OGH 4Ob8/09v

OGH4Ob8/09v24.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Sigrid L*****,

2. Johann L*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Herbert Nigl, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 20.442,89 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2008, GZ 12 R 119/08w-60, mit welchem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. April 2008, GZ 25 Cg 53/06g-51, sowie das vorausgegangene Verfahren im Umfang von 13.432,05 EUR sA als nichtig aufgehoben und die Klage insofern zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 830,40 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger betreiben eine Landwirtschaft. Sie nahmen seit 2001 an zwei von der beklagten Republik Österreich angebotenen Förderprogrammen teil. Die Förderungen wurden aufgrund privatrechtlicher Verträge gewährt, die die Kläger mit der Beklagten schlossen. Im Jahr 2005 erhielten sie insgesamt 19.970,14 EUR. Im Juli 2005 entnahmen Prüfer im Auftrag der Beklagten Proben in der Obstplantage der Kläger, in denen sie in weiterer Folge Rückstände eines für diese Kultur nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels feststellten. Die Beklagte wertete dies als Verletzung der Förderrichtlinien und forderte die Kläger mit dieser Begründung auf, die erhaltene Förderung zurückzuzahlen; weiters verweigerte sie die Auszahlung eines für 2005 noch offenen Förderbetrags von 115,70 EUR. In weiterer Folge rechnete die Beklagte ihren (behaupteten) Rückforderungsanspruch von 19.970,14 EUR samt Zinsen von 357,05 EUR gegen konkret benannte Subventionsforderungen der Kläger für das Jahr 2006 in gleicher Höhe auf. Diese Förderungen waren den Klägern im Ausmaß von 13.432,05 EUR im Rahmen anderer Förderprogramme mit Bescheid zuerkannt worden; im Übrigen beruhten sie ebenfalls auf vertraglicher Grundlage.

Mit ihrer im März 2006 eingebrachten Klage begehrten die Kläger zunächst die Zahlung der noch offenen 115,70 EUR sowie die Feststellung, dass die Beklagte nicht zur Rückforderung der gewährten Förderung berechtigt sei. In der Tagsatzung vom 30. Oktober 2006 (ON 11) brachten sie vor, dass das Feststellungsbegehren nunmehr auf ein Leistungsbegehren umgestellt werde, „weil die beklagte Partei sich bereits weitere fällige Förderbeträge aufgerechnet habe, dies spätestens mit 15. 10. 2006"; es werde daher die Zahlung von 20.085,84 EUR begehrt. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2007 (ON 28) dehnten sie dieses Begehren um die von der Beklagten ebenfalls aufgerechneten Zinsen aus dem Rückforderungsanspruch von 357,05 EUR aus, sodass das Klagebegehren nach Berichtigung eines Additionsfehlers (ON 38) letztlich auf 20.442,89 EUR lautete. In der Sache brachten die Kläger vor, dass ihnen die Pflanzenschutzmittel-Rückstände unerklärlich seien; zudem sei die Beklagte aufgrund ausführlich dargelegter rechtlicher Erwägungen nicht zur Rückforderung der bereits gewährten Förderungen berechtigt. Die Beklagte brachte vor, dass die Kläger die näher dargestellten und vertraglich vereinbarten Förderrichtlinien verletzt hätten. Daher seien die Kläger aufgrund von Regelungen in den Förderrichtlinien zur Rückzahlung verpflichtet; der Anspruch auf den noch offenen Förderbetrag sei erloschen.

Nachdem die Kläger ihr Begehren auf Zahlung von (zuletzt) 20.442,89 EUR geändert hatten, wandte die Beklagte in der Verhandlung vom 22. Februar 2008 (ON 45) zudem ein, dass der Rechtsweg hinsichtlich eines Teilbegehrens von 13.432,05 EUR unzulässig sei. Die Kläger machten insofern eine Forderung geltend, die mit Bescheid zugesprochen worden sei. Zur Durchsetzung dieser öffentlich-rechtlichen Forderung stehe ihnen nur die beim Verfassungsgerichtshof zu erhebende Klage nach Art 137 B-VG zur Verfügung.

Die Kläger replizierten darauf wie folgt: Den Klägern werde ein Verstoß gegen die Förderrichtlinien vorgeworfen. Aufgrund dieses Vorwurfs sei ihnen der Klagebetrag vorenthalten worden, sodass die Kläger berechtigt seien, den Klagebetrag im Rechtsweg geltend zu machen. Weiter heißt es im Tagsatzungsprotokoll (ON 45): „Falls es sich hier tatsächlich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handeln sollte, und mit diesem Anspruch gegen eine privatrechtliche Forderung aufgerechnet worden sei, so sei auch wieder das Förderentgelt, das letztendlich mit der gegenständlichen Klage geltend gemacht worden sei zur Zahlung durch die beklagte Partei offen."

