Nichteigentümer auf eigene Rechnung) Verwendung finde, was hier auszuschließen sei. Insgesamt könne von einer „verwaltenden Reederei" nur dann gesprochen werden, wenn diese ein Unternehmen auf eigene Rechnung leite, also das wirtschaftliche Risiko übernehme. Der Verwaltervertrag müsste demnach so gestaltet sein, dass dem Verwalter die volle Handlungsfreiheit, das Seeverkehrsunternehmen nach eigenen wirtschaftlichen Überlegungen für eigene Rechnung zu führen, überlassen werde. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht, vielmehr sei der wirtschaftliche Erfolg des Schiffs ausschließlich der Eigentümergesellschaft zugekommen. Das Erstgericht habe daher zutreffend das Klagebegehren wegen fehlender Passivlegitimation der beklagten Partei abgewiesen.

Die Revision sei zuzulassen, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhänge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, da der Auslegung von Kollektivverträgen regelmäßig über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die von der Rechtsmittelwerberin gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Wenn - wie im vorliegenden Fall - das Berufungsgericht nur auf weitere Beweisergebnisse verweist oder bislang nicht ins Treffen geführte Argumente zur Untermauerung der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung heranzieht, kann von einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nicht gesprochen werden (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 127 mwN). Gemäß § 484 HGB ist Reeder Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Nach herrschender Auffassung kann nur der Eigentümer eines Schiffes Reeder sein (Rabe Seehandelsrecht4 § 484 Rz 1). Ein unmittelbarer Erwerb durch Seefahrt liegt vor, wenn das Schiff Personen oder Güter gegen Entgelt über See befördert oder dort seiner Bestimmung nach Schlepp- oder Bugsierdienste leistet. Es genügt auch ein mittelbarer Erwerb durch Seefahrt, das heißt ein Erwerb durch eine erst infolge der Seefahrt ermöglichte Tätigkeit, zB der Erwerb durch Hochseefischerei, durch Walfang, durch Bergung oder Hilfeleistung in Seenot, durch gewerblichen Lotsendienst mit Lotsenschiffen auf See, durch Kabellegung, durch Eisbrecherdienste sowie durch ausschließliche Beförderung eigener Waren (Rabe aaO Einf Rz 20 mwN).

Gemäß § 2 Z 7 Seeschifffahrtsgesetz (BGBl Nr 174/981) ist „Reeder":

Der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden österreichischen Seeschiffes (§ 484 HGB).

Auch in ihrer Revision vertritt die Klägerin die Rechtsansicht, dass „Reeder" nicht strikt im Sinn der Legaldefinitionen nach §§ 484 HGB und 2 Z 7 Seeschifffahrtsgesetz zu verstehen sei, sondern beim Eigentümerbegriff auf wirtschaftliche Verhältnisse beim Betrieb und

der Führung eines Schiffs abgestellt werden müsse, was sich aus der

historischen Entwicklung, aber auch unmittelbar aus dem Gesetz ergebe

und vor allem für den Kollektivvertrag maßgeblich bleibe. Ungeachtet

seiner Begriffsdefinitionen unterscheide der Gesetzgeber selbst

zwischen Eigentümer und Reeder. Bei der verwaltungsstrafrechtlichen

Verantwortung werde auf Tatbestände abgestellt, die einerseits den Eigentümer, andererseits den Reeder treffen (§ 54 Seeschifffahrtsgesetz). Plakativ sei hervorgehoben, dass eine Verwaltungsübertretung begehe, wer als Eigentümer eines

österreichischen Seeschiffes die Staatsflagge eines anderen Staates

führe; hingegen sei der Reeder verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, wenn er ohne Genehmigung Reedereiflaggen oder Reedereizeichen führe.

Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Eine Unterscheidung zwischen dem Eigentümer des Schiffes und dem Reeder ist schon deswegen geboten, weil zwar jeder Reeder notwendig auch Eigentümer des Schiffes ist, nicht aber jeder Eigentümer notwendigerweise Reeder (Schaps-Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland4 § 484 Rz 1).

Soweit die Rechtsmittelwerberin damit argumentiert, dass der IV. Abschnitt „Betrieb österreichischer Seeschiffe" des Seeschifffahrtsgesetzes mit „der Reeder" untertitelt ist und Aufgaben des Reeders normiere, die im vorliegenden Fall zur Gänze der beklagten Partei vertraglich übertragen worden seien, übergeht sie, dass diesem Abschnitt gerade nicht entnommen werden kann, dass der Eigentümer als „Reeder" die ihm gesetzlich zugeordneten Aufgaben nicht delegieren können soll.