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 19.487,97 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 954,92 EUR sA ab. Über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs entschied es in den Gründen dahin, dass eine „aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrags zustehende Förderung [...] auch nach Kompensation mit einem bereits bescheidmäßig zugesprochenen Förderbetrag eine Angelegenheit des Zivilrechts" bleibe. In der Sache nahm das Erstgericht eine Sorgfaltsverletzung der Kläger an, da diese ein zunächst im Weingarten genutztes Spritzgerät vor der Verwendung in der Apfelplantage nicht ausreichend gereinigt hätten. Die vereinbarten Förderrichtlinien sähen für diesen Fall eine Rückzahlung der Subventionen vor. Die Kläger treffe jedoch kein grobes Verschulden. Daher müssten sie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts nur die auf die Apfelplantage entfallende Förderung von 954,92 EUR zurückerstatten. Im Übrigen sei die Beklagte zur Zahlung des der Höhe nach nicht substanziiert bestrittenen Klagebetrags verpflichtet.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichts sowie das vorausgegangene Verfahren in einem Teilbetrag von 13.432,05 EUR sA als nichtig auf und wies die Klage insofern zurück. Im Übrigen gab es den Berufungen beider Streitteile nicht Folge und bestätigte das Urteil dahin, dass die Beklagte zur Zahlung von 6.055,92 EUR sA verpflichtet sei; das Mehrbegehren von 954,92 EUR sA blieb abgewiesen.

Das ursprüngliche Feststellungsbegehren habe ausschließlich privatrechtliche Ansprüche betroffen, nämlich Rückforderungsansprüche der Beklagten im Hinblick auf vertraglich vereinbarte Förderungen. Mit dem später erhobenen Zahlungsbegehren hätten die Kläger jedoch im Umfang von 13.432,05 EUR öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend gemacht. Denn die Beklagte habe insofern mit ihrem eigenen - zivilrechtlichen - Rückforderungsanspruch gegen bescheidmäßig zuerkannte Ansprüche der Kläger aufgerechnet. Vor diesem Hintergrund hätten die Kläger ihr Feststellungsbegehren fallen lassen und auf ein Leistungsbegehren umgestellt. Da die Förderungen für das Jahr 2005 bereits ausgezahlt gewesen seien, habe sich dieses Begehren zwingend auf die Förderungen für das Jahr 2006 bezogen, die die Beklagte aufgrund der von ihr behaupteten Aufrechnung einbehalten habe. Die Frage, ob der zivilrechtliche Rückforderungsanspruch der Beklagten zu Recht bestehe, sei daher zu einer Vorfrage der Berechtigung des Klagebegehrens mutiert. Es könne offen bleiben, ob es sich bei den Bescheiden, die dem Leistungsbegehren im Umfang von 13.432,05 EUR zugrunde lägen, um Leistungsbescheide handle, die einen Exekutionstitel bildeten, oder ob deren Auszahlung im Weg einer Liquidierungsklage nach Art 137 B-VG vor dem VfGH geltend zu machen wäre. Denn in beiden Fällen sei der Rechtsweg nicht zulässig. Diese Unzulässigkeit führe im genannten Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung samt des vorangegangenen Verfahrens und zur Zurückweisung der Klage.

Für das verbleibende Klagebegehren teilte das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach die Sorgfaltsverletzung der Kläger zwar einen Rückforderungsanspruch begründe, jedoch keine grobe Fahrlässigkeit vorliege, weswegen die Kläger nur den vom Erstgericht angenommenen Teilbetrag zurückzahlen müssten. Nur insofern sei daher der - von der Beklagten im Übrigen nicht bestrittene - privatrechtliche Förderungsanspruch für das Jahr 2006 erloschen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts blieb in der Hauptsache unbekämpft. Die Kläger erheben jedoch Rekurs gegen die Aufhebung des Ersturteils und die Zurückweisung der Klage im Betrag von 13.432,05 EUR sA. Sie streben insofern die Wiederherstellung des Ersturteils an, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der - jedenfalls zulässige (RIS-Justiz RS0043886; RS0043861) - Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Die Gewährung von Subventionen fällt zwar in der Regel in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (RIS-Justiz RS0049755, RS0049747). Das gilt aber nicht, wenn die Förderung ausnahmsweise mit Bescheid erfolgt (7 Ob 560/95 = wbl 1996, 208; RIS-Justiz RS0049755 [T4]); in diesem Fall kann der Anspruch (nur) im öffentlich-rechtlichen Verfahren verfolgt werden (8 Ob 639/92; 4 Ob 82/93 = SZ 66/84; RIS-Justiz RS0018991). Der Rechtsweg ist in solchen Fällen unzulässig.

2. Diese Grundsätze werden von den Klägern im Rekurs nicht bestritten. Sie vertreten jedoch die Auffassung, keine öffentlich-rechtlichen Ansprüche geltend gemacht zu haben. Strittig sei vielmehr nur der Rückforderungsanspruch der Beklagten gewesen.

2.1. Für die Entscheidung, ob eine bürgerliche Rechtssache iSv § 1 JN vorliegt, ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist es, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist (stRsp, RIS-Justiz RS0045539; RS0045584; RS0045644; RS0045718;

zuletzt etwa 7 Ob 110/08i; Mayr in Rechberger, ZPO3 vor § 1 JN Rz 6;

Ballon in Fasching/Konecny2 I § 1 JN Rz 72).

2.2. Im vorliegenden Fall hatten die Kläger zunächst die Feststellung begehrt, dass der Rückforderungsanspruch der Klägerin für im Jahr 2005 gewährte Subventionen nicht bestehe. Hauptfrage des Verfahrens war daher das Bestehen dieses - zweifellos zivilrechtlichen - Rückforderungsanspruchs. Insofern war der Rechtsweg daher zulässig. In weiterer Folge rechnete die Beklagte ihren behaupteten Rückforderungsanspruch jedoch außergerichtlich gegen bestimmt genannte Subventionsforderungen der Kläger für das Jahr 2006 auf. Wenn die Kläger daraufhin ihr Begehren auf Zahlung des aufgerechneten Betrags umstellten, konnte das nur dahin verstanden werden, dass sie nun jene Subventionen begehrten, die nach Auffassung der Beklagten durch die Aufrechnung mit ihrem Rückforderungsanspruch erloschen waren. Denn anders lässt sich das Leistungsbegehren nicht erklären:

Die Kläger hatten die Subventionen für 2005 bereits erhalten; eine Rückzahlung war nicht erfolgt. Wenn die Kläger nun einen weiteren Betrag geltend machten, musste sich das zwingend auf die Subventionen des Jahres 2006 beziehen, und zwar konkret auf jene, die die Beklagte wegen der von ihr erklärten Aufrechnung nicht an die Kläger ausgezahlt hatte. Folgerichtig brachten die Kläger auch vor, dass ihnen die Beklagte den Klagebetrag wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen die Förderrichtlinien „vorenthalten" habe. Vorenthalten wurde ihnen jedoch die Förderung für 2006, nicht jene - längst ausgezahlte - für 2005. 2.3. Hauptfrage des Verfahrens war daher ab der Klageänderung das Bestehen jener Subventionsansprüche für 2006, gegen die die Beklagte mit ihrem behaupteten Rückforderungsanspruch aufgerechnet hatte. Das Berufungsgericht hat völlig zutreffend erkannt, dass damit das Bestehen des Rückforderungsanspruchs von der Hauptfrage des Feststellungsbegehrens zur Vorfrage des Leistungsbegehrens geworden war. Denn das Bestehen des Subventionsanspruchs für 2006 hing davon ab, ob die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung wirksam war; dies wiederum setzte das Bestehen des Rückforderungsanspruchs für 2005 voraus. Das Bestehen des Rückforderungsanspruchs war damit präjudiziell für die Berechtigung der nun geltend gemachten Ansprüche. Der zivil- oder öffentlich-rechtliche Charakter einer Vorfrage ist jedoch für die Zulässigkeit des Rechtswegs unerheblich (4 Ob 530/68 = SZ 41/80 für zivilrechtliche Vorfragen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs; RIS-Justiz RS0036837, RS0045567 für öffentlich-rechtliche Vorfragen eines zivilrechtlichen Anspruchs).

3. Unstrittig ist, dass die Beklagte mit ihrem behaupteten Rückforderungsanspruch unter anderem gegen eine bereits bescheidmäßig zuerkannte und damit jedenfalls öffentlich-rechtliche Subventionsforderung der Kläger von insgesamt 13.432,05 EUR aufgerechnet hatte. Da diese Förderung den Klägern - im Sinn ihres Vorbringens - wegen des Vorwurfs einer Förderrichtlinienverletzung „vorenthalten" worden war, bezog sich das Klagebegehren auch auf diesen Betrag. Insofern war der Rechtsweg daher unzulässig. Sofern die Bescheide keinen vollstreckbaren Leistungsbefehl enthielten, hätten die Kläger beim Verfassungsgerichtshof eine Klage nach Art 137 B-VG erheben müssen (Zellenberg in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Art 137 B-VG Rz 65 f mwN; Ballon in Fasching/Konecny2 I § 1 JN Rz 101 mwN; RIS-Justiz RS0045738; RS0045583). Dort hätte sich die Beklagte nur dann auf die Aufrechnung mit ihrem zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch berufen können, wenn darüber - anders als hier - bereits rechtskräftig entschieden gewesen wäre (VfSlg 16.784/2003 mwN).

4. Aufgrund dieser Erwägungen muss der Rekurs der Kläger scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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