In der Folge verweist die Rechtsmittelwerberin darauf, dass der historische Gesetzgeber an den Regelfall anknüpfe, dass der Schiffseigentümer auch den Betrieb und alle damit zusammenhängenden Belange besorge, heutzutage aber Schiffsbeteiligungen als sogenannte geschlossene Fonds angeboten würden, bei denen das konkrete Investitionsobjekt und das benötigte Kapital von vornherein feststehen und der Anleger entsprechend seinem Kapitalanteil Miteigentümer des Schiffes werde. Es handle sich um ein für ein Vermögensportfolio geeignetes Investment. Ankauf des Schiffes, operativer Betrieb, Bemannung, Versicherung etc würden von einem Vertragsreeder besorgt. Nach historischer und teleologischer Interpretation sei daher der Reeder als Eigentümer im wirtschaftlichen Sinn zu verstehen, der Ausrüstung, Besatzung und Betrieb eines Seeschiffes besorge und dafür verantwortlich sei. Auch diese Argumentation kann zu keinem für die Rechtsmittelwerberin günstigeren Ergebnis führen. Die Rechtsmittelwerberin übergeht nämlich, dass die §§ 484 HGB und 2 Z 7 Seeschifffahrtsgesetz dem - immer noch - gültigen Rechtsbestand angehören, ohne dass sich an der Definition des Reeders etwas geändert hat. Auch die den „Ausrüster" betreffende Bestimmung des § 510 HGB, wonach derjenige, der ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Kapitän anvertraut, im Verhältnis zu Dritten als der Reeder angesehen wird, ist vorliegend nicht anwendbar. Nach herrschender Auffassung bedeutet die Verwendung für eigene Rechnung eine Verwendung im eigenen Namen (Rabe aaO § 510 Rz 5 mwN). Gerade an dieser Voraussetzung fehlt es aber, da nach dem vorliegenden Managementvertrag die beklagte Partei das Management „als Vertreter und namens der Eigentümer" ausübte. Im Übrigen hat das Berufungsgericht bereits zutreffend dargestellt, dass es auch am weiteren Erfordernis der „Verwendung eines Schiffs zum Erwerb durch Seefahrt" durch die beklagte Partei fehlt. Vom Erwerb durch Seefahrt kann im Sinn der obigen Ausführungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine Tätigkeit vorliegt, die erst infolge der Seefahrt ermöglicht wird. Die Verwaltung eines Schiffs gegen Entgelt stellt allerdings keine Tätigkeit durch die Seefahrt, sondern vielmehr eine solche für die Seefahrt dar. Auch die Argumentation mit einer „Vertragsreedereigenschaft" der beklagten Partei ist nicht zielführend, da der sogenannte „Vertragsreeder" weder Reeder noch Ausrüster ist, vielmehr das Schiff als Vertreter des Eigentümers, der deshalb Reeder im Rechtssinn ist, bereedert (Herber, Seehandelsrecht Seite 135). Gerade diese Voraussetzung, nämlich die Bereederung des Schiffs als Vertreter des Eigentümers in dessen Namen ist vorliegend erfüllt.

Nicht überzeugen vermögen auch die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin, dass die Beklagte jedenfalls Reeder im Sinn des anzuwendenden Kollektivvertrags sei.

Nach § 1 des Kollektivvertrags für die Beschäftigten der österreichischen Hochseeschifffahrt in der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung, findet dieser Vertrag Anwendung auf Arbeitnehmer, die auf Seeschiffen von Reedereien angeheuert werden, die dem Fachverband der Schifffahrtsunternehmungen Österreichs als Mitglieder angehören. Sie sind anwendbar auf alle von diesen Reedereien verwalteten oder gemieteten Schiffen unter österreichischer Flagge.

Die Rechtsmittelwerberin vermeint aus dem Umstand, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Unglücks im Jahr 2000 Mitglied des Fachverbands der Schifffahrtsunternehmungen Österreichs gewesen sei und das österreichische Seeschiff MS Z***** umfassend verwaltet habe, bereits die Anwendbarkeit des hier relevanten Kollektivvertrags ableiten zu können, zumal dieser ausdrücklich eine Reederei einschließe, die nicht Schiffseigentümer sei.

Die Rechtsmittelwerberin verkennt in diesem Zusammenhang, dass auch der Mieter eines Schiffs nur unter den im § 510 HGB genannten Voraussetzungen als Ausrüster und damit Dritten gegenüber als Reeder angesehen werden kann. Die Anwendung des Kollektivvertrags setzt voraus, dass das österreichische Schiff vom Reeder verwaltet oder gemietet wird und dass es sich beim Reeder um ein Mitglied des Fachverbands der Schifffahrtsunternehmungen Österreichs handelt. Das von der Rechtsmittelwerberin ins Treffen geführte Argument, dass mit der „gewählten Vertragskonstruktion der anzuwendende Kollektivvertrag glatt unterlaufen werde" überzeugt nicht, da es den Kollektivvertragsparteien anheim steht, den persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrags zu regeln. Insoweit versagt auch der Hinweis der Rechtsmittelwerberin auf § 3 ArbVG, weil es vorliegend nicht um die Frage der Abweichung einzelvertraglicher Vereinbarungen vom Kollektivvertrag, sondern vielmehr nur um die Frage der Anwendbarkeit des gegenständlichen Kollektivvertrags überhaupt geht.

Der normative Teil des Kollektivvertrags ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Regeln der Gesetzesauslegung (§§ 6 und 7 ABGB) zu interpretieren (Arb 10.062; Arb 10.447; Arb 10.494; Arb 11.694; RdW 2000/749; RdA 2002/34 uva). Maßgeblich für die Auslegung von Kollektivverträgen ist, welchen Willen des Normgebers der (verständige) Leser aus dem Vertragstext entnehmen kann, nicht aber, was der Normgeber seinerzeit wirklich gewollt oder später unverbindlich geäußert hat (Arb 8135; Arb 8553; Arb 8980 uva). Die Normadressaten einer kollektivvertraglichen Regelung, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, müssen sich nämlich darauf verlassen können, dass die Absicht der (besonders branchenkundigen) Kollektivvertragsparteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (ZAS 1993, 186 [Strasser]). So wie es nicht Sache der Rechtsprechung ist, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren, darf auch einem Kollektivvertrag nicht zu diesem Zweck eine Deutung gegeben werden, die dem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut der Norm zuwiderliefe (Arb 10.480).

Entgegen der von der Rechtsmittelwerberin vertretenen Rechtsansicht lässt sich dem Kollektivvertrag gerade nicht entnehmen, dass der Begriff des Reeders bzw der Reederei abweichend von den in §§ 2 Z 7 Seeschifffahrtsgesetz und 484 HGB enthaltenen Legaldefinitionen zu verstehen ist. Vielmehr kann den Kollektivvertragsparteien unterstellt werden, den gesetzlichen Begriff des Reeders zu kennen und für den Fall, dass dieser Begriff im Kollektivvertrag in einem anderen Sinn zu verstehen wäre, dies entsprechend deutlich zum Ausdruck zu bringen. An dieser Auslegung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der persönliche Geltungsbereich in dem seit 1. 1. 2002 geltenden „Hochseeschifffahrts-Kollektivvertrag" die Mannschaft von Schiffen umfasst, die „von einer anerkannten österreichischen Ship Management Organisation bereedert werden und somit Management und Kontrolle von Österreich aus erfolgt", zumal das Erfordernis, dass die Seeleute auf Seeschiffen von Reedereien angeheuert wurden, die dem Fachverband der Schifffahrtsunternehmungen Österreichs als Mitglieder angehören, unverändert geblieben ist. Auf die Frage, ob sich durch die Neuformulierung des persönlichen Geltungsbereichs des Kollektivvertrags überhaupt etwas an dem „Reedereibegriff" des Kollektivvertrags geändert hat, ist hier nicht einzugehen, weil es den Kollektivvertragsparteien unbenommen ist, bei neu in Kraft tretenden Kollektivverträgen auch den persönlichen Geltungsbereich zu ändern. Es kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben, inwieweit und ob die „Heuer" des vermissten Kapitäns durch das maltesische Unternehmen überhaupt zu der, nach § 8 ArbVG für die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrags erforderlichen Arbeitgebereigenschaft der hier beklagten Partei führen konnte. Die Vorinstanzen haben nämlich rechtsrichtig die Reedereigenschaft der beklagten Partei (auch) nach dem hier relevanten Kollektivvertrag verneint.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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